Ludwig Tieck
Hexensabbat
Ludwig Tieck

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Ludwig Tieck

Der Hexensabbat

Novelle

In Arras lebte, in den letzten Regierungsjahren Philipp des Guten, eine reiche schöne Witwe, die sich am liebsten, da sie mit ihrem Manne nicht glücklich gewesen war, Frau Catharina nennen hörte. Sie besaß ein großes Haus in der Stadt, in welchem sie viele Gesellschaften sah, sowie vor dem Tore einen anmutigen Garten, wo in den Sommertagen ihre Freunde oft im kühlen Saale sich um sie versammelten.

Philipp, den seine Zeitgenossen den Guten nannten, war in seinem hohen Alter schwach geworden, und seine Günstlinge benutzten seine Launen und wechselnden Stimmungen, um sich zu bereichern und vieles durchzusetzen, worüber die Untertanen mit Recht Klage führen konnten. Die Mächtigen, der hohe Adel, die Reichen handelten oft nach Leidenschaft und Willkür, und jedermann war in dem wohlhabenden blühenden Lande mehr oder minder darauf angewiesen, sich selber Recht zu schaffen, und durch Kraft der Waffen Anhang oder Protektoren sich zu sichern, um nicht beeinträchtiget zu werden.

Der Herzog Philipp war mit seinem Sohne Carl gespannt. Beide hatten Ursache, sich über einander zu beklagen und Günstlinge und Schmeichler wendeten alle Künste an, um diese Verstimmung in Zwietracht und einen öffentlichen Bruch zu verwandeln.

So waren zwei Parteien im Lande, die sich entgegenarbeiteten. Die des Sohnes hatte sich verstärkt, seitdem der Dauphin von Frankreich, Ludwig, seinem alten, argwöhnischen Vater mißtrauend, sich als Flüchtling unter den Schutz des Herzogs Philipp des Guten nach Burgund begeben hatte. Der Sohn, Carl Graf von Charolais, glaubte, und wurde von seiner Umgebung in dieser Meinung bestärkt, daß der Dauphin seinen Einfluß benutze, um ihm seinen Vater Philipp ganz zu entfremden. Entfernen sich die Gemüter, die durch Bande des Bluts, durch Dankbarkeit und Wohltat verbunden sind, erst voneinander, so wird den Bösgesinnten leicht, gerade diese unversöhnlich und auf immer voneinander zu trennen.

Alle Stände litten, indem sich das Mißtrauen immer bestimmter aussprach, und sich die Parteien immer schärfer gegenüberstellten.

In einem so reichen Lande, wie es unter der Regierung Philipp des Guten alle Provinzen von Burgund waren, gab es freilich auch viele Menschen, die sich wenig um die Gefahren des Staates, oder um die zunehmende Macht Frankreichs kümmerten, und nur dafür hauptsächlich sorgten, wohlbehaglich ihr Einkommen zu verzehren, mit Verstand ihr Vermögen zu verwalten, und mit Heiterkeit das ungewisse Leben zu genießen, das so viele unter den Anstalten verlieren, indem sie es herausputzen und zu etwas Würdigerem erheben wollen. Der Kreis von Freunden und Bekannten, der sich bei der verständigen Frau Catharina versammelte, war in der Stadt Arras als ein solcher bekannt, in welchem man dem Kummer, der Furcht, den Grübeleien, oder fern- und selbst naheliegender Besorgnis keinen Raum gestattete. So wenig die kluge Frau ihren Umgang beschränkt hatte, so sehr sie gern Menschen um sich von allen Ständen sah, so zogen sich doch die finstern Gemüter, oder diejenigen, die nur dem Gewinne oder ihren Tagesgeschäften lebten, von selbst zurück, weil man wußte, daß nur von Dichtkunst, Malerei, Festen, Putz, oder lustigen Geschichten in diesem Hause die Rede war. Schien es also, daß die weltliche Freude eine zu ausschließende Rolle hier spielen dürfe, so verweigerten dennoch ernste Gemüter, und selbst angesehene Geistliche nicht, teil an dieser Heiterkeit zu nehmen, denn ein langer Friede, durch die Weisheit des Regenten erzeugt und erhalten, hatte Lust, Üppigkeit und Pracht befördert und der Herzog und sein Hof gaben das Beispiel und ermunterten zur Nachahmung, das arme Leben mit allem Glanz aufzuschmücken, dessen es fähig ist, obgleich Philipp fromm war und die Kirche und ihre Regenten hochachtete und verehrte.

