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Sagen von Gittelde und der Staufenburg.

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1. Kaiserswoort in Gittelde.

Durch Förste kam einstmals ein alter Kaiser mit noch so einem alten Knaben; da sagte der Kaiser an der Stelle, wo jetzt Gittelde steht: hier will ich mich anbauen. Da sagte der Andere, dem die Gegend auch lieb war: is dat eu Woort? Ja, antwortete der Kaiser, und baute Gittelde. An der Stelle, wo das Gespräch gehalten wurde, steht jetzt Holz, sie heißt aber noch heutiges Tages Kaiserswoort. – Ferner wird ein Garten in Gittelde noch heutiges Tages der Kaisersgarten genannt und die Mauer, die ihn umgibt, die Kaisersmauer. In dem Kaisersgarten hat aber das Schloß des Kaisers gestanden, und die ganzen umliegenden Dörfer haben zu Gittelde gehört.

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2. Kaiser Heinrich der Vogelsteller und die Mönche.

Heinrich der Vogelsteller wohnte auf der Staufenburg und ließ seine Frau einmal daheim, während er selbst in den Krieg ziehen mußte. Das erfuhren die Mönche in einem reichen Kloster, welches etwa acht Stunden von der Staufenburg entfernt nach Nordhausen zu lag, und deren dort fünfhundert Mann gewesen sind. Sie waren aber so schandbare Burschen, daß sie während der Zeit allesammt Herrn Heinrichs Frau nachgestellt haben. Da sind denn einmal ein paar Mönche nach der Staufenburg gereist und haben der Kaiserin aufgelauert. Die Kaiserin ist gerade spazieren gefahren und die Mönche sind zugesprungen, haben sie aus der Kutsche geraubt und mit sich nach dem Kloster geführt. Der Kutscher, der aus dem Klosterdorfe gewesen ist, hat die Mönche gekannt und Keinem etwas gesagt. Die Kaiserin aber hat sich dazu nicht gebrauchen lassen wollen, wozu sie die Mönche haben brauchen wollen, und darum hat man sie in das finsterste Gefängniß geworfen. Den Kutscher nahmen dann die Mönche selbst in Dienst und da hielt er nun vollends seinen Mund. Lange Zeit nachher aber wurde er abgelohnt und ging in die Welt, um sich eine Stelle als Kutscher zu suchen. Er kam wieder zu Kaiser Heinrich, der jetzt schon wieder aus dem Kriege zurück war, und der behielt ihn auch. Da sollte er eines Mittags die Probefahrt machen, ob er auch das Fahren bei den Mönchen nicht verlernt hätte, und er fuhr an der Stelle vorbei, wo die Kaiserin aus der Kutsche geraubt wurde; da sagte der Kutscher zum Kaiser: »Diese Stelle ist mir sinnlich.« Der Kaiser fragte: wodurch? und der Kutscher erzählte die Geschichte mit der Kaiserin. Der Kaiser aber sagte mit Thränen in den Augen zum Knecht, der Jakob hieß: »Kehre nur um, Jakob, du hast deine Probefahrt gut gemacht und dieselbe soll dir Vieles einbringen.« Darauf ließ der Kaiser alle Soldaten zusammenblasen, zog hin und umringte das Kloster mit seinen Soldaten, sodaß kein Mönch herauskonnte. Sie überlieferten ihm seine Frau aus dem Gefängniß, und er ließ für die vielen Schandthaten, die sie in ihrem Leben ausgeübt, alle fünfhundert Mönche bestrafen. Der Knecht aber wurde zur Belohnung für sein gutes Gedächtniß vom Kaiser zum General gemacht und er hat auch nachher bewiesen, daß er ein rechter General war, durch seine Tapferkeit im Kriege.

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3. Die Schlacht bei Staufenburg und der Schimmel.

