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Der Herr Sebastian aß nun in des Kaisers rotem Mantel – aber ohne weißen Bart – sehr ärgerlich seine Cervelatwurst. Und zu derselben Zeit saß der Kaiser im Luft-Waggon des Herrn Sebastian und aß Kaviar und warmes Rostbrot, während die drei Maschinisten die Abfahrtsmanöver leiteten; der Waggon wurde langsam durch Röhrenfüße, die sich mechanisch verlängerten, immer höher gehoben – dann breiteten sich die breiten sehr beweglichen Flügel aus – und dann begannen hinten die Schraubenräder zu arbeiten – und das Luftfahrzeug schwebte zu den Wolken empor und hielt sich anfänglich über der Meeresküste.
Der Führer des Luftwagens, Herr Schlackenborg, betrat die Veranda, in der der Kaiser Philander sein Abendbrot verzehrte und dabei durch die großen Glasscheiben nach Westen blickte, wo die Sonne im Meere in großer Farbenpracht unterging. Herr Schlackenborg setzte sich dem Kaiser gegenüber und langte ebenfalls zu; ein längeres Schreiben des Herrn Sebastian hatte die drei Maschinisten genau informiert – wie sie sich seinem Freunde gegenüber zu verhalten hätten. Daß dieser Freund der Kaiser selber war, wußten die Drei nicht, doch daß er ein einflußreicher Mann und Bartmann genannt werden sollte – das wußten die drei Maschinisten. Auf ihre Verschwiegenheit konnte sich der Kaiser verlassen und Herr Schlackenborg war ein gebildeter Ingenieur.
»Es wäre nun«, begann Schlackenborg, »mir sehr erwünscht, wenn ich wissen könnte, wohin die Fahrt gehen soll.«
»Oh«, versetzte Bartmann, »darüber habe ich noch garnicht nachgedacht. Fahren wir doch, so lange es noch hell ist, über dem Meere – und vielleicht landen wir dann an einem Leuchtturm, wo Ihnen die Lotsen bekannt sind.«
»Soll geschehen!« sagte Schlackenborg, gabs weiter durchs Sprachrohr und entkorkte eine Porterflasche.
Bartmann sah in die Farbenpracht des Sonnenunterganges und sagte leise:
»Ich muß Ihnen schon erklären, Herr Schlackenborg, daß ich ein etwas sonderbarer Mensch bin; ich habe Jahrzehnte hindurch fernab vom Weltgetriebe wie ein Einsiedler gelebt und möchte nun das Leben kennen lernen – oder, wie ich zu sagen pflege, ich möchte hinter das Leben kommen; ich möchte hinter jedem Baum und hinter jedem Fels und hinter jedem Sonnenuntergang – noch mehr sehen – das, was eigentlich dahinter ist – die eigentlichen Lebensnerven – die Triebfeder, – den Mechanismus – Sie verstehen wohl.«
»O ja«, sagte da der Schlackenborg, »das möchte ich auch wohl – das Uhrwerk in der Natur kennen lernen – alle Maschinenteile – das ganze Kraftarrangement. Es ist mir das eigentlich ganz geläufig, da ich als Maschinentechniker immer gewohnt bin, überall die Schrauben aufzuschrauben und in das Innere zu sehen.«
»Nicht so ganz«, bemerkte der Bartmann, »verstehen wir uns. Ich möchte mehr den Duft der Natur in kondensierter Form – als Parfüm aufnehmen. Ich möchte die Quintessenz des Lebenden haben. Aber– darüber sprechen wir wohl noch öfters. Wichtig ist mir auch, hinter die Menschen zu kommen. Auch den Menschen möchte ich unter die Haut sehen. Ich möchte sehen, ob die innerlichen Freuden des Menschen sehr groß sind – ob die Menschen auch nicht im Kaiserreich Utopia verlernt haben, ein innerliches Leben zu führen; das äußerliche Leben ist in Utopia so bequem und angenehm, daß ich fürchte, das innerliche Leben könnte zu kurz kommen.«
»Ein bißchen viel auf einmal«, entgegnete Herr Schlackenborg, »verzeihen Sie gütigst, daß ich nicht gleich so folgen kann – aber ich werde mir die größte Mühe geben, Ihren interessanten Auseinandersetzungen mir verständliche Seiten abzugewinnen. Einstweilen muß ich bitten, mich zu entschuldigen – ich muß nach den Maschinisten sehen.«
Und er ging, und der Kaiser saß da und starrte in den Sonnenuntergang und in die Farbenpracht des Meeres, die tief unten flackerte und brannte.
Und die Augen des Kaisers sahen die goldenen Ränder der Wolken und die Glanzlichter in der Tiefe – und er wollte dahinter kommen – hinter dieses große mächtige schäumende Leben.