Im Garten der Frau Catharine Denisel war am heitern Sommertage eine Gesellschaft versammelt, die sich an Liedern und Saitenspiel ergötzte. Beaufort, ein alter, angesehener Edelmann und Ritter war heut der vornehmste in der Versammlung, er war in der ganzen Stadt wegen seinen Sitten, seiner Freundlichkeit und Milde, sowie wegen seines großen Reichtumes geschätzt und geliebt. Er war mit seinem Sohne Friedrich zugegen, um von der artigen Frau, die er schon seit lange kannte, Urlaub zu nehmen, weil er sich in Geschäften auf einige Tage nach Gent begeben wollte. Friedrich war schwermütig, denn er entfernte sich nur ungern, selbst auf kurze Zeit, von Arras, weil er, wenn er seinen Vater nicht gefürchtet, alle Stunden seines Lebens an der Seite der Frau Catharine zugebracht hätte, die ihn gern sah, oft aber verstimmt wurde, wenn er seine Leidenschaft zu deutlich zeigte, oder in die Gesellschaft trat, in welche er nicht geladen war.

Erfrischungen, Wein, Obst und Gewürz in Zucker wurde herumgegeben, als der alte Beaufort das Wort erhob und sagte: Meine Freundin, diesen anmutigen Saal, diese glänzenden, schön gewirkten Tapeten, und Euer liebliches, holdes Antlitz, dessen Lächeln alle diese bunten Figuren bleich macht, werde ich nun auf eine oder zwei Wochen nicht sehen, denn ich habe Geschäfte in Gent mit dem großen Grafen von Etampes, dem Vetter unsers gnädigen Herzogs. Diese vornehmen Herren brauchen, eben weil sie zu Zeiten großmütig und freigebig sind, immerdar Geld; und zuweilen nehmen sie es mit der Art, es zu erringen, nicht so gar genau und christlich. Da sollen wir wieder beisteuern, und der Vorwand dazu ist ziemlich nichtig. Die Stadt, die schon genug getan hat, wird gedrückt, und soviel auch aufgebracht wird, so zerrinnt es doch unserm Herrn wieder unter den Fingern, weil er zu gütig ist.

Ein geistlicher Herr, der etwa vierzig Jahr alt sein mochte, wendete sein schönes volles Antlitz herum, sah mit klugen Augen den Ritter an, und sagte mit wohlklingender Stimme: Gewiß, Herr Ritter, hat Euer Stand, und der der Bürger, zu klagen Ursach; aber was sollen wir Geistlichen erst aussprechen? Wir, die wir so schwer vor einigen Jahren taxiert wurden, als mit so großen Feierlichkeiten der Zug gegen Konstantinopel beschlossen wurde, um den Türken wieder von dort zu vertreiben? Alle die Summen, die wir und das Land hergaben, verschwinden, und es geschieht nichts, und kann und wird niemals etwas geschehen. Und doch wird immerdar wieder Nachschuß begehrt, und immer wieder reicht die Summe nicht aus. Wenn wir aber verarmen, wie soll es der Armut ergehn, die wir ernähren müssen?

