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Herr Peter, der Viztum, gebärdete ich in seinem Zorne wie ein wild Vieh, als er davon erfuhr, dass einer seiner Söhne ohne Not schmählich geflohen vor dem Feinde. Er zerschlug Schrägen und allerlei Hausrat, der ihm in den Weg kam, er zerriss etlich Gewand, o ihn zu irren und zu hindern schien, und er schlug Knechte und Gesinde, die ihm in den Weg liefen. Ihm, des Herzogs Viztum und Statthalter, musste es widerfahren, dass ihm sein Sohn solche Schmach und Schande bereitete. Er fand keine Zeit, um den gefallenen Ältesten zu trauern und zu reusen Reusen, nachjammern, nachreuen., er zürnte nur dem Ungeratenen und tobte wider ihn.
Was werden sich die Ritter und Edlen im Felde gedacht haben von den Eckhern, deren einer so große Unehre geladen auf das allweg fleckenlose schwarz-weiße Wappenschild? Was werden die Leute sagen, höhnen und spotten, und was wird der Kaiser reden, wenn er die Kunde zu Ohren bekommt?
»Du musst zeigen, dass du solches nicht billigest!« riet Frau Berthel und schändete auch über den unwerten Sohn. »Du musst hart strafen.«
Und solcher Rat war dem wütenden Viztum ganz nach Wunsche getan. Der Verrat geht hinter den Totschlag, sagt das Volk in seiner Rechtsanschauung, und also würde auch Herr Peter die Tat eingeschätzet haben, hätte sie ein gemeiner Knecht begangen. Einem Edlen und Ritter hätte er sie ungleich höher angerechnet, dieweil er sich selbst, seine Sippe und sein Wappen beschimpfet damit, aber seinem Sohne rechnete er es als ärgstes Verbrechen an, weil er des Kaisers Sach' verraten und sich selbst und damit der ganzen hochangesehenen Eckher Sippe untilgbare Schmach zugefüget.
Er ließ in seinem Zorne den Oberrichter der Stadt Straubing zu sich bescheiden und trug ihm in kurzen, harten Worten auf, seinem also unehrlich gewordenen Sohne ob des schweren Verbrechens und solch ungefüger Schande den Prozess zu machen und zu urteilen, wie solches dem Falle angemessen: Auf Landesverrat stehet der Tod durch Freimans Hand.
Der Oberrichter würde mit keiner Wimper gezuckt haben, hätte es sich um zehn andere gehandelt, denn es war nichts sonderlich Ungewöhnliches, dass ab und zu ein Bösewicht auf solche Art in die Ewigkeit geschicket worden, aber mit des Viztums Sprossen war es doch eine eigene Sach. Blut ist kein Spülwasser, und wie leicht konnte des erbosten Vaters Zorn verrauchen und der Vaterliebe Platz machen, und dann war es ein eigentümlich Ding, im Ärger gegebenem Geheiße vorschnell willfahrt zu haben.
»Wer weiß heute, wie sich alles verhalten?« stellte er begütigend vor. »Auf ein leer Gerücht und Gerede kann man nicht viel geben.«
»Ohn' allen Grund und alle Ursach' entstehet solches nicht«, widerredete Herr Peter. »Wie er ankommt in Straubing, lasset Ihr ihn von den Schergenknechten gefangen nehmen ohn' alle Gnade und ihm die Urgicht Urgicht, Urgericht, Einvernahme. abnehmen. Und dann verfahret nach Rechtes Brauch!«
»Herr Viztum …« wollte der Oberrichter einwenden, aber Herr Peter schnitt ihm die Rede kurz ab.
»Ich, des Herzogs Viztum habe es also geboten.«
Und der Oberrichter nickte dazu und ging …
*
Es war ein kalter, trüber Herbsttag, und im Donaugau lag der Nebel in dichten Massen, als wir einritten und zurückkehrten nach Straubing. An der Spitze des Zuges ritt Herr Albert der Eckher, und ihm zur Seite flatterten und ploderten die Sturmfahne und das bayerische Banner, und dahinter zog ich zwischen Hegen dem Randsberger und einem Degenberger, denn auch Sibot der Heibacher kehrte nimmer zurück und lag im Tale des Chambflüsschens in kühler Erden. Und hinter uns ritten die Rotten, eine nach der anderen, und nach Herrn Alberts Zug folgte der Thiemos, der auf dem Wege von ungefähr zu uns gestoßen.
