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Der Weg, der jetzt von dem preußischen Städtchen: die Sachse, nach dem braunschweigischen Klosterorte Walkenried am Sachsenstein in der Grafschaft Hohenstein vorbeiführt, wurde früher fast gar nicht gegangen. Denn, wie noch jetzt die Zwerglöcher zeigen, so wohnten im Sachsenstein gar viele Zwerge und darum fürchteten sich die Leute, wiewol die Zwerge sehr munter waren und immer eine forsche Musik vor dem Sachsenstein gehört wurde. Besonders scheuten sich die Frauen vorbeizugehen, denn eine Frau, die einst vorbeiging, hatten die Zwerge ergriffen und lange gefangen gehalten. Kein Erbsenfeld ringsumher war vor ihnen sicher und man hörte sie oft darin schmatzen, wie die Schweine, ohne daß man sie sah, denn sie hatten dabei ihre Hehlkappen oder Verheltnißkappen auf. Die Zwerge haben auch unter sich Hochzeit gehalten und Kindtaufen gefeiert, und dazu Reisbrei gegessen und es ist dabei sehr lustig hergegangen im Sachsenstein; auch gingen sie nach auswärts bei den Leuten auf Kindtaufen und Hochzeiten. Auf der Kindtaufe waren sie einmal beim alten Gödeke in Bräunrode mit ihren Hehlkappen; da aßen sie Alles auf, ohne daß sie Jemand sah, der alte Gödeke aber braute Bier in einer Eierschale, da verriethen sie sich, denn nun mußten sie sprechen:
So bin ich doch so alt
Wie der Döringerwald
Und habe noch nicht gesehen in einer Eierschale Bier
brauen.
An einer Hochzeit in Bräunrode fanden sie auf einem schönen Saale die Tafel gedeckt und setzten sich lustig zu Tische, wurden aber gar kleinmüthig, als sie merkten, daß Kümmel im Brote war.
Einst hütete ein Schäfer in der Nähe des Sachsensteins, da hörte er auch die Musik, räumte mit seinem Hakstocke vor den Zwerglöchern auf und hat die Zwerge und die Zwergmusikanten alle gesehen, ist auch eingeladen worden, an der Festlichkeit Theil zu nehmen, und dann ganz unversehrt wieder aus dem Sachsenstein hinausgegangen.
Ein andermal brachen Maurer Steine vor dem Sachsenstein, da kamen Abends Zwerge daher, hielten ihre Hehlkappen in der Hand, sodaß die Maurer sie sehen konnten, und sprachen: sie möchten jetzt nur heimgehen, ihr Werkzeug da lassen, sich um nichts kümmern und ihnen am andern Morgen Brot mitbringen, dann solle die Arbeit schon gethan sein. Das thaten die Maurer auch, kamen am andern Morgen wieder, legten das Brot vor den Sachsenstein, nahmen ihr Werkzeug, welches da lag, dafür hin und luden die Steine auf die Wagen, welche die Zwerge ihnen befohlen hatten sogleich mitzubringen.
Aber nicht immer waren die Zwerge vom Sachsensteine so gut und hilfreich gegen die Menschen, denn sie stahlen ihnen Kinder und schoben ihre Wechselbälge dafür unter, brachen auch zu ganzen Haufen in die Bäckerladen in der Sachsa und zu Walkenried ein und stahlen Brot. Da rieth ein Mädchen den Leuten, daß sie Kümmel ins Brot backen sollten, das konnten die Zwerge nicht vertragen und wurden krank davon, nahmen auch zur Strafe das Mädchen gefangen, als es einmal am Sachsensteine vorbeiging, und mishandelten es gar sehr.
Von der Zeit an wurde kein Brot ohne Kümmel mehr gebacken und nur wenige Zwerge, welche Kümmelzwerge genannt wurden, konnten das vertragen, denen gaben die Leute das Brot gern und sie gehen vielleicht jetzt noch in der Gegend. Die Andern aber versammelten sich vor dem Rathhause in der Sachsa zum Abmarsch und als sie abgezogen sind, hat der Sachsenstein geklungen, als wenn ein großer Goldkessel drin wäre, und die Zwerge sind auch mit voller Musik oder, wie Einige sagen, mit Gesang durch die Sachsa gezogen. In der Sachsa war großes Leben, als es hieß: die Zwerge kommen jetzt durchgereist, und große Freude, daß sie fortzogen. Vor dem Rathhause riefen sie immerfort, indem sie über ihren Abzug unterhandelten: »Wollt ihr ein ewiges Bergwerk haben oder von einem Jeden von uns einen Pfennig?« Da antworteten die Leute in der Sachsa: von Jedem einen Pfennig. Manche erzählen auch, die Zwerge hätten gefragt, ob sie etwas Gewisses oder ob sie nach ihrem Belieben geben sollten, und da hätten die Sachsaer in ihrer Thorheit etwas Gewisses von Jedem verlangt und deshalb von Jedem einen Pfennig bekommen. Es wurde aber ein geaichter dresdener Scheffel auf dem Markte vors Rathhaus hingestellt, da warf ein jeder Zwerg seinen Pfennig hinein, daß er über und über voll wurde. Einige sagen, daß ihrer sechshundert Zwerge und daß die ersten schon am Thore gewesen wären, als die letzten in der Reihe noch vor dem Rathhause gestanden hätten. Andere sagen gar, daß man die letzten noch bei den Zwerglöchern vor dem Sachsenstein hätte murmeln hören, als die ersten schon in der Steina, dem nächsten Dorfe zwischen der Sachsa und Lauterberg, gewesen wären.
