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In der Nacht war ein Gewitter herniedergezogen aus den Bergen, und da es die Donau nicht überschreiten gewollt, hat es sich in unserer Gegend entleeret. Die Blitze sind hin und wider gefahren, so dass alles zu schauen gewesen wie eitel Licht und Feuer. Die Thorer haben gekracht und gerollt, dass die ganze Burg zu Mitterfels gezittert und gebebet bis in die Grundfesten. An der Berglehne hat es drei Bäume zerkloben und zersplittert, und im Dorfe, so sich vor Zeiten im die Burg gesammelt und geschart, hat es gezunden. Man hat schon gemeint, es ginge zu Ende mit all dem Aufruhr in den Lüften, da ist ein Blitz niedergefahren auf des Fischers Haus, und die Flammen haben gleich empor gelohet trotz allen Regens bis schier in die rußfarbenen, unheilbergenden Wolken.
Geschrien und geheulet hat männiglich im ganzen Dorfe, aber keines ist von seinem Hause weggegangen und dem Fischer zu Hilfe geeilet. Wir aus der Burge aber sind schier alle hinunter und haben gerettet: Herrn Peter, die Jungherrn, die Dienstmannen und die Knechte, und auch ich habe getan, was ich vermocht, und mir mein Habit zu einem Vierteil verbrannt.
Der Jungherr Peter aber ist dran und drauf gegangen, ärger als zwei andere, und es hat mich einmal gedünket, als achtete er sein Leben nicht. Der Fischer ist in das brennende Haus, da schon der Dachstuhl am Zusammenbrechen gewesen, um noch etwas heraus zu holen, und der Jungbauer Peter ist ihm nach und hat ihn wieder herausgeholt mit Gefährdung seines eigenen Lebens.
Wir haben gerettet von den Häusern der Nachbarn, bis keine Gefahr mehr vorhanden, und dann haben wir uns zur Ruhe gelegt mit freudigem Mute. Wir haben Gottesdienst getan inmitten der Nacht nach dem Spruche: Was ihr dem Geringsten unter euch tuet, das tut ihr mir.
Am anderen Tage ist der Nebel gelegen im Gäu und bis hoch hinauf in die Berge, dass man kaum auf dreier Arme Längen vor sich hinzusehen vermocht, und das graue Düster hat Gemüt und Seele bedrücket.
Ich habe die Jungherrn und Gertraut geübet im Lesen und Schreibe, und auf einmal ist ein Knecht gekommen und hat mich nach unten gerufen. Ich bin ihm gefolgt, und in der Stube des Torwärtls ist Herr Peter gestanden, und auf sein Schwert gestützet, ist Rudbrecht gewesen, der Fronvogt über die Fischweid und die Perlenfischeri und sind zwei Knechte gewesen, die einen Mann in ihrer Mitte gehalten, der mir schier bekannt vorgekommen.
»Beichtet den Henneflügel!« schaffte mir Herr Peter kurz und hart. Und da ich ein Zeitlein ganz erkommen geschaut und nicht gewusst, was dies zu bedeuten hätte, erklärte mir der Pfleger in seiner kurzen, wortkargen Weise.
»Der Henneflügel ist erwischt worden beim Perlenfischen, und deswegen kommt er an den Galgen.«
»Herr«, wandte ich ein, »ist eines Menschen Leben nicht teurer?«
»Es ist Brauch und Gesetz. Beichtet ihn!«
Und ich nahm den Mann und führte ihn in ein danebenliegendes Stübel und willfahrte dem Geheiße.
»Was habt Ihr da getan?« frug ich mitleidig. Der Henneflügel aber sagte lange Zeit nicht ein Wort; erst über viel gutes Reden öffnete er sein Mund, und seine Augen wurden nass.
»Herr, helfet mir!« bat er mit zitternder Stimme, und seine Hände falteten sich mir entgegen.
»Ich werde tun, so viel ich vermag«, versprach ich. »Ich werde versuchen des Pflegers Herz zu erweichen und werde Gott bitten, meiner Rede Macht zu geben über der Menschen töricht Gesatz. Doch beichtet und erleichtert Euer Herz!«
Und er beichtete und erzählte mir alles.
