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VII.

Während Haller durch alle diese Ereignisse Hedwig immer näher rückte, lockerte sich unmerklich ohne seine Schuld das Band zwischen ihm und seiner jungen Frau. Mit jedem Tage erweiterte sich die Kluft, welche nach und nach durch die Verschiedenheit ihrer Lebensauffassung und Denkweise entstanden war.

Nur zu bald erkannte der Professor seinen Irrthum, eine Frau wie Julie erziehen und bilden, ihr seine strengen Grundsätze und Ansichten beibringen zu können. Ihre ganze Natur und ihr leicht bewegliches Temperament widerstand hartnäckig allen Belehrungen und Ermahnungen; weder sein Ernst, noch seine Freundlichkeit vermochten einen bestimmten Einfluß aus ihr Wesen auszuüben.

Seine wissenschaftlichen Bestrebungen interessirten sie nicht, und seine ärztliche Praxis war ihr nicht allein gleichgiltig, sondern widerwärtig. Schon der Gedanke an körperliche Leiden und Krankheiten, besonders aber an geistige Störungen erfüllte sie mit Ekel, und die Beschäftigung mit solchen Uebeln erschien ihr unästhetisch und verletzte ihr lebhaftes Schönheitsgefühl; deshalb vermied sie auch so viel als möglich jedes derartige Gespräch, und trotz seiner wiederholten Aufforderung konnte sie sich nicht überwinden, ihn auch nur einmal nach seiner Anstalt zu begleiten.

Aus demselben Grunde wollte sie sich nicht mit Hedwig befreunden, so sehr sie auch Haller darum bat und ihr die Gediegenheit, Bildung und Herzensgüte seiner Oberin rühmte. Wie gewöhnlich hatten seine Lobsprüche nur den entgegengesetzten Erfolg und bestärkten die eigensinnige Frau nur in ihrem Vorurtheil, obgleich er ihr nicht verschwiegen hatte, daß er Hedwig sein Leben dankte.

»Das ist ja alles ganz schön von ihr,« sagte Julie, »und freut mich von Herzen. Du magst ihr gelegentlich ein werthvolles Geschenk machen und ich will ihr eine schöne Broche oder ein goldenes Kreuz geben, aber Du kannst unmöglich verlangen, daß ich mit Deiner Oberin verkehre. Fräulein Bauer paßt einmal nicht zu meiner Gesellschaft.«

»Zehnmal mehr und besser,« entgegnete er im gereizten Ton, »als alle Deine Freundinnen, welche zusammen nicht so viel werth sind, wie das treffliche Mädchen.«

»Lächerlich!« versetzte sie, die Achseln spöttisch zuckend. »Du blamirst Dich nur, wenn Du diese hochgebildeten Damen aus den ersten Kreisen mit einer gewöhnlichen Krankenwärterin vergleichst.«

Ihre hochmüthige Sprache und die Herabsetzung Hedwigs verdrossen Haller so sehr, daß auch er jede Rücksicht und Schonung vergaß und seinem nach und nach angesammelten Groll freien Lauf ließ.

»Du würdest jedenfalls besser thun,« erwiderte er ärgerlich, »Dir Fräulein Bauer zum Muster zu nehmen, als Deine hochgebildeten Damen, die leider den traurigsten Einfluß auf Dich ausüben und Dich, wie ich sehe, mit ihrer Frivolität bereits angesteckt haben. Mir ist nichts so widrig und verhaßt, als das Treiben dieser Frauen, ihre Herzlosigkeit, Eitelkeit und Selbstsucht. Sie glänzen in der Gesellschaft mit ihrem Geist und vernachlässigen darüber ihre häuslichen Pflichten; sie opfern Scham, Ehre und Weiblichkeit ihrer egoistischen Genußsucht, ihren krankhaften, verkehrten Gelüsten. Alles, was Sensation erregt, reizt ihre verdorbene Phantasie, und um einen interessanten Virtuosen, um einen lüderlichen Künstler verlassen sie Mann und Kind, zerreißen sie die heiligsten Bande der Familie.«

