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Sagen der Bergstadt St.-Andreasberg.

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1. St.-Andreasberg.

Die Bergstadt St.-Andreasberg ist benannt nach der ersten dortigen Grube: Andreaskreuz, die noch jetzt im Betriebe ist. Diese Grube aber soll daher den Namen haben, daß die ersten Bergleute hier zwei übereinander setzende Gänge antrafen, wovon es nach uralter christlicher Bergmannssprache heißen soll: Die Gänge machen ein Andreaskreuz. Nach dem Bergmannsglauben verspricht ein solches Kreuz edle Anbrüche.

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2. Der Bergmönch in St.-Andreasberg.

 

I.

Auch in St.-Andreasberg ist der Bergmönch bekannt. Er war ein wirklicher Mönch und wollte die Bergwerke einrichten, brachte es aber nicht zu Stande. Den Rehberger Graben fing er an zu bauen, der die ganzen Wasser zum Bergbau nach Andreasberg bringt, war auch fast damit zu Ende, da wurde er darüber bankrott. Nach seinem Tode ließ er sich nun, weil ihn der Gedanke an den Bergbau nicht ruhen ließ, sehen, im Wäschgrund, vor dem Treibholz, am Dammbach und wo die Grube Samson, vielleicht der tiefste Schacht der Erde, steht. Ueberall aber, wo er gegangen ist, haben sie nachher Erz gefunden, und daher rühren die reichen andreasberger Bergwerke, die reichsten auf dem Harze. Der Bergmönch ist von Geburt ein Graf gewesen, und wie er sich als Geist hat sehen lassen, hat er Puffjacke, Hinterleder und Licht gehabt, das Licht ist nicht ausgegangen, und wenn der Wind so stark geweht hat, daß er Bäume ausgerissen hat.

 

II.

Im Sperrlutterthal kam der Bergmönch des Nachts einem Vogelsteller entgegen mit dem Geleucht, der Vogelsteller dachte, es sei ein Bergmann, und sprach: »Du kannst mir wol ein wenig Inselt (Unschlitt) geben; wie du stehst, geht mein Licht aus.« Da gab der Bergmönch ihm Inselt von seinem Grubenlicht, das brannte einen Tag und eine Nacht, da war's schieres Silber.

 

III.

Einmal kam der Bergmönch in Bergmannskleidung am Sonntag zu einem Kunstjungen, der auf einen Kunstknecht wartete. Der Kunstjunge meinte, es sei sein Kunstknecht, fuhr also hinter ihm her, bis sein Inseltlicht trocken war. Da legte ihm der Bergmann eine weiße Wand (ein Stück Kalkspath) aufs Licht, da hat es wieder gebrannt. Der Bergmann hat nicht gesprochen, sie haben aber viel Erz miteinander gesehen. Nach einiger Zeit kamen sie wieder auf den Fleck, wo sie angefahren waren, da ist der Bergmann verschwunden. Es hat sich aber gezeigt, daß der Kunstjunge dreißig Jahre hinter ihm hergefahren ist. Von den Leuten, mit denen er gearbeitet, ist Niemand mehr dagewesen, und das Haus, worin er gewohnt hat, haben fremde Leute bewohnt. Sein Licht hat aber immerfort gebrannt, bis er's einmal an Jemand verkauft hat. Da hat es nicht mehr gebrannt, und als der Käufer es ihm wieder gebracht, hat es auch bei ihm nicht mehr gebrannt.

 

IV.

Im Jahre 1849 hat der Bergmönch sich zuletzt sehen lassen. Damals sollte die Grube Andreaskreuz eingestellt oder doch nur noch schwach betrieben werden, da zeigte sich der Bergmönch im Wäschgrund und ist gegangen bis nach dem Berge Mathias Schmidt, wo der andreaskreuzer Gang hingeht. Das dauerte wol vier Wochen und viele Leute sind des Abends zwischen Neun und Elf hingegangen, um ihn zu sehen. Seitdem ist nun auch wieder Erz da und die Grube steht in gutem Betrieb.