»Es war ein gewagt Spiel, das ich da eingesetzet«, redete er, nachdem er seine sonstigen Fehler und Fehle bekannt. »Die Hilti, so in der Burge hier dienet, ist meine Schwester. Und gestern war sie oben bei uns und hat der Mutter gestanden, sie hätte des Eckhers Sohn gerne, und der liebte sie, und es fehlte nichts weiter, als dass sie reich wäre und von guter Sippe …«
»Da fehlt doch alles!« warf ich ein. »Es ist keines von beiden wahr. Im Übrigen habe ich gestern den beiden kräftiglich gesagt, dass sie fürderhin ein jedes andere Wege gehen sollten, und mich dünket, sie haben sich an die Rede gekehrt.«
»Und ich habe gesonnen und gedacht, es wäre reich zu werden und eine gute Sippe, wenn das Glück wollte. Im Perlbache liegt viel Geld und Gut verborgen in den nichtigen Froschschüsselchen Froschschüsselchen, Perlmuschelschalen oder kurz Muschelschalen., und so man dies erlangte, könnte man fortziehen, sich etwo als Bürger einkaufen und eine angesehene Sippe sein und werden. Geld und Gut macht alles eben …«
»Da hab Ihr hart weit fehl geschossen«, bedeutete ich.
»Kann sein«, gab er zu, aber ich merkte am Tone der Rede, dass sein Sandhaus, das er sich in seinem einfältigen Sinnen aufgebaut, darob nich ins Wanken geriet. »Kann sein, aber ich hab' so gesonnen und gedacht, und ich bin gegangen und hab' an verstecktem Orte gesucht und gefunden, bis mich die Häscher gefasst. Nicht für mich hab' ich wollen solches unterfangen, und jetzt … Was wird die alte Mutter tun in ihrem Alter und die Kinder meiner verstorbenen Schwester Chunikund? … Helft mir!«
»Ich werd' es versuchen«, versprach ich nochmals und ging zu Herrn Peter und redete und predigte, aber es fruchtete nicht. Wenn einer gen einen harten Kiesfelsen redet, schlägt zumindest der Hall zurück an sein Ohr, aber bei dem Eckher fand meine Rede keinen Widerhall.
»Ich bin dem Herzog geschworen, dass ich ihm in Treue diene als Pfleger und dass ich das Gesatz halte und allweg halten lasse. Wer dawider tut, muss gestraft werden, und beim Perlbache steht der Galgen.« Das war seine Rede.
Ich wagte den letzten Wurf und erzählte, ohne Namen zu nennen, was den Leineweber zum Perlbache und zu unrechtem Tun getrieben, aber der Pfleger schüttelte nur den Kopf. »Was bei dem einen Unrecht ist und böse Tat, ist es auch bei dem andern.«
In meiner höchsten Not riss ich ein Kreuz hervor und wies es. »Der da kennt des Menschen Herz bis ins kleinste Winkelchen, und er hat am Kreuze noch gebeten für die, die ihn daranschlagen: Vater, vergib ihnen, sie wissen nicht, was sie tun! Könnt Ihr es vor dem verantworten?«
»Ja«, sagte er hart. »Ich halt' mich an das Gesatz.«
Ein tiefer Seufzer entrang sich meiner Brust, und eine Zähre kollerte mir die Wangen herab auf das rußfarbene Habit, und ich ging zum Henneflügel und bereitete ihn vor auf seinen letzten Gang.
Noch niemals in meinem Leben ist mir die Rede so hart geworden und schwer, aber ich habe mein Bestes getan, dem armen Sünder Trost zuzureden und ihm von einem zu erzählen, den nicht der Menschen hart Gesatz bindet, der jedwedem ein gerechter Richter ist ohne alle Untreue und allen Wank und der jedes Fehlen wäget nach den Umständen. Und so er strafet, tut er es wie ein liebender Vater, der nach dem letzten Streiche ein liebreich Wort findet für das Kind.
»Aber was werden meine Mutter, die Hilti und der Chunikund Kinder tun?« seufzte er.
»Sie werden nicht verderben«, tröstete ich. »Der Himmelvater wird seine Hand über sie breiten und sie eines Weges führen lassen von seinen Engeln, der für sie der ebenste ist. Und nach der Trennung kurzer Weile wird er euch alle versammeln in seinem Hause, und keine Macht wird euch mehr trennen und scheiden.« Und viel mehr noch redete ich, bis ich wähnte, dass der arme Sünder sich in das Unabänderliche gefüget und sich ganz geflüchtet in die milde Hand des Höchsten.