Die beiden Brüder hatten beim Zusammentreffen nicht ein Wort geredet mitsammen, und das sonst schier frauenhafte Gesicht Herrn Thiemos war hart, finster und trutzig, und von Zeit zu Zeit schoss jähe Röte in die Wangen. Er redete wenig und sann augenscheinlich still in sich hinein.
Am Ende des ganzen Heerzuges aber ächzte ein Wagen daher, welcher die Leiche Herrn Peters des Jungen trug.
Düster klangen die Hörner, und düster brach sich der Hall an den Häusern und Gebäuen von Straubing, und viel Volk strömte herbei. Gar manchem schwellte selige Freude die Brust, da man den Sohn beim Heere wusste, und daneben rankte sich ungewisses Bangen empor gleich einer abscheulichen Otter. Ob er wohl dabei ist beim Einzuge, oder ob er fernab liegt unter dem Rasen der Walstatt?
Die Hörner geboten Halt, und der Heerzug stand auf der Schranne und war viel kleiner, als wie er ausgezogen. Der Wagen mit dem Sarge fuhr vor und blieb neben des Reiches Sturmfahne stehen, wo der Viztum mit Frau Berthel daher kam.
Ihr erster Gruß galt dem Toten und der andere dem Lebenden. Frau Berthel weinte, aber Herrn Peters Augen blieben trocken, und von seinem Gesichte wichen das Düster und die Härte keinen Augenblick.
»Willkommen, ihr Helden!« grüßte er all die anderen und bot den Besten und Bekanntesten die Hand zum Gruße.
»Seid Ihr doch heil durchgekommen?« frug er Hagen den Randsberger. »Siboten seh' ich nimmer.«
»Der ist gefallen; einige Augenblicke nach Herrn Peter, Eurem Sohne, ist er vom Rosse gerissen worden. Aber mir fehlt nichts. Der Leib ist wohl zerbläuet und fleckig wie der Balg einer schönen Katze, aber das ist das Wenigste.«
»Dess' wird sich Frau Chunikund freuen.«
»Das mag wohl sein.«
»Euer Schwager aber hat hart bösen Wank getan, so viel ich vernommen. Wer hätte solches gesucht in dem Chamerauer?«
»Er lebt nimmer«, berichtete Hagen. »Als er fliehen wollte, hat ihn ein Armschwanger Knecht getötet.«
Da kam Herr Thiemo angeritten, seine Eltern zu grüßen. Sein Gesicht war so rot wie eine recht zeitige Kirsche, und seine Augen hoben sich nur selten vom Erdboden.
Er schwang sich vom Rosse und wollte Herrn Peter die Hand bieten. Doch der kehrte sich geflissentlich ab und redete mit einem andern. Als ihn aber Thiemo ansprach, fuhr er ihn hart an, und seine Stimme zitterte und bebte vor hellem Zorne wie … Ich finde keinen Vergleich, aber mir gruselte es.
»Wer seid Ihr?« fuhr er ihn an.
»Kennt Ihr mich nimmer, Vater? … Ich kenn' es, dass etlich Fehlen war auf meiner Seite, doch fraget die andern, so dabei waren …«
»Weg von mir! Ich habe keinen Sohn, der des Kaisers Sache verraten und verlassen. Oberrichter!« wandte er sich an den, und nachdem dieser ein paar Augenblicke geschaut und gewartet, ob nicht milderes Wetter würde, gab er dem Amtmann der Schergenstuben den Auftrag, Herrn Thiemo gefangen zu setzen.
Da umringten die Edlen und Ritter den Viztum und redeten an ihm und baten für den Sohn und erzählten solches und jenes, und auch ich redete und bat, aber es fruchtete nichts. Wie wenn man einen Holzstock anredet, so war es bei dem Viztum.
Herrn Thiemos Gesicht aber wurde mit einem Male hart und trutzig; er warf das Schwert weg und gab sich gefangen.
Es kamen auch die herbei, die unter dem Befehle Thiemos gestanden und mit vor dem Feinde gewichen, und sie redeten und erzählten das Beste, obgleich ihr Herz des Eckhers Sohn für einen feigen Verräter ansah; aber auch sie richteten nichts und vermochten den harten Sinn des erzürnten Vaters nicht zu erweichen.
Die Hörner hallten hin über die Schranne zu Straubing und gaben das Zeichen, dass jeglicher wieder seiner eigenen Wege ziehen könne. Freudenrufe schollen hin und wider, und dazwischen hub sich Klagen und Weinen derjenigen, die ihre Söhne nicht mehr sahen und fanden und denen von Kampfgenossen mitgeteilet, dass der und jener auf der Walstatt geblieben im blutigen Ringen.
