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Seefreuden.

4. Juni.

Achtundvierzig Stunden Südwester – wieder fünf Tage einen Wester aus Norden, und zum Beschluss drei Tage einen aus Süden. – Das Longboot eingestaucht – Jolly-Boot weggewaschen, Haupt- und Topsegel in Fetzen gerissen und ein Mann über Bord; so steht es im Logbuch des S–y. Was es aber heisst, in einem Wetterchen auf der See zu schwimmen, das euch das lange Boot einstaucht, das Jolly-Boot über Bord wäscht, und einen Mann mitnimmt – das wünschen wir euch zu erfahren, wenn ihr nicht nervenschwach seid. – Dem Himmel sei Dank! jetzt ist's vorüber; aber hohe Zeit war's; denn der S–y, stark und tüchtig wie er ist, ist und bleibt doch immer nur zusammengefügte Balken und Bretter, und die stärksten Nägel müssen endlich weichen, wenn immer und ewig an ihnen hin- und hergezerrt wird. Aber vorüber ist's endlich, und hoffentlich auf einige Zeit, und die ersehnte Ostbrise hat sich eingestellt.

Der Tag aber ist wonnig, er muss euch mit Lust zu neuem Leben erfüllen. Der Sturm hat ausgetobt, die Überbleibsel sind in glänzend weissen Massen rings um den Horizont herum zerstreut und wie geschlagene Heeresabteilungen auseinander geworfen. – Oben im Himmelszelt ist's blau – ein tiefes auf goldenem Grunde ruhendes, funkelndes Blau. Der Wind stetig und frisch, eine Wucht von Segeln ist gesetzt, der S–y geht neun Knoten in einer Stunde. – Und dazu der majestätische Anblick des Ozeans! – Eure Küstenmeere sind schmutzige Teiche im Vergleich zu diesem Weltmeere, in dessen Mitte ihr nun schwimmt. Ihr seid gerade in seinem Hochpunkte, nordwestlich von den Azoren, und östlich von den Newfoundlandbänken, wo die Gewässer am tiefsten, die Wogen am höchsten sind. – Ihr habt sie gesehen, die Höhe dieser Wogen in letzter Nacht, die euch einen der stärksten Stürme gebracht – der euch gezwungen, beizulegen. – Erst gegen Morgen hat er nachgelassen, und der Südwest ist in Südost umgesprungen. Noch geht die See hoch; es ist noch immer Sturm, oder vielmehr Sturmes Nachwehen, bei heiterem Himmel. Wie ihr jetzt hinaus schaut in die See, glaubt ihr auf einem hehren Vorgebirge zu stehen und hinauszuschauen, in ein weites, weites Tal, das in aller Farbenpracht erglänzt, eingesäumt mit Randhügeln und Bergen – eine meilenlange und breite Wölbung, mit tiefblauem Grunde und rollenden Smaragdfeldern und Silbergürteln.

Eine Viertelmeile windwärts wölbt sich soeben eine Woge empor, und steuert und türmt heran. – Ihr hört das feierliche Gemurmel, wie sie so von unsichtbarer Macht getrieben, und von Geisterstimmen belebt, in tiefen Orgeltönen, und gleichsam warnend euch und euer Schiff anredet, und dann in der nächsten Sekunde zusammenbricht, aber so blitzesschnell zusammenbricht, euer Auge ist nicht im Stande den Bewegungen ihrer Wasser zu folgen – sie ist verschwunden, in weniger denn eines Blickes Zeit; – nur das hohle Rauschen bleibt noch verhalten, und der silberweisse Schaum, der über die blauen und grünen Gewässer hinzischt. Ihr schaut noch – in Entzücken verloren, – eine zweite Woge folgt, eine dritte, dann wird die See wieder ruhig, mild, ihr Spiegel glatt.