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3. Steiger Calvör.

In einer Grube auf Andreasberg wird das Rothgülden gegraben, das ist so kostbar, daß die Bergleute, die aus dem Schacht kommen, am ganzen Körper untersucht werden. Dort kamen zu einer gewissen Zeit so viele Bergleute, die des Nachts arbeiteten, zu Tode. Einst nahmen sich zwei Kameraden vor, die Ursache dieser Todesfälle zu untersuchen. Da kam um die Mitternachtsstunde ein furchtbares Brüllen und Getöse und so näherte sich ein furchtbarer Ochse. Als sie ihn aber mit dem Bohrfäustel und mit dem Zweimenschenbohrer angriffen, verstummte das Gebrüll und bald darauf bat es mit menschlicher Stimme aus der Ochsenhaut ums Leben. Die Bergleute rissen nun die Ochsenhaut herunter und da kam der Steiger der Grube, mit Namen Calvör, zum Vorschein. Er bot ihnen viel Geld, wenn sie schweigen wollten, denn er hatte die Ochsenhaut, die er im Schacht verborgen hielt, benutzt, um die Bergleute zu schrecken und dann zu tödten, um viel Nothgülden für sich aus dem Schacht zu bringen. Die Bergleute aber wollten sein Geld nicht und zeigten ihn an. Als er festgenommen werden sollte, hatte er sich in den Schacht gestürzt. Lange hat er da gespukt und überall den Bergleuten im Wege gestanden und oft haben die zueinander gesagt! Da steht der lange Calvör schon wieder mit seiner Ochsenhaut.

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4. Frau Holle, die schwarze Kathrine und die Waldfrau in St.-Andreasberg.

Alle Nacht von Elf bis Zwölf kommt die Frau Holle nach den Drei-Brotsteinen im Walde bei Andreasberg, setzt sich darauf und weint. Diese Steine sehen wie drei aufeinandergeschichtete Brote aus, sind von der Erde an wol drei Lachter hoch. Sie liegen auf einer Höhe, zu deren beiden Seiten Thäler sind, in deren jedem Wasser fließen, von denen das eine Dreibrotenwasser heißt. Wenn da im Sommer an einem bestimmten Tage Jemand durchgekommen ist, so ist die Frau Holle ihm auf dem Rücken gesprungen und er hat sie etwa sieben Minuten, bis vors Wasser, tragen müssen. Wer die Steine, die früher Brote gewesen sind, wieder in solche verwandeln kann, erlöst die Frau Holle.

Einige sagen auch, die schwarze Kathrine sei in die Dreibroten verwiesen.

Früherhin sagte man in Andreasberg den Kindern, um sie zu schrecken: »Wir rufen die Frau Holle herein!« Sich in sie zu verkleiden, wie an andern Orten geschieht, hätte dort Niemand gewagt.

Einstmals ging eine Mutter mit ihrem Kinde ins Holz und kamen nach dem Berge, welcher jetzt: Sieh-dich-im (Sieh-dich-um) heißt und im Löwengrund liegt. Da ging das Kind, das ein Mädchen gewesen ist, von der Seite ihrer Mutter fort, in die Hecke (Gebüsch), hörte auch nicht auf das Rufen der Mutter. Da erschien vor dem Mädchen eine schwarze Frau mit zwei Eimern ohne Boden in der Hand, welches die Frau Holle gewesen ist, drehte dem Mädchen den Kopf um und sprach: Sieh dich im. Seit der Zeit heißt der Berg: Sieh-dich-im.

Auf Andreasberg geht auch ein Hund, der einen Korb in der Schnauze hat, worin ein Bund Schlüssel ist. Er taucht bei dem Mühlenborner Puchwerk auf und geht ganz im Sperrlutterthal herunter, wo er verschwindet.

