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Die Kammerboten in Schwaben.


Geschichtliche Sage.

1821.

1.
Der Kammerboten Sieg und Anmut.

»Wir haben Eisen und Schwerter, fünf Finger in jeder Faust,
Dazu ein Herz im Leibe – jetzt komm, wenn du dir traust!«
So sprachen, als dem Reiche die Ungarfürsten drohten,
Herr Erchinger und Berchtold, des Königs Kammerboten.

Und mit dem Bayerherzog, der hatte gleichen Sinn,
Aus ihrem Schwaben ritten sie fort bis an den Inn;
Dort fanden sie den Ungarn, sie stritten und sie hieben,
Dem Feind am Leben Ritter nicht dreißig sind geblieben.

Drauf zogen sie mit Ehren nach Schwaben in ihr Gau,
Im Bodensee da spiegeln sich ihre Burgen grau.
Herr Erchinger küßt fröhlich sein junges Ehgemahl:
»Sag' an, was spricht der König zu unsrer Schwerter Strahl?«

»Der König wird euch danken, euch danken mit dem Wort,
Doch eure Lehen schenkt er dem stolzen Bischof dort:
Herr Salomo zu Konstanz, der erntet eure Felder,
Der mäht auf euren Wiesen und jagt durch eure Wälder!«

Spricht Erchinger mit Zürnen: »Sitzt nicht auch seine Buhle
Im Münster als Äbtissin zu Zürich auf dem Stuhle?
Was soll dem nicht gelingen? es ist ein weiser Mann,
Der viele Bücher lesen und Ritter erben kann!«

Da kommt sein Bruder Berchtold mit Rittern und mit Rossen,
Dem ist vor Scham und Rache das Antlitz übergossen,
Da kommt ihr Neffe Luitfried, an Sinne jung und Jahren,
Der möchte gern dem Pfaffen in Küch' und Keller fahren.

Die dunkeln Abendwolken, die winken zu der That,
Es braust der See im Sturme mit wohlgemeintem Rat,
Da fahren sie hinüber und reiten gen Sankt Gallen,
Dort wollen sie den Bischof im Kloster überfallen.

2.
Bischof Salomo flieht vor den Kammerboten.

Die Nacht war aufgestiegen in Nebeln schwarz und kühl,
Der Bischof lag nicht träumend im Kloster auf dem Pfühl,
Es hatten seine Späher die Schiffe wohl geschaut,
Sie hatten wohl vernommen der stampfenden Rosse Laut.

Drum kniet er fern, geborgen, im finstern Turbenthal,
Kaum findet durch die Tannen den Weg des Mondes Strahl,
Es zieht vor ihm wild wogend die Tös einen Wasserwall:
Dort knieet er und betet zu seinem heiligen Gall.

Und um ihn treue Brüder in schwarzer Klostertracht,
Sie liegen rings am Boden noch dunkler als die Nacht;
Doch gießt das brünst'ge Flehen in ihre Herzen Licht,
An Gottes naher Hilfe verzweifelt keiner nicht.

Und von dem Boden raffet sich auf Herr Salomo,
Er legt sich nicht aufs Lager von weichem Moos und Stroh,
Er zieht aus seinem Busen ein Pergament und Stift
Und borgt des Mondes Lampe zu einer eiligen Schrift.

Der schlimmen Boten Frevel, der seinem Hause droht,
Die Angst der fernen Brüder, die ew'ge Flucht und Not,
In kurzen klaren Worten umfaßt er alle Klagen
Und heißt's den schnellsten Diener zu König Arnulf tragen.

Und als er abgefertigt durch Kluft und Wald den Knecht:
»Thut unserm heil'gen Meister«, sprach er, »Sankt Gall sein Recht!
Wir haben ihm gelobet ein Haus am Zufluchtsort;
Auf, laßt noch vor der Rettung uns lösen unser Wort.«

Sie rufen's nach mit Freuden, vergessen ist der Jammer,
Sie schütteln aus der Kutte die Axt, die Säge, den Hammer;
Sie fällen schlanke Stämme und zimmern sie zur Wand
Und fügen in die Lücken Gesteine zwischen Sand.

Und wie ins Thal vom Berge nun blickt die Morgenhelle,
Sieht sie schon Mauern stehen und Fenster schon und Schwelle;
Die Brüder hau'n und bauen im heißen Sonnenstrahl,
Am Abend blinkt das Häuslein, als stünd' es längst im Thal.

Die zweite Nacht schon wohnen sie unter Dach und Fach,
Sie halten sich mit Flehen und lieblichen Liedern wach;
Am zweiten Morgen nahet ein Bote von Sankt Gallen,
Er sieht die Waldkapelle, er jauchzt vor Wohlgefallen.

