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1832
In drei Bildern.
1.
Auf den Wassern Babylons
Flutet Alexanders Nachen,
Samt den Freunden seines Throns,
Die des Siegers Haupt bewachen.
Doch er liest ein trüb Geschick
In dem Flug des Wellenschaumes,
Und in seinem finstern Blick
Schwebt das Mißtraun eines Traumes.
Seines Diademes Pracht
Leuchtet in den braunen Locken;
Dieses schaute jüngst zu Nacht
Er auf fremdem Haupt erschrocken.
Wiederfunkelt's aus der Flut
Jetzt im Schimmer der Gesteine;
Doch sein Auge fragend ruht
Auf der Stirn, ob's auch die seine.
In der Woge Spiegel sieht
Er den Himmel dunkler brüten,
Schwanke Vögel ohne Lied
Uferweiden traurig hüten.
Und ein Königsgrabmal spült
Ihm die Flut im Bild entgegen,
Rauschende Gezweige fühlt
Er in seinem Haar sich regen.
Und der Nachen schießt vorbei: –
Nun erst merkt der Fürst mit Bangen,
Daß sein Haupt des Schmuckes frei,
Sieht ihn in den Büschen hangen.
Über dem zerfallnen Grab
Schwebt die junge Königsbinde,
Sie erreicht mit Speer und Stab
Keiner von dem Hofgesinde.
Von des Helden Seite schwingt
Jetzt ein Freund sich in die Wellen,
Der sich durch die Wogen ringt
Bis sie ihn ans Ufer schwellen.
Und, das Kleinod unbenetzt,
Glänzend, seinem Herrn zu reichen,
Hat er selbst sich's aufgesetzt,
Daß der König muß erbleichen.
Der erkennt das stolze Haupt,
Wie er es im Traum gesehen;
Aus dem Wasser, flutumstaubt,
Sieht gekrönt er's auferstehen.
Und nun hört er sich ins Ohr
Auch des Sehers Stimme beben:
»Herr! welch Zeichen! sieh dich vor!
Laß den Kronendieb nicht leben!«
Sinnend starr der König sitzt,
Und es jagen sich Gedanken,
Bis ihm's durch die Seele blitzt,
Durch der Bilder wildes Schwanken.
Jenes Freundes Blutgestalt,
Den er längst beim Trunk erstochen,
Naht, aus dunklem Aufenthalt
Seines Innern vorgebrochen.
In geheimer Tiefe regt
Sich's von Scham und bittern Schmerzen;
Mit dem blut'gen Schatten pflegt
Stille Zwiesprach' er im Herzen;
Jener finstern Ahnung ringt
Er den Stachel aus der Seele,
Den Verdacht er niederzwingt,
Der ihn treibt zu neuem Fehle.
Eben ist der Schwimmer schnell
An dem Nachen aufgeklommen,
Hat den Schmuck sich auf der Stell'
Aus gesenktem Haupt genommen.
Und der König sieht's mit Lust,
Wie den Schaum vom Kleid er schüttelt,
Nimmt den Freund an seine Brust,
Los vom bösen Traum gerüttelt.
2.
Und wie in den frühen Tagen
Hat der Held den Wandelthron
Froh errichtet auf dem Wagen,
Ragt empor wie Thetis Sohn.
In der Linken weh'n die Zügel,
Und die Rechte wiegt den Speer,
Rossesmähnen werden Flügel,
Göttergleich braust er einher.
Und ein andrer der Genossen,
Treuer Wächter, flieget mit,
Thut zu Fuß es gleich den Rossen,
Schneller war nicht Ajas' Schritt.
In des Uferhaines Pfade
Tieft die dunkle Fahrt sich ein,
Dort verstört am Moorgestade
Das Gespann ein grauer Stein.
Wieder hebt sich aus den Hecken
Das zerfall'ne Königsgrab,
Und die Rosse hoch im Schrecken
Bäumen sich zum Strand hinab.
Die an wilder Mähne fassend
Reißt der Wächter kühn ins Gleis,
Am Geretteten, erblassend,
Sinkt er hin in Blut und Schweiß.
Als den Rossen er mit Hitze
Hemmend in den Zügel fuhr,
Riß des Königs Lanzenspitze
In die Stirn ihm tiefe Spur.