Bei der Staufenburg ist eine Schlacht im Siebenjährigen Kriege geschlagen und diese hat für unsere Vorfahren einen guten Erfolg gehabt. Vor dem Berge lagen die Unsern und frühstückten und hinter dem Berge lag der Feind. Und die Soldaten, was unsere Vorfahren waren, die haben schon an Gott gehakt. Am guten Ausgang der Schlacht verzweifelt. Der eine General hat gesagt: so wenig als sein Pferd, was ein Schimmel war, schwarz wäre, so wenig gewönnen sie auch die Schlacht. Da ist auf einmal das Pferd, welches ganz weiß war, kolkrabenschwarz geworden. – Nun haben die Soldaten erst fertig gefrühstückt, dann ist zum Aufbruch geblasen und der Ausgang des Gefechts war für unsere Vorfahren glücklich. Dieselben hatten zuletzt mehrere Kanonen gewonnen, die Franzosen aber hatten Reißaus genommen. Das Pferd des Generals ist aber sehr alt geworden, und es ist das kostbarste Pferd gewesen, was in der ganzen Garnison war.

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4. Die Jungfer auf dem Amte Staufenburg.

(In der niederdeutschen Mundart von Gittelde.)

Vor drei Wochen hät en Knecht, Namens Georg Sepenbein, op Amt Staufenburg dä Päre futtert, un weil e dä Päre futtert hät, kümmt e rinter in de Knechtstube, un da steit en Talglicht up en Dische, dat is saun Stümpel west, dä denn de Herrens nich mehr brennt, dä kriet denn dä Knechte un mött dä verbrennen. Un (hei) stickt dat Talglicht an von siene Lüchte un da hät da de witte Jumser säten, ganz schneiwitt, un hät immer in Eine Stee kuckt. Da verfeert (erschrickt) hei sik un löpt na dä andern Knechte, dä sind in Pärstalle west un hät nu all in Bedde lägen. Dei staht nu ut en Bedde un seit tau, dat (indem, weil) se dat hätt wollt nich glöben. Weil düsse Knechte dat seit, dat düsse witte Jumfer da sit, da lopet dä wedder retur, Sau passet dä Knechte dä andre Nacht nu wedder op, da sind se alle te hope in dä Stube, de eine hät hier esäten un hät ne Piepe Taback eroket un de andern hät da esäten. Da schleit de Klocke elwe, da deit düsse witte Jumfer dä Dör up un set sik da wedder hen in dä selwige Stelle. Sau lopet düsse ganzen Knechte ruter un lopet hen na'n Verwalter. Hei will sik sülwest owertügen, un weil hei dä Dör updeit, da sitt düsse witte Jumfer da. Den andern Morgen sägt hei dat sienen Herrn. Weil hei nu na den Herrn kümmt: »Guten Morgen, guten Morgen, lieber Herr, ich habe mich selber überzeugt wegen der Geschichte wegen der weißen Jumfer.« Da vertellt hei 't nu sienen Herrn un düsse Amtmann dä hat nu dat wollt ok nich glöben un sägt, wenn se düssen Abend wedder da sitten deee, denn soll hei öne mal sülwest raupen. Weil nu düssen Abend dä Klocke elwe sleit, da sit düsse Verwalter nu in de Knechtstube inne, da kümmt se nu an up en Punkt elwe. Da löpt e hen, un kloppt an dat Fenster, wu dä Amtmann slöppet, ganz barbarsch mit en Stocke, un da sägte: »Herr! Herr! dä witte Jumfer is nu all wedder komen un hät sik up dä Stelle settet.« Düsse Amtmann dä will dat nich glöben, dä sägt: »Sau forwahren Gott wie sien Rietpärd, sien Schimmel, nich for sien Fenster keime un sänge 'n Geschricht an, sau forwahr wörre dat nich wahr«, sägt denn düsse Amtmann. Sau weil'e knapper Noth (kaum) dat Wort utesägt hät, sau kümmt sien Schimmelpärt for 't Fenster un fänget ok en Geschrichte an. Sau sägt düsse Amtmann to siener Fru, se woll'n mit enander mal hengahn un wollen sek da sülwest von owertügen. Weil nu dä Amtmann mit siener Fru da rinder kümmt, kucket tau'r Dör rin, da fällt dä Fru gliek in Ahmacht (Ohnmacht), dat se dä Jumfer da süt. Sau hät düsse Jumfer aber noch vele schönder utesein, als wie vorher, da se lewet hät. (Awer op veelerlei Art is se manchmal ewest. Wenn wer rinter komen is, den se is nich gut ewest, denn is se aschenfahl in Gesichte worren.)

