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Wir decken nun über drei Jahre der Studenten des Nuiterbauern den Vorhang; nicht als ob sich in dieser Zeit mit den Studenten nichts Merkwürdiges zugetragen hätte, irgendeinen Strauß muß jeder Student alle Jahre ausfechten; aber wir lassen diese kleinen Plänkeleien absichtlich weg, weil sonst die Geschichte gar zu weitläufig würde.
Wir finden in dieser Zeit den Alois in der Philosophie zu Innsbruck. Joseph und der Kanarienvogel sind an dem Gymnasium zu Hall. Der Kanarienvogel war in Innsbruck etwas gar zu flügge geworden, und da fürchtete er, er möchte sich etwa mit dem Zu-weit-über-den-Zaun-fliegen seine Flügel verbrennen, und darum zog er klugerweise in das unansehnlichere aber friedlichere Städtchen Hall.
Präfekt jenes Gymnasiums war damals der von allen Studenten gekannte und gefürchtete Pater Dismas, der Studenten aus anderen Gymnasien durchaus nicht gern die Aufnahme geben wollte, besonders wenn die Sittennote nicht ausgezeichnet war.
Der Kanarienvogel tritt vor den fürchterlichen Studententyrannen und bittet um die Aufnahme.
Pater Dismas musterte das Zeugnis des Kanarienvogels; dann kratzte er an der Warze, die sich an seiner Nase angesetzt hatte; – schon ein schlimmes Zeichen, wie der Kanarienvogel von den Haller Studenten gehört hatte; – dann zieht er seine buschigen Augenbrauen zusammen und mustert den Kanarienvogel vom Fuß bis zum Kopfe, dann erst öffnet er den Mund und sagt: Ich kann Euch nicht aufnehmen, wir haben der lustigen Studenten in Hall so genug; bleibet in Innsbruck.
Aber ich bitte, Hochwürdiger Pater Präfekt, sagte der Kanarienvogel, die Hände erhebend, ich habe ja sonst ein gutes Zeugnis.
Pater Dismas: Ihr habt es schon gehört, ich sage nein. Warum wollt Ihr gerade nach Hall?
Der schelmische Kanarienvogel schlägt demütig die Augen nieder und sagt: Sehen Sie, Hochwürdiger Pater Präfekt, das will ich aufrichtig sagen, da Sie mich fragen; halbverdorben bin ich in Innsbruck schon geworden, ich fürchtete, ganz verdorben zu werden, und darum floh ich hierher, ich traute in einer größeren Stadt mir selbst nicht.
Das wirkte. Wenn es so ist, sagte Dismas, dann will ich Euch aufnehmen. Der Kanarienvogel hatte des strengen Mannes schwache Seite erwischt; es schmeichelte ihm, daß man das Haller Gymnasium als eine Stätte der Unverdorbenheit ansah, und er hielt viel auf ein unverdorbenes Herz.
Der Kanarienvogel bekam ein Aloisibüchel, und dieses bekam vom Pater Dismas nur jener, der entweder in seiner Gunst war oder es bald kommen sollte.
So war der Kanarienvogel nach Hall geraten, und da er ein sehr geschmeidiges Wesen und noch dazu eine schöne Stimme für den Musikchor hatte, so war er bald der Liebling des Paters, obgleich er hier und da auch seinen Streich spielte.
Dem Joseph war es in Salzburg nur zu gut ergangen, fast wäre Gefahr gewesen, daß er im Glücke ausartete, da flüsterte ihm ein guter Engel zu, er sollte doch lieber in sein liebes Tirol zurückwandern, in Salzburg gäbe es für einen Studenten zu viel Ablockendes, und nicht eigentlich der Wille, sondern der gute waltende Schutzgeist trieb Joseph nach Hall.
Gerne wäre er schon mit dem Kanarienvogel nach Hall gekommen, aber der strenge Pater Dismas nahm ihn nicht auf, denn vor den Salzburger Studenten hatte er einen entsetzlichen Abscheu. Inzwischen war Dismas nach Bozen versetzt worden, und so stand Joseph kein Hindernis mehr im Wege, nach Hall zu ziehen.
