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Die Hähne krähten noch dann und wann, und die Sonne lugte gerade erst ein Weniges über die walddunklen Bergrücken empor, als es im Burghofe schon lebendig wurde. Die Knechte der Gäste begannen an den Rossen zu putzen und die großen, wappengeschmückten Decken zu stäupen, als auch die großen Metallrosen am Zaumzeug blank zu scheuern, und Scherz und Lachen und Singen füllte den kleinen Hof.
Lienhart, einer der Knechte des Herrn Peter, ein ungeschlachter, blatternarbiger Gesell, holte die Lanzen aus der Rüstkammer, darunter etliche kostbare Rohrlanzen, die in heißen Mohrenländern wachsen sollen, und lehnte sie in eine Ecke. Und zwei der fremden Knechte versuchten gleich zum Scherz ein klein Gestech ohne Ross, Brünne und Schild, und sie konnten die Lanzen gar wohl gebrauchen. Zwei andere gingen aufeinander los mit kurzen Turnierschwertern und trieben eitel Mutwillen.
Es war eitel Frohleben in der ganzen Burge.
Dann kam Herr Peter, der Pfleger, und ging mich an, ich sollte nach der Messe eine kurze Ansprach halten an seinen Sohn Albert und zu bedenken geben, was ein rechter Ritter sei nach meinem Sinn ein Ritter sein solle allerwege in seinem Leben. Er solle Tugend haben und edlen Mut, er solle treu sein dem Lehensherrn und geben, was Gottes und auch was des Kaisers sei. Er solle ein Vorbild sein dem Gefolge und der hörigen Menschheit, und sein Sinn und seine Seele sollen allweg so blank sein wie sein Schild mit dem Wappen. Er solle ein Freund und Schirmer sein allen Rechtes und ein Feind und Widersacher allen Unrechtes. Und dann bat ich Gott um seinen Segen, damit der Jungherr Albert Schildes Amt walte nach rechtem Maße.
Ein kräftig Morgenimbiss wurde dann genommen, und nachher brachten die Knechte ihre Herren in Harnisch, denn Jungherr Albert sollte zeigen, was es gelernt und geübet.
Über die alltägliche Gewandung wurden stark gepolsterte Wamse gezogen, Hals, Arme und Füße wurden mit festen Binden umwunden, und um Bauch, Hüften und Knie kamen dicke Filzbinden. Darüber kam die Brünne als letzter Schutz, und die Füße wurden durch die eisernen Kolzen Kolzen = eiserne Beinschienen. geschützet wider Anprall, Stich und Stoß.
Die Gäule wurden gezäumet und mit dem hohen Turniersattel bedeckt, und dann saß man auf und ritt auf einen ebenen Anger hinaus, allwo des Kampfspieles gepflogen werden sollte.
Die Gäule wieherten, die Eisenrüstung klirrte, und Scherz und Lachen scholl dazwischen. Auch lief viel gemein Volk nach zum neugierigen Zuschauen.
Eppo, der Lange, tjostete Tjostete. Tjost, Lanzenkampf zu Zweien; Buhurd, Scharenkampf. Puneiz, Treviers usw. verschiedene Kampfweisen oder Fachausdrücke für solche. mit Jungherrn Albert, und es geschah kein Fehler wider das Herkommen. Sibot ritt einen Buhurd vor, und Albert wusste auch da gut Bescheid. Er zeigte sich in allem fest und geübt: zum Puneiz, zu Treviers, zum Muoten, im Tjost und im Buhurd, und alle lobten ihn.
Nach so gezeigter Probe seiner Tüchtigkeit umgürtete Herr Peter ihn mit dem Schwerte und machte ihn wehrhaft und rittermäßig.