Die Zwerge zogen nordwärts und als sie zu den Zwergen nach Scharzfeld kamen, machten sie Halt und gingen da in ihren Hehlkappen mit den scharzfelder Zwergen in die Erbsenfelder. Darin fraßen sie wie die Mäuse, aber kein Mensch konnte sie sehen. Da nahm ein Bauer eine Bohnenstange und fuhr damit immer über den Erbsen herum. Dadurch schlug er ihnen die Kappen vom Kopfe und so wurden die Zwerge sichtbar. Weil aber der Bauer die Zwergkappen nicht wieder herausgeben wollte, so kündigten sie zuletzt ihm und den andern Scharzfeldern den Krieg an und er mußte sie ihnen wieder zustellen. Darauf sind die sachsaer Zwerge weiter gereist und mögen wol auch die Zwerge von Scharzfeld mit ihnen gereist sein. Als sie aber durch Osterode gekommen sind, haben sie an der Wirthstafel gespeist und dabei geschnattert wie die Gänse.
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I.
Bei den Zwergen vom Sachsenstein wohnte auch die Frau Holle und eine Jungfer mit Schlüsseln. Seit die Zwerge abgezogen sind, ist ein fahles Männchen im Sachsenstein gesehen worden; ein Eingang in den Sachsenstein, der aber schwer zu finden ist, führt in die Wohnung der Jungfrau und des fahlen Männchens, und gleich vorn in der Höhle steht ein Tisch mit verschimmeltem Brot und mit Wein. Die Jungfrau erscheint entweder am hellen Mittage oder um Mitternacht.
II.
Ein Schäfer hütete einst seine Heerde Mittags auf dem Sachsenstein droben, da erschien ihm die Jungfrau mit dem Schlüsselbunde. Er sah sie Klängeflachs, d. i. Lein, den die Sonne aufziehen soll, in der Sonne ausbreiten und auseinanderharken, dabei half er ihr und ihm kamen einige Leinknotten in seine weiten Schuh. Als er des Abends in seiner Schäferkarre die Schuh auszog, fielen lauter Pistoletten heraus.
III.
Ein andermal hütete auch ein Schäfer da, der schlief beim Hüten ein. Als er erwachte, erblickte er neben sich ein hübsches Blümchen, welches eine Lilie gewesen ist, pflückte es und steckte es, wie Schäfer thun, an seinen Hut. Gleich darauf erschien die Jungfrau mit Schlüsseln und fragte, ob er mitgehen wolle. Als er nun mit ihr vor dem Eingange stand, gingen sie zuerst vor eine große eiserne Thür und an zwei Hunden mit glühenden Zungen vorbei. In dem Schlosse aber lag nichts als Gold und Silber und die Jungfrau sagte zum Schäfer, er möge sich so viel hinnehmen, als er möchte. Da füllte er zuerst seinen großen Schäferranzen, dann nahm er den Schäferhut ab und wollte ihn füllen. Dabei ließ er die Lilie fallen und die Jungfrau rief dreimal, er solle das Beste nicht vergessen. Er achtete aber dessen nicht und ging ohne die Blume fort. Als er aus dem Schlosse war, schlug die Thür ihm fast die Hacken ab, da dachte er an die Blume, mit der er die Jungfrau hätte erlösen können, aber nun war es zu spät. – Ein anderer Schäfer sah einst in einer Klippe des Sachsensteins Kirche, Altäre und Prediger. – Auch ein Geigenspieler wollte einst das verwünschte Schloß auf dem Sachsenstein mit seinem Spiel erlösen.