Der Kanarienvogel, ein Erzbettler, konnte dem Joseph fünf seiner Kosttage überlassen, da er deren so viel überflüssig zusammengebettelt hatte; natürlich suchte er für sich die bessern Orte aus.
Das Leben der drei Studenten ging ganz seinen regelrechten Gang. Alois in Innsbruck war recht brav, Joseph ernst und gemessen, der Kanarienvogel war lustig, mit einer Portion Leichtsinn gemischt.
Am Namenstag des Joseph kam Alois zu seinen Brüdern auf Besuch; man wollte einmal sich einen guten Tag austun. Alle drei gehen in das Badhaus nach Heiligkreuz, und da wird wacker gegessen und getrunken, und dem Joseph die Gesundheit ausgebracht; endlich wird es Abend, Alois muß an das Nachhausegehen denken; denn damals war noch die langsame Stellwagenzeit, und selbst der Stellwagen war dem Alois zu kostspielig, er mußte sich der noch langsameren Fußrappen bedienen.
Kellnerin, hieß es, bezahlen!
Gleich, sagte sie, und läßt sich vorher von den andern Gästen bezahlen.
Doch zufällig wirft sich unter den drei Studenten die Frage auf: Wer bezahlt?
Ich bin auf dem Hund, sagte Alois. Ich glaubte, du Joseph werdest mir an deinem Namenstag aufwichsen?
Ja ich bin zufällig gerade auch auf dem Hund, sagte Joseph; also trifft's dich Kanarienvogel.
Und ich bin auch total auf dem Hund, sagte der Kanarienvogel.
Fatale Geschichte, meinte Alois.
Ei was, sagte Joseph ärgerlich, du Kanarienvogel bist nicht auf dem Hund, habe ich ja gestern in deinem Schächtelchen drei blanke Taler gesehen, gehe, sie zu holen.
Doch der Kanarienvogel behauptete, diese Taler wären schon gestern ausgeflogen, und zum Beweise wies er sein leeres schwindsüchtiges Geldbeutelchen vor.
Joseph schüttelte ungläubig das Haupt, doch was half es, der Kanarienvogel wollte mit keinem Gelde ausrücken, und die Kellnerin stand nun auch schon an dem Tische, sich bezahlen zu lassen.
Noch eine Halbe, sagte Joseph der Kellnerin, die leere Flasche hinschiebend, sie geht schon noch.
Als die Kellnerin mit der Flasche fort war, sagte Joseph, daß sie zwei inzwischen im Versatze bleiben sollten, er werde gehen, ein Geld auszuleihen.
Erst nach einer halben Stunde kam Joseph mit einem entlehnten Taler zurück und löste die zwei Gebannten aus; aber der Kanarienvogel galt ihm von nun an als ein Knicker, der seine Brüder um eines lausigen Talers willen hätte sitzen lassen. Hätte Joseph es gewiß gewußt, daß der Kanarienvogel die drei Taler noch habe, so hätte er ihn samt dem Alois nicht ausgelöst, dann würde er am Ende doch wohl mit seinen Talern ausgerückt sein.
So vergingen den drei Studenten unter allerhand Katzbalgereien weitere zwei Jahre.
Da kamen für den Alois und Joseph gar ernste Stunden des Nachdenkens; der leichte Sinn machte tiefem Trachten Platz; denn nun hieß es sich den Beruf wählen; es trat die Frage an sie: »Geistlich werden oder nicht?«
Was der Vater und die Mutter wollten, hatten sie ja schon in den Kindesjahren oft gehört. Geistlich werden hieß das Losungswort, das den Nuiterbauer bewog, seine harten Taler für die Buben herzugeben; in dem glücklichen Gedanken an drei Geistliche schwelgte die Mutter schon seit Jahren und die drei jungen Studentleins redeten früher auch von nichts anderem als Geistlich werden! Aber steht man wirklich am Tore, wo man für ein ganzes irdisches, ja vielleicht auch für ein ewiges Leben entscheiden soll, da plappert man nicht Worte nach, die man in der Jugend oft gehört, ja selbst gesprochen hat. Worte werden leicht geredet, man denkt aber nach, was diese Worte zu bedeuten haben, wenn sie in das eigene Leben übersetzt werden sollen.