Wenn die Bauern beisammensitzen in den Schänken, so ringen sie, ziehen und stoßen in ihrer Weise und zeigen ihre Kraft und Gewandtheit, und da die Ritter beisammen waren auf dem Anger und wohl gerüstet, so tjosteten sie zum Ergötzen. Der Landsdorfer und Witto von Geishausen brachen wohl zehn Speere, der Haibacher zerstach Marchwart das Lendenier Lendenier, Lendengürtel, an denen die Kolzen oder Beinschienen gehängt oder befestigt wurden, damit sie nicht abrutschten. und die Kolzen fielen herab und bewirkten, das Marchwart absitzen musste, was ihm viel Lachen und Spott eintrug.
Herr Peter beehrte den Chounzeller mit Friwendes Stichen Stichen. Leichte Stiche, die den Gegner weder vom Pferde stoßen noch die Lanze brechen sollte. Freundesstiche., und sie tummelten sich beide noch gar hurtiglich.
Der Jungherr Peter forderte den Gewolfen von Degenberg, der mit dem Haibacher gekommen,zu einem Stiche »zerwolge«, und es wurden etliche Lanzen zerbrochen, bis es dem Gewolfen gelang, Petern vom Rosse zu stechen.
Die Knechte liefen hinzu und wollten den Gestürzten aufheben, aber er vermochte sich auf keinem Fuße zu halten. Rasch wurde ihm der Helm abgenommen und das Hersenier, es wurde der Halsbank abgeschnallt und das Lendenier gelöset, es wurden die Binden entfernt und das Wams, und überall nachgesehen, was denn fehlen möchte. Aber Jungherr Peter wusste selbst nicht, was ihm geschehen. Er hatte Atemnot und konnte sich nicht auf den Füßen halten.
Der Degenberger stieg vom Rosse und versicherte treulich, er könne nicht für den Unfall, und jeder kannte und wusste solches, weil männiglich zugesehen und wahrgenommen, dass jeder Stich strenge nach Herkommen geführet worden.
Frau Berthel und die anderen Frauen schrien auf, kamen herbei und erkundeten sich und bemitleideten; aber das half Petern nicht zum Bessern.
Herr Peter aber wandte sich zu mir und trug mir die Heilung seines Sohnes auf. »Ihr seid erfahren in der Arzenei«, sagte er, »nehmet Euch seiner an und bringt ihn wieder balde zum Gesunde.«
»Ich bin nicht viel mehr denn ein Laie in der edlen Kunst der Arzenei«, gestand ich aufrichtig, »aber es soll mir mit Gottes Hilfe gelingen, den Jungherrn in unlanger Zeit wieder gesund zu bringen.«
Sie trugen ihn zur Burg zurück und legten ihn in seinen Ruhepfuhl, und ich suchte und forschte, was ihm wohl fehlen würde und brachte doch nicht mehr heraus, als dass ein schlecht gewehrter Stoß in die Nähe des Magens angeprallt sein möge, der die Schuld am ganzen Übel trage.
Ich ging Frau Berthel an, sie solle etwen zur Wart und Pflege stellen, und als sie die Magd Hilti gerufen, zog ich hinaus in den Wald, um allerlei heilkräftig Kraut für den Magen zu suchen.
So man derlei nicht sucht, erblickte man es überall in Menge, da man aber danach fahndet, findet man es gemeiniglich nicht, und ich brauchte lange Weile, bis ich etliches taugend Gewächs gesammelt. In guter Meinung brauete ich in meinem Stüblein einen Trank daraus und gab ihn dem Leidenden; doch wurden die Schmerzen nicht ringer.
Ehevor die Gäste wieder abzogen, kamen die Ritter noch in des Jungherrn Stüblein und redeten, dass es ihnen hart leid täte, dass das Ergötzen so geendet, und der Degenberger Gewolfe bat schier, er könne wahrlich gar nichts dafür, wie auch Jungherr Peter schuldlos wäre, wenn ihn das Unheil getroffen.
»So Reden sind eitel unnütz«, sagte Herr Peter fast hart. »Es ist getjostet worden und gestochen nach Herkommen und Ritterbrauch, und so einer nicht eine blaue Beule wagt, der solle kein Ritter sein und Knöchel werfen wie die Knechte.
