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Von einem Ritter sollt ihr hören,
Der weder fromm noch gläubig war,
Mit Raufen, Spielen, Fluchen, Schwören
Vertrieb er wohl das halbe Jahr.
Er betete nicht laut, nicht leise;
Er sprach nur in gewohnter Weise:
»Gegrüßt seist du, Maria!«
Im Taumel rauschender Vergnügen
Gedacht' er nicht, was Gott gefällt,
Und schlürfte mit begier'gen Zügen
Die kurze Süßigkeit der Welt.
Wie schlimm auch seine Sitten waren,
Doch half ihm oftmals aus Gefahren:
»Gegrüßt seist du, Maria!«
Bald hatt' er mit noch braunem Scheitel
Sich satt geliebt, gezecht, gepirscht;
Daß alle ird'schen Freuden eitel,
Erkannte jetzt sein Herz zerknirscht.
Er dachte hehrer Gottesminne
Und sprach hinfort mit tieferm Sinne:
»Gegrüßt seist du, Maria!«
Und angeweht vom Geist der Süßen,
Erwählt' er die gewiss're Bahn;
Schon pocht' er, schwere Schuld zu büßen,
Am Altenberger Kloster an.
Ein Bruder öffnet ihm die Pforte,
Da spricht er seufzend nur die Worte:
»Gegrüßt seist du, Maria!«
Gekleidet ward er und geschoren,
Man gab ihm einen Lehrer bei,
Doch war der Unterricht verloren,
Er lernte keine Litanei.
Auch schien ihn Strafe nicht zu schmerzen,
Er sprach nur aus bewegtem Herzen:
»Gegrüßt seist du, Maria!«
So seltsam trieb er's bis zu Ende;
Schon blickt' er in das offne Grab,
Da wollt' er keine Segensspende,
Wies Beicht' und letzte Ölung ab.
Doch als sein Herz begann zu brechen,
Da hörte man ihn selig sprechen:
»Gegrüßt seist du, Maria!«
Nun sind gesprengt die Erdenbande,
Die Brüder senkten fromm ihn ein.
Sieh, auf des Hügels frischem Sande
Sproß eine Lilie weiß und rein.
Und auf den lichten Blütenblättern
Las man in goldenschönen Lettern:
»Gegrüßt seist du, Maria!«
Und gäb' euch nun ein heil'ger Engel
Zu schauen durch der Erde Grund,
So säht ihr, wie der Lilienstengel
Entsprießt des Bruders keuschem Mund.
Dann miedet ihr vergebnes Sagen
Und sprächt wie er auf eitle Fragen:
»Gegrüßt seist du, Maria!« |