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Aus der Zahl der Bücher, die in Leipzig verkauft werden, kann man leicht auf die Zahl ihrer Leser schließen; Arbeitsleute aller Klassen, Steinhauer sogar, ruhen sich aus mit einem Buche in der Hand. In Frankreich kann man sich schwerlich eine Vorstellung davon machen, bis zu welchem Grade die Erkenntnisse in Deutschland verbreitet sind. Ich habe Gasthofbesitzer kennengelernt, die die französische Literatur kannten. In Dörfern sogar findet man Leute, die im Griechischen und Lateinischen unterrichten könnten. Keine noch so kleine Stadt, die nicht eine beträchtliche Bibliothek hätte; und überall kann man einige Männer nennen, die wegen ihrer Talente und Kenntnisse empfohlen zu werden verdienen. Wollte man Frankreich und Deutschland in dieser Hinsicht miteinander vergleichen, so würde man zuletzt glauben müssen, beide Länder seien durch dreihundertjahrelange Entfernung voneinander geschieden. Indem Paris das Ausgesuchteste des Landes in seinem Schoß vereinigt, nimmt es dem übrigen das Interesse.
Picard und Kotzebue haben zwei nette Stücke geschrieben, die »Die Kleinstädter« betitelt sind. Picard stellt die Bewohner der Provinz als Leute dar, die Paris unablässig nachahmen; Kotzebue die Bürger einer kleinen Stadt, bezaubert von ihrem Wohnort, den sie für unvergleichlich halten, und stolz auf ihn. Der Unterschied des Lächerlichen führt immer auf den Unterschied in den Sitten. In Deutschland ist jeder Wohnort für den, der sich darin aufhält, ein Reich; seine Einbildungskraft, seine Studien und seine Treuherzigkeit vergrößern ihn in seinen Augen. Jeder weiß ihn sich so vorteilhaft wie möglich zu machen. Die Wichtigkeit, die man auf alles legt, mag spaßhaft sein, aber diese Wichtigkeit gibt kleinen Hilfsquellen einen Wert. In Frankreich interessiert man sich nur für Paris; und man tut recht daran, denn Paris ist ganz Frankreich, und wer nur in der Provinz gelebt hätte, würde nicht die mindeste Vorstellung von dem haben, worin sich die Eigentümlichkeit dieses Landes ausdrückt.
Da die ausgezeichnetsten Männer Deutschlands nicht in ein und derselben Stadt versammelt sind, so sehen sie sich beinahe gar nicht und stehen nur durch ihre Schriften miteinander in Verbindung; jeder tummelt sich in der eigenen Bahn und entdeckt in der großen Region des Altertums, der Metaphysik und Wissenschaft unaufhörlich neue Möglichkeiten. Was man in Deutschland Studieren nennt, ist etwas Bewundernswertes. Fünfzehn Stunden Einsamkeit und Arbeit täglich scheinen eine ganz natürliche Art der Existenz, selbst ganze Jahre hindurch. Die Langeweile des Umgangs macht die Zurückgezogenheit liebenswert.