Den andern Dag sägt düsse Amtmann tau sienen Bedienten, se wollen mal na Gittelde reisen na'n Herrn Superdenten, mit den hät hei en Kluck (Club). Sau reiset hei na Gittelde mit siener Fru, mit den Verwalter un den Bedienten und sint mit twei Kutschen hen ereiset. Dat (als) se sik nu erst sau fraget: »Herr Amtmann is nist Nies passirt?« da sägt dä Amtmann: »Herr Superdente, wenn ick Sei't Nieste sägge, dat glowet Sei doch nich«; wettet hei umme fief Flaschen Wien, dat hei dat nich glöfte, düsse Superdente... da drinkt se nu düsse fief Flaschen Wien mit enander erst, düssen Amtmann siene Frue un düssen Superdenten siene Frue dä mött nu ok rupper komen up dä Stube un mött midde drinken un düsse Bediente hät denn ok wat vonekricht. Düsse Superdente den wart nu Tiet un Wiele lang, ehr e dat gewahr werd (erfährt). Wie nu dä Wien utedrunken is, da sägt et ne dä Amtmann un da mott dä Superdente den Wien betalen, weil hei't nich glöben will und weil hei sägt: »Das ist fürwahr nicht wahr, so wahr unser Herr Gott die liebe Sonne da her scheinen läßt!« Da hätt se sik aber mit den Superdenten in de Kutsche set un feuhrt hen na'n Amt Staufenburg un de Superdente nimmt ok noch siene feir Söhne midde, dat dä da sik ok owertüget. Sau wie dä Klocke nu elwe sleit, sau gaht se nu tehope hen na dä Knechtstube, dä Jumfer is all da, un weil nu düsse Superdente mit sienen feir Söhnen rinder kummet, sau kricht se nu'n Kopp, sau wat lewet gar nich (man sollt' es kaum glauben) un alle Haare staht te Barge un is aschenfahl in Gesichte. Düsse jüngeste Sohne dat is nu'n Soldate west, dä wanket (winkt) sienen Vader un siene Breuders, dat se söllt mal ruter gan. Weil dä nu knappernoth ter Dör rut sind, da steit düsse Witte Jumfer up un wert wedder ganz schön, un gift ne en Handkuß. Da will e'r nu wier noch midde (er nun noch weiter mit ihr) spräken; aber se gift sik wier keine Bekanntschaft, da is et nu sau wiet ewest, dat et hät twölwe slan wollt. Da maket se weg un düsse Superdentensohne dä geit midde rut. Da schrift düsse Superdente na'n Genderalsuperdenten na Seesen: sau un sau wörre passirt. Da kümmt dä Genderalsuperdente den Abend drup mit twei Jüngelingen, dat sind Studenten ewest. Sau komet se hen, weil et elwe schlan hat, in dä Knechtstube weer rinter, sau sitt düsse Witte Jumfer da wedder, awer dä Genderalsuperdente dä hät nu up jede Halwe (Seite) en Jüngeling ehat. Weil nu dä drei sau vorgaht, sau kricht sei nu wedder 'n paar Ogen in Kopp, dei sind sau glu, sau wat is gar nich. Sau kucket düsse Witte Jumfer immer man dä beiden Studenten