Karl Simrock
Gedichte
Karl Simrock

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Schweizerreise 1833

1. Warum nit gar?

        Du Mädchen bist aus Schwaben
Und hast ein Angesicht,
Wie wenig Mädchen haben,
Das mir zur Seele spricht.

Mit holder Lieb' und Güte,
Der Unschuld im Geleit,
Bezwingst du mein Gemüte,
Du reine Schwabenmaid.

Du kannst so lieblich fragen
Dein stet: Warum nit gar?
Was dir die Leute sagen,
Das wundert dich fürwahr.

Ich muß mich doch besinnen,
Wie das zu nutzen ist;
Sie kann mir nicht entrinnen,
Zu fein ist ihr die List:

»Dein Herz, so frei von Ränken,
So redlich, treu und wahr,
O woll' es halb mir schenken.«
Sie sprach: Warum nit gar?

»Ich bin es auch zufrieden,
Schenk mir es ganz und gar,
So werden wir hienieden
Und dort ein selig Paar.«

 

2. Vevey

        Blauer Himmel, blaue Wogen,
Rebenhügel um den See,
Drüber blauer Berge Bogen
Schimmernd weiß im reinen Schnee.

Wie der Kahn uns hebt und wieget,
Leichter Nebel steigt und fällt,
Süßer Himmelsfriede lieget
Über der beglänzten Welt.

Stürmend Herz, tu auf die Augen,
Sieh umher und werde mild:
Glück und Frieden magst du saugen
Aus des Doppelhimmels Bild.

Spiegelnd sieh die Flut erwidern
Turm und Hügel, Busch und Stadt:
Also spiegle du in Liedern,
Was die Erde Schönstes hat.

 

3. Der Einsiedler

                Wo der Montblanc im ew'gen Lichte schimmert,
Willkommner Nachbar himmlischer Gestirne,
Lawinen stürzen von gezackter Firne,
Da hab' ich mir ein kleines Haus gezimmert.

Ob unten tief das Menschlein jauchzt und wimmert,
Ob dem Verrat, ob einer hohlen Stirne
Die Laune Kronen fügt, die lockre Dirne,
Was kümmert's mich, solang' sein Schnee noch flimmert?

Der Menschen Umgang hab' ich abgeschworen,
Mich aufzusuchen würde keinem frommen,
Ich hasse sie, die Weisen wie die Toren.

Es müßte denn die kleine Schwäbin kommen,
Der öffnet' ich mit flügelweiten Toren:
Die wär' allein, o ganz allein willkommen.

 

4. Die Eingeschneiten

            Und wenn wir hier verschneien,
Der Unfall ist nicht groß,
So sitzen wir zu zweien
Dem Glücke recht im Schoß.

So darf uns niemand stören,
Du falsche Welt, ade!
Ich weiß, daß wir nicht frören,
Denn warm ist's unterm Schnee.

Auch würden wir nicht dürsten,
Die Flaschen sind voll Wein:
Und wollten sie mich fürsten,
Wie könnt' ich reicher sein?

Die muntre Ziege melke;
Sie schaut dich an so klug:
Hier über dem Gebälke
Spürt sie noch Heu genug.

Komm, Liebchen, laß uns schmausen,
Kredenze den Pokal;
Wo zwei Verliebte hausen,
Da würzt ein Kuß das Mahl.

So hing' ich dir am Munde
Jahrhundert' ein und aus
Und graute vor der Stunde,
Wo man uns grüb' heraus.

 

5. Urserntal

        Du enges Tal, von hohen
Gebirgen rings umschränkt,
Du hast doch deine frohen
Bewohner reich beschenkt:

Ein Hüttchen an der Quelle,
Wo in der grünen Flut
Die blinkende Forelle
Im Sonnenstrahl sich ruht;

Die Alpe, wo bis heute
Noch reichlich sprießt das Kraut,
Wo stolz auf ihr Geläute
Die Kuh vom Felsen schaut;

Im Walde Wolf' und Füchse,
Und Gemsen auf der First
So feist, als bei der Büchse
Du Jäger selten wirst;

Ein Kirchlein bis zum Giebel
Mit Efeu überrankt;
Eine Schule, wo der Fibel
Der Knabe Weisheit dankt;

»So müssen wir uns scheiden?
O dennoch bist du schön!
Dich würden Flügel kleiden
Dort in des Himmels Höhn.

Mein Herz wird mir verbluten,
Daß ich dich lassen muß.
O stürben Liebesgluten
Doch mit dem letzten Kuß!« –

So ziehst du, Freund, von dannen,
Weißt nicht, wie krank ich bin:
Du opferst den Tyrannen
Mein Herz mit deinem hin.

 


 


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