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Seelenlos blätterte Gabriel zuweilen in den Schriften großer Männer. Unbefriedigt legte er sie wieder aus der Hand: frohen Geistes läßt sich's so bequem weise sein, so salbungsvoll von Ergebung sprechen.
Durch die Wälder irrte er verloren umher.
»Ach,« seufzte er einmal, »wäre ich nur noch ein bißchen Poet! Es geht der Spruch, daß einen aus verborgenen Blumen der Wildnis die Toten grüßen. – Nein, mein Herz wird für derlei nimmer warm, und verloren habe ich alles, alles . . .«
Nicht weit von ihm rauschten die Wasserfälle des Sees am Stern. Dort war die Annenruh, warum nicht auch die Gabrielsruh? – Ewige Ruhe verleihe den Seelen!
Gabriel ging hin und starrte in den See. – – Vorher wollte er noch was in sein Notizbuch schreiben und es dann auf einen Stein legen am Ufer. Da findet er im Notizbuch einen Brief. Der ist – von ihrer Hand. – Heidepeters Gabriel hat den Brief gelesen:
»Mein lieber Gabriel!
Wenn du dieses Schreiben findest, werde ich nicht mehr bei dir sein. Wenn mich aber meine Ahnung täuscht und diese Zeit, von der ich fürchte, vergeht, ohne mich fortgenommen zu haben, so will ich den Brief vernichten, und du sollst von ihm nichts erfahren. – Ich kann dem Drang, diese Zeilen zu schreiben, nicht widerstehen, denn es ist etwas, das mir sagt, ich müßte bei dir sein, wenn du wieder allein bist. – Ich bin allzu glücklich gewesen bei dir und unserem Kinde. Das kann nicht lange währen. Es wäre mir wohl leichter ums Herz, wenn ich darüber mit dir sprechen könnte, aber ich kann's nicht.
Schau, Du mußt nicht trostlos traurig sein. Ich bin Dir nur ein wenig vorausgegangen, wir werden immer und immer beisammen verbleiben. – Solange Du aber noch auf Erden lebst, solange genieße das Leben, wie Gott es gibt, und sei wieder freudig, ich bitte Dich darum. Du erzähltest einmal von einem hartgeprüften Mann, der alles, was er liebte, verloren, im stillen Wohltun und in der Vervollkommnung seiner selbst den Frieden gefunden hat. Gabriel, sei wie dieser Mann. Du wirst gewiß wieder glücklich werden, gewiß, gewiß, und ich werde bei Dir sein.
Und Dein treues Herz, mein Gabriel, das mich so süß und einzig hat liebgehabt, das mußt Du nicht töten. Siehe unser Kind, das mußt Du jetzt lieben, für Dich und für mich. Und gedenke, in ihm bin und bleibe ich bei Dir. – Das mußt Du nimmer vergessen. Wenn ich nur weiß, Du bleibst aufrecht und trägst den Schlag wie ein Mann, dann erwarte ich ergeben die Stunde. Schau, mein lieber Mann, wir sinken alle an unseres Herrgotts Herz, ob heute oder morgen. Und wir sind mitsammen glückselig verbunden. Singe nur frisch, mein Waldsing Du, ich höre Dich gerne. Und sooft Du einem Blümlein begegnest im Walde, denke, es ist ein schöner Gruß von Deiner
Anna.«
Ein unendliches Gut hatte die Heimgegangene durch diesen Brief dem Gatten hinterlassen.
Er ging am tiefen See vorbei – seinem Hause zu.
Er ging zu seinem Kinde und suchte in den Knaben die Keime zu pflanzen zu jenem Heile des Herzens, welches ihm selbst so wunderbar und ach! so kurz geblüht hatte.