nu an, sau immer man von einen op et ander (von einem zum andern) mit en Ogen. Sau wer't düsse bei'n Studenten bange und lopet ter Dör ruter, un da kricht düsse Jumfer ortlich'ne andre Culör un kricht ortige Ogen wedder as wie en Minschen taukümmt, un sägt tau düssen Genderalsuperdenten: als wie vor tein Jahren wörre sei von Bronswiek, wu se te Hus wörre, wegekomen na Amt Staufenburg un da wörr' se twei Jahre als Mamsell ewest un darop wörr se storben. Aber sei härre in Bronswiek en Hus ehät, un da wörre de Vader un de Mutter von estorben, da wörre dat Hus verkoft un da härr' se sik en kleinen Kasten maken laten un da härre se dat Geld ineda'n. Un in Bronswiek da härr se sik als Mäken von tein Jahren in en Burschen verleiwet hat, dat wörre 'n Offzier ewest; un ehr dä nu dat Geld nich härre, ehr könne se niche ruhn, un sau lange möste se hier wuten (spuken) gahn. Un da mott sik düsse Genderalsuperdente gliek hensetten un mott en Brief schrieben, wu de Verhältnisse wörren op 'er Staufenborg. Oern Namen schrift düsse Jumfer sülwest derunder un hät ok de Upschrift eschreben un hät den Breif wollt taumaken, da sleit de Klocke da twölwe un da mott se da weg. Un dat durt (dauert) hen bett de dridde Nacht, ehr düsse Offzier nu kümmt. De erste Nacht hat se an de Stubendör mit saune witte Kriete 'n Strich emaket, un de tweite Nacht hat se weer 'n Strich emaket un de dridde Nacht hat se weer einen emaket, un da kümmt se ter Dör rin un sett sik wedder up öre Stelle, un weil se da sitt, da röpt se dreimal: »Fränzchen! Fränzchen! Fränzchen!« Sau hät den Offzier sien Pärt eheeten, dat is en schlootewitten Schimmel ewest, damit is hei up en Hof eredden ekomen. Un wie sei taun driddenmale Fränzchen sägt, sau tritt dä Offzier ok all ter Dör erin. Un dä Offzier hat ne Lüchten in der Hand ehät un da gaht se mitenander hen na öre Schlapkamer; dä Kamerdör is tauschloten west, sau wie aber düsse schneiwitte Jumfer darvor komen is, is se upegahn. Da koomt se da up düsse Schlapkamer up, un da hat se da en einschläprig Bedde stahn, un da fat düsse schneiwitte Jumfer an düt Bedde un rücket dat da weg, nn da hät se da'n Gypsstücke ruter nomen un da hat düsse Offzier da Kisten Geld most ruter nehmen, un sei sägt da, nu könn hei mit den Gelle daun wat hei wolle, nu härr sei Ruhe, un teletzt sägt se noch »Gott sei gedankt!« Hei wickelt den Kasten in sienen Mantelsack un bindt den nu up dat Pärt, un da lät hei hernacher in Bronswiek utgahn, als hei wolle 'n paar dusend Daler Geld verleihen. Dei witte Jumfer awer hät seitdeme nich mehr ewutet.