Wer den Sonntag geboren ist, von dem sagt man, daß er die Waldfrau in einem weißen Laken sehen könne. Einst rupfte eine Frau im Walde Brennesseln, da ging die Waldfrau immer hinter ihr und rupfte wie sie.

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5. Daß grüne eiserne Schwein mit dem hohen Busch.

In Andreasberg läßt sich ein eisernes grünes Schwein sehen, welches schon einmal einem Bergmann die Hose ausgezogen hat, dasselbe hat einen hohen grünen Busch auf dem Buckel und richtet viel Schaden in den Geschneiten (Dohnenstiegen) an, kann sich auch leicht verwandeln. So hat es sich z. B. vor den Augen eines Bergmanns in ein Stachelschwein und in einen Vogel verwandelt; es kann sich auch außerdem unsichtbar machen.

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6. Der Stoßemann.

Aus der Landstraße, die von Herzberg nach Andreasberg führt, läßt sich ein Mann mit einem Mörser und Stoßer, der Stoßemann, sehen; er hat seinen Stoßer und Mörser in der Hand und läuft die Straße auf und ab. Wenn der gestoßen hat, so sind die Funken immer aus dem Mörser geflogen. Auch spricht man in Andreasberg viel von diesem Stoßemanne den Kindern vor und sagt: »Der Stoßemann soll euch holen, wenn ihr nicht artig sein wollt.«

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7. Die Rathskatze.

Im Jahre 1314 hat sich ein Planet gezeigt, der gar selten kommt und dessen lange Jahre nicht zu finden gewesen ist. Da lebten die Leute auf Andreasberg in großen Aengsten, was dieser Schweifstern, der hinten wie ein Besen geformt war, ihnen wol bringen mochte. Auch kamen sie jeden Abend zusammen und wollten den Schweifstern sehen. Zwei Abende saßen sie in ihrem Rathhause beieinander und warteten auf den Stern, aber er zeigte sich erst am dritten, und wie! In dem Rathhause waren nämlich so viel Mäuse gewesen, daß es auf Andreasberg nicht Katzen genug gab, um sie wegzufangen. Da kamen die Andreasberger durch ein Schreiben aus Paris an eine gute Katze, die ließen sie sich mit Extrapost kommen und die Herren von Andreasberg räumten ihr das schönste Rathhauszimmer ein, darin wurde sie in einer Stunde so groß und so dick, daß sie nicht mehr zur Stubenthür hinauskonnte. Als nun die Andreasberger zwei Abende vergeblich auf den Kometen gewartet hatten, da brachte sie am dritten Abende dreihundert Junge zur Welt. Nun hatte das Rathhaus zu St.-Andreasberg dreihundert Fenster, und da saß in jedem von den dreihundert Fenstern des Rathhauses eine junge Katze. Zuletzt brachte die alte Katze noch einen Ziegenbock zur Welt, und der hatte den erwarteten Kometen hinter sich. Da kamen die Leute aus ihrem Traume, was der Komet bedeutete. Aber er hatte doch noch mehr zu bedeuten als dies. Denn um dieselbige Zeit kamen viele Schneider nach Andreasberg, die hatten in Holland eine Rebellion gemacht und waren darum dort vertrieben. Weil aber auf dem Rathhause kein Platz war, so wurden sie bei dem Ziegenbock in den Stall gesperrt. Da hatte aber am andern Morgen der Ziegenbock die vielen Schneider aufgefressen.

Seit dem großen Kometen essen die Leute auf Andreasberg das Fleisch vor der Suppe. Die Katze aber ist alt geworden 52 Jahr, 52 Wochen und 52 Tage und von den dreihundert jungen Rathhauskatzen stammen noch jetzt die Andreasberger Katzen ab.

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8. Der Rauschenbach.

 

I.

