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Nach der Weihenacht ging ich auf ein Zeitlein zurück ins Kloster zu Metten, um nicht etwan ganz aus dem Geleise zu kommen, und als Herr Peter wiederkam und mich vom Abte erbat, war der Schnee geschmolzen im Donaugäu, und auf Anger, Wies' und Rain blüheten die Blümlein, weiß, gelb und blau.
Im Hause des Viztums fand ich alles bei Alten, nur war mein lieber Freund Hagen der Randsberger nimmer dort. Sein Vetter Wernher der Randsberger, der Pfleger gewesen auf derselben Burge, war gestorben und das Pflegamt verwaiset, und Herzog Heinrich war eingedenk gewesen seines Wortes und hatte Hagen damit belehnt.
Es tat mir hart leid, ihn fortan missen zu müssen, aber es geht nun einmal so auf Erden. Der Menschen Herzen finden sich zu trauter Einung, ein Kranz schönen Geblumes ersprießet der Freundschaft, und jählings reißt das harte Schicksal sie auseinander wie der Sturm zwei hart nebeneinander stehende Bäume, das Geblume fängt zu welken an und verdorrt mit der Zeit, dieweil alles unbeständig und wandelbar ist auf dieser Welt. Und der Mensch muss sich ducken und willig darein finden, da er nichts unternehmen kann dawider und ändern. Aber ich nahm mir vor, einmal nach Randsberg hinaufzupilgern zum Freunde, so sich Gelegenheit und Weile dazu findet.
Da drang einmal ein Gerücht in die Stadt: in Deggendorf hätten die dem Christenglaube feinden Juden eine arme Dirn verleitet, ihnen heimlich geweihte Hostien zu verschaffen. Da es um die Osterzeit gewesen, hätte das unnütze Weibsmensch dem auch willfahret; es wäre etliche Male zur Beichte und zum Tische des Herrn gegangen und hätte allemal die Hostie zur Seite und den Juden gebracht. Die hätten zu nachtfinsterer Zeit sich im Hause eines der Ihrigen versammelt und die Hostien geschlagen, gestochen und zerkratzet, und es sei Blut geflossen aus dem geweihten Brote. Und zuletzt wäre ihnen ein gar hold Knäblein erschienen; aber sie hätte dessen auch nur gespottet. Sie hätten die Hostien in einen geheizten Backofen geworfen, und als sie dort auch unversehrt geblieben, auf einen Amboss gelegt und darauf losgehämmert. Die Hostien aber wären unter den wuchtigen Hammerschlägen immer nur schöner und glänzender geworden und nicht zu vernichten gewesen. Da hätte sie Grauen gepacket, und sie hätte die geweihten Brote in einen tiefen Brunnen geworfen, um ihrer los zu werden. Die Wächter der Stadt aber sahen den Brunnen ein seltsam Licht umschweben und hörten eine sanft klagende Stimme. Sie zeigten solchen der Obrigkeit der Stadt an, und die untersuchte und fand bald die Spur des Frevels.
Ich weiß heute nicht, ob Wahres oder Unwahres an dem gewesen, aber ich wähne, dass den Juden kaum ein zweites Mal Macht gegeben gewesen, Christum zu peinigen, und vermag die Mär auch heute noch nicht recht zu glauben.
Aber für die Deggendorfer war die Geschichte dem gleich, wenn einer den brennenden Span in einen Strohhaufen stecket.
Die Juden sind ein den Deutschen ungleich Volk. Mag die Neigung zu Handel, Schacher und Wucher von jeher in ihnen stecken und in ihrem Blute gründen, mag es sein, dass in ihren Glaubensbüchern erlaubt ist, an den Nichtgläubigen, von ihrem Stande aus, Unrecht zu tun und die übrigen Völker des Erdkreises als ihnen zinsbar zu betrachten, mag es auch sein, dass durch vielerlei Zurücksetzung und Verfolgungen ihre Herzen hart und grausam geworden und nicht zugänglich edlem Mitleide und gerechtem Sinnen; wo sie sich niederlassen, ziehen sie sich durch Schacher und Wucher und andere Untugend den Hass des erbgesessenen Volkes zu. Außerdem sind sie des Herzogs Kammerknechte, dem sie hart Steuern und Gaben leisten müssen, was sie vom gemeinen Volke wider abzuschinden trachten. Ihr Tun und Treiben mochte längst den Hass des Volkes erwecket haben, und die Geschichte brachte das Volk zum Aufruhr.
Auf dem Natternberge hausete Hartmann der Degenberger als Pfleger, als der Natternberg noch nicht an Herrn Peter verpfändet. Herr Peter der Eckher hatte ihn aber in seinem Amte belassen, dieweil der Jungherr Peter, den er als seinen Stellvertreter dorthin entsendet, noch zu unerfahren war in solcher Sache, und diesen Pfleger zogen die Deggendorfer auch in ihr Geheimnis, damit es nachher nicht hieße, sie hätten wieder freventlichen Aufruhr gemacht.
