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V.

Die erste graue Frühmorgen-Helle, die durch die Spalten der Vorhänge in das Schlafzimmer der beiden Mädchen schien, fing an sich rötlich zu färben.

Die Stare vor dem Fenster hatten zu schnattern begonnen, und die jungen Schwalben unter den Dachsparren tirilierten schon leise. Vom Hofe her erhob sich ein kräftiges Läuten, das für eine Weile die ganze Welt mit Lärm und Unrast zu erfüllen schien und sodann mit drei unwirschen Einzelschlägen zu Ende ging.

Während Elly mit leuchtenden Bäckchen, das rechte Ohr in der hohlen Hand, ihren unerwecklichen Schlummer weiterschlief, lag Hertha mit weit offenen Augen da, die Decke mit den Zähnen festhaltend, und ließ den zitternden Nachhall der Weckglocke, die auch sie aus den Federn zu jagen pflegte, an ihrem Ohr verklingen.

Sie hatte seit dem ungeheuern Ereignis dieser Nacht nicht wieder einschlafen können. Während Elly nach dem ersten Jubel und etlichen Erwägungen über das »Mitgebrachte« den Kopf ruhig wieder in die Kissen hineinmummelte, blieb sie aufrecht sitzen und sann und sann und konnte zu keinem Ende gelangen.

Sie hatte sich seine Heimkunft so oft und so genau zurechtgelegt – und nun war es so ganz anders gekommen.

Es kam überhaupt alles ganz anders – diese Weisheit hatte sie ihr junges Leben längst gelehrt, von jenem Tage an, da man ihre schöne Mama in das graue Gewölbe hinabgetragen hatte.

Auch Papa war tot. »Gott sei Dank,« sagte sich Hertha oft. – Hier saß eine Härte ihres Wesens. – Ihre Lippen kniffen sich böse zusammen, wenn sie seiner nur gedachte. – Nun lebte sie unter fremden Leuten und fühlte sich geborgen wie in der Heimat. Die Familie ihrer Stiefmutter war ihr zur eigenen geworden.

Der Vormund, der sie auf Halewitz gut aufgehoben wußte, begnügte sich damit, ihr Vermögen zu verwalten, und kümmerte sich nicht um sie. Auch Mama ging ihre eigenen Wege und hauste in scheuer Einsamkeit mit den Armeleutskindern, die sie tagsüber um sich versammelte.

So blieb also Großmama – die liebe alte Großmama! – sie schalt zwar ein redlich Teil, sie schalt morgens, sie schalt abends, aber ihr Schelten war eitel Liebe – und schließlich that man, was man wollte.

Und man that ja nichts Böses. Im Gegenteil, man hatte einen Lebenszweck, für den man schuf und sann und kämpfte, dem der letzte Gedanke galt, bevor der Bilderreigen des Einschlafens sein Spiel begann, für den man halbblind noch und taumelnd aus dem Bette sprang, wenn die Morgenglocke ihren ersten harten Laut erschallen ließ. –

Milchwirtschaft, Geflügelhof und Gemüsegarten – das alles hatte sie regiert seit mehr als einem Jahr, seitdem sie sich die Herrschaft über das kleine Reich, das Großmama vorbehalten geblieben, hatte übertragen lassen. – Sie hatte nicht lange darum bitten müssen, es war wie von selbst aus den müde sich lösenden Fingern der alten Frau in ihre festen braunen Fäustchen herübergeglitten. – Sie, die leidenschaftliche Reiterin, hatte den schönen Litauerschimmel, der ihr zugewiesen worden, und der einst Leos Eigentum gewesen war, ruhig im Stalle stehn lassen – sie, die kutschierte wie eine Göttin, hatte seit Monaten die four-in-hand-Leinen nicht mehr zwischen ihren Fingern gefühlt, ja mehr als das, sie hatte auch die Lust daran verloren – denn eine Welt von Sorgen war auf sie eingestürmt.

Mit zagem Stolze sah sie auf das Werk zurück, das heute zu Ende ging, denn Er war heimgekehrt.

Für Ihn war es begonnen worden, er sollte heute darüber Richter sein.

Sie sprang aus dem Bette und schlüpfte in ihre Röcke.