Herr Dechant, verehrter Herr Marck, antwortete der alte Ritter, Ihr findet in der Kirche immer neue Quellen, um den Verlust wieder zu ersetzen; sind aber unsre Güter verpfändet und mit Schulden belastet, dringt der Kaufmann auf plötzliche Rückzahlung, so sind wir ganz und auf immer verloren. Und doch können wir uns nicht so einschränken, wie es dem Geistlichen vergönnt ist, wie es ihm sogar zur edlen und heiligen Pflicht gemacht wird; kommt der Fürst oder dessen Sohn zu uns, gilt es einen Aufzug, ein Bankett, dem Grafen Etampes zu Ehren, oder den großen Croys, den Herren, die fast allein das Land regieren; kommt gar der Dauphin von Frankreich einmal zu uns herüber, so müssen wir in Kleidern und Livreen glänzen, und dürfen nicht fragen, um wie viel unsre Schulden zunehmen, oder wie sehr dadurch unsre Nachkommen verarmen.

Wächst uns, sagte der Dechant lächelnd, das Getreide unsichtbar nach, wie Ihr behauptet, so wißt Ihr vom Adel dagegen Künste, es auf offner Straße, in der Stadt oder auf dem Felde, am lichten Tage mit scharfer Sichel zu schneiden. Noch vorgestern ist bei Douay, unter dem nichtigsten Vorwand eines alten Zankes, ein reicher Mann aus Seeland eingefangen worden; der übermütige Ritter hat ihn gefänglich eingesteckt, und so lange gemißhandelt, bis er ihm zweitausend Goldstücke durch einen andern Kaufmann ausgeliefert hat.

Der alte Ritter stand auf und sagte mit zornigem Gesicht: Herr Dechant, Ihr seid ein wackrer Mann, aber mit der Zunge noch etwas zu jung. Ich könnte erwidern, daß die Kirche, Papst und Klerisei, mit Ablaß, Jubeljahr, und auf wie andre Weise noch, Gelder zwar nicht gewalttätig erpressen, aber doch auch, wie manche Freigesinnte sagen, durch Mißbräuche und falsche Deutung an sich bringen. Ich bin keiner dieser Freigesinnten, und will gegen die Kirche, die ich fromm verehre, nichts einwenden und vermuten, weil es unerlaubt ist. Jener gewalttätige Räuber, von dem Ihr eben sprachet, ist mir weitläuftig befreundet, aber weder ich noch andre echte und wahre Ritter werden sein Mißtun billigen oder rechtfertigen. Ich bin jetzt, unter den Augen meiner Mitbürger, siebenzig Jahr alt geworden, aber ich fordere Euch, oder wer es sei, selbst meine bittersten Feinde, auf, mir das Kleinste zu beweisen, worin ich von dem Wege Rechtens abgewichen wäre. Jeder mag sein Tun verantworten, vom Höchsten bis zum Niedrigsten. Unser glorreichster Fürst, den die Welt bewundert, ist zu alt und nachgiebig, um allenthalben, wo es nötig wäre, das Schwert der Gerechtigkeit walten zu lassen; auch erfährt er nicht alles, und so ist Gewalttat, Willkür und Laune des Hochmutes in unserm Lande freilich nicht so bewacht und bestraft, wie in Frankreich. Doch ich fühle mich rein, und darf es aussprechen; und deshalb gestehe ich Euch, daß mich Euer Wort beleidigt hat.

Der geistliche Herr erhob sich, und reichte dem alten Ritter die Hand, indem er in einem freundlichen, fast bittenden Tone sagte: Nicht so war es gemeint, mein geehrter, wackerer Freund; ein Wort gibt das andere, halb im Ernst, halb im Scherz; doch vergebt mir, wenn Ihr aus meiner Rede etwas anderes herausgehört habt, denn wahrlich, es war nicht meine Absicht, Euch im mindesten zu verletzen.

Wie kommen wir nur, sagte die freundliche Frau Catharine, auf so sonderbare, widerborstige Gespräche? Laßt die jungen Nichten der Frau Wacker wieder einmal das Lied singen, welches neulich unser Freund Labitte gedichtet hat.

So geschah es; die jungen Mädchen wurden von ihrer alten Base ermuntert, und Friedrich nahm die Laute, um sie zu ihrem zärtlichen Gesange zu begleiten. Als sie geendigt hatten, fragte der Dechant, von wem diese zärtlichen Verse gedichtet seien, die sich dem Ohr und Herzen so schmeichelnd einfügten.


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