»Genug!« rief Julie empört. »Ich kann nicht zugeben –«

»Und solche Weiber,« fuhr Haller fort, ohne ihre Auflegung zu beachten, »wagen es, verächtlich auf ein Mädchen herabzusehen, das ihnen an Bildung und Geist mindestens gleichsteht, an Reinheit, Sittlichkeit und Selbstlosigkeit ihnen weit überlegen ist. Diese gewöhnliche Krankenwärterin schwärmt freilich nicht für Schopenhauer, Wagner und Makart, kennt weder Sardou noch Zola, sitzt nicht den ganzen Tag am Klavier und zieht nicht von einer Gesellschaft in die andere, läßt sich nicht anbeten und betet auch nicht an, kokettirt nicht mit geschminktem Geist und renommirt nicht mit zweideutigen Witzen und unweiblichen Extravaganzen. Aber sie arbeitet mit unermüdlichem Fleiß, um ihr Wissen zu bereichern und durch ihre Kenntnisse anderen zu nützen. Sie scheut nicht den Anblick der Leidenden und wacht an dem Lager der Unglücklichen, nicht um des geringen Lohnes willen, sondern aus Barmherzigkeit und Menschenliebe. So lebt sie still und zurückgezogen, bescheiden nur für ihre Pflicht, und thut das Gute, ohne damit zu prahlen.«

»Schade,« versetzte Julie höhnisch, »daß Du dieses weibliche Ideal nicht geheirathet hast! Wir wären beide vielleicht glücklicher geworden, als wir sind.«

Ohne ihr zu antworten, zog sich Haller in sein Studirzimmer zurück. Mechanisch starrte er die Büchertitel an; mit zitternder Hand ordnete er verschiedene Apparate, seine Mikroskope, Reagenzgläser und elektro-magnetischen Batterien. Dann ging er mit langsamen, schweren Schritten rastlos aus und nieder, in düstere Gedanken versenkt.

Länger konnte er sich nicht verhehlen, daß er sich getäuscht, daß alle seine Hoffnungen ihn betrogen hatten. Er fühlte sich tief unglücklich, um so unglücklicher, als er Julie trotz all ihrer Schwächen und Fehler noch immer leidenschaftlich liebte.

Je idealer seine Anschauungen von der sittlichen Bedeutung und Heiligkeit der Ehe waren, ein je strengeres Pflichtgefühl er besaß und je höhere Anforderungen er an sich selbst stellte, desto mehr mußte ihn Julies Mangel an häuslichem Sinn, ihre Gleichgiltigkeit für seine Wünsche und Bestrebungen, sowie ihre Abneigung gegen alle ernsten Gedanken und Beschäftigungen betrüben.

Dabei drängte sich ihm unwillkürlich der naheliegende Vergleich mit Hedwig auf, zu dem Julie selbst ihn durch ihre höhnischen Bemerkungen herausforderte. Reiner und klarer als je stand in diesem Augenblick das Bild der pflichttreuen Oberin, der er sein Leben dankte, vor seiner Seele.

So schwankte Haller unbewußt zwischen den beiden ihm gleich theuren und doch so verschiedenen Frauen, wie zwischen der irdischen und himmlischen Liebe, von den widersprechendsten Gefühlen bewegt, von ihm sonst fremden Gedanken gequält, von Zweifel und Bedenken erfüllt. Noch immer vernahm er die verhängnißvollen Worte: »Vielleicht wären wir beide glücklicher geworden, wenn Du Dein Ideal geheirathet hättest.«

Auch Julie fühlte sich durch seine Härte verletzt; nur war ihr Schmerz weder so tief, noch so nachhaltig, wie der seine, da sie den Professor weniger liebte und ihre oberflächliche Natur schnell jeden unangenehmen Eindruck von sich abstreifte.

Bald trocknete die schöne Frau ihre Thränen, und schon nach wenigen Augenblicken probte sie getröstet vor ihrem Toilettenspiegel die neue Robe, welche der Schneider am Morgen gebracht hatte und deren wundervoller Schnitt sie alle ihre Leiden vergessen ließ.