Als sie einen der Vorhänge zur Seite schlug, sah sie den Garten im Frührotscheine vor sich ausgebreitet. Im Schoße der Lindengruppen brütete noch die Nacht, auf den Rasenplätzen lag rotgoldene Sonnenahnung.

Sie öffnete leise einen Fensterflügel, die kühle, tauige Frühlust einzuatmen.

Ein kleiner Schauder rann ihr die nackten Arme entlang. –

Sie stellte sich vor den Spiegel, der, von rotgeblümtem Kattun umrahmt, mit einem vergoldeten Fichtenzweige geschmückt, den Platz zwischen den beiden Fenstern einnahm, und während sie mit dem Kamme die kastanienbraunen, ein wenig harthaarigen Flechten bearbeitete, unterwarf sie sich genauer Musterung.

Die Magerkeit ihrer Schultern, der dürftige Busenansatz, der sich in herber Kindlichkeit kaum bemerkbar in dem grauleinenen Korsett verlor, war ihr noch nie so unliebsam zum Bewußtsein gekommen. Auch der bräunliche, schlanke Hals, auf dem das kleine, flinke Schlangenköpfchen hochmütig und energisch saß, war heute nicht nach ihrem Geschmacke. – Die Arme waren mit Rissen und Schrammen besät – sie entbehrten jeglicher Fülle, und die Frische der Morgenlust hatte sie mit einer Gänsehaut anlaufen lassen.

»Einfach scheußlich!« sagte Hertha.

Dann zog sie rasch eine rote Bluse über, die sie zur Feier des Tages mit einem Zweige blinkender Granaten zusammennestelte, und fand sich schließlich ganz passabel.

Als sie die Korridorthür öffnete, fing ihr das Herz zu schlagen an. Mit jedem Schritte konnte sie ihm begegnen. –

Der Hof war belebter als sonst, wenn sie frühmorgens zum Melken nach dem Stalle ging. – Vor den Thüren hatten sich erregte Gruppen gebildet, und etliche Bursche liefen ängstlich zwischen den Wagen hin und her. Ein jeder schien das drohende Ungewitter bereits über seinem Haupte zu fühlen.

Als sie den Kuhstall betreten wollte, in welchem die Seihzuber schon klirrten, hielt ein plötzlich erwachendes Gefühl der Scham sie zurück. – Sah es nicht aus, als ob sie sich in ihrem unerbetenen Eifer vor ihm präsentieren wollte? – Doch sie kämpfte dies Gefühl als Schwäche nieder. Man that seine Pflicht und schaute nicht nach rechts, noch links.

Die Mägde waren schon in voller Arbeit. Die weißen Milchstrahlen schossen zischend in die schräg gehaltenen Eimer. Sie ging die Reihen entlang und fand, daß es nichts für sie zu thun gab. Niemand sah sich nach ihr um. Sie wünschte nicht, daß man sich in der Arbeit störte, um ihr guten Morgen zu sagen.

In ihrer Unthätigkeit kam sie sich heute unendlich albern vor. Hätte wenigstens irgend Eine ihr Tier geschlagen, damit sie ihr ein Donnerwetter hätte an den Kopf werfen können. Aber alles ging wie am Schnürchen, die Euter waren mit lauem Wasser genetzt, die melkenden Hände blinkten vor Sauberkeit. Glücklicherweise wollte eine der Rotbunten nicht stehen und trat mit den Hinterfüßen nach dem Eimer. Rasch holte sie ein bereit gehaltenes Sandsäckchen und legte es dem unruhigen Tiere auf den Rücken. Dabei sah sie sich ängstlich nach der Stallthüre um. Wenn er in diesem Augenblicke eingetreten wäre – sie hätte in die Erde sinken müssen. »Wer sind Sie?« hätte er gesagt, »Sie sind doch nicht die Mamsell?« – »Nein – ich bin die und die.« – »Und was wollen Sie hier?« hätte er weiter gefragt. »Ist das eine Arbeit für die Komtesse Prachwitz?«

Kurz, es wäre entsetzlich gewesen.

Eine schöne Holländerin, mit klugem, kleinem Hirschkopf, die zu ihren Lieblingen gehörte, schien ihr arg gedunsen. Gewiß war sie beim Weiden auf einen frischen Kleeschlag geraten. Sie rief sich den Hirten, machte ihm ein paar Vorwürfe und befahl ihm, tagüber auf sie acht zu haben. Nötigenfalls sollte er sich Hilfe holen, damit ihr die Schlundröhre eingeschoben würde.

