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Schiller war ein Mann von seltenem Genie und vollkommener Zuverlässigkeit; und beide Eigenschaften sollten, wenigstens in dem Gelehrten, unzertrennlich sein. Der Gedanke kann der Handlungsart nur dann gleichgestellt werden, wenn er in uns das Bild der Wahrheit erweckt; die Lüge ist in Schriften noch ekelhafter, als im Leben. Handlungen, selbst betrügerische, bleiben Handlungen, und man weiß, woran man ist, wenn es darauf ankommt, sie zu beurteilen oder sie zu hassen; Bücher aber sind eine langweilige Masse eitler Worte, wenn sie nicht aus aufrichtiger Überzeugung fließen.
Es gibt keine schönere Laufbahn als die gelehrte, wenn man sie, wie Schiller, durchwandeln kann. In Deutschland herrscht in allen Dingen ein solcher Ernst und eine solche Treue, daß man nur in diesem Lande allein auf eine vollständige Weise den Charakter und die Pflichten jedes Berufes kennenlernen kann. Nichtsdestoweniger war Schiller bewunderungswürdig unter allen durch seine moralischen Vorzüge wie durch seine Talente. Das Gewissen war seine Muse, und eine solche darf nicht angerufen werden, man hört sie stets, wenn man ihr einmal horchte. Er liebte die Poesie, die dramatische Kunst, die Geschichte, die Literatur, um ihrer selbst willen; und hätte er auch nie daran gedacht, seine Werke herauszugeben, er würde sie doch mit gleicher Sorgfalt gepflegt haben.
Nie wäre eine Rücksicht auf den Erfolg, auf Mode und Vorurteile, kurz auf alles, was von andern kommt, imstande gewesen, ihn dahin zu bringen, seine Schriften zu ändern; denn seine Schriften waren er selbst, sie sprachen seine Seele aus, und er begriff die Möglichkeit nicht, auch nur einen Ausdruck zu ändern, wenn das innere Gefühl, das ihn begeisterte, sich nicht verändert hatte. Allerdings konnte Schiller nicht von Eigenliebe frei sein. Wenn man deren bedarf, um den Ruhm zu lieben, so bedarf man ihrer auch, um irgendeiner Tätigkeit überhaupt fähig zu sein, über der Liebe zum Ruhm selbst gibt es aber noch ein anderes reineres Gefühl, die Liebe zur Wahrheit, die aus den Gelehrten gleichsam Priester macht, die für eine edle Sache streiten. Sie sind es auch, die das heilige Feuer hüten sollten; schwache Frauen können es nicht mehr als früher schützen.
Welch eine herrliche Sache ist es um Unschuld beim Genie, um Milde bei der Kraft! Was gewöhnlich dem Begriff von Herzensgüte schadet, ist, daß man sie für Schwäche hält; aber findet man sie vereinigt mit dem höchsten Grade von Einsicht und Kraft, so lehrt sie uns die Wahrheit des biblischen Ausspruches, daß Gott den Menschen nach seinem Bilde geschaffen. Schiller hatte sich bei seinem Eintritt in die Welt durch Verirrungen der Phantasie geschadet, aber mit der Stärke des reiferen Alters kehrte er zu jener erhabenen Reinheit zurück, die eine Tochter großer Gedanken ist. Nie befreundete er sich mit schlechten Gefühlen; er lebte, sprach und handelte, als ob es keine bösen Menschen gäbe, und wenn er sie in seinen Werken darstellte, so bemerkte man dabei immer mehr Übertreibung und weniger Tiefe, als wenn er sie wirklich gekannt hätte. Sie erschienen seiner Phantasie wie ein moralisches Hindernis, wie eine physische Geisel; auch haben sie vielleicht wirklich in vielen Zügen keine geistige Natur, indem die Gewohnheit des Lasters ihr Seelenvermögen in einen bloß verkehrten Instinkt verwandelt.
Schiller war der beste Freund, Vater und Gatte. Keine liebenswürdige Eigenschaft fehlte diesem sanften, ruhigen Charakter, den nur das Talent entflammte. Liebe zur Freiheit, Ehrfurcht vor den Frauen, Enthusiasmus für die schönen Künste und Anbetung der Gottheit belebten sein Genie, und bei der Analyse seiner Werke wird es leicht sein zu zeigen, zu welcher Tugend seine Meisterstücke in nächster Beziehung stehen. Man sagt häufig, daß der Verstand alles andere ersetze: ich gebe es zu bei Werken, in denen eine bloße Geschicklichkeit vorherrscht; wo es aber auf Schilderungen der menschlichen Natur in ihren Gewittern und in ihren Abgründen ankommt, macht es nicht einmal die Einbildungskraft aus, dazu wird eine Seele erfordert, die selbst der Sturm bewegte, aber in die sich dann der Himmel hinabsenkte, um ihr die Ruhe wieder zu schenken.
