Annemarie Schwarzenbach
Lyrische Novelle
Annemarie Schwarzenbach

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Früher hatte ich immer das Bedürfnis, mich allen Menschen zu erklären, um mit allen im Einverständnis leben zu können. Und ich hasste doch alle Geschwätzigkeit. Ich weiss aber nicht, ob ich sie hasste, weil ich ihr immer wieder verfiel, oder weil ich einsah, wie vergeblich alle Versuche sind, sich selbst den besten Freunden verständlich zu machen.

Ich sage »früher« und meine damit die Zeit, die drei Monate zurückliegt. Ich habe mich immer gegen alle äusseren Periodisierungen gewehrt, weil ich aufgedrängte Disziplin verabscheute. Jetzt muss ich mich an Freiwilligkeit gewöhnen, und es ist, als sei ich in einer einzigen Nacht erwachsen geworden. In dieser Nacht hätte ich Sibylle im Walltheater sehen können, ich hatte ja die Wahl. Aber ich bin dann weggefahren. Und vor dieser Nacht hätte ich es hier keinen Tag ausgehalten. Ich wusste nichts von Alleinsein. Ich halte es sogar aus, von meinen Freunden missverstanden zu werden. Es war tatsächlich bisher mein einziger Wunsch, mich ihres Wohlwollens zu versichern, und ich verschwendete dafür meine ganze Liebenswürdigkeit. Und noch viel mehr.

Damit bin ich jetzt zu Ende. Wer weiss, was daraus entsteht. 13

 


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