Während die ersten Eimer ihren weißen, dampfenden Schaum in das Milchsieb ergossen, erdröhnte draußen plötzlich eine Stimme, deren eherner Klang ihr das Blut in den Adern erstarren ließ.

Da war er. – Seit Mitternacht saß dieses Dröhnen ihr im Ohr: das Lachen, das es erhellt hatte, war jetzt verschwunden.

Da war er. – Im nächsten Augenblicke konnte er in der Stallthür stehen.

Sie umklammerte einen Pfosten und wartete, die Zähne zusammenbeißend.

Doch er kam nicht. – Er ließ sich ein Pferd vorführen, und derweilen gingen seine Scheltreden gleich Blitzstrahlen bald hierhin, bald dorthin.

Auch die Mägde hörten die Stimme des Herrn, einige kannten sie noch, und die sie nicht kannten, zweifelten keinen Augenblick daran, wem sie gehörte.

Sie stießen sich mit den Ellenbogen an und machten verängstigte Gesichter.

Als Hertha den Hufschlag des Reitpferdes nach dem Hofthor hin verhallen hörte, wagte sie zur Thür hinauszuschauen.

Von ihm war nicht mehr viel zu sehen – aber er ritt auf ihrem Schimmel. Auf ihrem Schimmel! Welches Glück! –

Mit halbem Auge bewachte sie das Milchabmessen. Der eine Teil ging per Milchwagen nach Münsterberg, der zweite kam in die Herrschafts-, der dritte in die Leuteküche. Der Bedarf der Käserei wurde durch die Mittags- und Abendmilch gedeckt.

Als alles fertig war, schritt sie in den Morgen hinaus. Die Sonne, die schon zwischen den Scheunen emporstieg, warf feurige Bündel über den Hof. Die Enten schnatterten unten am Teiche, dort wo die sammetnen Riedgräser von milchigem Taue erglänzten. Die Hunde strebten, an den Ketten reißend, zu ihr empor. Sie achtete ihrer nicht … An der Brauerei vorüber, von der aus ein Hefedunst kellerig die Lust erfüllte, ging sie durch das Hinterthor auf das freie Feld … Hier waren einige Weizenschläge schon gehauen, weil sie dem Ohm gerade bequem gelegen hatten, während weiter draußen das Korn überreif aus den Aehren fiel …

In Gedanken verfolgte sie Leos Ritt und spürte Gewissensangst vor ihm, als trüge sie an allem Unheil Schuld. Jetzt kam er hier vorbei – jetzt dort, und fand das eine verwahrlost wie das andre. Ausgewintertes war nicht wieder nachgeackert, der Hafer zu spät gesät, der Klee in Seide fast erstickend. –

Aus den Stoppeln glänzten feine, taubenetzte Spinnenfäden, eine Ahnung nahenden Herbstes über die Fluren breitend. Eine wildernde Katze schlich ducknackig die Furchen entlang. – Hertha ärgerte sich, daß sie ihr Tesching nicht bei sich hatte, um dem Taugenichts eins auf den Pelz zu brennen.

Und dann verschwand ihr Eifer allgemach. Ein weiches Träumen kam über sie.

Sie sah ihn, wie sie ihn all die Zeit über gesehen hatte, seit Großmama begonnen, sein Bild vor ihr Auge zu zaubern. –

Blaß, düster, glutäugig – in wilder Friedlosigkeit durch fremde Länder rasend – gemartert von dem Schatten des Getöteten, umhergejagt von Freudendurst und Heimweh. –

Längst hatte sie gewußt, daß sie vom Himmel ausersehen worden, sein guter Genius zu sein. Wie ihr diese Erleuchtung gekommen, war ihr nicht klar. Vielleicht seit Elly ihr in der Pension von seinem Duell erzählt hatte, von seiner Festungsstrafe und seiner Flucht über das weite Meer! Dieses Duell war ja der erste Roman gewesen, den das Leben vor ihr aufgerollt hatte, noch ehe sie überhaupt gewußt, daß es Romane gab. Vielleicht auch erst, seit Großmama sie gelehrt hatte, dem fernen Sohne das nie berührte Herz zu öffnen.