Nachdem sie ihr wirklich reizendes Bild im Spiegel hinlänglich bewundert und mit Hilfe ihres Kammermädchens hier eine Falte des Kleides glatt gestrichen, dort eine Schleife oder Frisur befestigt hatte, verließ sie, ohne von Haller Abschied zu nehmen, das Haus, mit der Absicht, ihrer Mutter noch vor Tisch einen Besuch zu machen, ihr das volle Herz auszuschütten und zugleich der Meisterin in allen Toilettenkünsten ihre neue Robe zu zeigen.

Da aber Julie die Frau Generalkonsul nicht zu Hause traf und sie bis zum Essen noch Zeit hatte, so fuhr sie weiter zu der Frau Doktor Stern, der sie schon längst eine freundschaftliche Visite zugedacht. Allerdings wußte sie auch, daß Haller diesen Verkehr mit der Schriftstellerin nicht gern sah, allein gerade heute und in ihrer jetzigen Stimmung reizte es sie mehr als je, den Wünschen ihres Mannes entgegenzuhandeln.

In ihrer stillen und ihr langweiligen Häuslichkeit sehnte sie sich oft genug nach der extravaganten Freundin, welche die unterhaltendste Gesellschafterin war und mit ihren etwas freien Sitten und Ansichten eine große Gutmüthigkeit und vielen Geist verband. Freudestrahlend empfing Frau Livia, ihren Gast und nöthigte sie zum Sitzen.

»Wie entzückend sehen Sie wieder heute aus, liebe Julie! Ach, und das neue Kleid reizend, ganz reizend – und changeant nach der neuesten Mode! Wissen Sie auch, daß dies die einzige passende Farbe für uns Frauen ist? Abwechslung allein macht glücklich; nur nicht dies ewige Einerlei, diese tödtliche Einförmigkeit in der Toilette, im Leben, in allem.«

Dabei blickte sie träumerisch auf ihren eigenen Morgenrock, der allerdings in seiner zweifelhaften Sauberkeit eine ganze Farbenskala der verschiedensten Flecken wie die Palette eines Malers zeigte. Mit einer kühnen Handbewegung säuberte sie dann den eleganten Divan von den ihn im bunten Durcheinander bedeckenden Broschüren, Büchern, erbrochenen Briefen, Schleifen, Handschuhen und anderen Gegenständen der weiblichen Toilette.

»So, jetzt kommen Sie zu mir her! Nein, das ist zu liebenswürdig, daß Sie sich endlich einmal sehen lassen. Und nun erzählen Sie, wie geht es Ihnen, wie leben Sie, mein liebster Schatz?«

»Still und langweilig, wie eine arme Seele im Fegefeuer, die sich nach ihrer Erlösung sehnt.«

»Mein Gott!« rief Frau Livia überrascht. »Haben Sie auch schon die traurige Erfahrung gemacht, daß die Ehe das Grab der Liebe ist? Zum Glück ein Grab, aus dem es eine Auferstehung giebt. Ha, ha! Der Tyrann hat bereits seine Maske abgelegt und das wahre Gesicht gezeigt. Sie sind enttäuscht; das hätte ich Ihnen vorher sagen können. Was wollen Sie? Alle Frauen sind Leidensgefährten. Aber erzählen Sie; das ist höchst interessant. Ich verfolge mit wahrem Enthusiasmus die Schlechtigkeit der Männer und die Enttäuschung der armen Frauen, die nie ausbleibt und unvermeidlich ist.«

Auch Julie empfand den Wunsch, sich heute zu beklagen und den Rath der geistreichen Schriftstellerin zu hören, welche aus eigener langjähriger Erfahrung in allen Herzenssachen ungemein bewandert und reich an Hilfsmitteln war.

