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Ich diesem Abschnitt schreibe ich etwas, so ich in viel späterer Zeit erst erfahren und stückweise gehört und vernommen, das aber hierher gehöret und dergestalt ist wie ein sperrender Schlüssel zu einem geheimen Gesperre.
Frau Alheit war wohl Herrn Heinricht des Chamerauers Eheweib, aber ihr zäher unversöhnicher Sinn hatte die Stunde noch nicht vergessen könne, da sie blindlings durch die Gassen der Stadt zu Straubing dahingewankt und da sie auf blumigem Feldrain Hass gesäet in ihr Herz.
Der Hass war aufgegangen wie ein giftig Unkraut, das der größte Fleiß nicht auszurotten vermag, und sie hatte nicht einmal geringen Fleiß angewendet. Aber das Unkraut ist bislang so dahin gewachsen, wie ein Häuflein wächst in dünner Erdschicht über hartem Steine zur Zeit, da die Sommerdürre im Lande sitzt und jedes Tröpflein Feuchte auftrinket mit durstigem Munde. Vielleicht wäre doch einmal eine Zeit gekommen, da der Erdschicht jegliche Feuchte entzogen worden und das Häuflein Gras verschwelcht und verdorret wäre, also, dass kein bissel Leben mehr in ihm verblieben wäre und dass es nimmer aufgrünen hätte können. Vielleicht.
Aber mit einem Male kam es, als rieselte fruchtbarer Regen nieder über alle Erde und auch über die dünne Erdschicht über hartem Steine, und Kraut und Unkraut bekämen wieder frischen Lebensmut und schössen üppig in die Triebe und in Blüte.
Herr Peter der junge Eckher ist in die Burge gekommen, darin sie als Herrin gewaltet, hat sich an ihren Tisch gesetzet und gegessen nach Gelüsten; sie hat ihn wiedergesehen, und der alte Hass hat ihr Herz gefüllte und geblendet, und all ihr Wesen hat nur nach Hass und Rache verlangt.
Wenn sie ein Mann wäre mit Brünne, Helm und Gewaffen und mit Mannesstärke, sie gesellte sich zu dem Feinde, ritte geradewegs an ihn heran und ließe nicht früher locker, bis er zu Tode getroffen hinsinket auf den herbstlichen Rasen und sein letztes Tröpflein Blut den Boden färbte. Wenn! Aber sie ist nur ein leidig Weib und vermag solches nicht zu vollbringen. Wenn sie einen hätte im Feindesheere, der ihr solches zu Gefallen täte und vollbrächte, was sie nicht vermag? Wenn! Wenn er auf Haidstein geblieben wäre und sie ihm einen Tropfen tötenden Giftes unter sein Essen hätte tun können oder in seinen Trank! Wie ein böser Geist wollte sie sich dann an sein Lager setzen, da er mit dem Tode ringet, und ihm die letzte Stunde verbittern mit harten, unguten Reden. Aber er ist nicht geblieben, er und Albert, der jüngere Eckher, sind nach Arnschwang gezogen, und nur Thiemo ist auf Haidstein geblieben.
Was also tun?
Trübe vor sich hinbrütend, saß sie in ihrer Kemenate am Fenster und schaute hasserfüllt und rachedurstigenden Herzens und Sinnens hinaus in die Ferne, allwo hinter dem Hochbogen die Doppelspitzen des Asenberges Asenberg, Osser. ins lichte Blau des Himmels ragten. Ihr Blick glitt herüber zur Burg Lichtneck am Fuße des Hochbogens und von dort in das Gelände, darin die Stadt Furth liegt und die niedergebrannten Hütten der armen Überfallenen rauchten, und ihr Hass fand keinen Pfad, den er betreten und zum Ziele hätte wandern können. Und da geschah es, dass sich ihr Hass und ihr Rachesinnen zusammentaten zu einem einzigen Seufzer der Hoffnungslosigkeit und der Unmacht.
»Ich hasse diesen Eckher.«
Und es war, dass zur selben Stunde ihre Dienerin in der Kemenate saß, Hilti, des gehängten Henneflübels Schwester, und diesen Seufzer hörte.
»Ich hasse sie auch«, sagte die und trat zu ihrer Herrin hin. »Sie haben in Mitterfels meinen Bruder an den Galgen gehängt, da er ein paar elendige Froschschüsselchen gesucht.«
Da wandte Frau Alheit ihren Blick der Dienerin zu, und ihre Augen leuchteten schier unheimlich auf.