War für ein armselig Geschöpfe wäre der Mensch ohne solchen Trost?
Da kam Rudbrecht, der Fronvogt, und heischte Eile. Ich sprach den Hennflügel los von all seinem Fehlen kraft des Vermächtnisses, das der Herr gegeben: Wem ihr auf Erden die Sünden erlassen werdet, dem sind sie auch im Himmel erlassen, und dann ging es fort, zum Tore hinaus, durch das Dorf hindurch und zum Galgen am nachtdüsteren Ufer des Perlbaches.
Aus dem Nebel sprühete es hernieder, und ich konnte mich des Gedankens nicht erwehren, der mich einmal beschlich: Selbst der Himmel weinet über der Menschen Härte. Ich konnte den Eckher mit keinem Blicke ansehen und redete nur allweg mit dem Henneflügel und erzählte ihm von Gottes Lieb' und Treue, und öfter denn einmal musste ich in meiner Bitterkeit Worte der Anklage und des Vorwurfes wider die Gewalthabenden der Erde mischen in meine Rede. Ob sie in das Herz des harten Pflegers gedrungen? Was weiß ich?
Ein Zittern überkam den Henneflügel, als er unter dem Galgen stand, und nur unverständlich konnte er mir nachsagen, was ich ihm als letzte Rede vorsprach: »Vater, in deine Hände empfehle ich meinen Geist.«
Dann wandte ich mich ab, um das Abscheuliche nicht mit ansehen zu müssen, und betete inbrünstig für des armen Sünders arme Seele.
Schon wollte ich gehen, als ich durch den Nebel und das leichte Tropfen der Bäume etwas daherkeuchen hörte.
Es war die Alte vom Berge, des Henneflügels Mutter, die in wilder Hast gerannt kam. Vielleicht hatte sich erfahren, was da vorgehen sollte, vielleicht hat sie eine Ahnung hergetrieben, sie kam und hub ein groß Geschrei und Jammern an, rüttelt am Galgen und raufte sich die Haare.
Ich habe nur noch eine solche Stund' erlebt, aber ich wünschte mir keine mehr. Das Herz erschauert in der Brust, dass es darinnen liegt wie ein Batzen hartes Eises, und die Haare auf dem Kopfe sträuben sich wie das Gestachel eines Igels.
Unversehens aber hielt die Alte inne in ihrem Schreien und Jammern, ein, zwei, drei Augenblicke war es stille in der Runde, und dann sprang sie vor den Pfleger hin, und das verzerrte Gesicht mit den weit aufgerissenen Augen und dem wirren Haar spiegelt sich mir heute noch vor und macht meinen Körper erschauern.
»Eckher!« schrie sie gellend auf. »Eckher! Die Stund' sollt Ihr erleben, so wahr mein Gott im Himmel ist.«
Ich sah das vom Nebel gerötete Gesicht des Pflegers und sah es für einen Augenblick erbleichen. Dann aber befahl er rau und barsch, man solle das Weib verjagen.
»Hängt mich gleich hinauf zu meinem Buben!« kreischte das Weib darauf. »Hängt mich neben ihn! Nein; die Augen kratze ich jedem aus, der mich anrühret.«
»Herr, lasst sie!« bat ich. »Sie ist seine Mutter. Und selbst ich kann die harte Strafe nicht gerecht finden.«
»Ich bin der Pfleger und übe den Blutbann«, bedeutete Herr Peter fest, und ich wandte mich ab und ging davon. Im Stillen erwog ich, ob ich nicht etwa meine armselige Habe nehmen und zurückkehren sollte nach Metten, und ich ging auch desselben Tages noch fort, um Herrn Albert, den Abt, zu fragen, welchen Weg er mir riete. Ich meine, ich habe ihm mein ganzes Herz ausgeschüttet und all das, was meine Seele betrübt und mit Leid erfüllet.
