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Der Abend kam. – Hertha schlich umher, wie im Schlafe wandelnd.
Als die Glocke zum Abendessen rief, war ihr zu Mute, als müsse sie sich irgendwo in den Bodenräumen verkriechen – nur um ihm nicht zu begegnen.
Allein ratlos und willenlos, wie sie war, widerstand sie nicht, als Elly kam, sie zur Tafel zu schleppen.
Er saß auf seinem Platze und nickte ihr freundlich zu wie immer, doch leer und steinern erschien ihr heute sein Lächeln. – Wie ganz anders sah er aus, als je vordem!
Wenn plötzlich Feuer aus seinem Munde geflossen wäre, sie hätte sich nicht gewundert. – Nun war er wirklich der Dämon, als der er ihr früher in ihren thörichten Phantasien erschienen war. – Doch, was sie damals sehnsüchtig erträumt hatte, flößte ihr jetzt Entsetzen ein.
Von Zeit zu Zeit warf sie ihm einen scheuen Blick zu. – »Wie kann man so ruhig dasitzen,« dachte sie, »und so fürchterliche Geheimnisse in seiner Brust beherbergen?«
Er war seit etlicher Zeit sehr schweigsam geworden. – Großmama behauptete, daß er sich zu Schanden arbeitete. – Auch die grimmige Falte zwischen den Brauen grub sich von Tag zu Tag tiefer in seine Stirn.
Hertha wußte nun, was diese Falte bedeutete.
Sie hätte gewünscht, er möchte sterben um dieser Falte willen. Sie haßte ihn und verabscheute sein Leiden.
Sie verabscheute auch sich selbst, denn dieser Zustand des Hasses und des Neides erschien ihr unwürdig und gemein.
»Wenn ich nur wüßte, wie ich mich vor mir selbst benehmen soll,« dachte sie, »damit ich mich nicht zu schämen brauche!«
»Ich werde beten,« beschloß sie, »vielleicht fällt mir dabei etwas ein.« Sie hätte sich gern in den dunklen Garten hinausgeschlichen, um dort mit Gott allein zu sein, aber der Regen strömte noch immer.
Beim Schlafengehen wurde sie von Elly gestört, die durchaus wissen wollte, wie man sich zu verhalten habe, wenn plötzlich um Mitternacht der Geliebte erscheine, um einen zu rauben.
Das kindische Geschwätz der Busenfreundin erfüllte sie mit Mißtrauen gegen sich selbst. – »Vielleicht benehme ich mich genau so dumm,« folgerte sie. Und weil sie es verschmähte, sich dummes Zeug auszudenken, dachte sie lieber gar nicht, sondern legte sich auf die Seite und schlief ein.
Mitten in der Nacht erwachte sie. Der Regen schien nachgelassen zu haben; dafür hatte sich ein Sturm erhoben, der die Läden schüttelte und mit Pfeifen und Sausen um die Ecken strich.
»Wollte ich nicht beten und nachdenken?« fragte Hertha, indem sie sich wohlig in den Kissen zurecht nestelte. – Sie fühlte sich freudig erregt, dem Schlafe so und so viel Stunden abgewonnen zu haben, denn selbst ihr Leiden vermochte nichts weiter, als das Gefühl unendlicher Daseinsfülle in ihr zu steigern und zu vertiefen.
Sie faltete die Hände, aber zum Beten fehlte ihr die Stimmung, denn in ihrer Seele quirlte und toste es von gewaltsamen Thaten und erhabenen Ideen. – Allgemach klärte sich dieses Chaos, und in siegreicher Reinheit stieg der große Entschluß, dessen sie bedurfte, daraus empor.
Sie wird entsagen.
Entsagen allen Träumen des Glücks und der Hoffnung, entsagen allen nichtigen Freuden, womit gedankenlose Wesen ihre Jugend schmücken, entsagen allem gleisnerischen Tand der Welt. Still und groß wird sie sich der Not des Nächsten opfern, den Tod in der Brust und ein Lächeln auf den Lippen. – Ja, so sollte es sein.
Und süße Thränen weinend, dämmerte sie aufs neue in den Schlaf hinüber.