»Heraus, heraus, ihr Brüder! du frommer Abt, heraus!
Zieht ein in euer altes, verlaßnes, schönes Haus!
Die neue Kirche räumet dem heil'gen Siedler Gall;
Verjagt hat er die Feinde, er brachte sie zu Fall!

»Sie fanden in dem Kloster bei uns nichts nach Verhoffen,
Versperrt die vollen Kästen, die leeren Kammern offen;
Und als sie suchen gingen nach Euch, Herr Abt, hinaus,
Da fingen des Königs Knechte sie vor dem Gotteshaus.«

3.
Die Kammerboten schwören Urfehde.

Zu Mainz vor Arnulfs Stuhle die Fürsten stehn im Amt,
Die Kammerboten bringt man gebunden und verdammt.
Alsbald wie die erblicken den Bischof ihm zur Seiten,
Zur letzten Stunde thät sich ihr Herz da bald bereiten.

Da scholl das Wort des Königs: »Ihr wißt, was ihr gesündigt,
Der Fürsten Urteil werd' euch im Kerker angekündigt,
Doch brauch' ich meiner Gnade, die Schuld ist euch verziehen:
Der Bischof bat euch ledig, dem danket auf den Knieen!

Und leicht hätt' ich euch mögen, ihr frechen Alemannen,
Zum Tode lassen führen wohl oder ferne bannen;
Nur eures Feindes Reden erweichten meinen Sinn;
Wo flüchtet sich die Strenge vor solchen Bitten hin?

»So knieet mir und schwöret, Urfehde treu zu halten!
Nicht wird zum zweiten Male statt Rechtes Gnade walten.
Bei meiner Krone Würden, verehret meinen Schwur!
Ihr sterbt, wenn ihr dem Bischof ein Härlein krümmet nur.«

Da knieten sie und schwuren; Erchinger drang's zum Herzen,
Es macht dem stolzen Feinde des Feindes Großmut Schmerzen;
Doch dumpf mit schwerer Zunge spricht Berchtold seinen Eid;
Daß ihm die That mißraten, thut ihm noch heute leid.

4.
Des Bischofs Spott.

Herr Arnulf ist erbleichet, Herr Ludwig ist gestorben,
Es hat der Franke Konrad den deutschen Thron erworben.
Die Zeit heilt nicht bloß Wunden, sie heilt auch Groll und Haß:
Der Bischof und die Boten verstehn sich wieder baß.

Zu Konstanz bei dem Bischof der neue König saß;
Was man im Wald erjaget, beim frohen Mahl man aß.
Der Bischof saß beim König hoch an dem goldnen Tische,
Und drunten an langer Tafel der Ritter bunt Gemische.

Die Kammerboten saßen am eignen Täfelein;
Die hohen Herren mochten nicht bei den niedern sein.
Den König bewirten Herren, die Boten Edelknaben,
Mit Speis' und Trunk die Ritter gemeine Knechte laben.

Mit stolzem Wohlbehagen die Kammerboten saßen,
Den König und den Bischof Erchingers Blicke maßen.
Man setzt uns eigne Stühle, denkt er, das ist zu loben;
Doch mir gefiel es besser, säß' ich beim Bischof droben!

Und Berchtold schweift so gierig durchs Fenster mit den Augen,
Als wollt' er Stadt und Felder des Bischofs in sich saugen.
Herrn Luitfried in dem Haufen der Ritter mundet's fast,
Doch wär' er Wirt noch lieber im Hause hier als Gast.

Der Bischof kann in Schriften und Menschenherzen lesen,
Er schaut durch Aug' und Mienen bis in ihr tiefstes Wesen;
Doch kränket ihn gar wenig ein machtlos wünschend Herz,
Und will er sie auch strafen, so ist's mit einem Scherz.

Er hat mit langen Bärten ein stattliches Paar Hirten,
Die winkt er aus dem Stalle, die Boten zu bewirten.
Er ließ sie herrlich schmücken mit ritterlichem Kleid,
Schickt sie zum Tisch der Herren, den Knechten war's nicht leid.

Sie nahten, ritterliche, mit sittigen Gebärden,
Sie legten frisch Erjagtes, sich neigend, auf die Erden,
Der eine mit Geweihen bracht' einen mächt'gen Hirsch,
Der andre einen Bären, als eben von der Pirsch.

Da war den Kammerboten recht königlich zu Mut.
Geschiehet uns von Rittern so Herrliches zu gut?
Wo sah man die dem König ihr schönstes Wild bescheren?
Ja, dachten sie, in Schwaben, da hält man uns in Ehren!

Drauf wollten sie den Herren erwidern ihren Gruß,
Erhoben sich vom Stuhle und scharrten mit dem Fuß
Und zogen von dem Haupte die samtenen Barette;
Da lachten mit dem König die Ritter [um] die Wette.