Ich ging in mein Stüblein, aber eine böse Unruhe hatte mich erfasst du verleidete mir die winkende und lockende Rast nach den Mühen des Zuges. Ich ging zu Herrn Peter und versuchte zu begütigen, aber es gelang mir abermals nicht.
Was sollten die Leute denken, und was würde der Kaiser sagen, wenn solches ungesühnt bliebe? Müsste nicht jeglicher meinen, er billige die falsche Tat des Sohnes? Und der Schandfleck auf dem hell glänzenden Wappen der Eckher! Nie noch wären die Eckher so angesehen und hoch geschätzet gewesen von hoch und nieder aus zur gegenwärtigen Zeit, und gerade da sollte dies Schandmal geduldet werden? Nein und allweg nein.
Und er schickte zu den Ratsherren und trug ihnen das Gericht auf.
Ich aber ging auf die Schergenstube, und da ich als des Viztums Schreiber und Ratgeb bekannt war, ließ man mich zu dem Gefangenen.
Das Wiedersehen war peinlich.
Herr Thiemo hüllt sich lange in trutziges Schweigen, bis es meiner Rede gelang, es zu brechen und das Herz des jungen Mannes zu rühren.
»Wie hat Euch denn nur solches beifallen können?« frug ich tadelnd. »Habet Ihr denn gar nicht weiter gedacht?«
Und da erzählte er mir, wie sich alles geschickt und zugetragen, so dass sein Herz und sein Sinnen geblendet und betört worden und er falschem Wahne nachgehangen. Dies und jenes habe man geredet, und als er dann hinter Tannried oben auf der Böhmen Heeresteil gestoßen, habe er wieder noch nicht die Absicht gehabt, falschen Wank zu tun, bis ein Bote dahergesprengt gekommen, unten im Tale des Chamb wären die Böhmen Sieger geblieben, und für des Kaisers Sache sie alles verloren. Da habe ihm sein bös Begehren zugeraunet, nach kurzem Scheinkampfe zu weichen und zu fliehen und sich so die Gunst des Siegers zu erlisten. Es reute ihn sein Tun und Unterlassen gewisslich mehr, als es seinen Vater betrübet, und er hübe sich auf der Stelle, so ihm sein Vater Verlauben und Leute gäbe, und zöge gen Böhmen und löschte die Schmach mit glänzender Tat oder mit rühmlichem Tode.
Ob ich dies dem Viztum vermelden dürfte.
Ja. Solches habe nicht der betrogene und falsch beratene Thiemo geredet, sonder ein Eckher, der wohl gefehlt, aber bereit sie, dies Fehlen ernsthaft und ehrenvoll zu sühnen.
Und das er so redete, zog eine Stunde an meinem Erinnern vorüber wie ein flüchtiger Vogel, eine Stunde, an die ich schon lange nimmer gedacht.
Ich wähnte mich im Stüblein am Toreingange der Burge zu Mitterfels, und vor mir stand der Henneflügel vom Berge und gestand sein Fehlen. Und dann ging es hinaus zum Galgen am Ufer des Perlbaches, ein mühselig und notgehärtet Leben entfloh zwischen Himmel und Erde. Und ein alt Weib kam dahergehastet mit wildverzerrtem Gesichte und wirren, fliegendem Haar und schrie und jammerte zum Erbarmen. Und ich wähnte ihren Fluch durch die Lüfte hallen zu hören, durch Wald und Haag, und es gellte mir wieder in den Ohren wie dazumal: Eckher! Die Stund sollt Ihr erleben, so wahr ein Gott im Himmel ist!
Ein bös Ahnen schlich sich in mein Herz, und ich eilte zum Viztum und berichtete ihm, was sein Sohn mir gestanden und was er gelobt. Ich erinnerte ihn an dieselbe Stunde und an den Fluch der Henneflügelin und beschwor ihn bei allem, was einem Christen heilig und teuer ist, sein Trutzen zu brechen, zu verzeihen, wie der Heiland verziehen denjenigen, die ihn ans Kreuz geschlagen, und nicht sein Blut vergießen zu lassen in törichter Verblendung. Ich wähnte und hoffte, sein Herz zu rühren, und es dünkte mich schier, als wollte mir solches gelingen, aber da bäumte sich wieder seine unsinnige Ehr- und Großsuch auf wider alles vernünftige Erwägen und der Liebe Milde, und das Streben, den Menschen zu gefallen, trug den Sieg davon.