»So haben sie dir genug getan.«
»Das mag wohl sein. Die Mutter hat ihnen geflucht, aber der Fluch ist verhallt als tauber Schall …«
»Weißt du nicht, wie man Rache üben könnte an ihnen?«
»Ich habe nie danach gesonnen, aber ich hasse sie … alle.«
»Alle?«
»Ja.« – Und leichte Röte huschte über ihr schon leicht alternd Gesicht.
»Du magst Recht haben; sie mögen einer so hochfahrend sein wie der andere, und der Alte weiß seiner Großsucht keine Markung und kein Endziel. Sinne und grüble, wie man ihnen schaden könnte!«
»Was nutzet unser Sinnen? Wir sind nur Frauen und müssen erlittene Unbill dulden.«
»Meinst du?« schrie Frau Alheit schier hart auf. »Ich will nicht dulden, hörst du, ich will nicht, ich will Rache üben.« Und sie erzählte mit breitem Behagen, was alles sie vollführen wollte, wäre sie ein Mann und ein Ritter.
Plötzlich aber kam ihr ein hart böser Gedanke, und sie haschte ihn mit Gier: Wie denn, wenn die Böhmen siegten und das Chambereich für sich nähmen als Siegesbeute? Der Böhmenkönig hat dem Eckher nichts verpfändet, weder das Chambereich noch sonst etwas, und er wäre nicht schuldig, zu halten, was sein Gegner, der Kaiser, getan und versprochen. Das wäre ein harter Schlag, der alle Eckher träfe. Aber wenn solches geschähe, dann müssten wohl auch sie davon, und der Böhmenkönig setzte seine Edlen als Pfleger in die Burgen des Chambereichs. Das wäre hart böse Sache, mit der man so gut zu Schaden käme wie die Eckher, außer … man stellte sich vorweg auf sicheren Fuß. Ja, das wäre guter Rat, wenn er nur auch so geschwind ausgeführt wäre alt Tat, wie er gekommen!
Sie sah wieder zum Fenster hinaus und spann den Faden weiter, derweil Hilte, die Magd, noch allweil sann und grübelte, wie ihr geheißen worden.
Als sie ihrem Ehegemahl anvertraute, was sie gesonnen, lag der Plan schon halbwegs fertig vor ihr, und sie brauchte nur mehr eines: die Einwilligung ihre Eheherrn.
Herr Heinrich schüttelte heftig mit dem Kopfe und suchte ihr den schönen Mund, der so hässlichen Rat vorbrachte, mit seiner derben Hand zu verhalten. Wenn solche Rede einer vernähme! Es könnte hart schlimm ausfallen in der bösen Zeit.
Aber wer denn? Darf man denn seinen Ehegesponse schon nicht mehr anvertrauen, was Sorgen und Kümmernisse das Herz beängstigen? Und wäre der Rat so uneben? Es könnte nicht sein, dass die Böhmen Sieger bleiben in den bevorstehenden Kämpfen? Es könnte so gut sein, als es nicht sein könnte, denn auch auf blutiger Walstatt, in hartem Ringen, können Zufall und Glück die Würfel wenden in währendem Fallen. Was dann? Und wenn nicht: Wie lange mag Kaiser Ludwig leben? Dann aber ist der nunmehrige Böhmenkönig sicher deutscher Kaiser, weil sie ihn ja schon geküret als solchen, und dann mag es erst recht gut sein, ein Steinchen im Brette zu haben.
Herr Heinrich sah nach und nach ein, dass solcher Rat viel für sich habe, aber er war des Herzogs und Kaisers Lehensmann und hatte diesem Treue zu halten in guten und bösen Zeitläuften. Er wies dies Ansinnen kecklich von sich; aber wie ein Baum fällt, wenn fortab Streich um Streich fällt wider seinen Stamm, und wenn noch dazu solch kräftige Hand die Axt führet, also begann seine Treue zu wanken, und eine unselige Stunde rang ihm die Zusage ab zu falscher Tat.
Er ließ satteln und ritt nach Cham, um sich mit Herrn Chunrat darüber zu beraten. Er brachte alles vor, was ihm Frau Alheit gesagt, und Herr Chunrat fand es richtig. So könnten die Würfel fallen, und ein kluger Mann sieht sich bei Zeiten vor.