Im Rauschenbach, etwa eine halbe Stunde vom Oderteich, ist eine Höhle, darin wohnt eine Prinzessin bei sieben Zwergen. Einst wollte ein Jüngling sie erlösen, dem sagte sie, daß er sie dreimal küssen müsse, zuerst als Prinzessin, dann als Pudelhund und endlich als Schlange. Sie offenbarte ihm das in Schlangengestalt, indem sie sich an einem Tische emporhob und den Schlangenkopf darauf legte. Als er versprach sie zu erlösen, stand sie zuerst als Jungfrau vor ihm. Da küßte er sie, und auch als Hund hat er sie nachher geküßt. Als Schlange sie zu küssen hat er aber nicht gewagt, darum ist die Prinzessin unerlöst geblieben. – Die meisten nennen die Prinzessin nur die Schlüsseljungfer im Rauschenbach und sagen, sie rufe besonders die Mädchen, die Karoline hießen. Auch müsse sie von einem Mädchen erlöst werden, die Karoline hieße, und wenn ihr eine solche folgte, so bekäme sie den Schatz, der im Rauschenbachthale verborgen sei. Es sei ihr aber noch keine gefolgt.

 

II.

Im Rauschenbach war einmal ein Aufseher beim Tannenpflanzen. Zu dem kam ein Mann, das mag wol ein Venediger gewesen sein. Der nahm ihn eine Strecke weit unter eine Tanne, da gruben sie und fanden unter einer Wurzel einen gelben Thon. Davon nahm der Mann den ganzen Holster voll und redete auch dem Aufseher zu, daß er wenigstens drei Kugeln davon mitnahm. Dafür hat ihm nachher ein Hamburger Kaufmannsdiener 55 Thaler gegeben und es ist eine Art Gold gewesen. Als sie aber wieder unter die Tanne gegangen sind und nachgegraben haben, fanden sie nichts mehr.

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9. Der Knabe und die Venediger.

Beim Oderhause, welches eine Stunde von Andreasberg liegt, sind einmal zwei Venediger gekommen, die haben einen kleinen Jungen da angetroffen, den haben sie mit nach Venedig genommen und haben ihn da bei sich behalten, bis er vierzehn Jahr alt gewesen ist; wie er da eines Morgens aufgewacht ist, ist er wieder im Oderthale gewesen und die Venediger bei ihm. Die haben ihn da in den Berg geführt, und ihm da die Schätze und die Kunst, der Schätze Herr zu werden, beigebracht. Da hat der in seinem spätem Alter gänzlich von diesen Schätzen gelebt, die Venediger haben ihn aber mit einem Glückwunsche verlassen. Sie sind vorgedrungen in diesem Berge bis nach dem kleinen Brocken, der 2 3/4 Stunden vom Oderhaus liegt; daselbst sind sie zu einer Thür, die von Stein gewesen ist, herausgekommen.

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10. Die Windeltreppe.

An der Windeltreppe unweit des Rinderstalles bei Andreasberg sah ein Mädchen einen ganz neuen Topf voll Pferdemist. Sie ließ ihn stehen, sagte es aber ihrer Mutter, und die machte ihr Vorwürfe, daß sie den Topf nicht mitgenommen. Da gingen sie zusammen hin, der Topf war weg, aber es lagen noch einige Viergroschenstücke da. Ein andermal sah das Mädchen da einen neuen Topf voll Pferdewürmer, vor denen fürchtete sie sich und ließ ihn stehen. Das dritte Mal lagen auf bloßer Erde, wie auf einem Maulwurfshaufen, nichts als Heringsschuppen. Die nahm sie in ihre Schürze, da waren es nachher lauter blanke Mathier.

Andere erzählen: Am Wurzelwege bei der Engelsburger Grube habe ein Bergmann einen ganzen Tannenstuken voll Karpfenschuppen gefunden. Was er davon mitnahm, sind nachher lauter Mathier gewesen. Als er darauf mit Andern wieder nach der Stuke ging, haben aber die übrigen Karpfenschuppen nicht mehr dagelegen.


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