Heinrich Seidel
Glockenspiel
Heinrich Seidel

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Fichtennadelduft

        Durch schwülen Wald in Sommertagen.
Wo der Pirol aus Wipfeln rief,
Sonst alles ruhte, alles schlief,
Da ging ich, wo man Holz geschlagen.
[)er sommerlichen Sonne Gluthen,
Sie senkten sich in goldnen Fluthen
Hin auf den unbeschützten Grund –
Ein süsser Fichtennadelduft
Erfüllte rings die heisse Luft
Still brütend in der Lichtung Rund.
Und wie auf Schwingen fortgetragen
Hinflog mein Geist zu Wintertagen,
Wo in des Zimmers stillem Kreis
Der Tannenbaum die harz'gen Düfte
Haucht in die sanftdurchwärmten Lufte,
Und Rauschgold knistert zart und leis.
Und meinen Busen fühlt ich's dehnen.
Und mich befiel ein kindlich Sehnen
Nach dir, du holde Weihnachtszeit.
Was darf man in des Sommers Reichen
Wohl deinem stillen Glanz vergleichen
Und deiner trauten Heimlichkeit!

* * *

Die Zeit verging. – In Wintertagen
Da wurden Buden aufgeschlagen
Mit all dem sonderlichen Tand.
Das Wunder stieg vom Himmel wieder
Auf die verschneite Erde nieder –
Die heil'ge Weihnacht kam ins Land.
Es stand die schöngeschmückte Fichte
In farb'gem Glanz, in hellem Lichte.
Ein goldumglänzter Märchenbaum.
Doch, als der Zweige harz'ges Düften
Nun schwebte in den warmen Lüften,
Kam's über mich gleichwie ein Traum.
Da ward mein Geist hinweggetragen
Zu gluthgetränkten Sommertagen –
Ich hört' ihn rufen, den Pirol,
Und Vogelsang, und blühnde Wälder,
Und grüne Wiesen, goldne Felder –
Ein Märchen schienen sie mir wohl. –
Und meinen Busen fühlt ich's dehnen,
Und mich befiel ein tiefes Sehnen
Mit drängend lieblicher Gewalt,
Und als ein Glück, nicht auszusagen,
Erschien es mir: in Sommertagen
Zu wandern durch den grünen Wald!

 


 


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