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Tiefer Schnee deckte den Boden des Donaugäues, und in schweren Lasten hing der Anreim Anreim, Raufrost. an Baum und Strauch. Von den Dächern hingen die Eiszapfen in Armesdicke hernieder, und die Fenster waren schier einen halben Finger dick angefroren.
Zu solcher Zeit ist es selbst in der Stadt stille und ruhig, und wer nicht gerade muss, der geht nicht aus der warmen Stube.
Aber ein Trupp von vier Geharnischten trabte doch durch Schnee und Kälte durch die Stadt. Vor der Herzogsburge, der Herberge des Viztums, machten sie Halt und saßen ab. Das Fähnlein an der Lanzenspitze zeigte eine Wildsaukopf im Wappen, und dies verriet gleich, dass die Leute Charerauer.
Einer von ihnen frug nach Heinrich dem Chamarauer, und da er von Eppo, der gerade im Hofe war, den Bescheid erhielt, dieser wäre seit seiner Hochzeit mit des Lerchfelders Tochter auch im Hause des Lerchfelders zur Herberge, bis sich etwas anderes schickte und fügte, grüßten die Fremden nach Rittersart, saßen auf und ritten zum Lerchfelder.
Die Vier aber waren Boten Chunrats des Chamerauers an dessen Gesippen Gesippen = Verwandter. Sippe und Sippschaft = Verwandtschaft. Heinrich.
Des anderen Tages kamen Herr Heimeran der Lerchfelder und Heinrich der Chamerauer, sein Eidam, zu Herrn Peter und brachten ein Gebitt vor. Chunrat, der Pfleger von Cham, hätte eine verlässlichen Boten gesandt mit der Kunde, dass Wolfhart der Chamerauer, der Pfleger gewesen auf der Burge zu Haidstein, ohne Nachkommen verstorben sei, und dass sonach die Pflegerstelle alldort frei und ledig und zu verleihen wäre. Es hoffeten etliche darauf, so ein Arnschwanger, einer er mächtigen Sattelbogener, ein Göttlinger und ein Runtinger, aber nach Rechtem gehörte ein Chamerauer hin. die Chamerauer hätte gar viel getan für Herzog und Reich, sie wären angesehen und hochachtbar, hätten auch mit Wolfhart die Burg als Lehen bekommen, und dies und solches wäre, das einem Chamerauer das Anrecht zum Pflegamte gäbe.
Herr Peter schaute eine Weile gar seltsam darein und wusste nicht, wäre das Geheimnis von der Belehnung oder Verpfändung der Grafschaft lautmärig geworden oder nicht.
»Mit dem Pflegamte belehnt der Herzog«, beschied er kurz.
»Des sind wir kunde Kunde, des sind wir kunde = es ist uns bekannt, wir sind dessen kundig.«, nickte Herr Heimreram. »Aber wird der Herzog seines Viztums Vorred in den Wind schlagen, wenn ihm der rät, dem oder dem die Burge pflegweise zu vertrauen?«
»Ich weiß es nicht«, flüchtete Herr Peter aus, da er auch noch gar nicht vernommen, welcher von den Chamerauern da unter Dach kommen wollte und wes Wertes dieser sei.
»Ich hoff es sicher«, meinte Herr Heinrich.
»So? Und für wen soll ich nachher die Vorrede tun?«
»Für mich.«
»So? Ihr wollte in ein eigen Nest? Nun, warum auch nicht? In dem Falle leg ich schon ein gut Wort ein für Euch, weil ich Euch kenne und weil treue Dienste ihres Lohnes wert sind. So Ihr also für gewiss wisset, dass die Burge pflegweise weiter verliehen wird, möget Ihr Euch zum Umzug rüsten …«
»Vor dem Frühlinge wird's wohl nicht werden damit«, unterbrach ihn Herr Heimeram. »Das Weibsvolk ist nicht dazu getan, zur Winterszeit in den Wald hinauf zu fahren.«
»Gut, so rüstet bis zum Frühlinge! Dass ich die Vorred tue, des möget Ihr versichert sein, und dass der Herzog und Kaiser meine Rede nicht in den Wind schlagen wird, das hoffet Ihr!«
Desselben Tages noch kam auch Frau Altheit zu Frau Berthel und Gertraut zur Heimsuch, brachte geschicklich die Rede auf Haidstein, dass ihr Ziel und Wunsch wäre, und bat um Fürsprach. Herr Peter hätte wohl schon dies und das zugesagt, aber es schadete nicht, wenn auch Frau Berthel ihn mahnte und drängte, seine Vorred gar recht gut zu tun.
