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16

Um schier dieselbe Zeit, als wir bei Cham dem Böhmenheere gegenüber waren, schied Kaiser Ludwig, genannt der Bayer, aus dem Leben. Das Gerücht, dass er von Regensburg herzöge mit seinem Heere, war ein leeres, denn er war zur selben Zeit in Fürstenfeld, und der Tod ging ihn gar unversehens an. Es wurde zur selben Zeit viel geredet unter gemeinem Volke, als wäre er durch Gift gestorben, und man reimte die Geschichte mit der Maultasch damit zusammen. Ich weiß heute nicht, ob etwas daran war oder nicht, aber das ist mir bewusst, dass er Bayern in einer Größe hinterließ, dass man mutmaßen und wähnen konnte, das Haus der Schyren würde das Mächtigste im Weltteil Europa, und Bayerns Name der Erste.

Aber es kam doch anders, und viel trugen dazu des Lützelburgers und nunmehrigen Kaisers Karl Winkelzüge und Hass wider das Haus Ludwigs, seines einstigen Gegners, bei; doch auch des Kaisers Söhne taten das Ihre dazu.

Bayern wurde geteilet, und Herzog Albrecht übernahm wieder Straubing als selbständiges Herzogtum.

Er lösete wohl seines Bruders Verspruch ein und verpfändete Herrn Peter dem Eckher die Grafschaft Cham mit öffentlichem Briefe, aber Peters Stern war dem Untergange nahe, und dies mag so der Welt Lauf und Gesetz sein.

Die Stunde, da er sich wider göttliches Gesetz und menschliches Gehören versündet, da er seines eigenen Sohnes Blut vergießen hieß, entfremdete ihm die Herzen allen Volkes zu Straubing, und jedwedes begann ihn zu verabscheuen. Wie solches zusammenhing mit dem Umstande, dass er sich nach und nach mit seinem Herzoge Albrecht überwarf und entzweite, vermag ich nicht zu sagen, weil es mir fremd blieb, aber dies geschah einmal, und der Herzog entsetzte ihn seines Amtes als Viztum.

Also wankend und hinfällig ist Herrengunst, und töricht der Mann, der auf sie bauet und in seiner Verblendung und in seinem Streben nach Gefallen und Größe ihr dienet.

Chunrat den Chamerauer hat man bald nach dem Treffen bei Cham und nach jenem Tage, da ein Vater seinen Sohn hinrichten hieß, der Teilnahme am Verrate bezichtet und überführt und nachher auch hingerichtet, nun aber hieß es sogar, Herr Peter der Eckher selbst wär mitwissend gewesen am selben Verrate, und um sich rein zu waschen von allem Verdachte, hätte er das Blut des Sohnes geopfert. Man sollte glauben, dass einer nicht im Argen hätte handeln wollen, der dies auf solch undeutelbare Weise missbilliget.

Das Gerede entstand etwo und verbreitete sich, und je weiter es kam, desto bestimmter trat es auf, und desto mehr kam hinzu; es war, wie wenn mutwillige Knaben einen Schneeball dahinwälzen, und tauender Schnee bis er sich zweimal umdreht, ist er nochmals so groß.

Ich staunete bass, als ich von solchem vernahm, und ich wunderte mich, wie doch der Menschen Sinn etwas erfinden konnte, an dem kein Stäubchen Wahres. Ich hatte diese Zeit mitgemacht und mitgelebt, und ich wusste, was des Eckhers Herz zu der unseligen Tat getrieben. Nicht ein Haar an Wank und Falsch wider seinen Herrn war in seinem Herzen und seinem Sinnen; er war wie allweg und zur selben Zeit vielleicht mehr denn vor und nach der treue Diener seines Herrn und wollte auch als solcher gelten und angesehen werden. Und dies besiegelte er mit dem Blute seines Sohnes.

Nachdem Herr Peter der Eckher seines Amtes als Viztum entsetzet, übertrug der Herzog das Amt dem Landgrafen Johann dem Leuchtenberger, und beides verdross den Eckher hart. Er wusste gut, was alles an treuen Diensten er dem Schyrenhause und seinen Sprossen geleistet, er wusste vielleicht auch, welch unsinnig Opfer er gebracht, und dafür erntete er nun Ungnade und Undank.

Sein ohnehin zerquält Herz verbitterte sich immer mehr und mehr ob solchen Lohnes und ließ den Hass keinem auf dem Grunde seines Gemütes.