Als sie morgens die Augen aufschlug, leuchtete die Sonne ihr grüßend entgegen.
Was in der Nacht geschehen war, erschien ihr nun als ein gottgesandter Traum, ein Wunder, das der Himmel an ihr gethan hatte, um ihre Seele aus der Verzweiflung zu erretten.
Sie küßte Elly mit doppelter Innigkeit und erschöpfte sich in ergebungsvollen Diensten gegen jedermann, weil dies am besten zu ihrer seraphischen Stimmung paßte.
Allein schon während des Frühstücks, als sie Leo nur eben begegnete, fühlte sie die bittere, krampfige Not, die sie für immer überwunden wähnte, von neuem in sich erwachen.
Diese Wiederkehr beunruhigte und ängstigte sie.
»Gewiß ist mein Entschluß noch zu schwach,« dachte sie, »um allen Versuchungen dieser Welt widerstehen zu können, ich muß ihn durch ein besonders feierliches Gelübde kräftigen und heiligen, so daß es eine schwere Sünde wird, wenn ich ihm zuwider handle.«
Allein wie sehr sie auch nachsann, keine Handlung erschien ihr heilig und furchtbar genug, daß sie ihr eine solche Kraft hätte zutrauen können.
Endlich fand sie, was sie suchte:
Nach der Freundschaftsinsel wird sie hinüberrudern, jener Stätte, wo alle düstern Geheimnisse ihre Heimat haben: dort, vor dem blutbespritzten Opfersteine wird sie betend niederknien, wird sich sodann eine Ader öffnen und über dem rinnenden Blute das Gelübde sprechen, das ihrem Sehnen und Hassen ein Ende machen soll für immerdar. – –
In weihevoller Erwartung verrannen die Stunden.
Bald nach dem Vesperkaffee stahl sie sich fort, den Schlüssel zum Badehäuschen in der Tasche.
Auf den weiten Wiesenflächen toste der Wind … Blutrot, von Wolkenfetzen halb verdeckt, stand die Sonne am Himmel … Der grasige Weg war vom Regen durchweicht, und mehr als einmal blieben ihre Füße unter Gurgeln und Quatschen in dem Morast stecken.
Aber unaufhaltsam eilte sie weiter.
Wie Schemen wichen die falben, halbzerzausten Weiden hinter ihr zurück … Die schwarzweiße Schafgarbe schüttelte sich im Winde … Gebrochen und angefault, zum schwammigen Mischmasch zerstampft, lagen alle die Blumen am Boden, die in vergangenen Sommertagen den Wiesenpfad so lieblich umsäumt hatten.
Als sie vom Damme aus den Strom in endlos leuchtender Fläche vor sich liegen sah, erschrak sie, denn heute war er fast noch einmal so breit und reißend als sonst, – Gewiß trug der Regen der letzten Tage die Schuld.
Die Boote hatten bis fast zur Höhe des Dammes emporgezogen werden müssen, und in dem Röhricht, das man sonst leidlich trockenen Fußes durchschritt, brachen sich zischelnde Wasser … Unheimlich war es zu hören, wie die dürren, kolbengekrönten Halme, von Wind und Wogen gepeinigt, mit sausendem, raschelndem Laute aneinander schlugen … Für einen Augenblick war ihr zu Mute, als müßte sie von dem tollkühnen Vorhaben abstehen … Aber schon im nächsten erwachte ihr Trotz. –
»Wenn's mir Ernst ist mit meinem Gelübde,« sprach sie zu sich, »so darf mich keine leibliche Gefahr davon zurückhalten.«
Sie löste die Kette des Bootes, das fast von selber an der Abdachung des Dammes hinunterglitt: in dem Badehaus fand sich das passende Ruderpaar, und dann ging's in die Fluten hinaus.
Es war ein harter Kampf, der jetzt begann … Schon im Bereiche des Röhrichts ergriff die Strömung das Fahrzeug und führte es in das dickste Dickicht hinein, so daß der Kiel auf umgebrochenen Halmen festsaß wie auf einer Sandbank. Die Ruder ausgreifen zu lassen, war hier unmöglich, und nur dadurch, daß sie sich mit den Händen von einem Halmbüschel zum andern fortzog, gelang es ihr, das offene Wasser zu gewinnen.