Und die Stunde entriss des Viztums Ehegespons das Geheimnis.
»Wenn Herr Peter zugesagt, dann fehlt so nichts mehr«, sagte sie, und das Gefallen an Macht und Größe brach das Schloss von der Geheimniskammer. »Der Kaiser hat uns ja die Grafschaft Cham verpfändet; da haben wir wohl ein Wort mitzureden.«
Frau Altheit schaute ein paar Augenblicke mit Aug und Mund; erst nach einer Weile kam die Rede wieder.
»Die Grafschaft … die ganze Grafschaft Cham?« wunderte sie. »Und dazu gehört auch die Burge Haidstein? Nun ja«, setzte sie dann selbst hinzu, »Chunrat, der Schwager, ist ja auch in Cham.«
Frau Berthel mochte nun doch eingesehen haben, dass sie etwas gesagt, was hätte verschwiegen bleiben sollen, und sie brachte die Rede auf etwas anderes.
»Habt Ihr schon vernommen, dass man dies Jahr wieder ein Vassnachtsspiel Vassnachtsspiel, Fastnachtsspiel. aufführen will«, frug sie, um mit der Rede in ein ander Geleis zu kommen.
»Nicht ein Wort«, versicherte Frau Altheit.
»Uns ist es für ganz gewiss erzählt worden. Der rote Christof, der Knecht, soll oft zu Gaste sein bei Barthel, dem Schneider, dieweil dieser Barthel soll der Urheb sein von solchem Schaustück.«
»Des freue ich mich aber«, meinte Frau Altheit und zwang sich zu leisem Lächeln, was ihr aber nicht recht gelingen wollte, weil sie immerfort an der eben gehörten Kunde von der Verpfändung sann. Grafschaft! Ob wohl die Eckher schon Grafen sind oder dies erst werden? So ist sie Heinrich des Chamerauers Eheweib und muss bitten gehen um eine Vorred, dass ihnen nur der Haidstein pflegwiese verliehen werde, und – im anderen Falle wär' solches alles nicht not, und eine Gräfin ist allweg mehr denn sonst eine.
Es wellt und wallt gerade in ihr, wenn sie einer Stunde gedenkt.
Als Herr Peter mit den beiden Jungherren von einem Waidgange zurückkam und Frau Berthel und Gertraut Arbeit bekamen, verurlaubte sie sich und ging heim. Aber das erste, was sie alldort berichtete, war die Mär von der Verpfändung der Grafschaft Cham.
»Das mag Euch wohl zu Nutze kommen«, nickte Frau Anna, Herrn Lerchfelders Ehegemahl, und hielt im Drehen der Spindel inne. Sie war ein hart fleißig Weib, das keinen Augenblick der müßigen Ruhe pflegen wollte. »Des Viztums Wort wiegt da mehr denn einer ganzen Sippschaft Fürbitte.
»Aber ich gönn ihnen solches nicht«, schrie Frau Alheit schier auf, und Hass und Neid klangen aus jeder Silbe.
»Gönnen? Warum? Wird es deshalb anders? Oder hättest du mehr, wenn die Eckher weniger hätten?«
»Sie … sind ein gar hochmütig Geschlecht.«
»Haben sie dir etwan Leides getan?«
»Nein … nicht ein Haar; aber ich mag sie nicht leiden.«
»Warum?«
Es gibt Fragen, auf die eins nicht allemal Bescheid geben mag, und Frau Alheit gab auf die Frage der Mutter keine Antwort. Aber sie richtete und rüstete trotzdem zum kommenden Umzuge, und die Freude, die sie darob empfand, in unlanger Zeit selbst Herrin sein zu können auf einer stolzen Burge, da nach der Erzählung ihres Ehegemahls sogar eine Herzogin Hof gehalten, die verkümmerten ihr Hass und Missgunst und manch Untugend, wie wuchernd Unkraut die Saat verkümmert.