Und lächelnd sprach der Bischof: »Es hat, gestrenge Herrn,
Der Bart euch nur betrogen, der schöne Bart, von fern.
Die meine Gab' euch bringen, sind Ritter nicht, glaubt mir!
Sie hätten denn geritten den Esel oder Stier.«

Und schallendes Gelächter gellt wider in ihren Ohren;
Was wollen sie doch machen? Urfehd ist ja geschworen.
Sie standen auf und riefen: »Wir haben satt, bei Gott!
Behaltet die Bescherung! uns g'nügt an eurem Spott.«

5.
Der Kammerboten Rache.

»Sie sagen, wir sind Boten! doch Boten wird ihr Lohn;
Uns ist er vorenthalten,« spricht Berchtold, »lange schon.«
Spricht Erchinger: »Sie sagen, wir seien's mit Herzogs Rechten!
Der Herzog zieht vorm Herrn, nicht hinter des Pfaffen Knechten.«

»Ja, hinter des Pfaffen Knechten!« die Knappen rufen aus,
»Die sitzen in dem Dorfe, versperren uns das Haus!«
Herr Luitfried spornt das Rößlein, daß flattert seine Mähne,
Er schwingt das Schwert im Winde und beißt sich auf die Zähne.

So ritten sie im Felde, das war ein trüber Zug;
Sie hatten Recht gesprochen im Land nach Amt und Fug,
Sie waren arbeitsmüde, sie dachten an den König;
Wie viel ist ihres Dienstes, und seines Danks wie wenig!

Und wie sie finster sinnen, mit bittern Worten handeln,
Da sehen sie ein Häuflein dem lust'gen Wald entwandeln;
Auf ihrem Antlitz stehet der herben Mühe Schweiß;
Doch denen, die dort kommen, macht keine Sorge heiß.

Es ist auf zierem Rosse der Bischof Salomo,
Er schauet alle Tage so freundlich und so froh,
Er reitet so behaglich, im Schlaf kommt ihm der Segen;
Zwei fette Knechte folgen, die wohl des Bauches pflegen.

Und eh er's will und denket, so führen ihn die Schritte
Des sichern Rosses mählich hinein in jener Mitte.
Er sieht's und zieht in Falten sein heitres Angesicht,
Doch grüßt er, wie sich's ziemet, und hält sie auf und spricht:

»Ein Jahr ist's, daß ich's dulde, ja, noch verschwieg' ich's gern;
Doch weil mir jetzt der Himmel euch sendet, edle Herrn,
So will ich Aug' ins Auge hier schauen euch und klagen;
Was hilft es, hin und wieder verdroßne Briefe tragen?

»Ist es denn ganz vergessen, was ihr mir habt geschworen?
Mein Vogt, er hauset friedlich vor eures Schlosses Thoren;
Wann ist ihm beigekommen, zu fallen in das Eure?
Ihr aber brechet kecklich zu ihm in Haus und Scheure.«

»Wann sind wir ausgebrochen?« erwiedern stolz die Reiter,
»Zu eurem Heil, Herr Bischof, tragt eure Lüge weiter!«
Doch jener stand und höhnet: »Ihr freilich bleibt zu Haus,
Es thatens eure Söldner! wer schickt sie doch nur aus?«

Als das die Knappen hörten, sie rückten rechts und links
Dem Bischof dicht zum Leibe und harrten eines Winks,
Und ihre Herren langten ans Schwert mit stummem Grimme,
Umschaute sich der Bischof, hob lauter seine Stimme:

»Gedenket, Herrn, des Tages, wo ihr vor Arnulf standet,
Rot waret von den Schulden und keine Worte fandet!
Und ich, den ihr gekränket, ging vor des Königs Thron,
Ich bat euch los vom Tode; gebt ihr mir so den Lohn?«

Das Schwert ein frecher Jüngling, der Luitfried, zog und schalt:
»Rühmst du dich, schändlicher Pfaffe, der üppigen Gewalt,
Da du in Schmach und Fesseln geworfen meine Vettern?
Ihr Herrn, o soll er leben? Soll ich ihn nicht zerschmettern?«

Er zuckt, den Streich zu führen; da halten die Boten ihn;
Des Bischofs Diener einen sieht man das Schwert da ziehn,
Er will den Herren retten, er haut nach Luitfried mutig –
Getroffen von dem Knappen stürzt er vom Gaule blutig.

Wenn wo einmal geflossen im Streit unschuldig Blut,
So treibt zu weiterm Frevel die Mörder blinde Wut.
Jetzt zerren sie den Bischof an dem geweihten Kleide,
Sie stoßen ihn vom Rosse und schleppen ihn durch die Heide.

