Moritz von Strachwitz
Gedichte
Moritz von Strachwitz

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Ein anderer Orpheus

                      Das ist ein guter Harfner traun,
    Der in des Todes Weh,
Wenn man die Finger ihm abgehaun,
    Noch harft mit seiner Zeh'. –

Ihr kennt den Tod, den Sigurd litt,
    Ihn schlug der Schwäger List,
Und der den Drachen niederstritt,
    Er fiel durch Frauenzwist.

Als vor der Tür nun kalt und wund
    Lag König Sigurds Leib,
Da freite König Atlis Mund
    Um König Sigurds Weib.

Und eh sie fuhr gen Hunnenland,
    Die Königin Gudrunur,
Da schwur sie in des Toten Hand
    Einen siebenfachen Schwur.

Sie schwur bei Sigurds Todesstund'
    Den Mördern Schmach und Pein:
»Mein Bote, reite du nach Burgund
    Und lade die Brüder ein!«

Zu den Hunnen übers Donaufeld
    Da ritten die Niflungar;
König Högni war der eine Held,
    Der andere hieß Gunnar.

König Högni war ein kühnes Blut,
    Sein Stahl ward selten kalt,
König Gunnar schlug die Harfe gut,
    Nie war ein bess'rer Skald. –

Ihr wißt, wie Atlis grimmig Gemahl
    Die trotzigen Helden fing,
Ihr kennt die Schlacht in Etzels Saal
    Und wie sie zu Ende ging.

König Högni vor der Schwester stand,
    Ihr Sinn war grimm und graus,
Sie riß ihm mit der weißen Hand
    Sein rotes Herz heraus.

König Gunnar ließ die Harfe nicht:
    »Die fahre mit mir ins Grab!«
Sie hieb ihm an der Harfe dicht
    Die beiden Hände ab:

»Nun fahre du samt der Harfe hin
    Und spiele vor Schlang' und Wurm!«
Ihn werfen ließ die Königin
    In den tiefen Schlangenturm.

Es lag der Degen todeswund
    Und blickte wild im Kreis,
Da hub sich überm feuchten Grund
    Das wimmelnde Geschmeiß.

Und aus den Ritzen rechts und links
    Vorkam's und kroch's und quoll's,
Und zischend um den Ritter rings
    Zehntausendzüngig scholl's.

Ein zitterleibiges Gewühl
    So wand sich's durcheinand,
Es regt' im zuckenden Wellenspiel
    Schwarzwimmelnd sich Grund und Wand.

Und um des Helden Bein und Arm,
    Da schnürte sich's dort und hier,
Es legte sich über die Wunden warm
    Das glatte, kalte Getier. –

»Das ist ein guter Harfner traun,
    Der in des Todes Weh,
Wenn man die Finger ihm abgehaun,
    Noch harft mit seiner Zeh'!«

König Gunnar auf dem Rücken lag,
    Er hörte der Schwester Gruß;
Die Harfe bebte vom vollen Schlag,
    Er rührte sie mit dem Fuß.

Es war ein ganzes Harfensturm,
    Er rührte die Füße beid',
Weithin erscholl durch Schloß und Turm
    Des Helden Herzeleid.

Und wie die erste Saite scholl,
    Ward stumm der Nattern Wust,
Sie hoben den Kopf verwunderungsvoll
    Und züngelten voller Lust.

Drei Tage erscholl der Harfe Stimm',
    Drei Nächte stark und gut,
Und ringsum horchte trotz Hunger und Grimm
    Die funkeläugige Brut.

Und als sie schwieg in der dritten Nacht,
    Beim vierten Morgenrot,
Anbissen die Nattern mit aller Macht,
    Der König aber – war tot.

 


 


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