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30.
Vorgreifender Bericht des Kaufmanns Daniel Nottebohm, Kaffee en gros

Ja – Nottebohm – das war eine schwere Nacht.

Die Nacht – die wollte durchwacht sein. Schlaf in der Nacht – der war für die anderen Menschen da, aber nicht für mich.

In dieser Nacht habe ich hart mit mir gerungen, und der Entschluß, den ich endlich faßte, wie es schon allmählich hell wurde – der kam – poetisch möchte man da wohl sprechen: Aus dem Hauptbuch des Herzens.

Wie ich den Entschluß in mir hatte, da war ich ruhig: Ich habe mich nu rasiert und zurechtgemacht, und wie es schicklicher Morgen war, da setze ich meinen Hut auf und gehe zu der Luise. Als ich klingle, macht sie selber auf. Denn ihr Mädchen, die Stine, hatte selber begriffen, daß sie in die Wohnung nicht paßte, und war auf und davon. Jeden anderen hatte die Luise eher erwartet als mich da draußen stehen sehen. Sie ist ganz erschrocken. Das merkte ich ihr an. Sie ist sehr blaß und sagt nichts. Aber sie hat einen glücklichen Schein im Gesicht, daß Nottebohm in Lebensgröße da ist.

Sie wartet unruhig, was ich nun tun werde. Und ich lege Hut und Mantel nicht ab, sondern sage:

»Zieh' dich schnell für die Straße an, und dann komm!«

»Wir beide?« lese ich da in ihren Augen. Und ich:

»Luise: Wir wollen mal zusammen hinausfahren!«

»Wohin?« fragt sie ganz leise und ungläubig mit zitternder Stimme. Ich sage:

»Tscha – wo du in der Nacht damals gewesen bist!«

Sie kann gar nicht antworten. Sie rennt nur und fährt in ihre Sachen. Wir machen uns ja nun wohl auf den Weg, und es war auch wirklich nicht sehr weit von der Stadt, und wir kommen nu vor das Bauernhaus. Da sitzt unter dem Äpfelbaum ein Kerlchen, selber mit roten Backen wie die Äpfel und lacht – ein banniger kleiner Kerl – kann ich wohl sagen – richtig sechs Jahre alt, wie die Luise gesagt hat, und sie sagt jetzt nur:

»Ist er nicht süß?«

Die Luise hat das Jungchen auf den Arm genommen und nichts mehr gesagt und still und glücklich mit ihm im Sonnenschein unter dem Apfelbaum gestanden, der weiß von Blüten war. Und da – nun muß niemand lachen –, da hat sie etwas Jungfräuliches gehabt – so wie auf Kirchenbildern da, wo die Leute katholisch sind – die Mutter und das Kind. Das ist doch etwas Heiliges und Reines. Das ist doch immer und ewig dasselbe, solange die Welt steht – nicht?

Da habe ich mich geräuspert und ein bißchen geschluckt und mir vorn in den Kragen gegriffen, um Luft zu kriegen und gesprochen:

»Luise – da werden wir ja gleich zu dritt sein, wenn wir nu heiraten!«

Sie hat ihren Ohren nicht getraut und hat ganz starr, vor freudigem Schrecken, dagestanden. Ich habe wiederholt:

»Wir zwei und der kleine Äppelfresser, das sind doch drei. Der braucht doch wohl schon die längste Zeit 'nen Vater!«

Die Luise hat an meiner Brust gelegen und in ihrer Seligkeit nur geschluchzt: »Ach Notteböhmchen – du mein Notteböhmchen – du bester Mann!« Und der Jung hat mich am Bart gezoppt und damit gespielt, als kennten wir uns schon eine Ewigkeit. Und da war ja wohl alles gut und ist denn auch so geworden und geblieben.


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