Ich sah Schiller zuerst bei dem Herzog und der Herzogin von Weimar in einer ebenso verständigen wie imposanten Gesellschaft. Er las das Französische sehr gut, hatte es aber nie gesprochen. Ich verteidigte mit Wärme ihm gegenüber den Vorzug unseres dramatischen Systems vor allen andern; er ließ sich darauf ein, mich zu bekämpfen, und ohne sich durch die Schwierigkeit und die Langsamkeit, mit der er sich französisch nur ausdrücken konnte, beirren zu lassen, ohne Besorgnis vor der Meinung der Zuhörer, die der seinigen widersprach, drückte er seine Überzeugung aus. Ich bediente mich anfänglich, um ihn zu widerlegen, der französischen Waffen, der Lebhaftigkeit und des Scherzes, aber bald entdeckte ich trotz aller Hindernisse, die die Sprache ihm in den Weg legte, in dem, was Schiller sagte, viele Ideen; ich wurde von der Einfalt des Charakters, die einen Mann von solchem Genie dahin brachte, sich auf diese Weise in einen Streit einzulassen, wo seinen Gedanken die Worte fehlten, so überrascht und fand ihn so bescheiden und sorglos in allem, was nur den Erfolg seiner eigenen Werke betraf, und so stolz und lebendig in der Verteidigung dessen, was ihm als wahr erschien, daß ich ihm von diesem Augenblick an eine bewundernde Freundschaft gelobte.
Jung noch von einer tödlichen Krankheit ergriffen, versüßten ihm seine Kinder und seine Gattin, die durch liebenswürdige Eigenschaften die Zärtlichkeit verdiente, die er für sie hegte, seine letzten Augenblicke. Frau von Wolzogen, eine Freundin, die es wert war, ihn zu verstehen, fragte ihn einige Stunden vor seinem Tode, wie er sich befinde. Immer ruhiger, war seine Antwort. Aber in der Tat, hatte er nicht auch Ursache, sich der Gottheit anzuvertrauen, deren Reich auf Erden er gefördert hatte? Ging er nicht ein in die Heimat der Gerechten? Ist er in diesem Augenblick nicht bei seinesgleichen, und hat er die Freunde nicht schon wiedergefunden, die unser harren?
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Das Schauspiel »Don Carlos« ist eine Jugendarbeit Schillers, und dennoch achtet man dieses Werk als eines der vorzüglichsten. »Don Carlos« ist ein so dramatischer Stoff, wie ihn die Geschichte jemals darbieten konnte. Eine junge Prinzessin, Tochter Heinrichs II. von Frankreich, verläßt den glänzenden ritterlichen Hof ihres Vaters, um einem alten Tyrannen ihre Hand zu geben, dessen finstere, störrische Herzlosigkeit sogar das Gemüt der Spanier ergriff und der Nation während seiner Regierung und eine geraume Zeit nachher ihren Stempel aufdrückte. Don Carlos, früher mit Elisabeth verlobt, liebt sie noch, obgleich sie seine Stiefmutter geworden ist. Zwei große politische Ereignisse, die Reformation und der Aufstand in den Niederlanden, greifen in die tragische Katastrophe des Sohnes, den sein Vater zum Tode verdammt, ein. Das persönliche Interesse ist in diesem Trauerspiel mit dem öffentlichen Interesse in höchstem Grade vereint.
Mehrere Dichter haben diesen Stoff in Frankreich bearbeitet; keiner von ihnen konnte es aber unter der alten Regierung durchsetzen, daß sein Stück aufgeführt wurde. Man glaubte es dem spanischen Throne schuldig zu sein, diesen Zug der spanischen Geschichte nicht auf die Bühne zu bringen. Als man einmal bei einem Grafen von Aranda, diesem durch die Unbiegsamkeit seines Willens und seinen beschränkten Verstand so berühmten Gesandten am französischen Hofe, um die Erlaubnis nachsuchte, Lemerciers Trauerspiel »Don Carlos« aufführen zu lassen, das soeben fertig geworden war, und von dem sich der Verfasser viel versprach, antwortete der Graf: »Warum wählt er kein anderes Sujet?« – Aber bedenken Ew. Exzellenz, daß sein Stück fertig ist, daß er drei Jahre darauf verwendet hat! – »Aber mein Gott«, gab der Botschafter zur Antwort, »gibt es denn in der Geschichte keine andere Begebenheit? Er darf ja nur ein anderes Sujet wählen«. Und vergebens suchte man ihn aus diesem engen Gedankenkreis zu bringen, in dem ein fester Wille ihn gebannt hielt.
Die historischen Stoffe sind für das Talent eine Übung von ganz anderer Art, wie die reinen Erdichtungen; vielleicht erfordert es doch mehr Phantasie, die Geschichte in einer Tragödie darzustellen, als Lagen und Personen nach Gefallen zu schaffen. Tatsachen, die man auf die Bühne bringt, lassen sich nicht wesentlich verändern, ohne ein unangenehmes Gefühl zu erregen; man ist auf Wahrheit vorbereitet und wird peinlich berührt, wenn der Verfasser dem Erwarteten irgendeine Dichtung unterschiebt. Gleichwohl bedarf die Geschichte einer künstlichen Behandlung, um auf der Bühne zu wirken, und die Tragödie muß zugleich das doppelte Talent in sich schließen, die Wahrheit zu malen und sie poetisch darzustellen.
