Heinrich Seidel
Glockenspiel
Heinrich Seidel

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Agathens Ruh

        Gar oftmals denk' ich jener guten Zeit,
Da lieblich unser schöner Sommergast
Das stille Haus mit Sonnenschein erfüllte,
Da ihrer Stimme holde Melodie
Und ihres Lachens silberheller Klang
In unsre Einsamkeit so freundlich tönte.
Ich seh' sie noch, wie sie im lichten Kleid,
Den hellen Sommerhut am Arme tragend,
Ein Liedchen singend durch den Garten schritt
So rosenschön, die Blume aller Blumen.
Dort hinten, wo am grasbewachsnen Hügel
Der Park sich mählich in das Feld verliert,
Dort war ihr Lieblingsplatz. Auf jener Bank
Da ruhte gern sie mit dem Schoss voll Blumen,
Die unter ihrer Hand von selber sich
Zum schimmernden Gedichte freundlich fügten.
Zuweilen wohl auch schaute träumend sie
in die so hell besonnte Welt hinaus
Zum Wiesenthal, wo schimmernd sich der Bach
In blanken Bogen in die Weite wand,
Und – Dämmer hinter Dämmerniss gebreitet –
Der ferne Wald am Horizont verblaute.
Die Bienen summten, Schmetterlinge flogen,
Die B1ätter rauschten sanft, und aus der Luft
Kam hold verworren ferner Lerchensang.
So sass sie gern. In ihres Auges Spiegel
Lag rein und schön die sonnbeglänzte Welt.
»Agathens Ruh«, so nannten wir das Plätzchen,
Und eine Inschrift zeigt's an jener Bank.

*

Vor Kurzem einst an schönem Sommertag,
Da dacht' ich ihrer, die so ferne weilt,
Die dem Gemahl in's fremde Land gefolgt,
Und deren holde Stimme nie vielleicht
Uns wieder tönen wird. – Die Pfade ging ich,
Die sie vor Zeiten einst so gern gewandelt,
Und als zum Ende ich des Parks gelangte,
Da kam es über mich: O, wenn wie einst
Sie sässe dort auf der geliebten Bank
Im lichten Kleid und Blumen auf dem Schooss
Und wendete das reine stille Antlitz
Wie einst mir lächelnd zu! – Ich eilte schneller
Die Augen schon im Voraus hingerichtet
Auf jenen Ort, den mir ein Busch verbarg.
Und um die Ecke bog ich. – Ha, fürwahr!
Ein Anblick war's von schauderhafter Art!
Ein Vagabund, ein unverschämter Strolch
Lag hingestreckt dort auf »Agathens Ruh«,
Von Kümmelduft umweht und schnarchte furchtbar
Gleich einer Sägemühle! – Fester schon
Ergiff ich meinen Stock, ihn aufzuscheuchen,
Hinwegzutreiben ihn mit hartem Wort
Von dem geweihten Heiligtum.

Da wars
Als hielte eine Hand mich sanft zurück.
Und eine holde Stimme spräche mild:
»O lass ihn ruhn! Du siehst, er schläft so schön !«

Und leise schlich ich in den Busch zurück.

 


 


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