In einer schlechten Schenke sie kehren mit ihm ein,
Rat wird ob ihm gehalten von Knechten und von Frei'n.
Herr Luitfried über alle schreit hin, daß es ein Graus:
»Haut ihm die rechte Hand ab, stecht ihm die Augen aus!«

Da steht in ihrem Haufen ein alter treuer Knecht,
Der hat kein Teil genommen am Zank und am Gefecht,
Der wagt's, beschwört die Herrn bei ihrem Heil und Leben,
Sie sollen frei den Bischof, und ohne Lösgeld, geben.

In Erchinger sich reget sein ritterlich Gemüte,
Nach Herrschaft geht sein Streben, – Großmut ist ihre Blüte;
Doch Berchtold treibt die Gierde, der Haß und Neid, er sprach:
»Ei Bruder, könnt ihr zögern? denkt an des Mahles Schmach.«

Drauf sprach sein Bruder: »Höret, laßt uns ihn gut versorgen!
Uns liegt in Allgäus Alpen ein festes Schloß geborgen,
Die Dippoldsburg, ihr kennt sie; es rinnt in klaren Wellen
Ein Bach durchs Obstgelände mit spielenden Forellen.«

»Nun,« flucht dazwischen Luitfried, »so sorget auch für Fisch,
Für gute Fastenspeisen auf dieses Pfaffen Tisch,
Ich kenne wohl die Gärten, das Schloß, den Bach, die Wiese;
Dort lebt er nicht im Kerker, er wohnt im Paradiese.«

»Dafür, mein Vetter, sei euch,« spricht Erchinger, »nicht bange!
Wenn es ein Paradies ist, so hat's auch seine Schlange:
Es hat mein Weib, Frau Bertha, dort ihren Sommersitz,
Hegt Taubensinn für Freunde, für Feinde Schlangenwitz.«

»Ja, grimm ist sie,« sprach Berchtold, »um keine List verlegen.«
»Wenn das ist,« nicket Luitfried, »die wird sein also pflegen,
Daß ihm im Paradiese, das hab' ich keinen Zweifel,
Bei Wein und Obst und Fischen verhungern läßt der Teufel.«

»Uns aber laßt nicht säumen,« Erchinger letzlich spricht,
»Der König auch, er säumet mit Acht und Strafe nicht!
Hier ragt der Turm von Konstanz und dort die Feste Twiel;
Weht da erst unsre Fahne, dann schreiten wir zum Ziel.«

So nahmen sie dem Bischof sein schönes, hohes Pferd.
»Er ist nur einer Mähre,« spricht grimm der Berchtold, »wert!«
Sie gaben ihn den Knechten und jagten stolz davon;
Die zogen mit ihm zur Feste wohl unter Spott und Hohn.

6.
Der Bischof und Frau Bertha.

Frau Bertha saß im Schlosse zu Dippoldsburg und sann,
Sie dacht' auf kluge Rache für ihren lieben Mann:
Der König wird gewonnen, des Bischofs Gunst begraben,
Und Erchinger thront herrlich, des Königs Vogt, in Schwaben.

Da tritt mit Jubelrufe zu ihr herein ein Knecht:
»Heil ist mit eurem Hause und Sieg mit eurem Recht!
Daß eure Hand den Kerker, den tiefsten, schnell bereite!
Wir haben ihn gefangen, schon bringt ihn das Geleite.«

»Du träumst! es ist ja Friede,« seufzt das gestrenge Weib,
»Und eitle Jagd im Walde des Mannes Zeitvertreib.
Das Reich ist ruhig draußen; da fängt er keine Feinde,
Und die im Lande lauern, ach! heißen unsre Freunde.«

»Nein, fortan ist's entschieden,« sprach jener, »hohe Frau!
Der Erzfeind, den ihr meinet, droht nimmer eurem Gau;
Den Salomo, den stolzen, geschleppt von unsern Händen,
In eure Haft und Wahrung will Erchinger ihn senden.«

Da ward dem schönen Weibe die ros'ge Wange blaß,
Sie jubelt nicht, vergessen hat sie des Feindes Haß,
Die klugen Augen spähen erstarrt hinaus ins Weite,
Als ob aus fernem Dunkel ein Schreckensbild ihr schreite.

Und endlich ruft sie jammernd: »O weh der schlimmen That!
Wer hat für das Geschicke, das uns ereilet, Rat?
O wär' ich dort gewesen! Jetzt wird uns Gut und Ehren
Das thörichte Beginnen vor Gott und Welt zerstören.«

Dann faltet sie die Hände: »O du, verleih mir Kraft,
Des Wille Wein aus Wasser und Blut aus Weine schafft!
Verwandle du mein Hassen, – der Meinen Heil zuliebe,
Daß es den Todfeind rühret – in brünst'ger Treue Triebe!