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Zu der Zeit, da noch in Walkenried eine weitberühmte Schule gewesen (so erzählt Behrens in seiner »Hercynia curiosa« ) ist daselbst ein Knabe, so von Ellrich soll gebürtig gewesen sein und mit Namen Damius geheißen hat, bei einem Springspiele auf einen bestimmten Platz unbeweglich festgebannt. Von den mitspielenden Knaben herzugerufen, kommt der Rector heran und diesem fällt es bei, daß solches von einer Beschwörung herrühren müsse. Er sagt dem Knaben also: er solle fleißig um sich schauen, ob er etwa eine Schrift oder ein Zeichen erblickte. Da wird der Knabe über sich einen Circul, auch an der steinernen Wand eine griechische Schrift, gegen Süden aber etliche Characteres gewahr. Dieses Alles muß er dem Rector theils herlesen, theils beschreiben, und dadurch wird es offenbar, daß in der Mauer ein Schatz verborgen sei. Sobald der Rector dieses versteht, wird der Knabe wieder los und geht aus dem beschworenen Zirkel heraus, wohin er will. Nach des Rectors Anweisung aber ist nun an dieser Stelle nachgesucht und ein steinernes Geschirr mit Gelde eingemauert gefunden. Auf diesem Zaubersaale ist 1687 Herr Doctor Weitz, Bürgermeister zu Gotha, mit einigen andern Herren gegangen, daselbst aus Neugier die Metallruthe zu gebrauchen. Nicht weit von jener Stelle, wo der Rector das Geschirre hat ausnehmen lassen, haben sie starke Züge der Ruthe angemerkt. Da aber haben sie ablassen müssen, denn es ist ihnen Allen ein großer Schrecken angekommen, weil es am hellen Tage etwas dunkel um sie geworden. Derowegen retteten sich Alle in Sicherheit, wo sie einander fast gleichmäßig erzählten: daß Jedem gewesen, als ginge ein Wind durch ihn hin und sie würden mit den Haaren bis an die Decke gezogen. Diese Historie – bemerkt Behrens – stärket den gemeinen Mann in seinen von diesem Saal annoch habenden Gedanken, als welcher gänzlich davor hält: daß noch mehr von den Mönchen mit gewissen Beschwörungen eingemauerte Schätze darauf vorhanden sein müssen, weilen es gemeiniglich allhier nicht gar zu richtig sei, und der Teufel oftmals sein Spiel daselbst habe. Im Kreuzgange aber nach der Kirche zu ist eine Gestalt, mit allerlei kleinen Thieren und Pflanzen daneben, als z.B. Tauben und Lilien zu sehen, und hielt solches hochgedachter Herr Doctor Weitz für ein »recht fatales Werk«. Deswegen halten Etliche dafür, daß vor Alters Basilius Valentinus, unter dessen Namen viele berühmte chemische Schriften gedruckt sind, sich in diesem Kloster aufgehalten habe, und dies ist auch die Ursache, daß Etliche vermeinen: wie der vorbesagte auf dem Zaubersaale gefundene Schatz kein Geld, sondern der Lapis Philosophorum , oder der Stein der Weisen, gewesen sei, welchen der Rector heimlich geholt, und sich damit, alle seinen Hausrath im Stiche lassend, fortgemacht habe, woran aber doch Viele zweifeln und das Erstere für wahrhaftiger halten wollen.
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I.
In Walkenried hat sich ein Mönch gezeigt ohne Kopf; besonders auf dem Fruchtboden des aufgehobenen Klosters, wo die Arbeitsleute alle Vierteljahr ihre Frucht bekommen, hat er rumort und gemessen, wenn der Amtmann betrogen hat. Auch in die Mühle ist er gekommen und hat in den Rumpf geguckt, ob die Frucht richtig wäre. Oft hat er auch das Vieh karbatscht, daß es laut gebrüllt hat, und die Krippen in den Ställen abgerissen.
II.
Auf der Pfarre zu Walkenried diente ein Mädchen, zu der kam Nachts ein Geist, führte sie in den Keller, und wies ihr dort einen Koffer, den sie auf ihre Kammer tragen mußte. Darauf sollte das Mädchen sich drei Tage krank melden, dadurch wäre der Geist vermuthlich erlöst gewesen. Allein da es in dieser Zeit nach Ellrich geschickt wurde, kehrte es sich nicht an dies Gebot, ging sogar durch den Kreuzgang des Klosters Walkenried und da drehte der Geist ihr den Hals um. Lange war das Blut an der Stelle zu sehen. Der Koffer aber soll noch auf der Mägdekammer im Pfarrhause stehen.
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Der Mann ohne Kopf jagt in Walkenried oft zu Pferde umher, dann sieht man aber nichts von ihm, sondern hört nur das Schnaufen seines Rosses. Am meisten wird er auf der Schäferwiese gesehen, wo auch oft viele Geister um ein Feuer herumstehen. Wer glühende Kohlen von dem Feuer in die Hand nimmt, fühlt kein Feuer in der Hand.
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Am Uetelsteich und der Uetelsklippe ist das Spielmannsloch. Da ist ein Spielmann, der Maiblumen gesucht hat, hineingestürzt. Dort liegt auch, wenn es nicht das nämliche Loch ist, das Gänseloch, und da hinein ist der Tuchfabrikant K. aus Ellrich gebannt.
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Nicht weit von Walkenried liegt das Mähholz, Mehholz oder Ehholz. Da haben die Mönche von Walkenried oft eine Dirne aus einem andern Dorfe hinbestellt und der haben sie es zu ihrer Heirath geschenkt. Jetzt gehört es der Gemeine, aus der die Dirne gewesen ist.