Die Mutter hatte von einem Geistlichen eine hohe Anschauung. Sie meinte, der Mensch werde, wenn er Geistlicher werde, ein Engel, ja mehr als ein Engel, ein halber Christus, und ein Sohn auf dem Altare müsse für eine Mutter das größte Glück sein. Ein solcher Sohn ziehe in der Messe Vater und Mutter und Geschwister fast mit Gewalt in den Himmel, und die Mutter habe natürlich vor allen das Vorrecht. Dann könne ein solcher Sohn täglich ganz vertraut mit dem lieben Herrgott umgehen, er könne sogar ihn in den Händen tragen, wie die Mutter Gottes das Christkindlein zu Bethlehem. Welch Glück sollte aber größer sein als ein Geistlicher zu sein, und welch Glück einer Mutter, einen solchen Sohn zu haben.
Anders faßte der Nuiterbauer den Priesterstand auf. Ihm war der Priester ein gemachter Herr, der wenig Sorge und Plage und viele gute Tage hat. Der geistliche Stand galt ihm als das Nonplusultra aller glückseligen menschlichen Stände. Die Mutter hatte zwar recht, aber doch nicht ganz: denn der Stand, mag er auch an sich heilig sein, heiligt nicht jeden Menschen; doch wer hätte ihr diese Vorliebe für den geistlichen Stand verargen mögen?
Alois und Joseph teilten ihre Ansichten nicht mit den Eltern, mit dem Vater schon gar nicht, denn sie hatten gesehen, daß ein Hilfspriester oder Kooperator oft ein gar armer Schlucker sei, und daß gerade der Hilfspriester in Großkirchen nicht imstande sei, sich für den Winter einen Mantel anzuschaffen, und wegen der Gewißheit des irdischen und himmlischen Himmels für einen Geistlichen waren sie auch nicht überzeugt.
Kurz Joseph und Alois überlegten es sich wohl, was für sie an Leib und Seele das beste wäre, und da ein junger Mensch wie ein feuriges Rößlein ist und oft dem nächsten besten Eindruck nachgibt, so fragten sie ältere Männer, zu denen sie Vertrauen hatten, und fragten auch den Himmel durch Gebet. Joseph fragte am meisten die Muttergottes in der Totengruft.
Alois hatte seinen Entschluß schon am Beginn der Vakanz heraus; Joseph am Ende derselben.
Alois war nicht in die Vakanz gekommen, das war dem Nuiterbauern schon ein schlimmes Zeichen; denn, was hat er in der Vakanz zu Sprugg zu tun, gewiß studiert er Jus, so sagte er mißmutig zu seinem Weibe. Er soll tun, was er will, aber wenn er ein Bauernschinder wird, bekommt er von mir nichts mehr.
Und du, Joseph, fragte der Nuiterbauer, was wirst du beginnen?
Joseph: Ich weiß es noch nicht recht, ich werde nach Innsbruck gehen, die Philosophie zu studieren.
Den Kanarienvogel plagten natürlich ähnliche Sorgen noch gar wenig.
Wieder war es Herbst geworden, und in der Stube des Nuiterbauern war jene Stille eingekehrt, die herrschte, wenn die Studenten wieder fort waren.