Das Schauspiel, das jetzt das Verdeck darbietet, ist auch völlig verändert. – Jubel über Jubel, aber kein tobender, rasender Jubel. Selbst der Roheste ist nicht ausgelassen. Hoch und niedrig, reich und arm, jung und alt, eilen, schwirren über das Verdeck hin, eilen die Treppen hinauf, hinab, – um zu helfen, beizustehen. Der Kapitän selbst, gefolgt vom Stewart, der den Schiffsmedizinkasten trägt, ist in dem bereits ausgeräumten Zwischenverdecke, um den Siechen und Kranken beizuspringen – in seinem Gefolge ein Dolmetscher, der ihm die Leidenszustände ins Englische übersetzt, mit ihm General Greaton der Garoliner, und Oberst Humphrey der Virginier. Sie hören jeden der Bettlägerigen, geben ihnen liebreich von den Arzneien. Meistens sind es alte Mütterchen und Männer, die Gottes Segen nun auf die Häupter der Kommenden herabflehen, und trotz ihres Schmutzes, durch ihre Demut und Ergebenheit wohl euer Herz rühren können. Aber sie müssen nun auch hinauf. – sie mögen wollen oder nicht; denn in der verpesteten Atmosphäre ist Heilung unmöglich, auch muss das Zwischendeck gereinigt werden. Frische Luft streicht bereits durch, an den beiden geöffneten Luken sind Windhosen angebracht, die den Wind auffangen, und in das Unterdeck hinabführen, auch sind die Gesunden alle bereits oben – samt ihren Habseligkeiten, die gelüftet und gesonnt werden; nur die Schwachen sind zurückgeblieben; – aber hinauf müssen sie – ihrer selbst willen, auch muss das Verdeck mit Kalksäure ausgewaschen werden. –

Und sie schwanken nun hinauf, diese alten Mütterchen und Greise, sechzig-, siebzigjährigen Mütterchen und Greise, die ihr jetzt zum ersten Male schaut – einfältig gute alte Mütterchen und Väter, bei deren Anblick euch wohl das Herz bluten möchte.

Was muss das für ein Land sein, das! –

Doch – ihr habt jetzt nicht Zeit, euch mit diesem Lande und seinen grossen und kleinen Leuten zu beschäftigen; denn –

Oben wimmelt es von Köpfen und Menschen, jung und alt, hoch und niedrig, reich und arm sind da versammelt, um einmal wieder, seit sechzehn Tagen zum ersten Male, in Gottes weite Welt hinaus zu schauen.–

Auch unsere edlen amerikanischen Frauen und Töchter – Trost und Hilfe spendend, und Teilnahme – haben sich unter sie gemischt – Rang und Stand, Reichtum und Konvenienz vergessend. Ihr glaubt jetzt eine Familie zu sehen, alle hat das Band der Sympathie umschlungen, bis auf die Briten, diese allein sind erhaben über diese Dinge und den Pöbel; selbst die Franzosen haben sich unter ihre ärmeren Landsleute gemischt und den Frost der Konvenienz abgestreift; auch der Irländer schwirrt umher, aber die Briten!

Sind doch einzige Menschen, diese! –

Hoch vom Mäste herab ruft es:

»Ein Segel!«

Der Ruf bringt alles in stürmische Bewegung. – Ein Segel zur See nach einem sechzehntägigen Sturme, ist dem Seefahrer, was die freundliche Karawane dem dürstenden Wanderer in der Wüste ist. – Es wimmelt, stürmt alles durcheinander. –

»Wo ist das Schiff zu sehen?«

»Auf welcher Seite?«

Keine Antwort. – Die Teerjacken schauen die Fragenden mit Augen an, die zu sagen scheinen: »Tom, kannst du wohl erwarten, aus einer faulen Kartoffel Blut zu pressen?«

Die Ungeduld zuckt auf allen Gesichtern, der Maat kommt gerannt mit seinem Fernrohr bewaffnet, zur Luke des Zwischendeckes vorspringend.

»Kapitän. – Ein Segel!«

Im nächsten Moment steht der Kapitän auf der Treppe, springt herauf; ihm folgen eilig der General Greaton und Oberst Humphrey – der Ruf: ein Segel, hat auch sie wie mit einem Zauberstabe berührt. Alles muss warten. –

»In welcher Richtung?« fragt der Kapitän.

»Es segelt gegen Westen, in der Richtung vom linken Hinterteile des Schiffes.«

Und der Kapitän bringt ungeduldig, beinahe unwillig, das Sehrohr zum Auge. –

»Ein Yankee!« ist die kurze verdriessliche Antwort. –

Ein Yankee, ein Landsmann, der gleichfalls der Heimat zusteuert!