Hier nahmen sofort ein paar Strudel das Boot in Empfang und drehten es wie einen Kreisel in die Runde.
Die Zähne aufeinander beißend, stemmte sich Hertha gegen die Ruderstiele.
Ihr Busen weitete sich – in den Schläfen toste das Blut – vor den Augen schwamm ein rötlicher Fieberdunst – mit jedem Ruderschlag schien ein Teil ihrer Lebenskraft sich auszuströmen, – Aber was that's … Das Boot ließ sich meistern – es kam voran.
Und allgemach legte sich der Aufruhr ihres Blutes – die Muskeln, anstatt zu erschlaffen, stählten sich – sie wagte um sich zu schauen und ihren Weg zu bemessen.
Mit gelbbraunen Laubmassen von tanzenden Schwärmen losgelöster Blätter umwirbelt, leuchtete die Freundschaftsinsel ihr entgegen.
Ein Schrei voll hoffender Sehnsucht entrang sich ihrer Brust – aber sie mußte aufpassen, denn soeben wollte ein neuer Wirbel das Boot in seine Arme nehmen.
Zehn Minuten mochten vergangen sein, da fegten zwei welke Blätter an ihrem Kopfe vorbei und ließen sich wie flugmüde Vögel schwimmend auf dem Wasser nieder.
Sie seufzte tief und befriedigt, denn sie wußte, diese Blätter waren Boten, welche die Freundschaftsinsel ihr entgegensandte.
Und als sie sich jetzt umschaute, fand sie sich bereits im Schattenbereiche ihrer Wipfel.
Noch ein erbitterter Kampf mit der Strömung, dann fuhr sie mit einem letzten weitausholenden Ruderschlage in die Landungsbucht hinein, deren sandiger Uferplatz sich unter Wasser befand, so daß das Boot bis dicht an das bloßgelegte Wurzelwerk der Erlen hinantreiben konnte.
Mit raschem Griffe schlang sie die Kette um den kräftigsten der Knorren, knotete sie fest und schwang sich vom Bootrande aus, einen der herabhängenden Zweige umklammernd, die abschüssige Böschung des Ufers hinauf.
Für einen Augenblick hockte sie, Atem schöpfend, in dem durchnäßten Grase nieder und besah ihre zerschundenen Handflächen, an denen hie und da das Blut hervorquoll. – Das wischte sie mit der Zunge fort und lachte.
Dann sandte sie einen schüchternen Blick in das Dickicht hinein, wo dunkelrote Sonnenstrahlen sich auf gelben Blättern wiegten.
Die Quelle, welche zum Strome niederrann, wälzte schmutziggraues Regenwasser über die schlammigen Steine, vor deren jedem ein Hause niedergerissenen Blattwerks sich staute.
Die Farnwedel, welche den Bach umstanden, waren geknickt und zusammengeschrumpft: gleich runzeligen alten Weibchen standen sie da in ihren verwaschenen, braunen Lumpen … Neben ihnen machte ein fettes Gesindel von Pilzen sich breit mit glatten, kuppelförmigen Köpfen und zierlichen Zacken auf der Unterseite. Sie glänzten behaglich, als hätten sie sich in Butter gewälzt.
Voll Widerwillen vor diesen schmarotzenden Schlechtwetterexistenzen schritt Hertha daran vorbei und geriet in kahles Dorngestrüpp, welches sie arg zerzauste … Allerhand Ruten, an denen Regentropfen wie Perlenschnüre hingen, peitschten ihr ins Gesicht, und das Moos des Bodens, in welches sie tief hineinsank, füllte sich in ihren Spuren mit glänzenden Lachen.
Es war ein Weg, wie ihn im Märchen verirrte Prinzessinnen zu durchwandern haben: aber sie fürchtete sich nicht im mindesten, und als sie eine blauschwarze Brombeertraube zu ihren Füßen schimmern sah, bückte sie sich und sammelte die Beeren sorgfältig in der hohlen Hand.
Endlich lag die Lichtung vor ihr, von der niedrig stehenden Sonne in purpurnen Glanz getaucht.