Da kamen an einem Tage zwei Briefe. Der eine war von Alois, der in rührenden Ausdrücken kindlicher Liebe den Nuiterbauern benachrichtigte, daß er alles wohl überlegt und sich entschlossen habe, nicht Geistlicher zu werden. Der Beruf käme von oben, und von dorther habe er den Beruf zum Geistlichen nicht erhalten. Es schmerze ihn tief, daß er die süßesten, lang gehegten Wünsche des teuren Vaters und der innig geliebten Mutter durchkreuzen müsse. Gott wolle es so.
Gott will es, sprach die Mutter mit einem tiefen Seufzer und wischte sich eine große Träne von ihren Augen.
Der dumme, einfältige Bube, fuhr der Nuiterbauer auf; ein Hungerleider wird er, ein ewiger Tintenkleckser; wie reut mich das dafür hinausgeworfene Geld! Aber den offenen Vorteil, diesen schönen Stand, das Paradies nicht zu erkennen, das heiße ich blind sein! Aber hineinbohren kann ich es meinem Buben nicht.
Schau, sprach besänftigend die Mutter, wenn er brav bleibt, hat er ja doch einen ehrlichen Stand, und brav ist der Alois.
Schweige, sagte der Nuiterbauer, du hilfst ihm auch noch!
Die Standeswahl, erwiderte die Mutter, muß frei sein, es ist Gewissenssache; die Kinder zu zwingen in dieser Sache ist nicht erlaubt; frage nur den Dekan!
Nuiterbauer: Das weiß ich wohl, aber warum will der Bube nicht den besten Stand wählen? warum tritt er sein Glück mit Füßen?
Voll Verdruß wollte der Nuiterbauer wieder an seine Arbeit gehen, da erblickte die Bäurin den andern Brief, den sie im Schmerze über ihre getäuschten Hoffnungen beiseite gelegt hatte.
Da ist noch ein Brief, rief sie, es ist Josephs Schrift; hören wir, was er schreibt.
Wird wenig Rares sein, sagte der Nuiterbauer, der Joseph wird wohl auch einmal so ein Federfuchser werden!
Ums Himmels willen, schrie jetzt die Nuiterbäuerin auf, das ist zu viel auf einmal, ich weiß nicht soll ich vor Freude aufjubeln oder trauern und weinen. Denke, Joseph ist zu den Kapuzinern gegangen!
Zu den Kapuzinern? fragte der Nuiterbauer in gedehntem Tone.
Ja zu den Kapuzinern, wiederholte die Bäurin, er ist schon eingekleidet; er ist im Noviziate zu Eppan und nimmt in diesem Briefe von uns und der Welt ewigen Abschied. O glücklicher Joseph, könnte ich mit dir tauschen! Siehst du, der Herr hat mir dennoch einen geschenkt!
Hm hm, ein Kapuziner, brummte der Nuiterbauer, es ist zwar schon recht, aber so eine grobe Kutte tragen, kein Geld haben und immer Stockfische essen, das ist ein wenig hart. Wie wird er uns im Alter unterstützen können? Doch lieber ist er mir doch noch Kapuziner als so ein Federfuchser geworden. – Hm hm, warum denn gerade zu den armen Patern gehen, da wäre zum Beispiel ein Stamser oder Wiltauer ganz etwas anderes; die sind auch Herren, wie andere Geistliche. – Doch sei es nun in Gottes Namen!
Der Mutter Herz aber war voll Wonne, und wieder ging sie hinab in die Totengruft und schüttete dort vor der Mutter Gottes ihr Herz aus.
Der Nuiterbauer gewöhnte sich nach und nach schon auch in die neuen Verhältnisse seiner Söhne; der Landrichter von Großkirchen gratulierte ihm sogar zu seinem gescheiten Sohne, der Dekan meinte auch, daß Alois nicht unrecht getan habe; vorzüglich spendete er dem Entschlusse Josephs Lob, und so ließ es endlich auch der Nuiterbauer gehen wie es ging; aber dem Alois einen Knopf Geld zu schicken, konnte er nicht bewogen werden; denn Opfer für eine Sache zu bringen, die ihm zuwider war, wäre zu viel von ihm verlangt gewesen.