Ich sah ihn an ob solcher Rede, um zu ergründen, ob sie nur der Gäste wegen getan und des Scheines halber oder ob sie ernst gemeint. Und als ich das steinharte Gesicht sah, kam es mir in den Sinn, als wäre des Eckhers Herz auch so steinhart wie sein Gesicht.
Des anderen Tages hatte Jungherr Peter Fieberhitze, und ich musste Kräuter suchen, denen der Herr in seiner Weisheit die Kraft verliehen, Fieberhitzen zu vertreiben. Und ich ging entlang des Baches durch die Wiesen dahin und sammelte Spierstauden und Bitterklee und sott ein Tränklein.
Als ich aber in die Stube der Jungherren kam, sah ich, wie die Magd Hilti vor dem Ruhepfahl kniete, die heiße Hand des Kranken drückte und mit ihren Tränen benetzte. In meiner Einfalt kam mir kein Gedanke, was der Grund zu Zähren sein mochte, und ich fragte:
»Warum weinest du, Hilti?«
Sie aber fuhr mit dem Arm über ihr Gesicht, die Tränen zu verwischen, sprang auf und eilte ans Fenster. Und auf meine Fragen fand sie keine Antwort.
Darüber wurde ich ruhiger, und am anderen Tage fand ich den Kranken vieles besser.
Herr Peter und Frau Berthel lobten mich und meine Arzneikunst über Gebühr, mir aber war zu Mute, als müsste ich geradeweg gestehen, dass ich kaum mehr wisse davon denn manch erfahrene Hausfrau. Aber ich tat es doch nicht, dieweil das Vertrauen zum Arzte oftmals halbe Arzenei sein solle.
In meinem Stüblein dankte ich Gott, dass er seinem unkundigen Diener und Knechte so sichtlich geholfen bei seinem Tun und Unterfangen, und vor freudewallendem Herzen und Sinnen musste ich nach der Fiedel greifen und spielen, was ich nicht sagen und beten konnte.
Nachmittags stieg ich die Hänge hinan und kam hinüber nach Windeberg, wo ich erfuhr, dass es, seit Herzog Henrich Alleinherrscher wäre, gewaltig gären sollte in den Städten des Landes. Die Streitigkeiten, die die Herzoge mitsammen gehabt, und die Kriegsrüstungen hätten viel Geld gekostet, und das solle nun alles die Bürgerschaft und das zinsbare Volk tragen. Allenthalben brande es, und unversehens könne einmal die Flamme des Aufruhrs lichterloh aufschlagen in den Mauern einer Stadt.
Ich sorgete mich nicht viel darum, als ich wieder der Burg zu Mitterfels zuschritt, denn ich dachte mir, dass sich um solches doch der Herzog und der Kaiser zu kümmern hätten.
Der Gang durch das waldschattige Tal, über die sonnige Höhe und durch die fruchtstrotzenden Felder hatte andere Gedanken gemacht und das trübe Sinnen verscheuchet, und ich achtete wenig mehr der Sache, die mich doch eigentlich nicht anging.
Des zweiten Tages sah ich von meinem Fenster aus ein Häuflein Geharnischter anreiten gen die Burge, und bald darauf brachte der Torwartel das ganze Pflegschloss auf die Beine.
Ein Ritter stand vor der Zugbrücke, angetan mit kostbaren Halsberk und funkelndem Helme, und zehn Knechte und Dienstmannen standen hinter ihm, und einer hielt auf dem Speere das Wappenfähnlein Herzog Heinrichs, des Landshuters.
Solchem Zeichen verschließet sich keine Burge, dieweilen des Landesherrn Diener und Abgesandter so viel gelten soll wie selber sein Herr.
Die Dienstmannen und die Knechte brachten sich schleunig in Harnisch, und selbst Herr Peter und die Jungherrn hingen das Schwert um und gingen in den Hof hinab. Jungherr Peter war wohl noch fast kränklich, aber er ging doch auch.