Der entschwingt sich rasch dem Wagen,
Seine Rosse zähmt er schnell,
Hat den Arm um ihn geschlagen,
Beugt sich auf der Stirne Quell.
Wüßt' ein Band er, welches linde,
Welches wundem Haupt bequem!
Armer, er hat keine Binde,
Als im Haar sein Diadem!
Fest und weich würd' es umhüllen
Die verletzte Freundesstirn.
Aber soll er selbst erfüllen
Seinen Traum aus bangem Hirn?
Immer dunkler fließt die Wunde,
Bis sie weckt ein altes Bild,
Bis dem Herrn im Herzensgrunde
Zweier Freunde Herzblut quillt.
Eines, das er selbst vergossen,
Eins, das auf dem Blocke sprang.
Jetzt ist schon der Fürst entschlossen,
Faßt das Band, das ihn umschlang.
Um des Retters Stirne windet
Er's behend mit leichter Hand.
Schönes, bleiches Haupt, wie bindet
Fürstlich dich das Königsband!
Sinnend, aber heiter weilet
Bei dem Anblick lang der Held.
Dann mit dem Erwachten eilet
Auf dem Wagen er durchs Feld.
Freudig zeigt er den Gekrönten
In den Mauern Babylons,
Freudig tritt er im versöhnten
Geist die Stufen seines Throns;
Grüßet der Genossen Runde,
Voll und lose wallt sein Haar.
Seine Stirne, die gesunde,
Fühlt sich keiner Krone bar.
3.
Auf den Wassern Babylons
Hört man keine Ruder schlagen;
Auch das Roß des Göttersohns
Wiehert nicht am schnellen Wagen.
Ach, vom Thron ist er gestiegen,
An der Wand lehnt Schwert und Speer,
Auf dem Lager muß er liegen,
Sterbend grüßt der Held sein Heer.
Nur ein Königsgrabmal schwimmt
Vor dem Auge, das schon dunkelt.
Von der Fieberstirne nimmt
Er das Band, das glühend funkelt;
Daß er's ohne Freundestücke
Lassen darf auf Freundeshaupt,
Dafür danket er dem Glücke,
Das dem Traum sein Gift geraubt.
»Tretet um mich alle her,
Waffenbrüder, näher, näher!
Komm auch du, gedankenschwer,
Ahnungsvoller, ernster Seher!
Nimm die Binde, hilf enthüllen,
Was die Nacht als Rätsel sprach,
Hilf den Götterschluß erfüllen,
Der mir schon das Auge brach!
»Welche Stirne soll dies Band,
Seher! von den vielen schmücken?
Wer statt meiner abgesandt
Soll den Erdenkreis beglücken?
Sprich den würdigsten der Namen,
Daß die Völker sich erfreu'n!
Kannst du nur den bösen Samen,
Nicht die Saat des Glückes streu'n?
»Doch sie blühet schon, die Saat!
O der herrlichen Enthüllung!
Alexanders Glück, es naht
Mit der reichlichsten Erfüllung!
Seh' ich lichte Königskronen
Rings auf allen Häuptern nicht?
Flammet nicht von zehen Thronen
Meines Ruhmes Strahlenlicht?
»Welch ein friedlich Diadem
Schmückt die Stirn dir, leichter Schwimmer,
Sendet mild und angenehm
Jungen Städten seinen Schimmer!
Aber du dort, kühner Retter,
Trägst es unter Blut und Schweiß,
Und von stetem Kriegeswetter
Dampfet dir die Stirne heiß.
»Jener leichter, dieser schwer,
Tragt es, wie's der Gott geschlungen!
Mich drückt keine Krone mehr,
Mich führt Lethes Flut entschwungen
Über jene schwarzen Wellen
An dem Königsgrab vorbei,
Daß ich auf den sel'gen, hellen
Inseln frei mit Freien sei!«
Und der Tod wischt aus dem Blick
Thronen ihm und Königsbinden.
Kann dem Traume das Geschick
Seine volle Lösung finden?
Nein! es hebt der alte Seher
Das verwaiste Diadem.
Traurig ruft der Zukunft Späher:
»Hier! dem Würdigsten! – doch wem?«