Der Heimat! auf dessen Bretterboden vielleicht auch Hunderte von Mitgeschöpfen der Stunde entgegenseufzen, die ihnen die ersehnten Gestade zeigen soll, das Land der Hoffnung. Die Blicke haften mit am fernen Horizont, wo das Schiff auftauchen soll. – Endlich erscheint es – es segelt offenbar schnell, ist ein besserer Segler als der S–y, das hat den Kapitän verstimmt. Nichts ist ärgerlicher, als nach so furchtbaren Stürmen ein Schiff, das acht Tage nach euch abgesegelt, vor euch dem Hafen zusteuern zu sehen. Der Kapitän wird ein bisschen übel gelaunt, nicht einmal die Flagge darf gehisst werden.

»Ein Segel!« ruft es ein zweites Mal vom Mastkorbe herab.

»Wo?«

»Segel gegen Osten, in der Richtung des rechten Buges.«

Jetzt wird der Kapitän freundlich; ungestüm reisst er das Sehrohr an sich, bringt es vor das Auge. –

»Ein Yankee, ein Liverpooler Paket.«

Ihr nehmt das Fernrohr, schaut, seht etwas einer Wolke Ähnliches in weiter Ferne auftauchen, das wohl ein Segel sein kann, ob aber ein Yankee oder der fliegende Holländer; wenn euer Hals von der Antwort abhinge, ihr könntet keine entscheidende geben – aber der Seemann kann es. Im nächsten Augenblicke flattert das sternenbesäte Panier vom Maste herab, die Signalflagge vom Mittelmaste; wenige Minuten darauf begrüssen sich die gegenseitigen Flaggen. Jetzt erst wird es so recht von Herzen fröhlich auf dem Verdecke. Ein Landsmann, von Hause kommend! der Heimat! Der Gedanke hat in diesem Augenblicke etwas Berauschendes. Mit einer Spannung, die fieberisch wird, schaut alles nach der Himmelsgegend, wo das Schiff sich zeigen soll. Es taucht endlich auf, wie ein ungeheurer Seevogel, der seine Schwingen ausbreitend, majestätisch über dem Wasser schwebt. Alles wird nun lebendig ausgelassen, kindisch ausgelassen. – Unsere Amerikaner am meisten. Bisher hieltet ihr sie für teilnahmlose apathische Geschöpfe, die keinen Tropfen warmen Blutes in den Adern haben, aber jetzt, – der Anblick ihrer Flagge, von dem entgegenkommenden Schiffe herüberwehend, er berauscht sie ordentlich. Sie rennen wie Kinder, lachen wie Kinder, selbst der Kapitän vergisst jetzt seine Herrscherwürde, lacht ausgelassen, scherzt, beinahe mutwillig. Bisher war er immer und ewig nur Seekapitän, der furchtlos unerschütterliche Seekapitän. Er ist jetzt wirklich liebenswürdig. Jedes Segel, das sich noch anbringen lässt, muss hinauf. Ungeheuer ist die Wucht, unter der der arme S–y einhertreibt. Alle Segel werden gehisst, die Masten knacken, beugen sich wie Weidenruten, das Schiff tritt eine wahre Parforcejagd an, es soll schneller an das Liverpooler Paket herankommen, den Vorsprung vor dem Verfolger behalten. Er ist jetzt so fieberisch, so ungeduldig, rennt so hastig auf dem Verdecke auf und ab, bald auf das entgegenkommende bald auf das nachfolgende blickend. Wer geht auch gerne mit einem alten Weibe von Schiffe, das wie gichtbrüchig die See hinschleicht, während von allen Seiten rüstige Weibchen und Dirnchen fröhlich und wild vorübertanzen. Ein solches Weibchen – und der Seemann nennt sein Schiff sein Weibchen – vorübertanzen zu sehen, ist das peinlichste Gefühl, das es für den Seemann geben kann, trübt jeden Genuss, selbst das Luncheon, zu dem jetzt die Glocke des Stewart ruft, lockt nicht, bloss die Franzosen und Holländer gehen hinab, die Amerikaner bleiben alle auf dem Verdecke, die Augen bald auf das herankommende, bald das nacheilende Segel gerichtet.

Jetzt wird der Kiel des Liverpooler ganz sichtbar, mit seinem goldgelben Gürtel – der den Yankees immer ein so nagelneues Aussehen gibt – das ganze Gebäude, wie es an den Wogen emporrollt, wird sichtbar. Es ist ein prachtvoller Bau, dieses Liverpooler Paket. Wie stolz, wie luftig, wie leicht es einherschwebt, mit seiner ganzen ungeheuren Segelwucht.