Es war Herr Ulricht von Leuwolfing, der Hofmeister von Landshut, der da einritt mit seinem Gefolge, und der Gruß war sehr herzlich. Im Besonderen lachte und scherzte er mit Frau Berthel und der Jungfrau Gertraut, und ich dachte mir, es möge wohl kaum Krieg und Aufruhr sein, das ihn nach Mitterfels brache ins Pflegeschloss.
Des Abends nach dem Essen bat mich Frau Berthel, ein Weilchen die Fiedel zu streichen zur Erheiterung der Gäste, und der Leuwolfinger versuchte etliche Male, mit seiner rauen, ungefügen Stimme ein Liedlein zu singen. Er lobte mein Spiel und sagte, ich würde wohl einmal vor dem Herzoge spielen müssen, und da dieser ein hart großer Freund wäre von Minnesang und Spiel, würde daraufhin Herr Peter um seinen Spielmann kommen.
Ich konnte mich nicht alsogleich zurechtfinden in des Leuwolfingers süßlicher Wohlrede, aber ich ärgerte mich darob und bedeutete kurz und rau, dass ich kein Höriger wäre, den man nach Lust und Belieben verkaufen und vertauschen könne, und auch kein Spielzeug, das man zum Geschenke geben möge.
Des anderen Tages kam Herrn Peters Bote zu mir und holte mich, und da ich des Leuwolfinges Begehren hörte, wusste ich wohl, warum der raue Kriegsmann so viel geschmeichelt. Herzog Heinrich brauchte Geld, viel Geld, und der Eckher war reich und sollte es borgen.
Herr Peter zuckte von Zeit zu Zeit mit den breiten Schultern und sagte noch weniger, als dies sonst seine Art war, und der Leuwolfinger redete und schwatzte, was alles der Herzog zu leisten hätte und dass die Steuern und Gülten so schwach flössen wie ein schier versiegend Brünnlein zu brennheißer Sommerszeit. Er täte dem Herzoge einen hart großen Gefallen, wenn er das Geld borgte, und eines mächtigen Gefallen und Gunst wären zu Zeiten gar wohl zu werten.
An Herrn Peters Gesichte konnte man nicht merken, ob er solch Geheiß zu schätzen verstand oder nicht, aber nach einer Weile frug er doch, ob der Herzog wohl ein Faustpfand geben wolle zur Sicherheit.
Da täte gar nicht not, meinte darauf der Leuwolfinger, aber Herr Peter stand nicht ab, bis des Herzogs Bote zugestand, er sei von seinem Herrn ermächtigt, die Burg Atternberg mitsamt allen Zubehörungen als Lehen zu bieten für das Geld.
Einen Augenblick schien es, als glitte ein Sonnenstrahl über Herrn Peters Gesicht, aber im nächsten Augenblicke merkte man nichts mehr davon. In seiner ruhigen Weise sagte er das Geld zu, und darauf zeigte und gab der Leuwolfinger den von des Herzogs Hand und vieler Ritter als Zeugen unterschriebenen Lehensbrief, und ich musste einen Brief schreiben, womit sich Herr Peter mit alledem einverstanden erklärte.
Von da an hatte der Leuwolfinger seine Süßlichkeit verloren, und er gab sich, wie es mich dünkte, was er wirklich war.
Des anderen Tages zogen des Herzogs Abgesandte mit dem vielen Gelde ab, und sowohl Herr Peter als auch Frau Berthel trugen viele Grüße auf an den Herzog und die Versicherung, dass der Eckher allweg seinem Herrn getreulich zu Diensten stünde bei Tag und Nacht. Als der Leuwolfinger mit seinem Gefolge aber den Blicken entschwunden, hieß er einige Dienstmanne und Knechte rüsten und ritte mit ihnen zum Natternberg, um Besitz zu ergreifen von dem erworbenen Lehen.
Der Macht der Eckher war ein gut Stück zugewachsen.
Ob es ihm auf selbem Ritte wohl auch in den Sinn gekommen sein mochte, dass er der letzte Lehensherr auf dem Natternberge sein solle und dass die Zeit kommen würde, so man ihn dort als Feind belagerte?