In Deutschland gibt man den historischen Trauerspielen den Vorzug, wenn sich die Kunst, wenn sich ein rückwärts gekehrter Prophet (so nennt Friedrich Schlegel einen Historiker von durchdringendem Geiste) darin offenbart. Der Verfasser, der ein Werk dieser Art liefern will, muß sich ganz in das Jahrhundert und in die Sitten der Personen versetzen, die er darstellt; ein Anachronismus in den Gesinnungen und in der Sinnesart verdiente strengere Rüge, als einer in der Jahres- und Tageszahl.
Nach diesen Grundsätzen haben einige Schiller getadelt, den Charakter des Marquis Posa, eines spanischen Grande, eines warmen Anhängers der Freiheit, der Toleranz, eines leidenschaftlichen Begünstigers der neuen Ideen, die zu seiner Zeit in Europa zu gären anfingen, gedichtet zu haben. Ich für meinen Teil würde es Schiller eher zum Vorwurf machen, daß er dem Marquis seine eigene Meinung in den Mund legte; doch muß man nicht hinzusetzen wollen, wie es manche getan, daß er den Geist des achtzehnten Jahrhunderts aus ihm sprechen ließ. Der Marquis Posa, wie ihn Schiller gezeichnet hat, ist ein deutscher Enthusiast; und dieser Charakter ist so, daß man ihn ebensowohl im sechzehnten Jahrhundert als im gegenwärtigen finden kann. Ein größerer Mißgriff ist vielleicht die Voraussetzung, daß ein König wie Philipp II. dem Marquis Posa so lange zuhören, ja ihm nur einen Augenblick sein Zutrauen schenken konnte. Mit Recht sagt Posa von Philipp:
Den König geb' ich auf. Was kann ich auch
dem König sein? In diesem starren Boden
blüht keine meiner Rosen mehr.
Aber ein Philipp II. würde nie mit einem jungen Mann wie Posa eine Unterhaltung geführt haben. Der alte Sohn Karls V. konnte in der Jugend und im Enthusiasmus nichts anderes sehen, als das Unrecht der Natur und das Verbrechen der Reformation; sich nur auf einen Tag einem edlen Charakter anvertrauen, hätte geheißen, seinen Charakter verleugnen und auf die Verzeihung der Jahrhunderte Anspruch erheben.
Es gibt Inkonsequenzen im Charakter aller Menschen, selbst der Tyrannen; aber ihre Motive und Folgewidrigkeiten hängen durch unsichtbare Bande mit ihrer Natur zusammen. Im »Don Carlos« wird einer dieser Scheinwidersprüche auf eine sinnreiche Art aufgegriffen. Der Herzog von Medina-Sidonia, ein alter Admiral, der die unüberwindbare Flotte anführte, die von den Stürmen und den Engländern zerstreut wurde, kommt nach Madrid zurück, und alles glaubt, Philipps Zorn werde ihn vernichten. Die Hofleute drehen ihm den Rücken zu, keiner wagt es, ihn anzureden: er kniet vor dem König nieder mit gesenktem Haupte und spricht:
Das, großer König,
ist alles, was ich von der span'schen Jugend
und der Armada wiederbringe.
Der König (nach einem langen Stillschweigen):
Gott ist über mir – Ich habe gegen Menschen,
nicht gegen Stürm' und Klippen Sie gesendet.
(Reicht ihm die Hand zum Kusse)
Seid mir willkommen in Madrid. – Und Dank,
daß Ihr in Euch mir einen würd'gen Diener
erhalten habt!
Hier ist wahre Geistesgröße; aber worin liegt sie? In einer Art von Achtung vor dem Alter, von Seiten eines Monarchen, der sich darüber wundert, daß die Natur ihn selbst alt werden ließ. Ferner in dem Stolze Philipps, der ihm nicht erlaubt, selbst die Unfälle zu verantworten, indem er sich einer schlechten Wahl anklagt; in der Nachsicht, die er für einen Mann empfindet, den das Geschick niederschlug, weil er es im Grunde gern sieht, daß jeder Stolz, nur nicht der seine, unter das Joch der Notwendigkeit gebeugt werde, endlich in dem Charakter eines Despoten selbst, den natürliche Hindernisse weniger empören, als der geringste absichtliche Widerstand. Dieser Auftritt wirft ein tief eindringendes Licht auf Philipps Charakter.
Zweifellos läßt sich die Rolle des Marquis Posa als die Schöpfung eines jungen Dichters ansehen, der das Bedürfnis in sich fühlt, sein Gemüt der Lieblingsperson seines Stückes einzuhauchen. Inzwischen ist dieser überspannte Charakter an einem Hofe, wo die Grabesstille, das Schweigen und Zittern nur von dem unterirdischen Treiben der Ränkesucht unterbrochen wird, an sich eine große Schönheit des Stücks.