»Drum ausgeschmückt die Zimmer, die Teppiche gespreitet,
Ein herrlich Mahl gerüstet, ein lindernd Bad bereitet!«
Des Haares lange Flechten löst sie mit solchem Worte,
Legt an die Trauerkleider und wanket nach der Pforte.

Der Bischof kam ermattet den Berg herauf geritten,
Verspottet und geschlagen, in wilder Söldner Mitten;
Da fällt sie vor ihm nieder und faßt mit zarter Hand
Und drückt an ihre Lippen sein staubiges Gewand.

»O Herr,« beginnt sie zitternd, »der blinden Feinde Wüten,
Kann deine Magd es irgend mit frommem Dienst vergüten,
So laß es dir gefallen und steige von dem Roß
Und nimm, es ist dein eigen, Besitz von meinem Schloß!«

Dann wirft auf ihre Knappen sie einen strengen Blick;
Die trotzigen, sie senken gehorchend ihr Genick,
Und von denselben Händen, die ihn mit Schmach geschlagen,
Wird er vom Roß gehoben und sanft ins Schloß getragen.

Zwar lispeln sie und hoffen der grimmen Frau Verrat;
Der Bischof steigt mit Zweifeln in das bereite Bad,
Beim Mahl und auf dem Lager ist ihm bald wohl, bald bange,
Er träumt vom Paradiese, dann träumt er von der Schlange.

Und wenn ihn die Ermattung mit kurzem Schlummer deckt,
Das Schmettern der Drommeten, der Wächter Schrei ihn weckt,
Dann fährt er auf, erwartet den Mörder bei der Nacht,
Bis er am andern Morgen im sichren Bett erwacht.

Frau Bertha kommt gegangen, setzt sich mit ihm zu Tische,
Sie kostet seines Weines und ißt von seinem Fische;
Nur fromme Priester dienen dem Herrn zu jeder Frist;
Fürwahr, er muß vergessen, daß er gefangen ist.

7.
Die Kammerboten erhöhen sich.

Sie stehen auf den Zinnen der Felsenfeste Twiel;
Da treibet auf der Ebne der Blick ein weites Spiel,
Durch Triften und durch Wälder, durch Klöster und durch Städte,
Hier ist kein Ziel zu finden, als grauer Alpen Kette.

Das Land der Alemannen mit seiner Berge Schnee,
Mit seinem blauen Auge, dem klaren Bodensee,
Mit seinen gelben Haaren, dem Ährenschmuck der Auen,
Recht wie ein deutsches Antlitz ist solches Land zu schauen.

Auf seinen Glanz hernieder von ihren hohen Mauern
Sehn sie mit heißer Liebe, sehn sie mit finsterm Trauern:
»Und solches Land soll beben vor eines Königs Hauch?«
»Und solches Land soll blühen für eines Pfaffen Bauch?«

Erchinger seufzt das erste, das zweite Berchtold spricht.
»Und hat es andre Männer,« ruft Luitfried, »selber nicht?«
Jetzt klirren mit den Schwertern die Ritter und die Mannen:
»Heil Erchinger,« so schallt es, »Herzog der Alemannen!«

Sie rufen es hinunter ins freie Land von oben,
Es wird von ihren Armen der Fürst emporgehoben;
Sie bieten ihn entgegen zur Huldigung der Welt,
Sie halten ihn zur Weihe hinauf zum Himmelszelt.

Der neue Herzog mustert mit weisem Blick die Scharen,
Er giebt der Hälfte sorglich des Berges Schloß zu wahren;
Die alten Schlachterprobten, die führt er aus dem Haus
Und zieht, sein Heer zu werben, ins Schwabenland hinaus.

8.
Die Kammerboten erniedrigt.

Der Alemannen Herzog liegt in dem stillen Wald,
Sein Roß geht auf der Weide, kein Huf und Horn erschallt,
Auf seinem Fürstenhute sanft ruht er ohne Kummer
Und träumt von Königskronen im süßen Morgenschlummer.

Es schlafen seine Treuen, ein einz'ger Ritter wacht,
Ist hin und her gewandelt, Herr Burkhard, in der Nacht.
Auf Twiel hat er den Herzog im Arm empor geschwungen,
Seit ist der Neid ihm bitter ins stolze Herz gedrungen.

Ein Herr ist er, ein mächt'ger, der viel im Lande gilt,
Mit Söldnern und mit Burgen wär' er der Boten Schild.
Wenn der verrät die Freunde, darf er auf Hohes zählen:
Er geht, des Bischofs Vetter verkauft er ihre Seelen.

Von Ramswag war's der Siegfried, der sammelt seine Knechte,
Beut auf die nahen Edeln aus Salomos Geschlechte,
Und eh' die Nacht vergangen, hat er den Wald umringt,
Sein Feldgeschrei ertönet, noch eh' die Lerche singt.