Herr Albert hat seinen grauen Kopf in die Hand gestützet, hat mir allweg ins Auge gesehen und sich vielleicht meine Reden so zusammengestellt, wie der Armarius Armarius, Biblothekar in der Schreibstube die Bücher zusammenstellt nach Inhalt und Zugehörigkeit, und als ich geendet, hat er seine alte, knochige Hand auf meine Bärentatze gelegt.
»Gotswin«, hat er dann geredet, »Gotswin, in deinem großen, starken Leibe sind immer noch die Seele und das Gemüt eines großen Kindes, und ich wünsche, beide mögen darin bleiben, wie sie sind, bis die der Herr zurückfordert von dir. In des Kindes Herzen wohnt das zarteste Empfinden für Recht und Unrecht, aber was kümmert sich die Welt darum? Die Mächtigen der Erde tun nach ihrem Willen, und was ihr Wille ist, muss den Schwachen als Gesatz gelten, das vermagst du nicht zu wandeln, das vermag ich nicht, und tausend andere können es auch nicht. Und weißt du, was man tut, wenn ein Stein zu schwer zum Heben und aus dem Wege zu räumen? Man bricht Splitter um Splitter ab, bis die Schwere der Kraft gleich geworden … Du hast ein zart Empfinden für Recht und Unrecht, und jede Ungebühr macht dir Leid, da du sie empfindest, und daher entgehet dir nichts. Bleibe deshalb draußen in der rauen Welt um Gottes willen und trachte allweg Splitter um Splitter zu brechen von der Last des Unrechtes, die die Welt gehäuft zum schweren Steine. Das ist mein Rat, Gotswin.«
Und ich beugte mich seinem Rate und seinem Willen und zog wieder zurück zur Burge zu Mitterfels. Aber ich ging nicht den ebenen Weg entlang der Donau, ich suchte meinen Weg zurück durch stillen, lauschigen Wald, zwischen fruchtstrotzenden Feldern und über blumige Wiesen, und ich dünkte mich wieder unglücklich, dass ich nicht wieder zurückgedurft in die Ruhe des Klosters.
Wo ein Haus war, wich ich aus, und als ich gen Windeberg hinkam, zog ich mich abseits am Waldrande dahin. Und plötzlich stand ich am Ufer des Perlbaches, und ich schrak schier zusammen. In aller Hast kletterte ich den jenseitigen Uferhang hinauf und suchte dort die Richtung gen Mitterfels. Als ich aber eine Weile gegangen, sah ich ein Dirnlein mir entgegenhasten: die Hilti.
Ihr Gesicht war hochrot vom eiligen Gehen, die Augen waren hart rot und die Wangen nass und von vielen Tränenspuren gestreift. Sie mochte erfahren haben, was sich zugetragen.
»Wohin gehst du, Hilti?« fragte ich teilnahmsvoll und mitleidig.
Sie erkam Erkam, erschrak. und zuckte zusammen wie unter einem harten Schlage. »Heim«, sagte sie. »Ich habe gehört, dass man den Girg umgebracht«. Eine harte Anklage lag in der Rede.
»Und da kommst du wohl nimmer zur Burge?«
»Nie mehr«, schrie sie fast auf. »Ich kann keines von ihnen mehr ansehen, und, Herre, wenn ich ihnen hart Böses tun könnte, ich tät' es wahrhaftig.«
»Hilti!« mahnte ich. »Du redest unrecht in deiner Not und in deinem Leide. Du bist eine Christin, und ein Christ soll nie Böses vergelten wollen mit Bösem.«
»Dürfen die Böses tun?« schrie sie wieder, und ein Gedanke durchzuckte dabei meinen Kopf: kann wirklich ein so gutwillig Lämmlein zur Wölfin werden?
»Nein, sie dürfen auch nicht«, beschied ich, »aber Herr Peter sagt, es wäre Gesatz.«
»Gesatz?« lachte sie unter rollenden Tränen schrill auf. »Da drinnen ist nachher auch etwas, das für mich Gesatz ist. Wo ich Böses stiften kann wider sie, ich tu' es. Das mögt Ihr ihnen sagen.«
»Ich bin keiner, der der Leute Reden hin und wider trägt«, tadelte ich die Rede, aber das Ding sah nicht mehr um und hastete davon.
Ich zog meines Weges und sann und konnte mich nicht zurechtfinden zwischen all dem, was auf mein Herze einstürmte; aber es war untrostes Sinnen.