In andächtigem Bangen blieb sie stehen und hielt Umschau.
Ueber dem Tempelchen, das tief im Abendschatten vergraben lag, schüttelten die windgepeitschten Zweige ihre welkende Blätterlast … Ein Sausen und Pfeifen ging durch die Lüfte, als wäre das ganze Geisterheer, von welchem die Sagen der Gegend sprachen, an Ort und Stelle versammelt.
Und dort am Rande des Busches stand auch der alte Opferstein. – Wie ein Altar war er anzuschauen, neuer Blutsopfer gewärtig.
Ein Grausen wandelte sie an, aber sie erstickte es rasch. Die Furcht mochte denen bleiben, die feige waren oder sich schuldbeladen fühlten.
Vor dem Freundschaftstempel machte sie Halt und staunte in zager Neugier zu den Sandsteinleibern der Dioskuren empor.
»Wer von beiden mag Leo vorstellen?« fragte sie sich, und zum erstenmal wurde ihr klar, daß dem, der sich Ulrich nannte, recht eigentlich ein schweres Unrecht geschah. Ihr wurde unheimlich vor diesem Gedanken, der, je weiter man ihn dachte, in immer schwärzere Tiefen hinabzuweisen schien.
Sie wandte sich ab, denn sie konnte den Anblick der beiden einander umschlingenden Freunde nicht ertragen.
»Der eine ist ein Lügner,« sagte sie vor sich hin. – Ihr war, als schwänden Treu und Glauben auf der Welt, als stünde die Sonne dort wie eine große, blutrote Lüge am Himmel.
»Nein, nein,« dachte sie weiter, »Es ist nicht möglich. Er wird ihm gesagt haben: ›Ich liebe deine Gattin. – Aber das schadet nichts … Ich kann ja auch nichts dafür … Ich will sie dir ja nicht rauben … Nur ansehen will ich sie bisweilen und hören, was sie spricht. Weiter nichts.‹«
Natürlich. So war es. Nur so konnte es sein. Sie selbst wollte ja auch nichts weiter, als ihn bisweilen ansehen und ein freundliches Wort von ihm auffangen dürfen.
Oder doch eigentlich – das wollte sie nicht. – Sie wollte mehr. – Sie wollte ihn heiraten, – Wenigstens bis vor kurzem noch. Jetzt freilich war das alles aus, alles vorbei, denn – sie hatte ja entsagt.
Sie fühlte ihr Herz weit werden. Etlichemale lief sie um den alten Stein herum. Dann setzte sie sich oben hinauf und weinte bitterlich.
Als sie die Hände zum Beten falten wollte, sah sie das frisch perlende Blut … »Wie dumm war ich noch heute morgen,« dachte sie, »daß ich glaubte, mir hier auf dem Stein eine Ader öffnen zu müssen. – Ich gebe ja ohnedies all mein Herzblut für ihn hin.«
Und die Füße unter den Leib ziehend, sprach sie mit lauter Stimme, während die Thränen ihr in den Mund liefen:
»Lieber Gott – es ist ja nun alles aus … Meine Hoffnung und mein Glück sind hin … Drum bitt' ich dich von ganzem Herzen, gib mir Kraft und Stärke, wenigstens andre glücklich zu machen … Und wenn ich entsage, so laß es mich ohne Trotz und Neid und Bitterkeit thun … Verleihe mir nun auch, worum ich dich schon lange bitte, die christliche Milde und Demut, die Elly in so hohem Grade hat, damit ich nicht immerzu in die schreckliche Hitze gerate und denen, die ich liebe, böse Worte sage. … Und vor allem bitt' ich dich um eins: Wenn er sie liebt, so erspare ihm das große Leiden, das ich um ihn fühle … Laß ihn so glücklich werden, als es bei seiner unglücklichen Liebe möglich ist … Und besonders behüte ihn davor, daß er an Ulrich zum Lügner werde, denn ich müßte mich dann für ihn zu Tode schämen … Nimm auch Frau Felicitas in deinen Schutz, und laß über alle Menschen, – die guten wie die bösen – deine Gnade walten, damit sie alle, alle glücklich werden. Amen!«
Sie wiederholte das »Amen« dreimal und fragte sich dann, ob es wohl noch einen Feind oder Widersacher gäbe, für den sie zu bitten vergessen hätte, aber es fiel ihr keiner mehr ein.