Es wurde dies und jenes beredet und beraten in geheimer Zwiesprach, und als sie von einander schieden, hatten sie ihrem Herrn die Treue gebrochen, und das Wappenschild mit dem Eberkopfe hatte einen hässlichen Flecken bekommen.
In derselben Nacht ritt ein verlässlicher Bote zu dem vor Furth liegenden Feinde und berichtete dort, sein Herr wünsche geheimen Rates zu pflegen mit Herrn Karl, dem Kaiser.
Ein ehrlicher Feind hätte solch unehrlich Anerbieten mit Verachtung zurückgewiesen, aber die geheime Zwiesprach wurde bewilligt und gehalten, und es wurde ausgemacht, dass Herr Heinrich der Chamerauer bei sich halbwegs schickender Gelegenheit nach einem Scheinkampfe den Haidstein übergeben solle, damit die Böhmen etwa festen Fuß und Unterschlupf hätten; er solle noch einen oder zwei verlässliche Anführer werben, dieweil ohne solche nichts zu unternehmen, und wenn alles nach Wunsch gelänge, zöge man das Chambereich zu Böhmen, und die beiden Chamerauer, Heinrich und Chunrat, würden jeder mit einer Hälfte desselben belehnet.
Jetzt hieß es, solch verlässliche Genossen zu finden. Wer mochte sich einlassen in solch falsches Spiel? Und vertraute man sich einem an, dessen Treue fest und ohne Wank, dann war man nicht sicher, dass die ganze Sach offenkundig und verraten werde.
Aber Frau Alheit hatte einmal einen Schritt getan, und sie wollte nicht stehen bleiben auf halbem Wege. Und was sich viel andere hart überlegt und hundertmal überdacht hätten, sie wagte es ohn langes Grübeln und Wägen: sie machte sich alsogleich an des Viztums Sohn.
Bei einer Kanne guten Trunkes kam sie mählich auf den bevorstehenden Kampf zu reden, und sie stellte die Sach mit all beiden Seiten hin. Wenn das bayerische Heer obsiege, würden es sich die Böhmen lange Zeit überlegen, ehe sie wieder einen Fuß setzeten über die Markung des Chambereiches, wenn aber die Böhmen Sieger bleiben sollten, stünde die Sache hart schlimm für alle. Das Chambereich könnte als Siegesbeute begehrt und genommen werden, all Pfleger und Edle würden abgetan oder vertrieben, und böhmische Herren kämen an ihre Stellen.
»Wir werden siegen«, sagte Herr Thiemo zu solcher Rede und sah siegessicher hinunter gen den Umkreis der Stadt zu Furth, allwo die Böhmen lagerten. »Wir sind im Rechte, und das ist schon ein guter Vorteil.«
»Meint Ihr?«
»Ja.«
Von dieser Seite war dem Manne also nicht beizukommen. Ein schlauer Dieb gehet aber rund um das Haus und spähet an jeglicher Stelle, wo er einbrechen und Schaden stiften könne, und also machte es Frau Alheit. Sie tastete überall umher, um ein Örtlein zu finden, wo der Eckher nicht hürnen, wie Seyfried, von dem die Mär berichtet, und sie fand ein solches.
Als sie von ungefähr erzählte, wie es wohl kommen dürfte, wenn Herr Peter, der Viztum, die Augen zutäte zu ewigem Schlafe oder er des Mühens und Sorgens in seines Herrn Dienste überdrüssig würde, dass dann wohl Herr Peter der Jung die Grafschaft Cham erbete und Herr Albert den Eckher Besitz, und wer weiß noch alles, da kam er in die Hitze.
Wo sie solches gehört?
Wo hört man denn die Sippschaft Betreffendes, als wieder in der Sippschaft. Mit Frau Gertraut der Stefflingerin wäre sie vor unlanger Zeit beisammen gewesen in Cham, und weil sie von ehe so gute Freundinnen gewesen, hätten sie mancherlei geredet.
So? Dann mag wohl etwas Wahres daran sein. Gedacht hat er sich es schon des Öfteren, ob nicht etwa die Stiefmutter Rank und Wank spinne wider ihn, weil er Wolffindis, den alten Schragen, nicht zum Eheweib genommen.