Der Nuiterbauer setzte noch seine letzte Hoffnung auf den Kanarienvogel. Einer muß Dekan in Großkirchen werden. Der Alois wird es nicht, der Kapuziner auch nicht, somit der Kanarienvogel. Aber der Kanarienvogel war inzwischen in Hall ein Kanatzki geworden; er hatte im ersten Semester in Hall zu viel lustige Streiche gemacht, so daß sogar die ihm günstigen Patres von ihm abfielen, und so erhielt er am Ende des ersten Semesters mit noch einem Lustigkeitsgefährten, dem langen Seppl aus Brenndorf, seinen förmlichen Laufpaß.
Der Kanarienvogel liebte die Musik leidenschaftlich, und hörte er irgendwo eine Geige quicken, so zog es ihn wie mit starken Stricken hin; wie sollte ein Kanarienvogel die Musik nicht lieben?
Wo Musik war, gab es auch Tanz, vorzüglich im Fasching, und der Dreivierteltakt der Straußischen Walzer tönte so schön auf die Gasse herab, das Didirldum, Deidirldum des Klarinetts erklang so lockend, daß der Kanarienvogel alle erhaltenen Lehren der Patres vergaß und dem unter Entlassung verpönten Tanzen zuschaute. Er selbst tanzte nie.
Am andern Tage hieß es dann immer hinaus zum Kreuze, zum Pater Präfekt kriechen, und fast immer wußte der Kanarienvogel bei dem gröblich erzürnten Präfekt so süß zu reden, zu entschuldigen und zu versprechen, daß er ihn immer mit einer bloßen Strafpredigt entließ; aber da alle Vorsätze des Kanarienvogels sich als eitel erwiesen, so wurde er endlich, wie gesagt, auf Andringen des Religionsprofessors entlassen. Davon wußte der gute Nuiterbauer zu Hause nichts.
Der Kanarienvogel verlor deswegen seine gute Laune nicht; er verließ sich auf seinen Glücksstern; die Welt ist groß, dachte er sich, und es ist noch nicht aller Tage Abend geworden.
Alois war in Innsbruck an einem Mittwoch gerade daran, Staatsrecht zu studieren, da treten der Kanarienvogel und der lange Seppl zur Türe herein.
Ihr da, fragte Alois, habt ihr heute Vakanztag?
Wir haben wohl etwa jetzt lange Vakanz, sagte lachend der Kanarienvogel, wir sind in Hall in aller Form verjagt worden!
Verjagt, rief Alois staunend aus, und du lachst noch?
Weinen kann ich bei dem Handel einmal nicht, sagte der Kanarienvogel, denn er ist so spassig; du hättest nur meine schimpfende Quartierfrau hören sollen, als ich ihr das Quartier aufkündete und ihr sagte, das Quartiergeld für das zweite Semester könnte sie sich beim roten Kreuze abholen. Welch ein paar Katzenaugen sie hermachte! Und als ich das letzte Solo in der Franziskanerkirche sang, da wurde so manches Auge vor Tränen naß. Ich sang, so rührend ich konnte, mein Schwanenlied. Ist das nicht zum Lachen?
Alois: Mir einmal wäre nicht zum Lachen; denke an den Vater, die Mutter!
Kanarienvogel: Meinst denn du, wir bekämen nirgends mehr Aufnahme? Wir werden schon machen, nicht wahr, Seppl? Ein bißchen Vakanz schadet uns auch nicht.
Das wollte dem Alois nicht recht eingehen; doch die zwei Exstudenten waren guter Dinge und gingen von Alois weg um studentisch zu kneipen. Erst am anderen Tage wurde überlegt, was man nun etwa anfange.
Probieren wir es einmal mit den hiesigen Jesuiten, sprach der Kanarienvogel zu dem langen Seppl.
Die Jesuiten sind gar heikle und kluge Männer, meinte Seppl, mit diesen ist gar nichts anzufangen, da wäre es noch unter dem alten Präfekten besser gewesen, da durfte man sich doch ein wenig rühren, aber jetzt darf sich kein Student mehr mucksen.
