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Wir sind dem alten Goethe gram,
Daß er's Gewehr nicht auf den Buckel nahm
Und unter die Franzosen schoß
Tyrtäisch singend hoch vom Roß:
»Er hätte sollen, schwere Not!
Ein Deutscher sein und ein Patriot.«
Ein Patri . . . habt ihr's ausgesprochen?
Wann kam schon Deutschland in die Wochen
Mit Patrioten? als solchen nur –
Die sind nicht wider die Natur –
Die dürre Freiheitsbäume pflanzen,
Mit Jakobinermützen sie umtanzen.
Wenn ihr die meint, die könnt ihr haben
In Mainz bald wieder und in Schwaben,
Und wo nicht sonst? Doch die sich härmen
Um Deutschland, nicht für Polen schwärmen,
Für Ungarn, Welsche, Kamtschadalen,
Die sieht man weder in Westfalen,
Noch von der Schweiz bis Siebenbürgen
Sich aus dem deutschen Boden würgen.
Till, wißt ihr, säte Schälke drauf,
Die gingen ihm wie Unkraut auf;
Man könnt' auch Kosmopoliten ziehn,
Weltbürger, von Berlin bis Wien;
Doch Deutschgesinnte zieht man nicht,
Weil's an der Aussaat schon gebricht,
Der Boden hat es nie getragen:
Meint ihr, er trüg's in unsern Tagen?
Die Herrn vom Nationalverein,
Schlugen sie bei Magenta drein,
Haben sie bei Solferino gefochten,
Die jüngst so stark auf Deutschheit pochten?
Und hätten doch bei den Lombarden
Wohl nur Franzosen oder Sarden
Getroffen. Aber da nicht so,
Als Goethe in den Osten floh,
Ich meine Anno acht und neun:
Da mußte man zu schießen scheun
Auf die Franzosen, seine Neffen,
Vettern und Ohme nicht zu treffen;
Denn mit Deutschen schlug er seine Schlachten,
Der Korse, das bitt' ich zu beachten.
Ich hab' es selbst in jungen Jahren
In meines Vaters Haus erfahren:
Kamen uns Franzosen ins Quartier,
Das war uns Kindern ein Pläsier,
Zu sehn, wie er zu Tisch sich streckte,
Der Parlez-vous, und wie's ihm schmeckte;
Doch hatt' er sich pumpsatt gefressen,
War er aus Nassau oder Hessen
Und sprach gut deutsch. Doch noch viel ärger
Scheuten die Eltern Württemberger
Und Bayern, denn die schlugen Klingen,
Daß ihnen die Augen übergingen.
Wir können's wieder bald erleben,
Sollt's einen neuen Rheinbund geben.
Von Parlez-vous und Qu'est-ce qu'il dits
Befreite man uns in Paris;
Jetzt lagen Dobris und Kosaken,
Batschkiren und Schweden uns auf dem Nacken:
Die erst verstanden wir nicht recht.
Sie aßen und tranken zwar auch nicht schlecht;
Doch mochten sie, das war zu merken,
Uns in deutscher Gesinnung nicht bestärken,
Und als wir preußisch wurden bald,
Da litt das Deutschtum gar Gewalt,
Und wer deutsch dacht' und sagt' es frei,
Der kam in Berlin auf die Hausvogtei.
Weiß doch, wer deutsche Geschichte gelesen:
Unsre Kaiser sind keine Deutsche gewesen:
Sie wurden römische Kaiser genannt
Und holten sich Kronen aus welschem Land.
Ihr Ehrgeiz war, ihr höchster Ruhm
Ein Titularweltkaisertum.
Auch unsre Minn- und Meistersänger
Waren nicht solche Grillenfänger:
Von Kurtoisie mag man da lesen,
Doch wenig von Deutsch und deutschem Wesen;
Erst Klopstock ließ die Barden brüllen,
Göttingens Hain mit Schrecken füllen.
Wie mögt ihr nun von Goethe verlangen,
Er hätte sollen mit Deutschheit prangen,
Ein Deutscher sein zu seiner Zeit,
Was ihr noch heut zu Tag nicht seid?
Wenn uns dafür Napoleon hielte,
Ob er wohl nach dem Rheinland schielte?
Es würd' ihn glühend heiß bedünken,
Hielt' er was von unsern Festtagstrünken.
Er weiß uns als Kosmopoliten
Noch all' einander ungelitten.
Der Preuße lacht, wenn Östreich sinkt,
Der Sachse, wenn's in Potsdam stinkt,
Und so im Kreis der Reihe nach
Freut einer sich über des andern Schmach
Und fällt ihm gar nicht ein dabei,
Daß es auch seine Schande sei.
Jeder ist ein ander Wappentier;
Gemeinsames, was haben wir?
Was hält uns leidlich noch zusammen
Und schürt uns vaterländ'sche Flammen?
Der Bund wohl kaum, die Sprache nur
Und ihre Blüte, die Literatur:
Die danken wir zumeist den zween,
Von denen ihr einen liebt zu schmähn;
Wir wären, hätt' er nicht gesungen,
Längst von Franzosen und Russen verschlungen. |