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Sagen der Bergstadt Altenau.

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1. Die Kirche in der Altenau.

Vor langer lieber Zeit ist hier in der Altenau ein Mann gewesen, der das Läuten und Uhraufziehen zu seinem Geschäft gehabt hat, und der ist zugleich ein Schuster gewesen. Er hat Fuchs geheißen. Der vergaß nun einmal die Uhr bei Tage aufzuziehen, und wie es Abends so zwischen elf und zwölf Uhr war, dachte er erst daran. Um seiner Versäumniß nun wieder nachzukommen, zog er sich an, nahm die Schlüssel und ging nach der Kirche. Er schloß auf, machte aber die Thür wieder hinter sich zu, ging dann die Treppe hinauf, schloß die Uhrkammer auf und zog die Uhr auf, ohne daß ihm dabei etwas passirt wäre. Er schloß die Uhrkammer wieder zu und ging nun hinunter. Auf einmal, wie er wol so auf der Hälfte des Weges, ungefähr auf der zweiten Treppe war, da sprang ihm etwas wie ein großer Hund auf den Rücken und hielt sich mit beiden Händen auf seinen Schultern fest, sodaß es ihm ordentlich wehe that. Die Last hat er gar nicht fortbringen können. Nun hatte er früher einmal gehört, daß man, wenn Einem einmal ein Gespenst etwas thun wolle, oder wenn Einem ein Gespenst begegnete, aus Leibeskräften fluchen müsse. »Alle Kreuz-Stern-Donnerwetter sollen dich von meinem Rücken bringen!« fluchte er, und wie er so fluchte, schlug's zwölf Uhr vom Thurme. Da ließ das Gespenst von seinem Rücken los, er aber machte, daß er nach der Thür kam, schloß sie auf und schlug sie dann zu. Vor Angst und Schmerz wußte er gar nicht, wo er hin sollte. Seitdem er geflucht hat, hat er kein Wort sprechen können. Wie er nach Hause kam, legte er sich gleich hin und winselte und ächzte immerfort. Seine Frau fragte ihn, was ihm denn fehle, er konnte aber nicht sprechen. So hat er drei Tage gelegen. In der letzten Zeit hat er wieder sprechen können, da hat er seiner Frau Alles erzählt. Den dritten Tag starb er. Wie sie ihn da auszogen, da hatte er auf jeder Schulter eine kohlrabenschwarze Hand sitzen und die Finger sind ordentlich ins Fleisch eingedrückt gewesen.

In der Altenau sah auch der Nachtwächter einst die Kirche in der Nacht erhellt; sie war besucht von weißgekleideten Männern, und vor dem Altar stand ein weißgekleideter Prediger. Dies sah er auch in der folgenden und nächstfolgenden Nacht. In der dritten Nacht stand der damalige Prediger von der Altenau schon in seiner vollständigen schwarzen Amtskleidung und mit den Kirchenbüchern bereit und aus Verabredung holte der Nachtwächter ihn ab. Der Prediger trat nun in die Kirche und sogleich verschwand der weiße Prediger vom Altare. Wie er aber vor den Altar trat und aus seinen Büchern etwas herlas, verschwand auch die ganze weiße Versammlung und es wurde in der Kirche dunkel. Dieser Pastor von der Altenau hat nachher nicht wieder gepredigt, sondern ist fortwährend krank gewesen und bald gestorben.

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2. Das Schloß im Gerlachsbache.