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5. Die Säule

Auf Amt Staufenburg hat bis vor einigen Monaten in der Küche ein rother, runder Pfeiler, eine hölzerne Säule, die inwendig hohl gewesen ist, gestanden, da hat die Frau Amtmännin ihren Mann beredet, den Pfeiler abzureißen, weil er ihr beim Kochen im Wege gewesen ist. Wie nun der Pfeiler abgerissen ist, hat man eine Stimme gehört, die hat bald geschrien wie ein Mensch, bald wie ein Hund, bald wie eine Eule, die Stimme des Menschen ist aber sehr gräulich gewesen. Auch ist, als der Pfeiler niedergestürzt ist, ein weißes Taschentuch zur Erde gefallen, das hat nachher Niemand finden können.

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6. Burg Staufenburg.

Eine halbe Stunde von Staufenburg auf einem großen runden Berge, der »Burg« genannt wird und mit kleinem Buschwerk bewachsen ist, steht ein altes Schloß, das im Dreißigjährigen Kriege zerstört sein soll. Noch etwas Mauerwerk, wie eine Stube im Umfange, ist da zu sehen. Es wird erzählt, von diesem Berge sei unser Herr Jesus gen Himmel gefahren in einer Wolke, die ihm unser Herrgott geschickt hätte. Darum ziehen nach diesem Berge zu Himmelfahrt aus Gittelde und drei, vier Stunden Weges ringsumher die Leute und aus Gittelde ziehen Bäcker, Fleischer und Wirthe hin, die etwas feil haben. Dann steigen Sänger auf die alte Ruine und singen und beten dort. – Unter der alten Burg aber ist ein Keller oder ein Gewölbe, darin sitzt eine Jungfer mit mehrern Zwergen. Alle sieben Jahr zu Ostern läßt sie sich sehen mit einem dicken Bunde Schlüssel an der Seite. Früher zeigte sie sich öfter, man hat sie aber einmal geprellt und hierüber erscheint sie jetzt so selten. Sie verweilt, wenn die sieben Jahr um sind, jeden Ostertag eine Stunde, von elf bis zwölf des Mittags, und harrt da auf ihre Erlösung. Auch begleitet diese Jungfer ein weißes Spitzhündchen, welches früher wie sie noch nicht verwünscht gewesen ist, ihr Schoßhündchen gewesen ist. Es bellt, wenn die Stunde um ist, und sie thut einen lauten Quik, ehe sie verschwinden.

Auch hat einmal da ein Hirt gehütet, dem ist immer eine Sau fortgegangen, und wenn sie wiedergekommen ist, hat sie sich so dick gefressen, daß sie den ganzen Tag kein Fressen wieder angerührt hat, und das hat die Sau eine ganze Zeit lang gethan. Da ist ihr der Hirt einmal nachgegangen und sie hat ihn in ein Loch geführt, vor dem eine Rose geblüht hat, die hat er abgepflückt, da ist die Jungfer erschienen und hat ihn mitgenommen. Da hat er sich soviel Geld nehmen müssen, als er hat nur tragen können. Er ließ aber die Rose fallen, da hat sie immer gerufen: er sollte das Beste nicht vergessen; er aber hat die Rose nicht wieder aufgenommen. Wie er nun heraus gekommen ist, da ist sein Geld lauter Dreck gewesen und die Rose hat da wieder geblüht, wo er sie abgepflückt hat. Hätte er nun die Rose mitgenommen, so wäre sein Geld auch Geld geblieben, und er hätte durch die Rose die Jungfer erlöst.

Auch ist einmal der Amtmann vom Amte Staufenburg in das Loch an der Staufenburg gegangen, und hat da die Sau verfolgt, da ist die Jungfer ihm begegnet und hat ihn gefragt, was er hier thäte. Da hat er wieder gefragt, was sie hier mit seiner Sau anfinge. Da hat sie gesagt: die fütterte sie nicht um tauben Dunst, und danach hätte er nicht zu fragen, er sollte jetzt machen, daß er fortkäme, sonst erginge es ihm übel. Da hat er nur machen müssen, daß er fortgekommen ist, sonst hätte es ihn noch das Leben gekostet. Die Sau aber hat da dicke Milch und Reilsch (warmes Essen) gefressen, und hat drei Tagen nachher neun Ferkeln zur Welt gebracht, die haben alle neun sprechen können, sind aber bald gestorben, denn kluge Menschen und Thiere sterben eher als andere Menschen und Thiere, die dümmer sind. Die Jungfer mit Schlüsseln au der Seite bleicht aus der Fohlenburg in der Kreuzbreite alle sieben Jahre Leinewand. Die ganze Fohlenburg ist dann voll Leinwand gedeckt, und der Spitzhund bewacht die Leinewand. Die Fohlenburg ist ein großer grüner Platz, der sich zum Bleichen eignet. Der Platz liegt, wenn man von Gittelde aus nach Amt und Burg Staufenburg geht, links.