Eben mit diesen Männern möchte ich anknüpfen, sagte der Kanarienvogel, und zwar mit dem Pater Präfekt, der so klug sein soll, daß er das Gras wachsen hört; die Studenten nennen ihn den Kanut, warum, weiß ich nicht; doch schlauer als der alte Eminenzen-Stutzer Dismas ist er gewiß nicht.
Wagen wir uns an ihn. Aber da heißt es alle Minen springen lassen. Wenn ich nur eine schwache Seite wüßte! Da er ein Ordensmann, und zwar aus dem strengsten Orden ist, müssen wir ihn bei dem Religiösen packen; das wird noch das gescheiteste sein.
Seppl: Aber darauf verstehen wir uns am allerwenigsten; wir sind wohl burschikös, aber wenig religiös!
Kanarienvogel: Da laß nur mich machen. Du hast gar nichts anders zu tun, als das Schnupftuch vor die Augen zu halten, hinter mir zu halten und zu tun, als ob du weinen müßtest.
Seppl: Auf das gehe ich ein, auf mehr nicht, und wenn uns Kanut der Große grausam anfährt, so stelle ich mich auf die Füße.
Kanarienvogel: Meinetwegen. Ich lasse mich aber nicht so leicht aus dem Felde schlagen. Auf nun zur Präfektur! Courage, Seppl. Richte dir Tränen in deine Tränensäcke ein! Ich habe keinen Tropfen im ganzen Leibe.
Schon stehen sie vor der Präfektur; eine Glastüre läßt den fürchterlichen Mann erblicken, den sie nun erstürmen wollen; er sitzt brütend über Schriften, wahrscheinlich sind es Kataloge, Schand- und Ehrenbücher der lieben studierenden Jugend.
Der hat die Gesichtszüge eines Caligula oder Nero, flüsterte Seppl, mir ahnt nichts Gutes.
Bst, sagte der Kanarienvogel leise, habt acht, in Stellung!
Der Kanarienvogel klopft an der Glastüre.
Herein! ruft der Präfekt, scheinbar ohne aufzublicken, er hatte jedoch die Jungens auf einen schnellen Blick gesehen und aus dem Gewändchen ihren Stand erkannt. Studenten darf der Präfekt nicht bis zur Türe entgegen gehen; er empfängt sie nur sitzend, seine Würde bewahrend.
Gelobt sei Jesus Christus, sagte der Kanarienvogel, in demütiger Stellung und mit niedergeschlagenen Augen eintretend.
In Ewigkeit, antwortete Kanut, was gibt es Gutes?
Nichts Gutes, sagte der Kanarienvogel, lauter Schlimmes, wir sind ein paar recht leichtsinnige Studenten in Hall gewesen, wir taten kein gut, und da sind wir am Ende des Semesters entlassen worden; denken Sie sich, Hochw. Pater Präfekt, entlassen im letzten Jahre des Gymnasiums! (Seppl wischt sich inzwischen hinter dem Kanarienvogel in einem fort die Augen aus, endlich fängt er gar an laut zu heulen.)
Präfekt: Was wollt ihr von mir mitten im Jahr?
Kanarienvogel: Wenn eine aufrichtige, demütige und herzliche Reue etwas nützt, würden wir um die Aufnahme bitten.
Präfekt: Es geht nicht, es ist gegen die Vorschriften.
Nun aber ließ der Kanarienvogel seine Zunge los, süß, geschmeidig, einschmeichelnd, überredend und überzeugend; der lange Seppl im Hintergrund seufzte, weinte und heulte dazu, so daß endlich auch der unüberwindliche Kanut weich wurde.
Meinerseits, sagte er, sollt ihr die Aufnahme haben, wenn ihr keine Weibsbildergeschichten oder sonst etwas Unsittliches angestellt habet.