Wie weckt dich's, armer Herzog, aus deinen Morgenträumen!
Wie schnell mußt du die Lande, die du beherrschest, räumen!
Du standst im Purpurmantel gekrönt auf einem Thron;
Erwachet mußt du kämpfen, im Hemd, ein Erdensohn.

Die ritterlichen Streiter, was können ohne Waffen
Sie gegen Helm und Harnisch der wachen Feinde schaffen?
Herr Erchinger und Berchtold, von Zorn und Wunden rot,
Sie sinken, doch erbarmt sich der Fallenden kein Tod.

Umsonst wehrt mit den Händen sich Luitfried, mit den Füßen,
Er muß den Jugendingrimm in kühlen Fesseln büßen;
Auch deinen Herzog führt man, o Alemannenland!
Hervor aus Waldes Dickicht in schwerer Ketten Band.

Hier sieht man trotz'ge Boten durchs Allgäu sprengend jagen;
Wer eilt zum Frankenlande, dem König es zu sagen?
Herr Burkhard schleppt nicht Fesseln, er jagt zu Roß davon,
Er holt von Konrads Stuhle sich des Verrates Lohn.

9.
Der Bischof wird befreit.

Zum Bischof trat Frau Bertha verstört in das Gemach.
»Frau, ward euch schlimme Kunde?« der Bischof gütig sprach,
»Ist euer Mann verloren?« – »Nein, nein doch,« jene spricht,
»Auf Hohentwiel da trotzt er dem König ins Gesicht.

»Als Alemannenherzog läßt er den Gruß mir sagen,
Und schleunig soll ich, schleunig, euch, Herr, in Fesseln schlagen,
Mit allen meinen Knechten gen Twiel euch führen lassen!
Doch nimmermehr vollbring' ich's; ihr dürft nicht so erblassen.

»Ich weiß ja, dies Beginnen, es bringt uns nimmer Heil;
An seinem Herzogtume verlang' ich keinen Teil;
Drum durch ein heimlich Pförtlein entlaß ich euch zu Nacht.
O werde meiner Treue, Herr, einst von euch gedacht!«

»Ist's möglich?« rief da jener, »willst du von Schmach und Ketten,
Du, mitten jetzt im Siege, du von dem Tod mich retten?
O nimm, du fromme Feindin, den armen Handschlag an!
Wann soll ich dir vergelten, was du an mir gethan?«

»Hilf Gott,« rief bald die Herrin, die durch das Fenster schaut,
»Was ist das für ein Haufe? was ist das für ein Laut?
Herr denke deines Wortes! siehst du den Grimmen dort?
Er führt kein Freundeswappen, er spricht kein Freundeswort!«

Und drunten schrie die Stimme, daß durch die Wand es dröhnt:
»Herr Siegfried läßt euch sagen: wenn ihr ihn länger höhnt,
Wenn ihr nicht alsbald sendet herab uns Christi Knecht,
Den dreien, die euch teuer, geschieht noch heut ihr Recht;

»Den Erchinger, den Berchtold, den Luitfried haben wir;
An eurer Burg drei Ecken sie sollen hangen hier,
Vor euer aller Augen, für ihre Missethaten;
Sie sollen hangen bleiben, bis sie die Sonne gebraten!«

Als solches Wort vernahmen die Knappen in dem Haus,
Sie dachten an sich selber, sie flohen feig hinaus,
Sie brachen durch das Pförtlein, das heimlich offen stand;
Doch Bertha führt den Bischof zum Thor an ihrer Hand,

Da spornten ihre Rosse, als sie den Bischof sahn,
Der Führer und die Knechte den Burgweg jauchzend hinan;
Doch Salomo ließ keinen hinein zum offnen Thor,
Sie mußten Herrin und Habe zu schirmen geloben vor.

Und als er nun geschwungen sich auf ein schmuckes Pferd,
Wollt' er den Abschied bieten der treuen Herrin wert;
Doch sie blieb ihm zur Seiten: »Ich lasse nicht von dir;
Jetzt kannst du mir vergelten – o laß, Herr, nicht von mir!«

Und mit gesenktem Haupte, den Sinn von Sorgen schwer,
(Sie wollte nicht zu Rosse) ging neben ihm sie her;
Auf allem Weg umringt' ihn des Volkes froher Drang,
Sie kommen in Siegfrieds Lager mit Jubel und Gesang.