Don Carlos kann kein großer Mann sein; seinem Vater mußte es gelingen, ihn schon in seiner Kindheit zu unterdrücken; der Marquis Posa ist ein notwendiger Vermittler zwischen Philipp und ihm. Don Carlos hat allen Enthusiasmus, der aus den Motiven des Herzens entspringt; Posa den, der aus den öffentlichen Tugenden fließt; er hätte einst der König, jener der Freund sein müssen. Und diese Versetzung der Charaktere ist eine der sinnreichsten Ideen; denn wie wäre es möglich, daß der Sohn eines finstern, grausamen Despoten je Held und Bürger sein könnte? Wo könnte er es gelernt haben, Menschen zu achten? Etwa von seinem Vater, der sie verachtet, oder von den Höflingen seines Vaters, die diese Verachtung verdienen? Don Carlos muß schwach sein, um gut zu sein, und die Stelle selbst, die seine Liebe in seinem Leben einnimmt, verbannt jeden Gedanken an Politik aus seiner Seele. Ich sage es noch einmal, die Dichtung des Marquis Posa scheint mir notwendig, um im Schillerschen Stück das große Interesse der Nationen und jene ritterliche Kraft anzudeuten, die sich plötzlich als Folge der damaligen Aufklärung in Freiheitsliebe verwandelte. Wenn man auch diese Gefühle und Triebe noch so stark modifiziert hätte, um sie dem Thronerben von Spanien anzupassen, so würden sie ihm doch nicht zu Gesicht gestanden haben; man hätte sie nur für gespielten Edelmut halten können. Und nie darf die Freiheit als ein Geschenk der Macht dargestellt werden.
Der Marquis Posa hat sich in eine Menge spitzfindiger Umstände verwickelt. Er wollte den Anschein erwecken, Don Carlos der Wut seines Vaters preiszugeben, um ihn desto sicherer beschützen zu können. Es ist ihm mißlungen; der Prinz ist verhaftet. Der Marquis besucht ihn im Gefängnis, setzt die Gründe seines seltsamen Benehmens auseinander, aber während der Rechtfertigung trifft ihn der Schuß eines Meuchelmörders, den Philipp abgeschickt hat, und er fällt tot zu den Füßen seines Freundes nieder. Don Carlos' Schmerz ist unbeschreiblich. Von seinem Vater, der dazukommt, fordert er den Freund seiner Jugend zurück, als wenn es von dem Mörder abhinge, seinem Schlachtopfer neues Leben einzuhauchen. Die Blicke auf den Leichnam geheftet, den vor kurzem noch so viel rege Gedanken beseelten, liest Don Carlos, selbst zum Tode verurteilt, in den kalten Zügen seines Freundes alles, was der Tod bedeutet.
Aber nichts in dem ganzen Stück kommt dem Originellen in der vorletzten Szene des fünften Aktes zwischen dem König und dem Großinquisitor nahe. Philipp, den Haß und Eifersucht wider seinen Sohn und Abscheu vor dem Verbrechen foltern, das er zu begehen im Begriff steht: Philipp beneidet die Edelknaben, die ruhig am Fuße seines Bettes schlafen, während die Hölle in seinem Herzen jede Ruhe von ihm scheucht. Er läßt den Großinquisitor rufen, um sich mit ihm über die Verdammung von Don Carlos zu beraten. Dieser Kardinal ist neunzig Jahre alt, noch älter, als es Karl V. sein würde, dessen Lehrer er war; er ist blind, lebt in gänzlicher Abgeschiedenheit. Späher der heiligen Inquisition allein hinterbringen ihm, was auf der Erde vorgeht; und er forscht bei ihnen nach nichts als nach Verbrechen, Fehlern, Gedanken, um sie zu bestrafen. In seinen Augen ist der sechzigjährige Philipp II. noch ein Knabe. Der finsterste, der behutsamste aller Despoten ist ihm ein unbedachter Regent, dessen Toleranz die Reformationslehre über Europa bringen wird. Der Greis ist ohne Arg, aber dergestalt durch das Alter eingeschrumpft, daß er wie ein lebendes Gespenst auftritt, das der Tod vergessen zu haben scheint, weil er es schon längst im Grabe vermutete.
Er fordert von Philipp II. Rechenschaft über den Tod des Marquis Posa, wirft ihm diesen Tod vor, weil es der Inquisition zukomme, ihn zu töten, und wenn er das Opfer zu bedauern scheint, so ist es, weil man ihn des Vorrechts beraubte, es zu schlachten. Philipp befragt ihn über die Verdammung seines Sohnes:
Kannst du mir einen neuen Glauben gründen,
der eines Kindes blut'gen Mord verteidigt?
Der Großinquisitor antwortet:
Die ewige Gerechtigkeit zu sühnen,
starb an dem Holze Gottes Sohn.
Welche Worte! Welch blutdürstige Anwendung der rührendsten Lehre des Christentums!
Mit diesem blinden Greis tritt ein ganzes Jahrhundert auf. Das erschütternde Entsetzen, das mit der Inquisition und mit dem Fanatismus der Zeit damals schwer auf Spanien lastete, malt der schnelle Auftritt; die Kunst des größten Redners bliebe, wenn sie eine solche Menge solcher Gedanken auszudrücken hätte, weit hinter der Geschicklichkeit zurück, mit der sie hier von Schiller in die Handlung verwoben sind.