»Sie kennen ja meinen Mann,« sagte sie nach einer Pause, »seine wunderlichen Ansichten von dem Leben und der Gesellschaft, seine sonderbaren Grundsätze. Er quält mich fortwährend mit seinen moralischen Vorlesungen und Ermahnungen, als ob ich noch ein Kind wäre. Bald tadelt er meine Toilette, meine Lektüre, meine Beschäftigungen, meinen Umgang, bald fordert er, daß ich mich für seine Arbeiten und Krankengeschichten interessiren soll, bald wünscht er, daß ich mit der Oberin seiner Klinik verkehre und seinen Assistenten, einen guten, aber langweiligen Menschen zu Tisch lade. Kurz, es ist nicht zum Aushalten. Aber ich will mich nicht von ihm leiten und beherrschen lassen; natürlich giebt es da täglich eine Scene mit ihm.«

»Die kommen in jeder Ehe vor und bringen wenigstens eine Abwechslung in das traurige Leben. Darüber müssen Sie sich trösten, solch' ein kleiner Streit ist ohne Bedeutung und erfrischt das Blut.«

»Aber diese ewigen moralischen Vorlesungen und Predigten sind zu langweilig. Was hilft mir alle Güte und Ehrenhaftigkeit, die ganze Gelehrsamkeit und Bildung, wenn ein Mann kein Verständniß für die Neigungen und Bedürfnisse seiner Frau hat und gerade in den wichtigsten Lebensfragen mit ihr nicht sympathisirt! Alles, was ich liebe, mißfällt ihm; die Musik ist ihm gleichgiltig, meine Begeisterung für Wagner findet er lächerlich, und die ganze neuere Richtung in der Kunst und Literatur erscheint ihm verkehrt und verwerflich. Immer Mozart und Beethoven, Shakespeare und Goethe, Rafael und Michel Angelo, immer klassisch, das ist doch unerträglich. Und jetzt schreibt er mir noch vor, was ich singen und lesen, hören und sehen soll.«

»Armes Kind! Ich beklage Sie von ganzer Seele. Es giebt kein größeres Unglück, als eine Mesallianz der Geister, als eine Ehe ohne innere Uebereinstimmung, ohne Seelenharmonie. Das ist die Hölle auf Erden, ein wahrer Scheidungsgrund.«

»Mein Gott!« versetzt Julie bestürzt, »Sie wollen doch nicht damit sagen, daß ich mich von meinem Mann scheiden lassen soll? Daran hab' ich noch nicht gedacht.«

»Es scheidet sich auch nicht so leicht, wie Sie glauben. Dafür haben schon die Männer mit ihren abscheulichen Gesetzen gesorgt. Ja, schwere Mißhandlungen des Körpers, grobe Untreue und böswillige Verlassung, das sind ihre Scheidungsgründe, aber die Mißhandlungen einer Seele, die Verlassenheit eines unverstandenen Frauenherzens, die Täuschungen und der Verrath an unserer Liebe, dafür haben sie keinen Schutz. So müssen wir ewig diese Sklaverei dulden, wenn wir nicht den Muth besitzen, den Gesetzen der Welt zu trotzen und uns selbst zu befreien, wie meine hochherzige Freundin, die Gräfin von Neuberg.«

Bei Nennung dieses Namens konnte Julie sich nicht eines leichten Schauers erwehren. Vor ihren Blicken stand der geniale Künstler mit den dämonischen Augen und dem verführerischen Lächeln, dessen bezauberndes Bild sie in ihrem Herzen trug.

»Haben Sie Nachrichten von der Gräfin?« fragte sie mit geheuchelter Unbefangenheit. »Wie Sie wissen, interessire ich mich lebhaft für die bedeutende Frau, obgleich ich sie in Rom nur flüchtig auf dem Künstlerfest gesehen habe.«

»Ada schreibt mir die entzückendsten Briefe. Sie ist überglücklich; Werner betet sie an und beide leben wie die olympischen Götter in seliger Heiterkeit, erhaben über die Sorgen und Leiden der gewöhnlichen Sterblichen.«

»Sind sie schon mit einander verheirathet?«

»Verheirathet!« lachte Frau Livia. »Daran ist nicht zu denken, da die Gräfin Katholikin ist und von ihrem Mann nicht geschieden werden kann. Das ist auch gar nicht nöthig; exklusive Geister wie Ada und Werner bedürfen zu ihrem Glück nicht des Standesamts und der Kirche.«

Durch diese Mittheilungen nur noch mehr aufgeregt, erhob sich Julie, um sich zu verabschieden, als der bis jetzt in der Redaktion beschäftigte Doktor Stern in das Zimmer trat und seiner Frau einen soeben angekommenen Brief überbrachte.