Nun war er da, – und obwohl sie ihm noch nicht ins Angesicht gesehen hatte, eines wußte sie: dem Bilde, das sie in ihrer Seele hegte, glich er nicht.

Sein Lachen gestern, sein Schelten heute – beides quälte sie in gleicher Weise.

So breit und behäbig lachte ihr bleicher Wanderer nicht, und ein Wort wie »Schweinepelz« nahm er nicht in den Mund

Eine dumpfe Enttäuschung war langsam über sie gekommen und erhöhte ihre Angst vor ihm. –

Und während sie auf dem tauigen Raine entlang schritt, sah sie ihn in weiter Ferne auf ihrem Schimmel über die Felder jagen. Wie ein leuchtendes Phantom erschien er bald, bald tauchte er hinter den Garben unter. In gemessener Entfernung folgte ihm Schumann, der erste Inspektor, auf seinem Braunen. Roß und Reiter ähnelten sich. Schlapp und nückisch waren beide.

Hie und da winkte Leo ihn zu sich heran, als ob er Erklärung von ihm heischte. Dann wieder ließ er ihn verächtlich hinter sich. Hertha glaubte den roten Kopf zu sehen, mit dem der strohbärtige Geselle den Zorn des Heimgekehrten auf sich niederrollen ließ. –

Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und reckte den Hals. Manchmal, wenn er an besonders beschämenden Stellen anlangte, packte sie die Wut. Sie pfiff und fuhr mit der Faust durch die Luft, als ob sie eine Reitgerte schwänge.

Da sie ihm um keinen Preis begegnen wollte, bog sie links ab nach einem eingezäunten Erlenbruch, wo Jungvieh weidete. Dort konnte sie sich verstecken, wenn er vorüberkam.

Auch unter diesem Gesindel hatte sie ihre Günstlinge, die ihr die Schnauze unter die Achsel zu stecken pflegten. Sie kraute ihnen die wolligen Stirnen und dachte derweilen nur das eine: »Er ist da.« –

Dann plötzlich hörte sie ihn kommen.

Sie fuhr jäh in die Höhe und kauerte sich hinter einem buschigen Knorren nieder.

Der Schimmel schäumte. Er ging wie auf Glas unter dem stechenden Druck der Kandare.

»Du wirst hart angefaßt, mein armes Tier,« dachte Hertha.

Und dann erst sah sie ihn. – Die Schirmmütze im Genick, von Schweiß überströmt, mit stierem Blick und dickgeschwollenen Stirnadern ritt er dahin – Zoll für Zoll ein Tyrann.

Hertha sah nicht seinen leuchtend blonden Bart, nicht den eleganten Sitz der straffen Gestalt und was junge Fräulein an Kavalieren sonst wohl zu sehen pflegen, sie fühlte nur aus herzbeklemmender Angst heraus den wachsenden Trotz gegen nahende Uebermacht.

Er hielt an. Die Kinnkette des Pferdes scheuerte den Bretterzaun.

»Was da?« fragte er mit greller Kommandostimme.

Hertha fühlte sich erzittern. Hatte sein zorniges Auge sie hinter dem Buschwerk erspäht? Behandelte er sie als Eindringling auf seinem Grund und Boden?

Aber seine Frage hatte dem Inspektor gegolten. Der kam devot herangeritten und rapportierte ganz militärisch:

»Stärken. – Zweiunddreißig Stück.«

»Wie alt?«

»Die jüngsten ein – die ältsten anderthalb Jahre.«

»Nachtsüber im Bruch draußen gewesen?«

Schumann murmelte ein zerknirschtes »Ja«.

»Lotterwirtschaft!« – – Und er ritt weiter.

»So war's recht,« dachte Hertha, aber ein voller Triumph vermochte nicht mehr in ihr aufzukommen. –

Die Frühstücksglocke erklang, und zögernd machte sie sich auf den Heimweg. »Mag's gehen, wie es will,« dachte sie, »aufessen wird er mich nicht.« Voller Tapferkeit und guter Vorsätze betrat sie das Speisezimmer. –

Eine schweigende Gruppe fand sich da vor. Er saß, den Kopf in beide Fäuste gestützt, auf dem Herrenplatze, hatte die Morgenzeitung vor sich ausgebreitet und brütete darüber hinweg ins Leere. – Elly – in weiß Mull mit blauen Bändern, »wie ein Pfingstochse«, dachte Hertha voll Eifersucht – hatte die Hände auf dem Schoß gefaltet und machte ein unsäglich verblüfftes Gesicht. – Großmama brühte seufzend den Kaffee auf. – Mama fehlte.

