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Von allen Deutschen, die im Geiste der französischen Schriftsteller geschrieben haben, ist Wieland der einzige, in dessen Werken man Genie findet, und obgleich er als Nachahmer fremder Literaturen aufgetreten ist, so lassen sich die großen Dienste doch nicht verkennen, die er der Sache seines Volkes geleistet hat, indem er die deutsche Sprache vervollkommnet und ihrem Versbau größere Leichtigkeit und Harmonie gegeben hat.
Es gab in Deutschland eine große Zahl von Schriftstellern, die es versuchten, in die Fußtapfen der französischen Literatur aus dem Zeitalter Ludwigs des Vierzehnten zu treten. Wieland ist der erste, der mit Erfolg die des achtzehnten Jahrhunderts einführte. In seinen prosaischen Werken findet sich einige Ähnlichkeit mit Voltaire, in seinen poetischen mit Ariost. Aber durch diese willkürliche Ähnlichkeit blickt seine durchaus deutsche Natur überall hervor. Wieland ist unendlich unterrichteter als Voltaire und hat die Antike auf eine viel gelehrtere Weise studiert, als je ein französischer Dichter. Seine Fehler aber, wie seine Eigenschaften, sind derartig, daß man seinen Schriften nicht die französische Grazie und Leichtigkeit zugestehen kann.
In seinen philosophischen Romanen Agathon und Peregrinus Proteus stößt man immer zugleich auf Zergliederungen, Erörterungen, Metaphysik; zwar macht er es sich dabei zur Pflicht, das häufig einzustreuen, was man Blumen nennt; aber man fühlt, daß sein natürlicher Gang ihn eigentlich zur tieferen Ergründung der Gegenstände hinzieht, die er behandelt. Ernst und Heiterkeit stehen in Wielands Romanen zu schroff einander gegenüber, um sich zu verschmelzen; wenn aber überall Kontraste anziehend sind, so ermüden Extreme im Gegensatz.
Um Voltaire nachzuahmen, bedarf es einer spöttischen philosophischen Sorglosigkeit, die gleichgültig gegen alles macht, nur nicht gegen die anziehende Art, diese Sorglosigkeit auszusprechen. Nie wird ein Deutscher diese glänzende Freiheit im Scherz erreichen; die Wahrheit fesselt ihn zu sehr, er strebt, das Wesen der Dinge zu kennen, zu erklären und selbst, wenn er verwerfliche Meinungen annimmt, so hält ein geheimes Gefühl der Reue wider Willen seine Schritte auf. Die Epikureische Philosophie paßt nicht zum Geist der Deutschen: sie geben ihr einen dogmatischen Charakter, da sie doch nur verführerisch ist, wenn sie unter leichten Formen auftritt. Sobald man sie auf Grundsätze zurückführt, mißfällt sie allen in gleichem Maße.
Wielands poetische Werke haben viel mehr Reiz und Eigentümlichkeit, als seine prosaischen: Oberon und andere Gedichte sind voll von Anmut. Doch hat man ihm zum Vorwurf gemacht, daß er die Liebe mit zu wenig Sittenstrenge behandle; und das ist bei den Deutschen wohl zu begreifen, denn ihnen ist in der Verehrung der Frauen noch ein Rest von dem Geiste ihrer Altvordern geblieben. Welcher Verirrungen der Phantasie man ihn indessen zeihen kann, nie wird man wahres Gefühl in ihm verkennen; er möge in gutem oder bösem Sinne über Liebe scherzen, so verhindert ihn seine ernste Natur, sich diesem Scherz dreist hinzugeben; gleich dem Propheten, der segnet, statt zu fluchen, hört er mit Rührung auf, wo er mit Ironie begann.
Die Unterhaltung mit Wieland ist gerade darum sehr reizvoll, weil seine natürlichen Eigenschaften mit seiner Philosophie im Widerspruch stehen. Dieser Gegensatz kann ihm als Schriftsteller schaden, aber seine Gesellschaft wird dadurch höchst anziehend: er ist voll Leben, enthusiastisch und, wie alle Männer von Genie, noch jung im Alter; bei dem allem will er Skeptiker sein und kann ungeduldig werden, wenn man sich seiner eigenen schönen Phantasie bedient, um ihn zum Glauben zu bringen. Wohlwollend von Natur, ist er jedoch mitunter übelgelaunt, oft aus Unzufriedenheit über sich selbst, oft aus der über andere. Seine Unzufriedenheit über sich selbst entspringt daraus, daß er in der Art, seine Gedanken auszusprechen, nach einem Grade von Vervollkommenheit strebt, zu dem weder die Worte noch die Gegenstände passen; mit andern ist er zuweilen unzufrieden, weil seine etwas weiten Grundsätze mit seinem exaltierten Gefühl sich nicht recht vereinen. Es stecken in ihm ein deutscher Dichter und ein französischer Philosoph, die wechselweise miteinander zürnen; doch ist sein Unmut leicht genug zu tragen, und seine von Ideen und Kenntnissen ganz erfüllte Unterhaltung würde den Gesprächen vieler geistreicher Männer in den verschiedensten Gattungen zur Grundlage dienen können.
Die neueren Schriftsteller, die von der deutschen Literatur jeden fremden Einfluß ausgeschlossen haben, sind oft ungerecht gegen Wieland gewesen. Seine Werke haben, selbst in Übersetzungen, das Interesse von ganz Europa erregt. Er ist es, der die Wissenschaft der Altertumskunde dem Reiz der Literatur dienstbar machte. Er ist es, der seiner fruchtbaren, aber rauhen Sprache eine musikalische und anmutige Geschmeidigkeit gab.