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7. Der Knabe aus Gittelde und die Jungfer von Burg Staufenburg.

(Niederdeutsch, in der Mundart von Gittelde.)

In Gittelde is en armen Taglöhner ewest, dä hät en Sohn hat, dä is twei Jahr olt ewest, dä gaht hen in't Feld un willt wickeln (Garben binden). Sau sett se düssen Jungen hen sau in de Foor (Furche), un na nc körte Tict fänget düsse Junge op einmal sau'n fürchterlich Geschrichte an. Da löppet hei nu flugs (gleich) hen, da hät sik düssen Jungen saune Blinder-Schlange umme'n Hals eschlungen. Da lopet se'r midde na Hus, un willt er midde na'n Dokter, un hat dacht da Schlange solle schneen (abgeschnitten, operirt) weeren. Awer kein Dokter hat wollt dä Schlange schnien, denn keinder hat 'er könnt en Kop anne finnen, kein Enne un keinen Anfang hät se 'r konnt anne finnen. Düsse Junge aber hät sik sau ower dä Schlange freut un hät esägt, dat düt sien Vogel wörre. Na'n Jahre nu da gaht se wedder up dat Stücke, da sett se dat Kind weer up düsse Steee, da fänget dat en Geschrichte an: »Sien Vogel wörre weg, un da wörre rin kropen.« Da lopet dä Lüe hen un langet en Gefäß (Geräth, Spaten) un willt dä Schlange roven, dat se da ut hervorsall, un endlicher Wiese komet se nu up dä Schlange up, un da kummt dä Schlange ut den Locke ruter. Da willt se dä Schlange kriegen un willt dä in de Stube setten oder in sau'n olt Buer. Aber düsse Schlange dä lät sik nich holen un maket wedder in den Locke rinter. Da fänget se wedder an te roven, da komet se hen up en Kettel vull Geld. Un weil se hen up dat Geld komet, düsse Lüe, sägt düsse Schlange, als nu wörre sei erlöst, sei wörre 'ne verwünschte Prinßessinne von de Staufenborg. Düt Geld dat härre sei da verbuldert (eingegraben) un sei härre't all up mehrerlei Art emaket, dat se härre wollt erlöset sien, sei härre all sau schöne Blaumen up dä Stelle da eruter wassen laten un dä härren dä Lüe nich eacht un nich edan (ganz und gar nicht geachtet), dä Lüe härren sollt man dä Blaumen nafolgen, wu dä dicken Wörteln henewieset härren, denn wörren se up dat Geld henekomen un denn wörre sei erlöset ewest. Dä Lüe härren awer den Stamm (Wurzel) von dä Blaumen nich naefolget un härren dä Blaumen afferetten un rümmerher esmetten. Na einiger Tiet hät dä Junge frien wollt un da is hei wedder up düsse Stelle gahn un hät wollt Geld seuken. Da kümmt en Witt Männeken un sägt: hei soll man hen gahn nar Borg, da wörre 'n Gang, da kreigte hei wat. Sau weil hei na düsse Borg henkümmet, sau sägt da düsse Prinßessinne: »Mein Sohn, was wünschest Du?« Da sägt hei, hei wolle frien un datau soll sei öne 'n betten Geld gewen. Da sägt se, wu hei dat von gewahr eworren wörre, dat sei hier wörre. Da sägt hei, hei härre dat ehört, dat siene Oeldern härren vor öne dat veele Geld ekregen, aber hei härre da nist von ekregen un nu härre öne düt witte Männeken da esägt, dat sei da wohne. Da kricht hei en paar Stapels Gold, düsse Bursche, taur Hochtiet. Da willt dä Oeldern wedder dat Geld hewwen, aber hei hät et nich heregewen, hei hält da Hochtiet vor. Da dä Hochtiet ut is, da stirft düsse junge Mann.