Großmama kam ihr bis zur Thür entgegen, nahm sie bei der Hand und sagte: »Hier ist Hertha, lieber Leo.«

Es lag etwas Bittendes im Tone dieser Worte, das ihr nicht gefiel.

Er maß sie mit einem raschen Blicke vom Wirbel bis zur Zehe, sein Gesicht erhellte sich ein wenig, und schwerfällig aufstehend, sagte er: »Ich hoffe, es gefällt dir gut bei uns, liebe Hertha.«

»Also in Gnaden aufgenommen,« dachte sie in emporsteigender Bitterkeit und legte schweigend ihre Hand in die seine. Selten hatte sie sich so sehr als Waise gefühlt, wie in diesem Augenblick. –

»Du hast ja einen ganz braven Händedruck,« fuhr er schmunzelnd fort. »Ich glaub', wir können noch Freunde werden.«

Sie fühlte sich erröten und wünschte sehnlich eine patzige Antwort bei der Hand zu haben, aber es fiel ihr keine ein.

»Und nun wollen wir fidel sein, Kinder,« rief er, in die Hände klatschend. – »Bei dem Sich-abärgern kommt nichts raus. – Vorwärts, du Weißgewaschene, gib mir Kaffee.«

Elly machte ein Mäulchen, und Hertha dachte: »Aha, da hat sie's.«

Aber die Reihe kam auch an sie.

»Sag mal, Mädel,« fuhr er fort, indem er sich breit in seinen Sessel lehnte, »Mutter erzählt ja Wunderdinge von dir. Du wirtschaftest ja wie ein Inspektor.«

»Wie eine Hausfrau, meinst du wohl,« erwiderte sie und errötete noch tiefer, denn sie fühlte sofort, daß sie eine Dummheit gesagt hatte.

»Na, na,« lachte er, mit dem Finger drohend, »so weit seid ihr doch noch nicht. – Oder habt ihr's schon so eilig mit dem Hausfrau-sein, Kinder?«

Hertha richtete sich schroff in die Höhe. Sie fühlte, wie ihr vor Wut die Lippen zitterten.

»Ich arbeite gern,« erwiderte sie, »und wer darüber spottet, der hat wohl selbst das Arbeiten verlernt.«

Er setzte vor Erstaunen die Kaffeetasse, die er soeben zum Munde führen wollte, auf den Tisch zurück und maß sie eine Weile stumm mit großen Augen. »Ei, ei,« sagte er dann, »du scheinst ja ein bissiges, kleines Fräulein. Ich werde mich künftig in acht nehmen.«

Großmama kam ängstlich herzu und nahm ihren Kopf in die lieben, alten Hände. »Sie meint's nicht so böse,« sagte sie und fuhr ihr über Augen und Mund, als wollte sie das häßliche Wort wieder fortwischen. –

Hertha fühlte eine dumpfe Reue, aber lieber würde sie sich die Zunge abgebissen haben, als daß sie ein Wort der Entschuldigung über die Lippen gebracht hätte.

Die Stimmung kam nicht wieder ins rechte Geleise, und Hertha rannte davon wie gehetzt, noch ehe sie ihrer zweiten Tasse auf den Grund geschaut hatte … Als sie ihr Zimmer erreichte, sah sie alles ringsum in einem feuchten Nebel verschwimmen. –

Sie ging vor den Spiegel und sagte zu sich selbst: »Ich hab' es wirklich nicht bös gemeint.«

Elly kam ihr nach. – Rundlich und hübsch, mit ihren roten Bäckchen und blauen Unschuldsaugen, das Blondhaar sanft zurückgestrichen, stand sie da in all ihrem Putz und wußte nicht recht, was mit sich beginnen.

»Warst du aber eklig!« sagte sie: »ich könnte nie so eklig sein.«

Und sie liebäugelte mit ihren Schleifen.


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