Und da war es, dass ehemals die Herzoge die Burge Donaustauf dem Hochstifte zu Regensburg verpfändet, und dorthin zog der vergrämte Mann, um aus dem Bereiche derjenigen zu sein, denen er so treu gedienet.

Kaiser Karl der Lützelburger aber zürnete dem altbayerischen Hause der Schyren und trachtete allweg, es zu demütigen und seine Macht nach Kräften zu schwächen. So ersann er einmal, die Burge Donaustauf vom Hochstifte zu Regensburg einzuhandeln. Sein Sinnen gelang, und das Hochstift ging den Handel ein. Da hatte er also einen arg guten Stützpunkt zur Ausführung seiner bösen Pläne, und er wollte die Burge mit seinen Leuten besetzen.

Es war aber zur selben Zeit Herr Rüdiger Pfleger und Burgvogt auf Donaustauf, und der wusste und kannte wohl, um was es sich allda handelte. Sein Herz schlug in Treue für sein angestammt Fürstenhaus, und als die Böhmen anrückten und die Burge besetzen wollten, tat er die Tore nicht auf, sondern wies die Zähne und setzte sich zur Wehr. Da belagerten die Böhmen die Burg, und es hatte nicht das Hersehen, als sollten sie die trutzige Veste einmal in ihre Gewalt bekommen.

Manchmal aber ist es, als sollte und müsste alles ihren rechten Lauf bekommen und haben und als wäre der Mensch nichts anderes denn ein Blümelein, das der Gärtner dorthin setzet, wo er es braucht, und es dann wieder wegnimmt, so es seinen Zweck erfüllet.

Herr Rüdiger, der Burgvogt auf Donaustauf erkrankte schwer und sah seines Lebens Ende nahen. Ehe er aber das Auge schloss, ließ er Herrn Peter den Eckher, den alten Kämpen, an sein Lager rufen und empfahl ihm die Veste zu trutziger Verteidigung bis auf den letzten Mann.

Dem aber saß der Hass im Herzen und Sinnen wie böses Unkraut, und da er mit einem Male Luft und Licht bekam, schoss er üppig in die Triebe. Er sann auf Rache wider die Schyren, die so undankbar gehandelt an ihm, und kaum hatte Herr Rüdiger die Augen geschlossen, öffnete er das Tor der Burge und ließ die Böhmen einziehen.

Wie des Menschen Sinnen sich oft wandeln kann!

Herzog Albrecht weilte zur selben Zeit in Holland, und als die Kunde von solcher Falschheit zu ihm drang, eilte er herbei, den Wank zu strafen.

Der Eckher aber zog auf seine Burge am Natternberg und sträubte sich dort zu Verteidigung wie ein trutziger Igel seine Stacheln sträubet wider die ihn verfolgenden Hunde. Viele seiner ehemals getreuen Ritter und Edlen scharten sich um ihn in alter Treue und sahen der Belagerung ruhig und trutzig entgegen.

Herzog Albrecht und sein Bruder Stefan erschienen auch alsbald vor der Burge und legten einen festen, eisernen Ring um den aus der Ebene des Donaugäues jäh aufsteigenden Hügel, darauf die Veste steht.

Vom Fenster meines Stübleins im Kloster zu Metten sah ich gerade hinüber gen den Berg; ich sah die Zelte der Belagerer und hörte oftmals bei ruhiger Zeit das Schreien und Lärmen der Leute, und mein Herz bangte für den so hart aus dem Geleise geworfenen Mann. Jetzt mochte das Ziel seiner Tage herannahen und unrühmlicher Tod seinem Leben ein Ende setzen. Das Beste wäre es noch für ihn, wenn er kämpfend dem Tode in die knochigen Arme sänke. Fiele er lebend in die Hände seiner Feinde, mochten seine letzten Stunden nicht die wünniglichsten sein …

Es wurde auch geredet, dass Frau Berthel ins Lager zu den Herzogen herausgekommen sein soll und um Gnade gebeten habe; doch weiß ich nicht, ob solches wahr gewesen oder nicht. Ohn Herrn Peters Wissen und Willen mochte sie nicht aus der Burge kommen, und dass dieser zu solcher Demütigung gewilligt, das kann ich nicht glauben. So einer beugt sich nur vor dem Schicksal, das einem Wagen gleicht, den einer nur von vorn an der Deichsel zu lenken vermag, nicht aber biegt er sich vor dem Herzoge im Bösen.

