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Was ist ein Militarist?

Nun, da wir wissen, was ein Junker ist, wollen wir uns den Militaristen näher betrachten. Ein Militarist ist eine Person, die glaubt, alle wirkliche Macht sei die Macht zu töten, und die Vorsehung sei mit den größten Bataillonen. Der berühmteste Militarist der Gegenwart ist, dank dem Eifer, mit dem wir sein Buch kaufen und zitierten, General Friedrich von Bernhardi. Doch wir können dem General als militärischen Propagandisten vor unseren eigenen Schriftstellern nicht den Vortritt lassen. Ich bin alt genug, um mich an den Anfang der anti-deutschen Epoche in dieser sehr alten Propaganda in England zu erinnern. Der französisch-preußische Krieg 1870/71 versetzte Europa in große Bestürzung. Bis dahin hatte niemand Angst vor Preußen, obwohl jedermann ein wenig ängstlich mit Bezug auf Frankreich war; und zwischen uns und Rußland im Osten hatten wir Pufferstaaten. Deutschland hatte wohl Dänemark besiegt; aber Dänemark war ein kleiner Staat und war zur großen Entrüstung Ibsens in seiner Not von denen im Stich gelassen worden, die ihm hätten helfen müssen. Deutschland hatte auch Österreich besiegt; aber jedermann scheint irgendwie imstande zu sein, Österreich zu besiegen, obwohl niemand imstande zu sein scheint, die Lehre daraus zu ziehen, daß Niederlagen nicht so viel bedeuten als die Militaristen meinen, denn Österreich ist ebenso mächtig wie vorher. Plötzlich ringt Deutschland Frankreich zu Boden, durch die Auswirkung einer organisierten Kriegstüchtigkeit, von der bis dahin niemand eine Vorstellung gehabt hatte. Es war nicht ein Staat in Europa, in dem man sich nicht fragte: »Was würde ums Himmels willen geschehen, wenn Deutschland uns angriffe?« Wir in England dachten an unser altmodisches Heer und unseren altmodischen Befehlshaber George Ranger (von Cambridge) und an unser Kriegsministerium mit seiner einfältigen Krimtradition; und wir zitterten in unseren Stiefeln. Doch wir waren nicht so töricht, es dabei bewenden zu lassen. Wir lieferten bald die erste Seite zur Bernhardi-Literatur: Eine anonyme Broschüre, benannt: » Die Schlacht bei Dorking.« Es war nicht die erste Seite englischer militaristischer Literatur. Wir brauchen nur zurückzublättern bis zum Ausbruch von Kriegsverherrlichung, der den unsinnigen Krimfeldzug ankündete (Tennysons Maud ist ein überlebendes Beispiel davon), um Triumphgesänge an Mars zu finden, die einen Treitschke hätten erröten machen (vielleicht taten sie es); doch es war die erste Seite unserer Kriegsliteratur, in der als selbstverständlich angenommen wurde, daß Deutschland und nicht Frankreich oder Rußland Englands natürlicher Gegner sei. The Battle of Dorking fand reißenden Absatz, und die wildesten Gerüchte über den vermutlichen Verfasser waren in Umlauf. Seine Lehre hieß: »Ans Gewehr! oder die Deutschen werden London belagern, wie sie Paris belagert haben«. Von jener Zeit an bis heute hat die englische Propaganda für einen Krieg gegen Deutschland niemals aufgehört. The Battle of Dorking fand die Gefolgschaft von Tagesblättern und Zeitschriften. Später setzte das Jingo-Fieber ein (antirussisch, nebenbei gesagt, doch das wollen wir gerade jetzt nicht betonen). Steads Wahrheit über die Marine, Mr. Spenser Wilkinson, Die Unterdrückung des Kanaltunnels, Mr. Robert Blatchford, Mr. Garvin, Admiral Maxse, Mr. Newbolt, Mr. Rudyard Kipling, The National Review, Lord Roberts, die Marineliga, die erzwungene Einsetzung eines imperialistischen Ministers des Äußern in einem liberalen Kabinett, Mr. Wells Luftkrieg (gerade jetzt wieder lesenswert) und die Dreadnoughts. In all diesen Agitationen war der Feind, der Bösewicht, im Spiel, die Weiße Gefahr: Preußen und seine Millionen deutscher Rekruten. Zuerst, in der Battle of Dorking-Phase, war der Ton lediglich abwehrend. Doch von dem Augenblick an, wo der Kaiser unsere Armadapolitik nachahmte und eine große Flotte baute, wurde die antideutsche Bewegung offenkundig feindselig, und der Ausruf, die deutsche Flotte oder die unsere müsse untergehen, und ein Krieg zwischen England und Deutschland sei unvermeidlich, hörte bei unseren Militaristen bald auf, nur ein Ausruf zu sein und wurde ihnen zum Axiom. Und was unsere Militaristen sagten, sprachen unsere Junker nach, und unsere Junkerdiplomaten steckten es sich zum Ziel. Die Geschichte, wie sie zu Werke gingen, Deutschland und Österreich durch einen englisch-französisch-russischen Zusammenschluß einzumauern, findet man mit soldatischer Deutlichkeit und der stolzen Offenheit eines Mannes, der die Dinge nur von seinem eigenen Standpunkt zu sehen vermag, im Artikel von Lord Roberts in The Hibbert Journal (Oktober 1914). Dort findet man auch, nach dem üblichen Unsinn über Nietzsche, die Vision von »Englischer Verwaltung tragend des Weißen Mannes Bürde«, von »jungen Leuten, frisch von den öffentlichen Schulen Britanniens, die sich eifrig dazu drängen, die hohen Traditionen des britischen Imperiums in jede neue Besitzung zu tragen, die unserer Fürsorge überantwortet wird«, von unserer »Eignung als herrschende Rasse«, von »Einer großen Aufgabe, die von der Vorsehung uns auferlegt ist«, dem »Erobererwillen, der bei uns nie versagt hat«, von unserer Berufung, »Über ein Fünftel der Erdoberfläche die Aufsicht und für ein Fünftel der Erdbewohner die Fürsorge zu tragen«. Nicht eine Andeutung, daß die Bewohner der Erde vielleicht fähig seien, selbst für sich zu sorgen. Nicht einmal eine flüchtige Erinnerung, daß, wenn von der »Bürde des Weißen Mannes« die Rede ist, die Männer außerhalb des britischen Reiches und selbst innerhalb des deutschen Reiches durchaus nicht ausschließlich Schwarze sind. Nur die Sancta simplicitas, die sich rühmt »Der stolzen Stellung Englands«, »Des Mitgefühls der Duldsamkeit, Voraussicht und des Wohlwollens unserer Herrschaft« im Osten (der Kaiser ist zweifellos sarkastisch in seiner Bemerkung über den Delhi-Aufrührerprozeß), des ritterlichen Gefühls, daß es unsere vornehmste Pflicht sei, die Welt vor dem schrecklichen Unglück zu bewahren, von irgend jemand anders regiert zu werden, als von diesen jungen Leuten frisch aus den öffentlichen Schulen Englands. Man ändere die Worte England und englisch gegen Deutschland und deutsch, und der Kaiser wird den Artikel begeistert unterschreiben. Seine Ansicht, seine Stellungnahme (bis auf jene Abänderung), Wort für Wort.


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