Und Frau Alheit erkannte mit kundigem Blicke, dass allhier die zum Angriffe geeignetste Stelle wäre, und sie brach und bröckelte Stück um Stück ab von der starken Mauer, und selbst Hilti, die Magd, musste lügen, wie schon in Mitterfels die beiden anderen Brüder allweg die Bevorzugteren gewesen, und dass selbst sie, die Fremde, solches wahrgenommen, und es ward in kurzer Zeit ein so groß Loch in die Mauer gebrochen, dass der Überfall ohn alle Fährlichkeit gewagt werden konnte.
Solchem Falsch sollt klüglich zuvorgekommen werden, und beim Heimzahlen gilt dieselbe Münze, die man entliehen.
Wie zuvorkommen?
Nichts leichter als dies, wenn er es wagen wollte. Sie, Frau Alheit, ist nur ein einfältig Weib, aber sie hätte sich gleich zusammengegrübelt, auf welche Weise er dem falschen Sinnen den Weg abschneiden könnte. Wie? Auf die einfachste Art, und jetzt wär auch eine Zeit dazu, wie sie nicht bald wiederkommen dürfte. Arnen Arnen, althochdeutsch arnen. muss man zur Hochsommerzeit, und so man dies versäume, bliebe nur mehr eitel leer Stroh. Heute könne noch keiner sagen, auf welche Seite sich der Sieg neigen werde, wenn die Schlacht einmal im Gange, und es könne auch sein, dass die Böhmen das längere Trumm in der Hand bekämen. Wenn sich aber da einer vorsorgte für beide Fälle in kluger Weise, dann wäre er obenauf, und er könne jeden auslachen, der Falsches geplant wider ihn.
Das wäre elendig falsch und treulos Spiel.
Üben andere nicht solches? Gilt ein Bruder mehr denn der andere? Aber die Zeit wäre so wundersm gelegen, und wenn er sich verständigen wollte insgeheim mit dem Böhmenkönige, dass ihm der das Chambereich als Lehen geben wolle, im Falle er gewänne und das Chambereich zu Böhmen zöge, so wär alles üble Trachten der Stiefmutter eitel Rauch und Wahn gewesen.
Verrat üben? Ein Eckher?
Woher denn? Warum denn gleich so bösen Namen für ein harmlos Spiel? Ein dummer Narr wollte sich auf die Seite des Böhmenkönigs schlagen, wenn der Sieg hüben steigt, und so er sich da neiget, dann vermag ein einzelner mit seinen Leuten auch die Niederlage nicht mehr zu verhüten; dann aber ist er wieder im Vorteil. Deswegen braucht einer nicht zum Verräter zu werden und Schimpf auf sich und sein Wappen zu laden; er nützt nur die Zeit aus zu seinen Gunsten.
Ein Weib vermag hart viel zu reden, und so es die Reden richtig zu setzen weiß, wirket es mehr, denn ein ungefüger Mann mit all seiner Kraft und Macht, im Guten wie im Schlimmen.
Herr Thiemo sann hin und wider und fand alles so, wie Frau Alheit es vorbrachte. Was man daheim wider ihn im Schilde führen sollte, ärgerte ihn bass, und das Gelüsten, solchen Ränken zuvorzukommen, nahm ihn immer mehr gefangen.
Er trank Kanne um Kanne in seinen Ärger und Zorn hinein, und dann sagte er plötzlich einmal, er wolle sich das Chambereich als Lehen sichern, und wenn Frau Alheit den Boten besorgen wolle, erhielte Herr Heinrich danach das beste Pflegamt als Lohn.
In solch Geheimnis musste aber auch Herr Heinrich gezogen werden. Er tat anfänglich recht widerhaarig, aber er ließ sich endlich doch herbei, einen Boten zu senden.
Das aber geschah nur zum Scheine, dieweil alles schon ganz anders beredet.
Frau Alheit vermeinte aber zerspringen zu müssen vor heller Freude. Sie hatte Zwietracht gesäet in die Sippe, und es wollt etwas daraus erwachsen, das einen hässlichen Flecken warf auf das Wappen der viel stolzen Eckher. Und davon war's ihr für den Anfang genug. Wer weiß, was noch alles der Saat entsprosste. Noch lieber jedoch wäre es ihr gewesen, hätte der Streich den anderen so getroffen.