Kaiser Karl der Lützelburger erfuhr von der Belagerung, und er zog eilends herbei, dem zu helfen, der ihm also genützet. Mit ansehnlichem Heere ging er bei Donaustauf über die Donau und rückte über Straubing gen den Natternberg.

Zur selbigen Stunde aber, als des Reiches Sturmfahne sichtbar wurde, erklärten alle Edlen und Ritter im bayerischen Heere, nicht stehen und kämpfen zu wollen wider des Reiches Oberhaupt. So mussten die beiden Herzoge nachgeben, und Herr Albrecht verglich sich nach harter Rede mit dem trutzigen Eckher, und verzieh, was nimmer zu ändern gewesen.

Am Tage, da es sich wieder jährte, dass Herr Thiemo sein Fehlen mit dem Tode gebüßet, sah ich Herrn Peter den Eckher auf dem Freithofe der Kirche St. Martini, und in seinem weißen Barte schimmerten etliche Zähren, die über die arg durchfurchten Wangen niedergerollt. Und daran kannte ich, dass harte Reue nagte an dem starren Sinne des hochstrebenden Mannes. Wir redeten einiges mitsammen, aber ich fand nicht den Mut mit einem Worte zu streifen an die Zeit, die einmal gewesen und die nun vergangen wie böse Gewitterstunde. Als ich aber von ihm ging, tat er einen tiefen, schweren Atemzug, und sein Mund öffnete sich ein Weniges, als wollte er noch etwas sagen. Doch fand dies nicht den Weg über seine Lippen.

Um dieselbe Zeit ungefähr erfuhr ich einmal, dass Frau Alheit ins Kloster gegangen und dort von rechten Sinnen gekommen. Vielleicht hat die schwere Schuld, die sie in ihrem blinden Hassen auf ihre Schultern geladen, ihren Geist zerwirrt und ihren Verstand getrübet. Die Schuld und das Schuldbewusstsein mögen arge Begleiter sein bei Tag und Nacht, so ihnen eins die Hand bietet als Weggefährten. Glücklich jedweder zu schätzen, der sie nicht kennt und nicht kennen lernt.

Herr Peter der Eckher aber hielt im folgenden Lenzen abermals eine Belagerung aus. Vom Natternberg weg war er auf die Burge Hildegartsberg gezogen, und ich weiß nicht zu berichten, wie es gekommen, dass Herzog Albrecht ihm wieder feind wurde. Aber jählings war er wieder belagert, und am 26. des Maien, da man schrieb eintausenddreihundertundsiebenundfünfzig Jahr, kurze Zeit nach Aufhebung der Belagerung, starb er und wurde in Metten begraben.

Und da ich am Rande seines Grabes stand, zog alles wie ein kurzer Traum an meinem Erinnern vorbei, lichte und finstere Zeit, Stunden gleißenden Glückes und harte, böse Weile. Der Mann, der allweg seiner Herren getreuer Diener gewesen, der sogar seinen eigenen Sohn geopfert, weil er des Kaisers Sache verlassen, fällt unverschuldet in Ungnade und muss von dem Kaiser, den er hart bekriegen lassen, vor dem Zorne seines Herzogs gerettet werden. Wie ein lichter Stern erstrahlte das Wappen der Eckher einst, und es schien, und es wurde daran gesonnen, es in die Reihe der Grafenwappen zu bringen, und – es war nicht. Wer weiß, wie es gekommen wäre, hätte Herr Peter nicht diese Stunde herbeigeführt, vor der mir heute noch grauet, so ich daran denke, wer weiß?

Aber es erntet jeder, wie er säet.

Wer weiß auch, wäre heute das Geschlecht der Eckher ausgestorben, wenn dieselbe Stunde nicht gewesen? Nun aber liegt der Letzte der Eckher draußen im Freithofe der Kirche St. Martini, und über seinem Grabe hat man das schwarz-weiße Wappenschild zerbrochen.

Also ziehen sich der Menschen Lebenswege dahin wie Vogelspuren im frisch gefallenen Schnee, hin und her und gradaus, und – ein leichter Windstoß treibt den Schnee darüber und verweht die Spuren.

Wann wird über die Meine das letzte Schneefünklein treiben?

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