Ihr Herz war so übervoll von Liebe und Vergebung, daß sie nicht wußte, was mit dem Reichtum anfangen.
Die Sonne war im Untergehen … Ein letzter glühroter Schein glitt an den Kanten des Tempels vorüber und vergoldete das blauschwarze Herbstgewölk, das in erschreckenden Massen am Himmel stand.
Hertha stieg vom Steine herab, aß die Brombeeren, die sie neben sich gelegt hatte, und dachte mit etlichem Bangen an den Heimweg.
Ein Raubvogel zog mit schwerem Flügelschlag über den Strom dahin, um sodann fast kerzengerade zu den Wolken emporzustreben. Sein Gefieder schien zu leuchten.
Der Wind schauerte in den Gräsern … Es wurde mit einemmal dunkel.
»Lebt wohl!« sagte Hertha, zu den Freunden gewandt, »und im Frühling komm' ich wieder.«
Plötzlich fuhr sie erschreckend zusammen … Ein Rascheln, ein Knacken des Gehölzes drang an ihr Ohr … es verstärkte, es näherte sich.
»Ein Räuber!« dachte Hertha und legte die Hand auf das pochende Herz … Hochaufgerichtet stand sie da, dem nahenden Unheil mutvoll entgegenschauend.
Eine Männergestalt erschien am Rande der Lichtung.
Hertha fühlte ihr Blut erstarren … Es war Leo.
Mit seinen harten Schritten eilte er auf sie zu. Die Adern auf seiner Stirn waren geschwollen. – Zorn blitzte ihm aus dem Auge.
»Was thust du hier?« herrschte er sie an.
Sie schwieg und kaute die Lippen, fühlend, wie ihre Weichheit mit einem Schlage verschwand.
»Bist du von Sinnen? … Hab' ich dir nicht verboten, allein hierher zu rudern … Und noch dazu bei angeschwollenem Strom?«
Hertha fühlte es in sich kochen. War das der Lohn für ihr Entsagen? Aber: »Dulde, schweig still!« rief es in ihr.
»Es ist ein Wunder, daß du nicht mitgerissen worden bist,« schalt er weiter, all seine eben ausgestandene Angst in Zorn verwandelnd. »Wenn ich etwas verbiete, so hab' ich meine Gründe dafür, aber dich treibt ja der Teufel mit Gewalt zum Ungehorsam, Mädchen. – Ich habe keine Lust, wie damals hinter dir her auf die Jagd zu gehen.«
Ah! Das war hart!
Er verhöhnte also jene Stunde, die als die heiligste von allen in ihrer Erinnerung lebte.
Das war nicht hart. Das war roh.
In diesem Augenblicke haßte sie ihn so sehr, daß sie sich sinnlos werden fühlte. Alles, alles war vergessen, was sie sich eben gelobt hatte, und mit einem Lächeln voll eisiger Verachtung, kaum wissend, was sie that, erwiderte sie:
»Du darfst ja befehlen und verbieten. Aber wer selbst nicht Treu und Glauben hält, kann nicht verlangen, daß man ihm gehorcht.«
Es war gesprochen. Es ließ sich nicht mehr zurückrufen.
Einen Schritt vorwärtstaumelnd, starrte er sie an.
»Was – heißt das?« Jeder Blutstropfen war aus seinem Gesichte gewichen.
»Du wirst wohl wissen, was das heißt.« – Und sie wandte sich zum Gehen.
Er wollte sie packen, wollte fragen, – forschen, – sie mit Gewalt zum Reden zwingen, aber er fand nicht den Mut dazu. Ihm war, als hätte er aus dem Munde dieses Kindes sein Verdammungsurteil empfangen.
Schweigend schritten sie zum Landungsplatz hinunter, schweigend ruderte er sie über den Strom, schweigend trennten sie sich.
Zweie, die, weil sie zu einander gehören, als Feinde durchs Leben gehen wollen.