10.
Erchinger und Bertha.

Zum Tode bleich saß Bertha beim Bischof in dem Zelt;
Er frägt: »Was kann ich schaffen, das euren Gram erhellt?«
Da sprach sie leise Worte von ihrem blassen Munde:
»Laß meinen Mann mich grüßen, o Herr, auf eine Stunde!«

Er würd' ihr größre Bitte, könnt' er's, gewähren gern;
So schickt er zu dem Vetter nach dem gefangnen Herrn
Und scheidet aus dem Zelte. Bei solchem Wiedersehen
Darf nicht der Feind als Zeuge, wenn er auch weinte, stehen.

Sie sitzt, das Haupt gesenket und harrend in der Ecke.
Da teilt sich, eh' die Augen sie hebt, des Zeltes Decke,
Und Erchinger in Fesseln steht vor dem bleichen Weib
Und überschaut den Jammer auf dem verwelkten Leib.

Und Bertha hebt die Blicke, sie sieht den hohen Mann,
Der mit gebundnen Händen sie nicht umarmen kann,
Barhaupt und ohne Waffen, wie einer von dem Trosse;
Ach, wie so herrlich ritt er zuletzt aus ihrem Schlosse!

Da hebt sie sich vom Stuhle, sie kann kein Wörtlein sagen,
Sie kann um den Verstummten nur ihre Arme schlagen;
Daß seine Ketten klirren, drückt sie ihn an das Herz.
Wie strömet aus vier Augen in Thränen da der Schmerz!

Sie weint in solcher Fülle, die Zähren gingen aus,
Es drang ihr aus den Augen das dunkle Blut heraus,
An seinem Halse blieb sie mit lautem Schluchzen hangen;
Eh' sie ein Wort gesprochen, die Stunde war vergangen.

Die wilden Kriegesknechte, die an des Zeltes Falten
Gelauscht, sie selbst nicht konnten der Thränen sich enthalten,
Sie treten zu dem Bischof, berichten, was sie sahn;
Die bittern Schmerzen enden, das deucht ihm wohlgethan.

Er kommt ins Zelt gegangen, da trennen sich die beide,
Sie treten ihm entgegen mit Scham und bitterm Leide,
Und um den Hals des Gatten den Arm geschlungen, zieht
Ihn Bertha sehnlich nieder, bis daß er mit ihr kniet.

Da hat sich von dem Feinde der Feind nicht abgewandt,
Auf die gebeugten Häupter legt er die Priesterhand.
»Verziehen ist es,« spricht er, »so viel an mir gelegen;
Das andre steht beim König. Nehmt hin des Himmels Segen!«

11.
König Konrad, beschickt.

Der König Konrad schließet in Sachsen und in Franken
Empörte Gauen wieder in seiner Herrschaft Schranken;
Nach mühevollem Tage, nach durchgewachter Nacht
Ruht er auf seinem Lager und denkt: es ist vollbracht.

Was nahen seine Diener mit Schrecken und mit Scheu?
Er hebt sich in dem Bette: »Rührt sich der Aufruhr neu?«
»Nein, Herr! doch weil in Franken ihr wohnet, tobt's in Schwaben;
In ihrem Zwang den Bischof die Kammerboten haben!«

»Was?« ruft der König zitternd, es reißt ihm die Geduld,
Von seinem Antlitz weichet die königliche Huld,
Und aus dem Bett gesprungen, hebt er zum Streich die Rechte;
Zum Maße bringt ihn wieder der Anblick seiner Knechte.

Daß Urfehd' ist gebrochen, empört sein fürstlich Blut,
Und daß der Freund in Banden, das kränket seinen Mut;
Und als ihm von dem Hohne berichteten die Seinen,
Da mußt' er gehn beiseiten und in der Stille weinen. –

Du steigst zur rechten Stunde, Herr Burkhard, von dem Roß;
Laß dich nur schleunig führen in deines Königs Schloß!
Sonst haßt er die Verräter, doch hört aus deinem Munde
Jetzt er das Heil des Freundes, hoch lohnt er dir die Stunde.

»Gottlob!« ruft aus der König und schüttelt ihm die Hand,
»Ja, recht zum Heile hat sich das Unheil mir gewandt;
Heut erst beherrsch' ich Schwaben! von diesen Kammerboten
Empfang' ich's endlich! heute schreib' ich sie zu den Toten.«

Wohl ahnt bei diesen Worten Herr Burkhard blut'ge That,
Und selbst mit Grauen sieht er das Wachstum seiner Saat.
Vergebens ist sein Flehen; Urfehde ward gebrochen,
Und auf des Königs Stirne das Urteil steht gesprochen.

12.
Der König läßt sich nicht erbitten.

Herr Erchinger, Herr Berchtold, Herr Luitfried, alle drei,
Sie wissen aus blut'gen Schlachten schon lang, was sterben sei.
Die Häupter aufgerichtet und mit verschloßnem Munde,
So hören die Gefangnen des Todes finstre Kunde.