Ehe noch der Schnee schmolz im Donaugäu, kam die Botschaft vom Herzoge, der auch Kaiser war, dass das Pflegamt auf Haidstein Herrn Heinrich dem Chamerauer verliehen worden, und damit war der Umzug gewisse Sache.
Herr Heinrich legte das Gelöbnis in gar feierlicher Weise vor des Herzogs Stellvertreter, dem Viztum ab, und man beschloss zu reisen, sobald die Wege im Walde fahrbar geworden.
Es brach eine überaus milde und linde Zeit an. Einige Tage warmen Regens hatten den Schnee bis weit hinauf in den Wald weggeräumet, und die Ufer der Donau hatten nachher nicht Platz gehalten für all die Wasser, die sich trüb und schmutzig von allen Seiten herbeigewälzet. Einige Tage glich alles Land bis Altach und Bogen hinüber einer gelbbraunen Hilme Hilme, Pfütze. oder einem See, und als sich die Wasser verzogen, lockte die Sonne gar mancherlei Blümelein hervor in die ungewisse Zeit. Aber der Mensch denkt und sieht nicht eine Stunde vor sich hin, und er macht sich keine Sorgen, was der nächste Tag wohl bringen werde an Gefrier, Reif und böser Zeit.
Dies vorzeitige Lenzwetter lockte auch einen Gast in des Viztums Haus, den vier Augen nicht sonderlich gerne sahen: Herrn Heinrich den Eckher zu Steffling. Mit zehn Geharnischten zog er zu Straubing ein und legte sich im Wirtshause, so zum gulden Pfauen geheißen, in die Herberge. Man redete bei uns in der Burg allerhand darüber; doch ein Stefflinger kann auch einmal nach Straubing kommen in die Stadt und allda seinen Reichtum zu zeigen, ohne fürchten zu müssen, es möge ihm ergehen, wie es schon manchem Ritter und Herrn zur Turneiszeit ergangen: dass er Ross und Wehr für die Schulden zurücklassen musste beim Herbergswirte.
Am selben Tage noch kam er zum Viztum zur Heimsuch, brachte Grüße mit von daheim und mancherlei Geschenk, und der Schmuck, den Frau Berthel und Gertraut erhielten zum Geschenke, der mag hart viel Geld gekostet haben. Aber ein Stefflinger litt an solchem nicht Not.
Es war gerade Vassnachtszeit, und überall in den Schenken schwelgten die Pfeifen und klangen die Fiedeln, denn die Straubinger hatte Geld, und Geld lockt die fahrenden Spielleute.
Auf der Schranne und in den Gassen tollte allerlei vermummt und verkleidet Gevölk umher, trieb Scherz und Schwank, und spaßhafte und grobe Reden flogen hin und wider, aber aus des Viztums Hause ging niemand. Erst am letzten Vassnachtstage, als auf der Schranne ein Gerüst aufgezimmer worden, darauf Berthel, der Schneider, mit seinen Leuten ein Schaustück vorführen sollte, zog man aus.
Der Stefflinger ließ es sich nicht nehmen, sich um Frau Berthel und Gertraut in seiner Hofsitte herumzutun. Er führte sie und redete und lachte mit ihnen und erzählte allerlei Schwank, und die zwei fanden Gefallen daran.
Am anderen Tage war der Aschentag, und die ganze Stadt schier wie verödet. Nach Mittag aber des folgenden Tages kam der Stefflinger in seinem schönsten und kostbarsten Gewande daher und hielt bei Herrn Peter um die Hand seiner Tochter Gertraut an.
Der mochte vielleicht schon geahnt haben haben, was der Vetter im Schilde führe, und er sträubte sich nicht lange, wie es sonst hie und da vorkommen mag. Auch Frau Berthel hatte nichts dagegen, und Jungfrau Gertraut fügte sich als gutes Kind der Meinung der Eltern und gab auch ihr Jawort.