Da wo jetzt hinterm Glockenberge und unterm Röhrenteiche im Gerlachsbache der große Bruch ist, soll früher, so erzählen die Alten, ein mächtiges Schloß gestanden haben, welches aber keinem Ritter oder Grafen, sondern einer unverheiratheten Frau gehört haben soll, die in der Umgegend nur schlankweg die Schloßfrau geheißen hat. Sie hat ihren Gefallen daran gehabt, Frauen und Mädchen, die sich auf der Landstraße haben blicken lassen, einzufangen und in ihr Schloß, das mit hohen Mauern umgeben gewesen ist, zu sperren. Die Zahl der Eingefangenen ist schon sehr beträchtlich gewesen. Einst haben ihre Spione auf der Landstraße ein Hirtenmädchen aufgefangen und zu der Herrin aufs Schloß gebracht. Aber das Hirtenmädchen ist dem heiligen Antonius geweiht gewesen. Da nun jede eingefangene Frau ihre bestimmte Beschäftigung gehabt hat, und die eingefangenen Mädchen ihrer Herrin haben aufwarten müssen, so hat die Schloßfrau dem Hirtenmädchen einen Kasten mit Schlüsseln und dazu noch ein großes Bund Schlüssel umgehängt, damit diese ihr gleich zur Hand wären, wenn sie selbst ihrer bedürfte. Das Schloß hat ein Garten umgeben, da hinein haben die eingefangenen Mädchen nach einiger Zeit wol gehen dürfen, aber nicht durch ein Thor hinaus ins Freie, das in der Gartenmauer gewesen ist. An allen Ecken und Enden haben Spione und Schildwachen gestanden, damit, wenn ja einmal eine Gefangene eine Miene zum Entfliehen hätte machen wollen, sie gleich wieder hat zurückgeholt werden können. Eines Abends ist das Hirtenmädchen auch in den Garten gegangen und hat sich in eine Laube desselben gesetzt. Hier kniet es nieder und ruft den heiligen Antonius an, es doch aus dieser Knechtschaft zu befreien. So wie es ausgeredet hat, kommt ein kleines graues Männchen daher und fragt das Mädchen, was es denn weinte und was ihm denn eigentlich fehle? Das Mädchen antwortet hierauf: ihm erginge es hier sehr übel, denn es wäre von seinen Aeltern genommen und auf dies Schloß gebracht worden, wo es nun in der Gefangenschaft schmachten müsse. Es habe soeben den heiligen Antonius angerufen, daß derselbe es aus dieser Gefangenschaft erlösen möchte. Da sagt das graue Männchen: »Ich bin der heilige Antonius; ich habe dein Flehen wol gehört und deine Bitte soll dir auch gewährt werden. Du und alle Eingefangenen, ihr sollt von dieser Stunde an frei sein, aber das Schloß mit allen seinen Reichthümern und Kostbarkeiten soll untergehen und die Schloßfrau soll, zur Strafe für ihre Missethat, deine Bürde, die du getragen hast, tragen und vierhundert Jahre auf diesem Berge (und hiermit soll er auf den nahe bei dem Schlosse gelegenen Glockenberg gezeigt haben) mit dieser Bürde walten gehen. Eher soll sie von Gott nicht erlöst werden; wenn aber eine reine unschuldige Jungfrau aus Barmherzigkeit ihr die Bürde abnimmt, so soll sie doch vor Gott Gnade finden und vor ihrer Zeit noch erlöst sein.« Wie der heilige Antonius dies ausgesagt hat, da thut's aus einmal einen Knall und das Schloß sammt seinen Gärten und Mauern ist von der Erde verschwunden. An seiner Stelle ist jetzt ein großer Bruch. Alle Eingefangenen sind auch von diesem Augenblicke an in ihre Heimat versetzt gewesen; aber die Schloßfrau steht auch in demselben Augenblicke, da dies geschehen, verwünscht auf dem Berge, einen Kasten vor sich tragend und ein großes Bund Schlüssel daran.

Nun hat sie aber, wenn ihr Menschen begegnet sind, was öfters der Fall gewesen ist, weiter nichts sagen dürfen, als: »Huk up, huk af.« Viele, die sie gesehen haben und ihr begegnet sind, aber nicht gewußt haben, was dieses »Huk up, huk af« zu bedeuten gehabt hat, sind vor dieser unheimlichen Gestalt geflohen; sie aber hat keinem Menschen etwas zu Leide gethan.

Von Zeit zu Zeit hat sich nun das untergegangene Schloß wieder aus der Erde sehen lassen, ist aber dann bald darauf wieder verschwunden. Wer so glücklich gewesen ist, dies zu sehen, der hat nur Etwas von seinem Zeuge, seine Mütze, Hut oder sonst Etwas, oder was er gerade in der Tasche gehabt hat, darauf zu werfen brauchen, dann ist das Schloß stehen geblieben und hat Jenem dann als Eigenthum gehört.

Einstmals hat in der Nähe ein Köhler gekohlt. Dieser hat zwei Mädchen gehabt, welche Wasser zugetragen haben. Eines von diesen kommt nun und will aus der Tränke im Thale Wasser holen. Es sieht sich einmal um und da vor ihm steht ein großes mächtiges Schloß mit Gärten und Mauern. Wie es dies sieht, läßt es gleich seine Eimer stehen und läuft, erschreckt über diese Erscheinung, so schnell als möglich zu seinem Vater und erzählt ihm, daß da im Thale ein großes schönes Haus stände, was es früher da nicht gesehen habe (denn es hat von der ganzen Geschichte nichts gewußt). Gleich fragt der Köhler, ob es denn nichts darauf geworfen hätte, und als das Mädchen dies verneint, da gibt er ihm eine Ohrfeige und schilt es kurz und lang aus. Dies ist aber das letzte Mal gewesen, daß das Schloß wieder zum Vorschein gekommen ist. Wäre das Köhlermädchen nun hingelaufen und hätte Etwas daraufgeworfen, so hätte ihm das Schloß gehört.