Ich bin mir bewußt, daß man in »Don Carlos« eine Menge Unschicklichkeiten und Übelstände aufdecken könnte: ich mag mich aber mit einer Sache nicht befassen, in der ich so viele Mitarbeiter haben würde. Ganz mittelmäßige Literatoren können bei Shakespeare, Goethe, Schiller Fehler rügen; solange man in Kunstwerken nur das Mangelhafte sucht, das Unpassende trennt, ist die Arbeit leicht: was aber die Kritik weder geben noch nehmen kann, ist Genie und Talent; diese muß man verehren, wo man sie findet, sollten auch ihre himmlischen Strahlen von einigen Wolken verdunkelt sein. Weit entfernt, über die Verirrungen des Genies zu frohlocken, sollte man schmerzhaft fühlen, daß sie das Erbteil des Menschengeschlechts und die Ansprüche auf Ruhm, die es stolz machen, vermindern.
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Unter allen deutschen Trauerspielen ist, meinem Urteil nach, »Maria Stuart« das rührendste und planmäßigste. Das Schicksal dieser Königin, deren Leben so glänzend und herrlich aufblühte, die ihr Glück durch eigene Schuld verlor und nach neunzehnjährigem Gefängnis das Blutgerüst betrat, erregt ebensoviel Entsetzen und Mitleid wie das Schicksal des Oedipus, des Orest und der Niobe; aber die Schönheit selbst dieser Geschichte, die dem Genie so sehr zustatten kommt, würde ein mittelmäßiges Talent erdrücken.
Das Stück beginnt in Fotheringaycastle, wo Maria in Haft gehalten wird. Neunzehn Jahre sind verflossen, seitdem sie ihrer Freiheit beraubt ward, und der von der Königin Elisabeth ernannte Gerichtshof ist in Begriff, das Urteil über die unglückliche Königin von Schottland zu fällen. Marias Amme beschwert sich bei dem Kommandanten des Schlosses über die harte Behandlung, unter der ihre Gebieterin seufzt. Dieser, seiner Monarchin mit Treue ergeben, spricht von Maria mit unbeugsamer Strenge. Er erscheint als ein Biedermann, urteilt aber über Maria wie ihre übrigen Feinde; er spricht von ihrem bevorstehenden Tod wie von einer verdienten Strafe, weil er sie im Verdacht hat, Mordanschläge auf Elisabeths Leben unternommen zu haben.
Schon bei anderer Gelegenheit habe ich von dem großen Vorzug der Einleitungsszenen gesprochen, die sich durch Handlung entwickeln. Man hat alles Mögliche versucht, Vorspiele, Chöre, kurz alles, um einen Eingang zum Stück zu finden, der nicht abstoßend sein soll; gleichwohl dünkt mich's das Beste, gleich in die Handlung überzugehen und die Hauptperson durch die Wirkung bekanntzumachen, die sie auf ihre Umgebung ausübt. Auf diese Weise stellt man den Zuschauer an die richtige Stelle, von wo er den ganzen Vorgang überschauen soll; denn nur ein einziges Wort in einem Schauspiel, dem man es anhört, daß es dem Publikum galt, für das Publikum gesprochen wurde, stört und zerstört alle Täuschung. Wenn Maria Stuart auftritt, ist man schon gespannt und gerührt; man kennt sie nicht nach einem toten Gemälde, sondern durch den Einfluß, den sie bei Freunden und Feinden hat . . . Es ist eine kalte Erzählung, der man zuhört; es ist die Begebenheit selbst, deren Zeitgenosse man geworden ist.
Der Charakter der Maria ist auf eine bewundernswürdige Weise gezeichnet und ruft ein immer steigendes Interesse wach. Man liebt und tadelt zugleich in ihr das schwache, leidenschaftliche, auf ihre Schönheit stolze, ihre Handlungsweise bereuende Weib. Man fühlt Mitleid mit ihrer Reue, wie mit ihren Fehlern. Überall scheint die Herrschaft durch, die ihre so allgemein gerühmte Schönheit unwiderstehlich ausübte. Ein Jüngling, der sie retten will, gesteht ihr, darf ihr gestehen, er opfere sich für sie, weil ihre Reize ihn entzückt haben. Elisabeth ist mehr ihre Nebenbuhlerin als ihre Feindin; Leicester, Elisabeths Günstling, ist Marias heimlicher Anbeter geworden und hat ihr seinen Beistand versprochen. Liebe und Eifersucht, die natürlichen Folgen des magischen Blicks der unglücklichen Maria, machen ihren Tod tausendmal ergreifender.
Sie liebt Leicester. Die Unglückliche ist verdammt, noch einmal im Leben zu fühlen, was schon so oft Bitterkeit über ihr Leben ausgoß. Ihre beinah übernatürliche Schönheit scheint zugleich die Ursache und die Entschuldigung des bei ihr zur Gewohnheit gewordenen Herzenstaumels zu sein, der das Unglück und das Verhängnis ihres Lebens war.
