Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Als Riemer das Lob der geliebten Augen vorgelesen hatte.

Tausendfache Schmeichelnamen
Fand der Liebe Sorglichkeit,
Machte Euch zum Wunderrahmen
Jeder Wunderseligkeit;
Nennt Euch Sterne, Meere, Blumen,
Diamanten, Sonnenstrahl –
Sinnet Euch zum Liebesruhme
Zarte Bilder sonder Zahl.

Augen! wie soll ich Euch nennen?
All' der Bilder reiche Pracht
Will mein Herz nicht anerkennen,
Keines ward Euch gleich erdacht.
Wohl und Weh, und Qual und Frieden,
Himmelsglück und Erdenlust,
Könnt Ihr strahlend mir gebieten,
Wecken sie in tiefster Brust? –

Dennoch wird es nie gelingen,
Nicht in Wort-, noch Farbenpracht
Diesen Zauber zu besingen –
Zauber wird nie klar gedacht!
Ueber jedes Glück der Erden,
Ueber jeden Lebenslaut,
Muß der Zauber sich bewähren,
Der den Augen anvertraut.

Und was jenes uns mag bieten,
Ob es schön und herrlich sei,
Nennt es Sterne, nennt es Blüthen:
Liebeszauber bleibet neu;
Mahlt's in tausendfachen Zügen
Jeden Morgen spielend hin:
Nimmer wird ein Wort genügen –
Unaussprechlich bleibt sein Sinn.


Als Riemer das Lob der geliebten Augen vorgelesen hatte

H 1 Seite 90 f. – Signatur Sibyllens: X.

F. W. Riemer (geb. 1774, gest. 1845) war seit 1803 Hauslehrer bei Goethe, 1812 wurde er Professor am Weimarer Gymnasium. Er war einer der »Hausverwandten« in der nächsten Umgebung des Dichters und der philologische Korrektor der Manuskripte des Meisters, zusammen mit Eckermann auch der Herausgeber seines Nachlasses; die Goethephilologie hat aber wenig Anlaß, auf ihn stolz zu sein. 1814 heiratete er Karoline Ulrich, eine Freundin Christianens, und Adele und ihre Mutter verkehrten in seinem Hause. Riemer versuchte sich auch selbst als Dichter und machte in Gesellschaft gern den Vorleser. An solch eine Vorlesung knüpfen Adelens Verse an; sie beziehen sich auf Theodor Körners Gedicht »Die Augen der Geliebten« (in Körners »vermischten Gedichten und Erzählungen«, 2. Aufl. Leipzig, 1815, S. 203), das Adele nach einem undatierten Billet an Ottilie – vermutlich 1816 – abschrieb. In jene Zeit dürfte auch die Entstehung der Verse Adelens zu verlegen sein.


 << zurück weiter >>