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Die Nachtigall singt, und der Apfelbaum blüht. – Schön ist das Kleid des Apfelbaums, schneeig wie das Gewand einer Braut, die zum Altar tritt. Aber Tausende von Blüten raunen ein vielstimmiges Lied, das klingt wehmütig wie das Lied der Nachtigall.
Was singen die Blüten am Apfelbaum?
»Nun ist der Maimond gekommen,« so singen sie, »und Hochzeit hat er gemacht mit der Sonne. Ei, war das ein Zechen beim köstlichen Mahl! Einen ganzen Schwarm von Bienen hatten wir zu Tisch. Nun haben alle Sterne ihre Fackeln angezündet, aber die Brautnacht ist so kalt, daß wir zittern müssen. Was wird mit uns geschehen?«
»Erfrieren werdet ihr,« sagt der Apfelbaum, »das weiß ich von andern Jahren her. Aber ihr werdet nicht alle erfrieren, einige von euch werden zu Früchten werden.«
»Ach, würden wir alle zu Früchten!« klagen da die Blüten.
»Tröstet euch nur,« flüstert leise der Apfelbaum, »nicht alle Früchte werden reif. Einige haben den Wurm im Herzen, die werden krank und fallen ab. Andere schüttelt der Sturmwind herunter, der grimmige Gesell, und was der übrig läßt, das pflücken die Menschen. Zuletzt aber kommt der November, der nimmt mir meinen grünen Kranz vom Haupt, und dann bin ich kahl.«
So spricht der Baum, und ein Schauder geht durch die sterbenden Blüten. »Was nützt dann das Blühen,« so seufzten sie, »wenn alle Früchte vergehen und du kahl dastehst im Novembersturm?«
»Ei,« sagt der Apfelbaum, und ist von Herzen fröhlich, »trotz Frost und Sturm und Wurm, das Blühen ist dennoch so schön!« – –
Das Blühen ist dennoch so schön! – – Ein leises Summen und Singen tönt auch durch das Leben der Menschheit, das klingt tieftraurig, wie das vielstimmige Todeslied der Blüten am Apfelbaum. Nur wenig von dem trägt Frucht, was da blüht im Mai.
Laßt es klingen, das Lied von Tod und Vergehen – dennoch, dennoch – das Blühen ist schön!
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