Die beiden Schiffe haben sich auf Kanonenschussweite genähert, die Paniere, gleichsam als wollten sie sich begrüssen, flattern ihre Streifen und Sterne fröhlicher hinüber und herüber, stolzer werden die Züge unserer Amerikaner, ein edlerer Ausdruck lagert sich auf ihren Gesichtern – ihre Herzen pochen stärker. –

Jetzt sind die beiden Schiffe auf Flintenschussweite aneinander. Auf dem Liverpooler Paket ist das Haus mit einem Kranz von Damen und Gentlemen eingefasst. – Verdeckspassagiere hat es nur wenige – sie schwenken ihre Sacktücher, Hüte – während die Matrosen ein dreimaliges Hurra herüber brüllen. – Der S–y gibt beide wieder zurück, die Kapitäne schmettern sich durch die Sprachtrompeten Grüsse und Fragen zu: Ob alles wohl – die Längen- und Breitengrade, Tage der Abfahrt, Wetter; wie es in Newyork, in Frankreich stehe. – Doch die Winde warten nicht, die gebauchten Segel treiben vorwärts, rückwärts, ein nochmaliges Good bye kommt hinüber – herüber; – hin ziehen sie nach Osten, nach Westen. –

Einen langen Blick sendet ihr nach – und dann – ja dann wird euer und eurer Reisegefährten Appetit recht lebendig. Sechzehntägige Stürme gaben euch den Appetit einer Riesenschlange. Ihr habt ein Frühstück eingelegt, ein respektables Frühstück – noch sind es nicht drei Stunden – aber ihr seid schon wieder hungrig, so recht was man herzlich hungrig nennt. Aber ihr zieht es vor, oben im Hause oder auf dem Verdecke zu bleiben, die Lüfte sind so gar rein, die Gesichter alle so fröhlich und heiter. Die Gentlemen werden nun die Stewarts. Sie eilen mit Crackers und Orangen, mit Äpfeln und Konfitüren, Sardellen und frisch gebackenen Brötchen und Kuchen, mit allen zum eleganten Luncheon gehörigen Dingen, um den Damen zu servieren. – Bereits haben sich jetzt die Gleichgestimmten zusammen gefunden, wahlverwandtschaftliche Beziehungen sind auf allen Seiten sichtbar geworden; – Warhorse zum Beispiel kommt mit einem Teller Orangen in seinen gewaltigen Tatzen, auf die fünfzig-, oder, wie sie sich verbessert, die sechzigtausend Pfund-Miss, herangestiegen – in möglichst galanter Haltung seine Gaben präsentierend:

»Maam! oder mit Permission zu melden, honorable Miss! Dürfen wir es wagen, von der üppigen Vegetation des goldbekränzten tropischen Phöbus?«

»Liebe nicht saure Orangen!« versetzt die Miss, die zwar von den Zerstörungen der letzten sechzehn Tage sich so ziemlich erholt, aber ihr früheres Selbstvertrauen noch nicht ganz wieder gewonnen hat. »Ziehe Schinken vor. Bringen Sie mir lieber Schinken oder geräucherte Zunge, Warhorse! mit Senf, verstehen Sie? englischen Senf; hasse euern sauern französischen Senf.«

»Wie Maam! oder mit Permission zu melden, honorable Miss! ziehen vor das Fleisch des Moses verbotenen Tieres, den goldenen Früchten des tropischen Phöbus?«

Der galante Milizen-Oberst hält in seiner Missouri-Phraseologie inne; die Dame aber entgegnet einigermassen ungeduldig:

»Aber Warhorse! Wie Sie doch nur so – wissen Sie nicht, dass Moses, obgleich ein Schriftsteller, von grosser Reputation, doch wieder durch seine theokratischen Vorurteile, die er freilich – die ägyptische Priesterkaste – wir wollen aber lieber später über diesen Punkt – jetzt, lieber Warhorse! den Schinken oder Zunge, mit einer Bouteille Porter, und etwas Madeira.«

Die Dame hält inne; denn die Familien Greaton und Humphrey sitzen nur wenige Schritte von ihr, und die Blicke, die sie einander zukommen lassen, scheinen eben nicht die erbaulichsten zu sein. – Auch nähert sich der Kapitän, dem General Greaton sehr ernst zugeflüstert, der Miss. – Sie würde gar zu gerne ihr Licht abermals glänzen lassen, aber bereits hat sie einige stille Lektionen erhalten, die ihr deutlich genug zu verstehen gegeben, dass es hohe Zeit sei, einzuhalten. Wir lieben diesen Ton nicht.