Im Burghofe begegnete mich Herr Peter.
»Wo seid Ihr gewesen?« frug er.
»Im Kloster zu Metten.«
»Warum habt Ihr nichts gesagt, wohin Ihr gehet? Wir haben uns geängstiget, da Ihr gestern nicht heimgekommen.«
»Ich bin nur meinem Abte Rechenschaft schuldig über meine Wege«, bedeutete ich.
»Und was habt Ihr in Metten getan?«
»Ich wollte um die Rückkehr bitten.«
»So? Warum?«
»Ihr wisst, was gestern vorgefallen.«
»Habe ich denn unrecht getan?« frug er, aber seine Stimme war ein Merkliches zage.
»Ich wähne. Was gilt mehr, eines Menschen Leben oder ein paar armselige Frösche? Und ein Gebot saget: Du sollst nicht töten!«
Da wandte er sich ab, und ich stieg in mein Stüblein hinauf und sah lange Zeit hinaus ins Donaugäu …
Des anderen Tages zog Jungherr Pete als Stellvertreter seines Vaters nach dem Natternberge, und ehe er sich in Harnisch warf, stieg er empor in mein Stüblein, um Abschied und Urlaub zu nehmen. Sein Gesicht war ernst und düster, und die Ähnlichkeit mit seinem Vater trat nur noch mehr hervor.
Ein paar Tage nachher fand man vor der Zugbrücke draußen einen Holzstumpen eingeschlagen in die Erde, der oben aufgekloben war und ein Querholz hatte wie einen Galgen. Daran hing eine ausgestopfte Scheuche, und ein paar unkenntliche Zeichen waren in das Holz geritzt und drei Kreuze. Wer den Stumpen hingestellt, wusste niemand, und was er bedeuten sollte, war auch keinem kund. Die Knechte aber und das Gesinde hielten ihn für etwas Unrechtes, und es solle jemand damit betan Betan, behext. worden sein.
»Sonst niemand wird's gewesen sein, wie die alte Henneflügelin«, mutmaßte Randolt, der Schartige. »Mir ist ein Gruseln gelaufen über den ganzen Leib, da ich sie beim Galgen gesehen. Und der Wunsch, den sie Herrn Peter angeworfen, ist mir eiskalt durch die Glieder gefahren.«
»Da wird's bald Unheil geben in der Burge«, argwohnte Sepha, die Leutköchin. »Der Herr sei uns armen Sündern gnädig!« Und sie schlug ein Kreuz über Gesicht und Brust.
»Reißt den Stumpen aus und verbrennet ihn!« riet Reinald, der Schleifer.
»Dass wir das Unheil aufläsen vom Wege?« entsetzte sich Folkmar, der Riemer. »Nicht um eine Grafschaft rührt' ich das Ding an.«
So redeten sie hin und her, und es sammelten sich ihrer immer mehr und mehr um den Stumpen vor der Zugbrücke, und es kam auch Herr Peter dazu, und als der Knabe Meinrad mir davon sagte, ging auch ich hin.
»Was soll es!« frug ich, und sie erzählten mir die schaurigste Mär, die sie sich schon ausgesonne. Ich aber sagte, dass solche Sache nur eitel dummes Schrecknis sein könne, dieweilen es bei Gott stände, was er an Gutem und Bösem dem Menschen zukommen lassen wolle, und dass der Mensch wohl die ruchlose Hand seines Nebenmenschen, nicht aber die Rache böser Geister zu fürchten und zu scheuen hätte. Und ich riss den Pfahl aus und schleuderte ihn weit hinaus auf den Anger.
Des Nachmittags jedoch ging ich hinauf gen das Hüttlein auf der Höhe, um der alten Henneflügelin solch' Tun zu verweisen, so sie es ins Werk gesetzt haben sollte, und auch zu trösten und ihre Gedanken auf etwas anderes zu richten, denn auf eitel Rachesinne. Aber ich fand die Hütte leer und verlassen, und in der Nachbarschaft erzählten mir die Leute, die Henneflügelin wäre bei Nacht und Nebel fortgezogen mit Tochter und Enkelkindern, und kein Mensch könne wissen und sagen, wohin sie sich gewendet.