Die Jungfrau mit den Schlüsseln (so ist sie immer genannt) hat ihre Zeit aber müssen durchwalten. Viele haben sie gesehen und sind ihr begegnet, ja, selbst Alte, die ich noch gekannt habe, behaupteten, sie gesehen zu haben. Einer Namens F.... behauptete steif und fest, daß, als er eines Sonntags Morgens im Kirchenholze Weden bei einem Feuer gedreht und sich einmal aufgesehen habe, die Jungfrau mit den Schlüsseln vor ihm gestanden hätte.

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3. Der Fieke-Mackensbrunnen.

Auf dem Harze sind gar viele Brunnen, die ihren Namen nach den Köhlern erhalten haben, welche lange Jahre neben ihnen kohlten. So heißt auch eine Quelle am Fohlenbrinke bei der Altenau der Fieke-Mackensbrunnen nach einem Köhler, doch damit hat es noch seine eigene Bewandtniß. Der Köhler ist ein Pietist (Penetist) gewesen und hat sich da selbst das Abendmahl gereicht und darum ist der Brunnen nach ihm genannt. Er ist jetzt ordentlich ausgemauert, das Wasser ist so hell und klar wie keins und schmeckt seit der Zeit, daß der Köhler sich da das Abendmahl gereicht, ordentlich weinhaft.

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4. Der Lork.

In der Altenau war ein Mann, der wollte ins Holz gehen. Als er auf den Tränkeberg kam, der auch der Rothenberg heißen soll, saß da ein dicker schwarzer Lork, der glupte ihn so an und zog einen Thaler hinter sich her. Da trat er aus den Thaler drauf, sodaß er von dem Lork abriß, und steckte ihn ein. Am Abende saß er am Tische und sah aus, als ob er weinen wollte. Seine Frau fragte, was ihm fehle, er aber sagte, es sei ihm so traurig, seit er den Thaler von dem Lork abgerissen und eingesteckt hätte. Da sagte seine Frau, er solle zum Pastor gehen und mit Dem reden. Er nahm also am andern Morgen den Thaler, zeigte ihn dem Pastor und sagte, was ihm geschehen war. Der aber sagte, er solle den Thaler nehmen, wieder nach dem Tränkeberge gehen, und wenn dann der Lork käme, solle er sich nicht umsehen, sondern sich umwenden und den Thaler über sich hinüber werfen. Also that er auch und trug den Thaler wieder dort zur Stelle. Am nächsten Morgen ging er wieder ins Holz und als er an den Tränkeberg kam, saß da ein rother Frosch, da nahm er seinen Stock und schlug den Lork todt. Am andern Morgen aber ward er krank und starb.

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5. Der Stadtschreiber.

In der Altenau läßt sich ein Stadtschreiber sehen, er hatte einen Mann um zweihundert Thaler betrogen und erschien diesem später in der Nacht. Er hielt ihm das Geld auf einem Deckel (Zahlbrett) entgegen, der Mann aber wies es zurück. Mit diesem Stadtschreiber hat der verstorbene Nachtwächter in der Altenau oft seinen Spaß gehabt. Der Stadtschreiber hielt ihm das Horn zu und einmal hat er sich auch mit dem Nachtwächter geschlagen. Seit der Nachtwächter nun wußte, was der Stadtschreiber für einer sei und was er hinten auf seinem Rücken mit seinem Horn für Possen treibe, ließ er ihn immer vornweggehen, sobald er ihn hinter sich bemerkte. Zuletzt mußte ihm der Stadtschreiber immer leuchten, denn er trug stets eine Lücht (Laterne). Der Nachtwächter hatte drei ganz deutliche Kreuze vor der Stirne.

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6. Der Eseltreiber.

In der Altenau war ein Eseltreiber Namens Förster; der mußte in seinem Alter noch aus Armuth Wegearbeiten verrichten. Da stellte er sich aber immer an eine Tanne und schlief im Stehen. Des Abends hing er nur einen Korb um, stellte sich an eine Tanne und schlief die ganze Nacht. So ist er auch gestorben und acht Tage nach seinem Tode hat man ihn mit einem umgehängten Sacke an die Tanne gelehnt gefunden.


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