Doch zum Verdeck zurückzukehren. – Die Miss ist mit ihrer Ladung Schinken und Brötchen, und Porter und Madeira beschäftigt, die andern mit ihren Früchten und Konfitüren und Sardellen; – eure Verdeckspassagiere mit ihren Suppen, Kartoffeln und Klössen. Alles hat jetzt vollauf zu tun. – Es ist das freundlichste heiterste Mahl, das ihr sehen könnt. Zwanzig Gruppen auf Sofas, Sesseln, auf Fässern, Rollen von Tauen, Notmasten. herumgelagert, über allen eine ungetrübte Heiterkeit, bis auf den Kapitän, der allein unruhig wie Quecksilber hin und her rennt, beinahe ängstlich das immer näher und näher kommende Schiff fixierend. Heute schmeckt ihm gewiss kein Bissen beim Mittagsessen, und der Stewart gibt sich doch so viele Mühe. Auch Mister Beattie ist seit zehn Uhr, wo das fatale Schiff zuerst angekündigt worden, ganz und gar nicht gut auf den S–y zu sprechen; sein S–y hat auch noch kein einziges, von den Komplimenten erhalten, die er ihm früher, und selbst während der Stürme, in so reichlichem Masse gespendet hat. Es hätte einer es wagen sollen, dem S-y zu nahe zu treten, ihn auch nur mit einem scheelen Blicke anzuschauen, der wäre schön angekommen. O dieser S-y, er war das lieblichste, niedlichste Ding, das ihr geschaut; wenn er von seinem S-y sprach, – oh! Er war sein teures Weibchen – er ist bereits zwei Jahre auf dem S-y der gute Beattie – seine Ladyship, sein Barkchen, obwohl er seine guten sechshundert Tonnen Gehalt hat. O die liebe kleine Hexe! Heute aber ist's vorbei – rein vorbei. Er sieht ihn kaum mehr an – und wenn er es tut, so schmollend – er schaut darein, als ob er jeden Augenblick den Besen zur Hand nehmen, und herfallen möchte, über diese seine Ladyship, sein Weibchen. – Es wird auf alle Fälle Mühe kosten, bis es wieder in guten Kredit bei ihm kommt. Es verdirbt ihm und dem Kapitän allen Appetit. –

Bei der Tafel ist von nichts als vom Schiffe die Rede. Der Kapitän ist ungeduldig, unruhig, es peinigt ihn offenbar, davon zu hören, aber obwohl jeder sich hütet, ihn zu reizen, ist das dritte Wort immer das verdammte Schiff. Er wartet kaum das Ende der Tafel ab, der Kork der ersten Champagnerbouteille ist kaum gesprungen, als er auch bereits hinauf eilt, das Fernrohr ergreift und auf das hassenswerte Schiff starrt. Der Missmut hat auch die Passagiere grösstenteils angesteckt, auch ihre Trinklust verdorben.

Die Sonne ist hinter einen in Gold und Purpur gewobenen Schleier getreten, aus dem sie wie ein flammender, ungeheurer Rubin hervorleuchtet, der Ozean glänzt mit seinen rollenden gekräuselten Wellen, wie Millionen sich durchkreuzende Ströme, die statt Wassers, flüssiges Gold und Silber und Edelgestein mit sich führen. Der herannahende Abend ist wunderschön; aber das fatale Schiff! das fatale Schiff!

Es ist jetzt bis auf eine halbe Meile an euch herangekommen, schwebt windwärts von euch, wie höhnend lacht es herüber, das Verdeck ist mit Menschen angefüllt – oben vom Maste weht das Panier der Vereinigten Staaten, vom Mittelmaste das Signal der vereinigten Linien. Es ist der P–d, vom wackern Kapitän A–y befehligt, dem stillsten und gemütlichsten unserer Kapitäne, und das will viel sagen; denn beinahe ohne Ausnahme sind sie alle wackere prächtige Männer; aber dieser A–y versteht es vorzugsweise, euch sein Schiff so recht zur Heimat zu machen. – Alles geht so still, so ruhig vornehm, und doch wieder bequem gemütlich darauf zu, er ist ein Freund eures Kapitäns – bis auf die zehnte Stunde dieses Tages. Könnte er ihn jetzt ins Pfefferland hinabsenden, den verdammten P–d und seinen A–y, er täte es, gäbe ihm von seinen Hühnern, Enten, Schafen, – selbst die Kuh gäbe er mit, aber hinab müsste er, ohne Gnade und Barmherzigkeit.