Elisabeth zieht ebenfalls viel Aufmerksamkeit auf sich; nur ist diese Aufmerksamkeit ebenso verschieden wie ihr Charakter. Dieser Charakter, ein weiblicher Tyrann auf der Bühne, ist eine ganz neue Erscheinung. In Elisabeth führt alles zum Despotismus, was bei anderen Frauen aus der Sklaverei und der Abhängigkeit stammt, wie z. B. der weibliche Kleinigkeitsgeist, die weibliche Eitelkeit, die weibliche Gefallsucht; in Elisabeth wird die Verstellungsgabe, das gewöhnliche Kind der Schwäche, zu einem Hauptwerkzeug ihrer unumschränkten Gewalt. Um die Männer zu unterjochen, muß man sie betrügen; eine höfliche Lüge ist das wenigste, was man ihnen in diesem Fall schuldig ist. Was aber Elisabeth charakterisiert, ist die Sucht zu gefallen, verbunden mit dem ganzen Willen des Despoten, und die feinste weibliche Eigenliebe, in den gewaltsamsten Handlungen der Oberherrschaft sich äußernd. Selbst die Höflinge verbergen, wo eine Königin das Zepter führt, ihre Kriecherei vor dem Thron hinter dem Schleier des Hofmachens; sie möchten sich gern einreden, daß sie's wagen, sie zu lieben, um in ihren Gehorsam mehr Edelsinn legen zu können.
Elisabeth war ein Weib von seltenem Genie; dies bezeugt der Glanz ihrer Regierung; gleichwohl kann man in einem Trauerspiel, wo Maria stirbt, nichts anderes in ihr sehen als die Nebenbuhlerin, die ihre Gefangene ermorden läßt. Ihr Verbrechen ist zu schwarz, um nicht alles Gute auszulöschen, was sich über ihr politisches Genie sagen ließe. Es wäre vielleicht ein Verdienst mehr in Schillers Werk gewesen, wenn er Elisabeth weniger hassenswürdig gestaltet hätte, ohne Maria etwas zu nehmen; in leichtschattierten Kontrasten liegt oft mehr Kunst als in ausgesprochenen Extremen; die Hauptperson gewinnt dadurch, daß keine der Nebenfiguren des dramatischen Gemäldes ihr geopfert werden.
Die Königin Maria, die Frankreich in ihrem Glanze und England so tief im Unglück sah, ist der Gegenstand von mehr als tausend Gedichten gewesen, die ihre Reize und ihre Leiden besangen. Die Geschichte hat sie als leichtsinnig geschildert. Schiller gibt ihrem Charakter einen Anstrich von Ernst, und der Augenblick, in dem er sie darstellt, rechtfertigt diese Veränderung zur Genüge. Eine zwanzigjährige Gefangenschaft, oder überhaupt nur zwanzig Lebensjahre, sie mögen verflossen sein, wie sie wollen, sind fast immer für den Menschen eine strenge Lehre.
Der Abschied Marias vom Grafen Leicester ist in meinen Augen eine der schönsten Begegnungen auf der Bühne. Dieser Augenblick ist nicht ohne eine gewisse liebenswürdige Genugtuung für Maria; sie fühlt Mitleid mit dem Grafen, so strafbar er ist. Sie fühlt den Wert der Erinnerung, den sie in ihm zurückläßt, und diese Rache des Herzens ist erlaubt. Im Augenblick, wo sie stirbt, weil er sie nicht retten wollte, wiederholt sie ihm ihre Liebe. Kann uns in der furchtbaren Stunde der Trennung, die der Tod über uns verhängt, etwas trösten, so sind es die letzten feierlichen Worte des Sterbenden: denn in diese mischt sich keine Absicht, keine Täuschung: die reinste Wahrheit entflieht seiner Brust mit dem Leben.
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Eine der schönsten Epochen der Geschichte, der Befreiung Frankreichs und Karls VII. vom fremden Joche, ist noch von keiner Feder beschrieben worden, die es verdiente, das Andenken an Voltaires faunisches Gedicht zu vertilgen; ein Ausländer ist es, der es versucht hat, den Ruhm einer französischen Heldin wiederherzustellen, einer Heldin, deren unglückliches Schicksal für sie einnehmen würde, wenn auch ihre Taten nicht zum gerechten Enthusiasmus für sie aufriefen. Shakespeare mußte Jeanne d'Arc mit Parteilichkeit beurteilen; dennoch stellt er sie in seinem historischen Stück »Heinrich VI.« als ein anfangs vom Himmel begeistertes, dann vom Dämon des Ehrgeizes verführtes Mädchen dar.
Die »Jungfrau von Orleans« ist ein zugleich historischer und romantischer Stoff. Daher hat Schiller sein Stück mit lyrischen Fragmenten durchwoben, und diese Abwechslung ist beim Lesen und selbst in der Darstellung von großer Schönheit.
Man denke sich ein junges, sechzehnjähriges Mädchen von majestätischem Wuchs, aber noch kindlichen Zügen, weiblich, zart und ohne andre Kraft, als die ihr von oben herabkommt; man denke sich eine Begeisterte im Glauben; einen Dichter, wenn sie im Namen des Geistes spricht, der in ihr waltet; in ihren Reden bald eine überirdische Intelligenz, bald eine Unwissenheit in allem verratend, was ihr der Himmel nicht offenbart hat. Also hat Schiller sich seine Jungfrau und ihre Rolle gedacht.