»Es gehe nach Recht und Gesatz«, beschied er trutzig und hart. »Und gerechtem Richter sei der eigene Sohn wie ein Wildfremder.«
Mein Herz zitterte wie ein hart erschreckt Kind, und ich betete in meinem Stüblein zum Herrn und Richter aller Menschen um gute Wendung der bösen Sache, bis mich der Schlaf übermannte und hinwegführte aus der rauen Wirklichkeit.
Des andern Tages trat das heimliche Gericht zusammen, es wurde die Ugicht des jungen Eckhers verlesen, und die Räte gelobten, auf Eid und Pflicht das Urteil zu schöpfen. Der jüngste des äußeren Rates geleitete den landesherrlichen Oberrichter nach Brauch und Sitte auf das Stadthaus, allwo derselbe dem Übeltäter nach den geschriebenen »Kaiserlichen Rechten« die Leibesstrafe so zu fällen hatte, wie er sie am Tage seines göttlichen Gerichtes verantworten konnte.
Nach so Geschehenem wurde gemeiniglich dem Übeltäter der Gerichtstag angekündigt und er vermahnet, sich Gott und dem Rechte christlich zu empfehlen und sich mit der heiligen Wegzehrung versehen zu lassen.
Nach altem Brauch und Recht aber war es, dass solches nicht vor dem dritten Werktage geschehen sollte, aber der Eckher hatte Eile geboten, und da er des Herzogs Viztum war, hielt man sich an sein Geheiß.
Vielleicht fürchtete er, unter dieser Zeit weicher zu werden, vielleicht peinigte ihn doch der Wurm des Gewissens, und er trachtete, die Sach' so bald als möglich hinter sich zu kriegen, vielleicht auch trieb ihn seine unsinnige Wut zu rascher Strafe; ich weiß es nicht und hae solchen Grund auch nie zu ergrübeln und zu erfahren vermocht.
Ich übernahm es, dem Unglücklichen die Beichte abzuhören und ihn mit dem hochwürdigen Sakramente zu speisen; aber wie mir dabei zumute war, das möge mich niemand fragen. Das Blut in meinen Adern rollte dahin wie geschmolzenes Erz, und der gute Leib fieberte vor Aufregung, trotzdem sich Herr Thiemo gebärdete, als wäre er bei der Osterbeichte und ginge fröhlicher Weile entgegen.
Ich ersuchte, Frau Berthel als Fürsprech zu gewinnen, aber die sagte, einem, der solche Schande über die ganze Sippe gebracht, gehörte nichts anderes. Ich bat Herrn Peter nochmals flehentlich, aber der beschied mich kurz und hart, er wäre seines Herrn treuer Diener und könne nicht anders tun.
Das Gericht sammelte sich auf dem Stadthause, und der Kammerer tat den drei eingeschworenen Rechtsanwälten kund und zu wissen, der junge Eckher sei zum Tode verurteilt, und man solle nicht viel Umständ machen.
Der Unglückliche wurde aus seiner Zelle geholt, und nun traten die Richter hinaus in das Tanzhaus, wo die »Schran«, die Gerichtsbrücken, aufgeschlagen war.
Es wurde verhandelt nach altem Brauche, aber ehe man an den Ältestanwalt die Frage richtete, ob nicht etwa ein Gerichtshindernis bestehe, schickten sie heimlich zum Viztum, ob er sich nicht doch noch eines Besseren besonnen. Da aber der Bote mit grobschlächtigem Bescheide zurückkam, verkündete der Anwalt: »Dieweil es an guter Tageszeit ist, die Sunn Himmel und Erd und das ganze römische Reich überscheint, kein Feier- oder anderer verbotener Tag ist, um über das Blut zu sitzen, so erkenn' ich zu Recht, dass ihr Richter den Gerichtsstab sollt zur Hand nehmen.«
Es wurde weiter geraten nach Brauch und Sitte, und zum Ende wurde Herr Thiemo dem Freimanne übergeben: »Nun helf' Gott der armen Seel'!«
Ruhig und gefasst ging Herr Thiemo zur Walstatt, und schier als ein Held schied er aus diesem leben. Sein jung Blut rann nieder auf den Erdboden der Schrann zu Straubing, und ein hart Geschände hob sich unter den Leuten, so dem Trauerspiel zugesehen.