Und ihr selbst werdet von dieser liebenswürdigen Schmollaune heimgesucht, ordentlich böse und ungeduldig.

»Aber Mister Rambleton!« rief Miss Anne, die Tochter des Generals, die am Arme ihres Vaters neben Rambleton getreten war. »Sie starren ja in das Schiff hinein, gerade – als ob –«

»Gerade als ob Sie einen Gegenstand sähen,« fiel lachend Miss Jane ein, »der, der –«

Rambleton gab keine Antwort; aber er starrte wirklich in das Schiff, das nun eine starke Viertelmeile nördlich, in gerader Linie mit dem S–y stand – und mit einem Ausdrucke hinüber, so zuckend – die Lippen schienen etwas sagen zu wollen, aber das Schwanken des Schiffes und des Sehrohres wieder das Wort von den Lippen zurückzuhalten.

»Mister Rambleton!« flüsterte Miss Anne empfindlich. »Der P–d darf stolz darauf sein, Ihre Aufmerksamkeit in einem Grade auf sich gezogen zu haben, der –«

»Der irgendeinen für Nachbarinnen überflüssig macht!« setzte, die Lippen beissend, Miss Jane hinzu.

Rambleton hört nicht, stellt aber Purdy vor sich hin, und sein Rohr auf die Achsel des Freundes stützend, schaut er abermals.

»Scocsten!« ruft er auf einmal – »Scocsten! bei Gott, es ist Scocsten!«

»Scocsten? was ist es mit Scocsten?« rufen Anne und Jane.

»Scocsten!« schreit Rambleton – »Kapitän, es ist Scocsten!«

»Aber Mister Rambleton! wer ist Scocsten? was ist Scocsten?«

»Kapitän, um Gottes willen! es ist Scocsten!

– Hört, Kapitän! – Es ist Scocsten! – Hisst das Sprachsignal auf. – Ich muss mit Scocsten sprechen. – Kapitän! ein Boot, es ist Scocsten! – Tausend Dollars für ein Boot! Ich muss ein Boot haben. – Tausend Dollars für ein Boot!«

»Nicht um zweitausend, Mister Rambleton! Mister Rambleton! Was für ein seltsamer Einfall! Der P–d geht zehn Knoten, wir gehen zehn Knoten. – Das Schiff aufhalten, Mister Rambleton!

– Welch ein toller Gedanke!«

»Zweitausend Dollars, Kapitän!« schreit der wie toll herumspringende Rambleton. – »Zweitausend Dollars für ein Boot. – Um Gottes willen, ein Boot!«

»Nicht für zehntausend, Mister Rambleton!«

Rambleton schaut den Seemann einen Augenblick wild an, im nächsten springt er zurück.

»Ums Himmels willen, Rambleton!« rufen der Kapitän und Purdy, den jungen Mann erfassend.

Er riss sich mit Gewalt los – wieder griffen ihn die beiden Freunde.

»Mein Gott! ist der junge Mann verrückt geworden?« rief es vom Hause, und alle eilten herbei.

»Mister Rambleton!« schrie der Kapitän.

Der junge Mann starrte ihn an. – »Scocsten!« rief er. – »Ah es ist Scocsten! – Vielleicht auch sie –« murmelte er leise in sich hinein. –

»Mister Rambleton! Sie zwingen mich, Sie in das Staatszimmer zu bringen und –«

»Ah es ist Scocsten! Es ist vorüber – vorüber – sie –« seufzte er.

Die beiden Freunde liessen ihn los. – Er lehnte sich hinaus über das Verdeck – schaute dem P–d nach, der jetzt, den Vorsprung gewinnend, allmählich die Köpfe auf dem Verdecke zu einer dunklen Masse werden, endlich ganz verschwinden lässt, – dann senkte er das Haupt, eine bittere Träne stand ihm im Auge.

Die Sonne war schon lange untergegangen – die Glocke schlug bereits zehn – Rambleton aber stand noch immer, das Nachtglas vor dem Auge, dem P–d nachschauend, der – Scocsten am Bord hatte –


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