Das Stück folgt der Geschichte Schritt für Schritt bis zum Krönungsfest in Reims. Der Charakter der Agnes Sorel ist mit Würde und Zartheit gezeichnet; er dient der Reinheit der Jungfrau zur Folie; denn alle Welttugenden müssen den religiösen weichen. Schiller hat einen dritten weiblichen Charakter in sein Stück gebracht: Isabeau von Baiern; er hätte besser getan, ihn zu streichen; er ist abstoßend, der Kontrast ist zu stark, die Züge zu grell, als daß er gut wirken könnte. Jeanne d'Arc muß Agnes Sorel gegenübergestellt, wie himmlische Liebe der irdischen entgegengesetzt wirken, aber Haß und Verkehrtheit in einem Weibe darzustellen, ist der Kunst unwürdig und setzt sie herab.
Der einzige bedeutende Fehler, den man diesem lyrischen Drama vorwerfen kann, ist die Entwicklung. Anstatt der Geschichte treu zu bleiben, dichtet Schiller, daß die Jungfrau, von den Engländern in Ketten geschlagen, ihre Fesseln zerbricht, ins französische Lager zurückeilt, den Sieg für ihre Landsleute entscheidet, aber selbst tödlich verwundet wird. Das Wunderbare der Dichtung neben dem Wunderbaren der Geschichte benimmt dieser Tragödie etwas von ihrer ernsten Würde. Und überdies, konnte wohl etwas schöner sein, als das Benehmen und die Antworten der Johanna vor ihren Richtern, als sie von den englischen Großen und den normannischen Bischöfen zum Scheiterhaufen verdammt wurde?
Die Geschichte erzählt, das Mädchen habe mit der rührendsten Sanftmut den unerschrockensten Mut verbunden; sie habe geweint wie ein Weib und gehandelt wie ein Held. Man beschuldigte sie, sich abergläubischer Kunstgriffe bedient zu haben; aber sie wies diese Beschuldigung mit Gründen von sich, die die aufgeklärteste Vernunft unserer Zeit vorbringen könnte, und verharrte fest bei der Erklärung, sie habe innere Offenbarungen gehabt, die sie bestimmt hätten, sich ihrem außerordentlichen Beruf zu widmen. Im Angesicht des Scheiterhaufens, den sie besteigen soll, von den Todesschrecken übermannt, die sie bedrohten, von den Ihrigen verlassen, ließ sie nicht vom Lob ihres kräftigen Volkes, ihres edlen Königs. Ihr Tod ist weder der Tod eines Kriegers, noch der eines Märtyrers; gleichwohl zeigte sie bei aller Sanftmut und Schüchternheit ihres Geschlechts in ihren letzten Augenblicken eine bewundernswürdige Kraft der Begeisterung, die fast der Zauberkraft glich, deren man sie beschuldigte.
Wahr ist es, die einfache Erzählung ihres Todes rührt mehr als Schillers künstliche Dichtung. Sobald die Poesie den Glanz einer historischen Persönlichkeit erhöhen will, muß sie wenigstens darauf bedacht sein, ihr die charakteristischen Züge zu lassen, denn die Größe ist nur dann wirkungsvoll, wenn sie die Spuren der Natürlichkeit an sich trägt! In der Jungfrau von Orleans enthält die historische Wahrheit nicht nur mehr Natürliches, sondern auch mehr Großes, als die Dichtung.
Der »Wallenstein« ist unter allen Nationaltragödien, die auf der deutschen Bühne aufgeführt worden sind, die vorzüglichste; die Schönheit der Verse, die Größe des Stoffes entzückte alle Zuschauer in Weimar, wo sie zuerst gegeben wurde, und Deutschland konnte sich rühmen, einen neuen Shakespeare zu besitzen. Durch Lessings Tadel des französischen Geschmacks in dramatischen Werken, durch seine Übereinstimmung mit Diderot in ihren dramatischen Einsichten, war von der deutschen Bühne die Poesie verdrängt worden; die Schauspiele waren dialogisierte Romane, fortgesetzte Auftritte des gewöhnlichen Lebens mit einer gewissen Zusammendrängung der Vorfälle und Begebenheiten, die gewöhnlich nicht so rasch aufeinander folgen.
Schiller kam auf den Gedanken, ein wichtiges Ereignis aus dem Dreißigjährigen Krieg auf die Bühne zu bringen, aus jenem Religionskrieg, der ein mehr als hundertjähriges Gleichgewicht zwischen der katholischen und protestantischen Partei in Deutschland herbeiführte. Die deutsche Nation ist so unzusammenhängend, daß man nie weiß, ob die Großtaten der einen Hälfte dieser Nation ein Unglück oder ein Gegenstand des Ruhms für die andere Hälfte sind; nur Schillers »Wallenstein« hat den Enthusiasmus aller Teile erregt. Der ganze Stoff ist in drei besondere Stücke abgeteilt. Wallensteins Lager, das erste von den dreien, stellt die Wirkungen dar, die der Krieg auf die Masse des Volkes und des Heeres hervorbringt. Die Piccolomini, das zweite, gibt die politischen Ursachen an, die den Zwist der Herrschenden veranlaßten. Das dritte Stück, die Katastrophe, Wallensteins Tod, ist das Resultat des Enthusiasmus und des Neides, die der große Ruf dieses Feldherrn erregt hatte.