Nur eine lachte hell und gell auf, als das Urteil gesprochen und als der Schlag geschehen: Frau Alheit. Was sie gewollt und gestrebet, hatte sie erreicht, wenn auch anders, als sie sich's vorgestellt: Rache an den stolzen, hochmütigen Eckhern. Und sie wusste zur selben Stunde noch nicht, dass ihr Ehegemahl, Heinrich der Chamerauer auch nicht mehr in diesem schandbeladenen Leben.
*
Ich packte meine wenigen Sachen zusammen und ging hinunter in den Hof und schaffte einem Knechte, zwei Rosse zu satteln und zu zäumen, eines für sich und das andere für mich. Da ich so viel galt, als wenn ich zum Hause gehörte, folgte er rasch, und wir saßen auf.
Kaum aber saß ich im Sattel, kam Herr Peter, der Viztum daher, und mich dünkte, als wäre sein Gesicht einen Schein bleicher.
»Wo wollt Ihr hin?« frug er hastig, und seine Stimme war so, als wollte er heiser werden.
»Nach Metten«, beschied ich. »Es duldet mich nimmer in einem Hause, darin man sich also versündigt wider Gottes Gesatz und allwo das Ansehen vor den Menschen höher geachtet wird denn Gottes weise Anordnung und Gebot.«
»Herr … Gotswin!« wollte der Viztum zornig aufbegehren, aber es misslang ihm
»Widerredet, wenn Ihr es vermöget!« forderte ich. »Wer ist dein Nächster? Und wer steht noch näher denn der Nächste? Sein eigen Blut. Meint Ihr, der Herr habe der Sippschaft Band und Hafte umsonst gewunden um der Menschen Herz und Sinnen, ohne Ziel und Zweck? Und wähnet Ihr, dass Ihr Euch ungestraft versünden dürfet dawider, um Kaiser und Edlen zu gefallen? … Behüt'Euch Gott!«
Wir ritten davon, und er sah mir nach wie einer, dem Rat und Sprache fehlt.
Ich kam nach Metten, schickte Knecht und Rossen zurück und bezog wieder mein eng Stüblein, aus dessen Frieden man mich gerissen, um der Welt Händel und Wirrnisse zu sehen.
Des andern Tages aber brachte man von Straubing zwei Särge zur Bestattung: in einem lag Herr Peter der jung Eckher und im anderen Thiemo, sein unglücklicher Bruder.
Frau Berthel schrie und weinte, und es ärgerte mich, da ich wusste, welch harte Rede sie getan, und Herr Peter, der Viztum, sah trutzig und finster vor sich hin wie einer, der sich selbst nimmer leiden kann. Vielleicht saß der nagende Wurm des erwachten Gewissens und der Reue schon in seinem Herzen und vergällte und verbitterte ihm jedweden Augenblick mit seinem quälenden Regen und Beißen. Es war auch viel des Gevolkes mit, aber die Banner und Fahnen senkten sich nur über dem Grabe Peters des jungen Eckher, und all Geleit und Trauer galt dem auf der Walstatt Gefallenen. Zu Häupten seines Grabes wurde später auch ein Denkstein aufgestellt, der aller Welt vermeldet, dass allhier Peter der Eckher dem jüngsten Tage entgegen ruhe, da er bei Cham in einem Treffen ehrenvoll gefallen. Über Thiemos Grabe hob sich weder ein Denkstein noch ein Blümlein.
Frau Gertraut, die junge Stefflingerin, aber soll, wie ich einmal vernommen, eine Botschaft nach Straubing geschickt haben, bei der selbst dem Eckher der Kopf tief auf die Brust gesunken.
Ich sah ihn erst zwei Jahre nachher wieder, als er, von Reu und Gewissensbissen geplagt, nach Metten kam und ein Benefizium stiftete für einen Geistlichen, dass selber auf der Eckher Burge leben und Gottesdienst halten könne. Seine Haare und sein Bart waren schneeweiß geworden, aber gerade schneeweiß, und durch sein Gesicht zogen sich die Furchen und Runzeln wie böse Runen. Man merkte ihm wohl an, dass die letzte Zeit viel hart umgesprungen mit ihm.
Das erste Mal nach der Zeit und dem bösen Tage machte ich wieder seinen Schreiber, da ich den Brief aufschrieb. Mit keiner Silbe aber berührte er vergangene Zeit, und es dünkte mich, als schämte er sich vor sich selber.