Im Geheimen vereinbarten und eineten sie, dass am Tage nach Micheli beim ersten Glockeschlage alles zusammenlaufen und über die Juden herfallen solle. Und sie taten also.
Der Juden waren wohl viele, und sie wehrten sich auch ihres Lebens und ihres Gutes, aber es wollte nicht scheinen, als sollten sie die Sieger bleiben. So kendeten sie ihre Häuser an, um die Stadt in Gefahr und die Angreifer in Verwirrung und Zerstreuung zu bringen und so insgeheim entwischen zu können; aber man erschlug und ermordete sie alle.
Es tut mir viel harte leid, dass ich solches von Christen berichten und zum Gedächtnis aufschreiben muss, aber es ist also geschehen, und Gott sei es geklagt, dass es geschehen. Hat der Herr, der Heiland und Meister der Christen, erlaubet zu töten? Hat er uns nicht gelehrt, was uns erhebt über alle anderen, über die Ungläubigen, so wir es halten: die Feindesliebe? Dürfen wir uns Christen nennen, so wir nicht sein Gesetz halten?
Ich habe mich in denselben Tagen meiner Mitchristen in Deggendorf geschämet, und der Herr wird es mir nicht im Üblen anrechnen; aber ich sollte mich weiter schämen müssen.
In der Stadt zu Straubing zog sich das Gerücht von Tür zu Tür, und trotzdem man den Juden zu Straubing nichts nachsagen konnte von geschändeten Hostien, sie sollte es mit Schacher und Wucher auch nicht linder getrieben haben denn die zu Deggendorf; der Hass war da, und er wurde geschüret.
Ein paar Tage nachher kam Kunde in die herzogliche Burge, das Haus des Viztums, ein paar rauflustige Leute zögen in böser Absicht gen die Jüdengasse, und viel ander Volk folgte ihnen.
Ich lief in aller Hast zu Herrn Peter und bat ihn um unseres Heilandes und seines Gesetzes willen, er möge Fried und Ruhe stiften und es nicht zu Mord und Totschlag kommen lassen. So die Juden Unrecht getan, möge er sie aus der Stadt jagen, aber die Christen solle es nicht treiben und treiben dürfen wie die Heiden und Ungläubigen.
Herr Peter nickte dazu und ließ alle Mannen und Knechte rüsten. Doch der Krahsteiner war nicht da und nicht zu finden.
Rasch ging es nicht, bis alle in Harnisch gebracht, und als wir in die Jüdengasse kamen, war dort eitel Aufruhr und Mord. Herr Peter ließ die Drommete blasen, er selbst riss viele zu Boden, aber niemand folgte ihm. Ich trat vielenorts dazwischen und gebot Einhalt, aber ich bekam Stöße und Schläge. Das Tier im Menschen war losgebrochen, hatte die Banden und Hafte der Gesittung und des Gesetzes gesprenget und wütete als eine rechte Bestie.
Der Kiel sträubet sich, dies alles niederzuschreiben, was ich da sehen und hören gemusst, und ein Grauen ums andere steiget mir heute noch auf.
In einer Ecke zusammen gedränget, stand und schrie eine Judensippe, und ein stämmiger Mensch mit Helm und Schild und Schwert stand vor ihnen und schlug auf das angreifende Volk los: der Krahsteiner, einer von des Eckhers Leuten, der sich in christlichem Mitleid wider das rohe Gevölke gestellt.
»Zurück!« schrie er ein um das andere Mal und schlug und hieb wieder, und das Gevölke stürmete und rannte wider ihn an und schalt und schändete.
»Pfui, der Judenknecht! Er gilt nicht mehr denn die Juden.«
»Er verteidigt eine Jüdin«, schrien andere.
»Auf den Scheiterhaufen mit ihm!«
Und so tobte der Kampf in dem Winkel, bis ein Speer am Schilde vorbeifuhr und dem mutigen Degen das Herz durchbohrte. Lautlos brach er zusammen, und auf seine Leiche sanken die Leichen der Sippe Schlumme des Mäklers.
Ich habe nie mehr Empfunden gehabt im meinem Herzen für ihn, denn für jeden anderen Menschen, aber zur selben Stunde kam er mir vor als ein rechter Held. Zitternden und blutenden Herzens wandte ich mich ab und hastete und klagte Gott die Missetat, so allhier geübet.
Was nützet es, wenn man des Tages hundertmal beteuert: Herr, ich glaube, und dein Gesatz ist mein Gesatz? Was frommet es, wenn man zur Stunde, da man sich als Christ zeigen soll dem Andersgläubigen gegenüber, sich nicht an das Gesatz hält und es treibt wie Juden, Heiden und Wilde?