Ich habe den Prolog »Wallensteins Lager« gesehen; man dünkt sich mitten in einem Heere, und zwar in einem Heere von Parteigängern, wo alles weit lebendiger, weit zuchtloser zugeht, als unter regelmäßigen Truppen. Bauern, Rekruten, Marketenderinnen, Soldaten, alles trug das seine zur Wirkung des Schauspiels bei. Es setzt in einem Stubengelehrten eine ungemeine Phantasie voraus, um sich das Leben und Weben in einem Feldlager, die Unabhängigkeit, die rauschende Freude mitten unter den Kriegsgefahren so lebhaft denken und vor Augen stellen zu können. Der entfesselte Krieger macht Jahre zum Tag, Tage zum Augenblick, setzt alles, was sein ist, auf eine Karte, gehorcht dem Zufall im Anführer und überläßt es dem immer gegenwärtigen Tod, ihn von den Sorgen des Lebens lachend zu befreien. Nichts ist origineller in Wallensteins Lager, als die Erscheinung eines Kapuziners mitten in dem geräuschvollen Haufen der Soldaten, die sich für Verfechter des katholischen Glaubens halten. Der Mönch predigt ihnen die Mäßigung, die Gerechtigkeit in einer Rede voller Wortspiele und Silbenstechereien, die sich von der gewöhnlichen Lagersprache durch nichts unterscheidet, als durch einige biblische Sprüche und lateinische Floskeln; die buntscheckige und soldatische Beredsamkeit des Kapuziners, die rohe, ungehobelte Religion seiner Zuhörer, stellt ein auffallendes Schauspiel der Verwirrung und des Widerspruchs auf. Der in Gärung geratene, gesellige Zustand zeigt den Menschen, was noch wild in ihm ist; es kommt wieder zum Vorschein, und die Spuren der besseren Bildung irren umher, wie die Trümmer eines Schiffes auf den sturmbewegten Wellen.
»Wallensteins Lager« ist ein sinnreiches Vorspiel, eine Einleitung zu den beiden übrigen Stücken; es erregt Bewunderung für den Feldherrn, der in aller Soldaten Mund ist, bei ihren Spielen, wie bei ihren Gefahren; und wenn das Trauerspiel selbst anhebt, hat man den vorausgeschickten Prolog noch in so frischem Gedenken, als wäre man Zeuge gewesen von der Geschichte, deren Ausschmückung die Dichtkunst übernommen hat.
Das zweite Stück, »Die Piccolomini«, enthält die Streitereien, die sich zwischen dem Kaiser, seinem Feldherrn und seinen Mitgeneralen erhoben haben, als dieser als Oberhaupt der Armee dem Gewalthaber, den er vertritt, sowie der Sache, die er verficht, seinen persönlichen Ehrgeiz unterschieben will. Wallenstein kämpft im Namen Österreichs gegen die Nationen, die die Reformation in Deutschland einführen wollten; gelockt und verführt jedoch durch die Hoffnung, für sich selbst eine unabhängige Gewalt zu begründen, sucht er alle Mittel sich anzueignen, die er zum allgemeinen Besten anwenden sollte. Die übrigen Anführer widersetzen sich seinen Absichten, nicht aus reiner Moral, sondern aus Eifersucht; und in diesen gewaltsamen Kämpfen findet man alles, nur keine Menschen, die eigene Meinungen festhalten und sich für die Sache ihres Gewissens schlagen. Für wen sollte man sich hier denn interessieren? So wird man fragen. Für das Gemälde der Wahrheit. Vielleicht wird die Kunst verlangen, daß dieses Gemälde auf theatralische Wirkung berechnet sei; dennoch ist die Geschichte auf der Bühne immer etwas Sehenswertes.
Schiller hat nebenbei Rollen eingeschoben und Namen erdichtet, die ein Romaninteresse erregen. Er hat Max Piccolomini und Thekla als zwei himmlische Schöpfungen aufgestellt, die alle Stürme der politischen Leidenschaften durchkreuzen, ohne in ihrem Gemüt Liebe und Wahrheit zu gefährden. Thekla ist Wallensteins Tochter, Max der Sohn des treulosen Freundes, der ihn verriet. Das Paar liebt, sucht und findet sich im Leben und im Tode wider den Willen der Eltern, des Schicksals, der Welt, nur nicht ihrer Herzen. Beide Wesen erscheinen wie Auserwählte mitten unter den Greueln des Ehrgeizes. Es sind rührende Opfer, die sich der Himmel erkor; ein schönes Abbild der reinsten Hingebung seiner selbst mit den Leidenschaften der Menschen, die sich um den Besitz dieser Welt wie um ihr einziges Los streiten!