»Von der Gräfin aus Rom,« sagte diese beim Anblick der ihr bekannten Handschrift. »Sie entschuldigen –«

»Lassen Sie sich nicht stören,« erwiderte Julie, die sich inzwischen mit dem Doktor unterhielt. »Ich plaudere unterdeß mit Ihrem Mann.«

»Nun,« fragte dieser nach einiger Zeit, »was schreibt unsere Freundin? Noch immer erotische Hymnen, Liebe und kein Ende?«

»Ada zeigt mir an, daß Werner zum Professor ernannt worden ist und von unserem Hofe die Aufforderung erhalten hat, die königliche Familie zu malen.«

»Das giebt eine interessante Notiz für die Zeitung, natürlich mit der nöthigen Ausschmückung: großer Künstler – königliches Handschreiben – zarte Anspielung auf die Gräfin. Selbstverständlich kommt sie doch mit.«

»Du vergißt, daß ihr Mann und ihre Familie hier leben. Wie sie schreibt, kann sie Werner unmöglich begleiten und er den ehrenvollen Antrag nicht zurückweisen. Es bleibt ihnen nichts übrig, als sich für einige Zeit zu trennen.«

»Die arme Gräfin! Das wird ihr einen schweren Kampf gekostet haben. Werner ist ein Don Juan und sie ein weiblicher Othello.«

Während dieses sie im hohen Grade interessirenden Gespräches beobachtete Julie ein auffallendes Stillschweigen. Kein Wort, kein Blick, keine Miene verrieth ihre auf das höchste gespannte Theilnahme, indem sie eine vollkommene Gleichgiltigkeit heuchelte.

»Sie kennen doch Hans Werner?« fragte Frau Livia, nachdem Doktor Stern sich empfohlen hatte. »Gewiß freuen Sie sich mit uns, den berühmten Maler wiederzusehen.«

»Er hat sich mir beim Künstlerfest vorstellen lassen; wir haben jedoch nur einige Worte mit einander gesprochen und eine kurze Tour getanzt, da ich am nächsten Tage abreisen mußte.«

»Ich hoffe, daß Sie ihn öfters bei uns sehen und ihn näher kennen lernen werden. Wir müssen ihn feierlich empfangen und ihm zu Ehren eine Gesellschaft geben, bei welcher Sie natürlich nicht fehlen dürfen.«

»Ich weiß wirklich nicht,« versetzte Julie verlegen, »ob ich kommen kann. Mein Mann liebt nicht –«

»Geniale Menschen,« ergänzte Frau Livia spöttisch. »Daran dürfen Sie sich nicht kehren. Wenn Ihr Tyrann Sie nicht begleiten will, so gehen Sie allein mit Ihrer Mutter und Onkel Heinrich –«

»Das wird Haller nicht zugeben.«

»Mein Gott! Sie dürfen sich eine solche Bevormundung nicht gefallen lassen. Zeigen Sie ihm, daß Sie nicht seine Sklavin sind und keine Beschränkung Ihrer Freiheit dulden wollen. Schon aus diesem Grunde müssen Sie unsere Einladung annehmen und dem Tyrannen zum Trotz zu uns kommen.«

Es bedurfte kaum dieser Aufforderung, da Julie, verführt von ihrem Herzen und von dem Wunsche, den genialen Künstler wiederzusehen, sich nur zu gern und zu leicht überreden ließ, die beabsichtigte Gesellschaft auch gegen Hallers Willen HU besuchen, unbekümmert um die möglichen Folgen und die fast unvermeidlichen Zerwürfnisse mit dem ihr bereits gleichgiltigen Gatten.


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