Beileibe nicht, sagte der Kanarienvogel, es waren lauter Streiche wohl verabscheuungswürdig, dennoch mehr aus Leichtsinn, Kneipereien, Narreteien und Musikliebhabereien.
Aber vorerst muß ich noch den Rektor fragen, sagte Kanut, von ihm hänge auch ich ab. Kommt morgen um diese Zeit! Mit diesem wurden sie vom Präfekt entlassen.
Viktoria, rief der Kanarienvogel, als sie weit genug von dem Gymnasium entfernt waren und sie glauben konnten, von Kanut nicht mehr gesehen zu werden, die Sache ist gewonnen; aber du langer Seppl hast deine Rolle auch meisterlich gespielt, dich hätte Abraham von Santa Clara als Muster für seinen Judas den Erzschelm genommen.
Seppl: Oho! Hänge mir deinen Namen nicht an, du bist der Meister! Nun verträgt es eine halbe guten Stoff. – Wir wollen auch das Lied anstimmen:
Einen Doktor zu betrügen,
Muß man schlau zu Werke gehn,
Und den Kanut zu besiegen,
Können wir allein verstehn! etc. Ha ha ha.
Doch am anderen Tage wurde der Jubel der zwei Studenten bedeutend herabgestimmt. Als sie voll Siegesgewißheit in die Präfektur traten, sagte der Pater Präfekt, daß der Rektor sein Veto eingelegt habe; er bedaure, er sei auch nur ein Diener und müsse gehorchen, sein fürbittendes Wort habe nichts gefruchtet.
Über den Rektor getraue ich mich nicht, sagte der Kanarienvogel; diese Männer schauen gar so finster und ernst drein, als wollten sie einem tief in die Seele hinabschauen und darin lesen; doch kommt Zeit kommt Rat.
Zufällig war damals der Kreishauptmann von Schwaz in Innsbruck, und dieser war Studienrektor für das Gymnasium in Hall. Alois hatte ihn bei dem Bauinspektor D.... getroffen, dessen Neffen er Unterricht im Latein gab, und da ihm das Schicksal des Kanarienvogels denn doch am Herzen lag, so steckte er sich hinter den Bauinspektor, um etwa die Sache wieder ins Geleise zu bringen.
Der Kreishauptmann bestellte die zwei Exstudenten auf den andern Tag, 4 Uhr nachmittags zu sich, was Alois ihnen voll Freude eröffnete; aber versäumt ja die Zeit nicht, setzte er hinzu, denn um 5 Uhr reist er nach Schwaz zurück.
Am andern Tage 5 Uhr abends kam Alois eben von seiner Repetitionsstunde zurück, und wie er in sein Zimmer eintritt, sieht er den Kanarienvogel an seinem Studiertische sitzen. Er hat seine Sackuhr vor sich auseinandergelegt und putzt an den Rädchen, denn er ist auch ein wenig Uhrmacher; er hat sich diese Kunst von einem Uhrmacher in Hall abgeschaut, wo er täglich ein paar Stunden beobachtend zubrachte.
Nun, fragte Alois, wie ist's bei dem Kreishauptmann gegangen?
Donnerwetter, rief der Kanarienvogel, von seiner Beschäftigung auffahrend, das habe ich gar fleißig vergessen.
Wie, du warst nicht bei ihm? fuhr Alois betroffen fort. Dann verdientest du wohl drei Tage auf eine spitzige Hechel gesetzt und mit Riemen gepeitscht zu werden. Das wäre unverantwortlich, und ich hätte mich noch mit euch blamiert.
Kanarienvogel: Es ist einmal so, und wenn ich mich darüber zu tot ärgere oder auch von dir tot schlagen ließe, es wird doch nicht anders.
Alois: Fünf Uhr ist vorbei, er ist schon fort; ich schäme mich für euch. Der Kreishauptmann wird meinen, daß ich ihn gefoppt habe, oder aber, daß ihr zwei höchst gleichgültige Kerle seid. Ich tue für euch keinen Schritt mehr! Mir ließ das Ding den ganzen Tag keine Ruhe, und du vertändelst die Zeit mit deinem nichtsnutzigen Prater.