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8. Die Hexe in Gittelde.

In Gittelde gab's früher viele Hexen und die Häuser, in denen sie wohnten, konnte man daran erkennen, daß öfter ein Feuer über dem Schornstein brannte, dann saß nämlich das Uriänchen oben drauf und brachte ihnen, was sie haben wollten. Dort ist einer alten Bauersfrau ihr Mann gestorben, aber Knechte und Mägde hat sie noch gehabt. Wenn die Sonntags aus der Kirche kamen, hat das warme Essen auf dem Tische gestanden und ist doch auf dem Herd kein Feuer gewesen. Da lauerte einmal einer von den Knechten unter einer großen Tonne in der Küche während der Kirche heimlich auf, was geschah. Wie es so um 10 Uhr hinkam, erschien der Teufel und setzte sich auf ein Querholz im Schornstein, das die Frau für ihn hatte heimlich machen lassen, und hatte auch einen kleinen Gesellen mitgebracht. Als die Frau nun das Essen haben wollte, rief der kleine Gesell immerfort: Meister, er guckt, Meister, er guckt! Sagte die Frau spöttisch: Laß ihn gucken! Denn sie hat gedacht, es wären Alle in der Kirche. Da warf ihr der Teufel Alles in einen Napf, den sie unterhielt, herunter, sauern Kohl, Schweinefleisch und Kartoffeln. Einige erzählen auch, der Teufel hätte es ausgebrochen. Den Mittag, als das Essen aufgetragen war, hält der Knecht der Frau vor, daß sie es vom Teufel empfangen habe. Da versprach sie, ihm viel Geld zu geben und noch obenein das Hexen zu lehren, wenn er still schwiege. Er sagte ihr zum Schein, daß sie ihn das Hexen lehren solle und da schickte sie ihn hin, einen neuen Topf zu kaufen. Als er mit dem Topfe wiederkam, sagte die Frau, er solle sich darauf setzen und sagen: Ins Teufels Namen.

Der Knecht aber setzte sich darauf und sagte: In Gottes Namen.

Da sprang der Topf voneinander und ein großer Lork saß darunter, und sogleich ging der Knecht hin und zeigte die Frau an. Da wurde ein Scheiterhaufen gebaut, um die alte Hexe zu verbrennen. Als sie nun darauf saß, rief sie ihren Knechten und Mägden, die dabei standen, zu: »Wenn ihr früher am Sonntag Bratbirnen aßt, so waren es Mäuse, aßet ihr Klümpe, so waren es Spinnen, und der Sauerkohl, den es jeden Sonntag Mittag gab, war nichts als Würmer.« Da schlugen die Flammen über ihr zusammen.

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9. Die weiße Kappe.

In Gittelde geht ein Pastor mit einer weißen Kappe in der untern Kirche spuken, auch steht da zur Nachtzeit die weiße Kappe auf dem Altar. Es ist aber einmal ein Mädchen gewesen, das hat gesagt, es wolle die weiße Kappe aus der Kirche holen, und sich vor Keinem grauen. Da geht das Mädchen hin und nimmt die weiße Kappe vom Altare. Da ist der Geist zweimal erschienen und hat geschrien: sie sollte die Mütze wieder hinbringen. Da geht das Mädchen zum Pastor, der segnet sie ein, und nun soll sie hingehen und die Kappe wieder auf den Altar stellen. Das thut sie auch, wie aber die Kappe auf dem Altare steht, kommt der Geist, nimmt sie in die Arme und drückt sie todt. – Dieser Pastor, nämlich das Gespenst, soll verwünscht sein, und wer hingeht, nimmt die weiße Kappe vom Altare, setzt dafür eine schwarze hin und wirft einen Pfennig in den Armenstock, der hat ihn erlöst.


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