Der König schwieg ein kleines und wartet' auf ihr Flehn,
Er sah sie frei und herrlich wie andre Fürsten stehn.
Da führt man einen Ritter hervor auf sein Geheiß,
Da hub er sich und wandte sich an der Fürsten Kreis:

»Laßt uns den Tag nicht schließen mit Richten und mit Strafen!
Des Königs Lust ist lohnen die Treuen und die Braven.
Es brauchet einen Herzog, mir deucht's, der Alemann,
Der Gottes Diener scheuet und Frevler hält im Bann.

»Und solches ist Herr Burkhard, ein edler Herr in Schwaben,
Den will ich mit der Würde, so es euch liebt, begaben;
Sonst beut noch, der im Frevel den Fürstenhut geraubt,
Im Wahn, als wär' er Herzog, dem Henker stolz das Haupt.«

Das bricht den edlen Boten ihr unbezwungnes Herz;
Verraten sein vom Freunde macht mehr als Sterben Schmerz.
Die Schwaben alle willig den Schwabenherzog grüßen,
Der aber wirft errötend sich zu des Königs Füßen.

»Der Diener mußte schweigen, dem Fürsten gönnt ein Wort!
Laßt mich erflehen Gnade um meine Schwaben dort!
Ja, habt ihr mich gesetzet zum Schutz der Alemannen,
Wollt nicht die besten Ritter aus meinem Gäu verbannen!«

Der Bischof auch stürzt weinend dicht vor den König hin:
»Nehmt mir die Last vom Herzen, ich fleh' euch auf den Knien!
Sie haben ja gesündigt an keines andern Gut,
Nicht sei um meinetwillen vergossen solches Blut!«

»Ihr Freunde,« sprach da Konrad mit unbewegten Augen,
»Wie könnte, der nur rechtet für sich, der König taugen?
Recht muß er allen sprechen, dem Freien und dem Knecht,
Und wo die Schwäche zweifelt und bettelt, doppelt Recht!

»Wollt' ich der Gnad' auch folgen, des weichen Herzens Spur,
So bände mich doch Arnulfs, des alten Königs, Schwur:
›Wenn ihr dem Bischof krümmet ein Härlein, sollt ihr sterben!‹
Ihr Herren, Königseide sind heilig allen Erben!

»Drum führet in den Kerker mir die Gefangnen fort
Und sprecht von ihrem Handel hinfüro mir kein Wort!«
Die Fürsten dienstgehorsam die Häupter alle neigten;
Allein das Haupt erhoben, die nichts mehr fürchten, zeigten.

13.
Der Kammerboten Tod.

Zu Adingen im Allgäu, an einem roten Morgen, –
Die Sonne hielt im Nebel den hellen Schein verborgen –
Dort standen viele Schwaben und schauten unverwandt;
Da rollten von dem Beile drei Häupter in den Sand.

In schwarzem Trauerkleide bald fromme Diener kamen,
Die Köpfe mit den Rümpfen sie von der Stätte nahmen,
Sie trugen sie zur Kirche wohl in ein ehrlich Grab,
Das ihnen da der Bischof zu letzter Liebe gab.

Denn als er schaute wallend ins Allgäu das Gedränge,
Zu Konstanz in dem Saale ward es ihm bang und enge,
Und an demselben Morgen macht er sich stille fort,
Tritt vor die Reichsversammlung und bittet um das Wort.

Und selber da beginnt er sich höchlich zu verklagen:
Er hat das Haupt den Schwaben, den edlen, abgeschlagen;
Zu Konstanz bei dem Mahle, da hat gesät sein Hohn
Die That, die jetzt den armen gebracht so bittern Lohn.

»Umsonst sagt mir Herr Konrad: ›Es war verdienter Spott!‹
Vergeben mir die Menschen, doch nicht vergiebt mir Gott;
Drum wolle mir der König die Pilgrimschaft vergönnen,
Daß ich des Herrn Verweser die Sünde mag bekennen!«

So nimmt er Urlaub, langen, beschickt daheim sein Haus
Und sendet seine Boten zur Dippoldsburg hinaus:
»Wird es der stillen Witwe, der traurigen, gefallen,
Mit ihm den Gang des Trostes zum fernen Rom zu wallen?«

Der Bote kehrte wieder, verweilt ist er nicht lang:
»Frau Bertha, die ihr suchet, sie ging schon andern Gang;
Vor eilte sie dem Gatten auf seinem dunkeln Pfade,
Sie stand schon vor ihm drüben und flehte dort um Gnade!«

Wohl faßte da den Bischof ein sehnliches Verlangen,
Zu sein von diesen beiden in Frieden dort empfangen.
Er legt die Bischofsmütze, die golden Kleider ab
Und greifet weinend, einsam nach seinem Hirtenstab.


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