Kanarienvogel: Oho! Sei nur nicht böse, diese Scharte werden wir schon wieder auswetzen. Eigentlich bin daran nicht ich, sondern es ist meine Uhr schuld. Sie hatte die Kaprice, gerade um 4 Uhr widerspenstig zu sein, und da mußte ich ihren Tücken doch ein wenig auf die Nat gehen; ich meinte in ein paar Minuten sie zur Ordnung zu weisen, aber es hexte mich. Und wegen des Kreishauptmanns wird der Himmel auch nicht herunterfallen; kostet höchstens einen Weg von sechs Stunden, dann haben wir ihn doch beim Schopfe, er kömmt uns nicht aus.
Alois: Aber den Aufsitzer, den ihr ihm geliefert habt, wird er euch nicht vergessen.
Kanarienvogel: Da ist bald ein entschuldigender Vorwand gefunden; z. B. ein kleines Zwicken im Bauche, oder eine Überstauchung des Fußes.
Alois: Ich wünsche, daß es gut ablaufe; aber eine solche Portion Leichtsinn habe ich in meinem Leben nicht getroffen.
Ehe noch am anderen Tage der Morgenstern am Himmel erbleicht war, waren der Kanarienvogel und der lange Seppl schon auf dem Wege nach Schwaz und bliesen aus ihren Porzellanpfeifen gemütlich dicke Rauchwolken in die kühle Morgenluft.
Um 9 Uhr vormittags standen sie schon in der Kanzlei des Kreishauptmannes und brachten ihre Bitte vor.
Der Kreishauptmann aber fuhr sie tüchtig an: Euch liegt an dem Studieren nicht viel, sonst wäret ihr zur Zeit gekommen, wo ich euch zu mir bestellt habe.
Doch der Kanarienvogel war just nicht einer von Schreckenhausen, der sich leicht abspeisen ließ. Er ging nicht vom Flecke und bewies, behauptete, beschwor und beteuerte, daß das Erscheinen zur bestimmten Stunde eine reine Unmöglichkeit gewesen sei. Der Marsch nach Schwaz mit nüchternem Magen sei ihnen gewiß kein Unterhaltungsmarsch oder etwa gar ein Frühstück gewesen, dieser zeige, wie ernst ihnen sei.
Ja was wollt ihr denn? rief endlich ungeduldig werdend der Kreishauptmann aus.
Gar nicht mehr, erwiderte der Kanarienvogel, als ein paar Zeilen von Ihrer mächtigen Hand an den Präfekten von Hall, worin Herr Gubernialrat einfach erklären, daß Sie uns wieder ins Gymnasium aufnehmen; und Sie werden sehen, daß wir Ihnen keine Unehre machen, denn wenn wir uns zusammennehmen, können wir schon auch einen Alten spielen.
Ich kann, sprach der Kreishauptmann, den Präfekten nicht vor den Kopf stoßen. Es geht nicht. Nun geht, ich muß arbeiten. Alles weitere Gerede ist umsonst.
Und so entfernten sich denn der Kanarienvogel und der lange Seppl mit ellenlangen Gesichtern.
Krautige Welt, sagte der Kanarienvogel, daß wir doch überall abschlüpfen müssen! Nun wird das Jahr für uns verloren sein. Fatal! Elender Prater, der du mich hast aufsitzen lassen, fast hätte ich Lust, dich an die Wand zu schmeißen, daß du das Aufstehen vergessest. Doch zu was sich ärgern und grämen? Das ist des Schicksals Tücke! Ein Philosoph kümmert sich um solche Kleinigkeiten wenig, und angehende Philosophen sind wir, nicht wahr, Seppl?
Seppl: Ja wohl, aber tiefer guckten wir in die Weltweisheit nicht hinein, als so weit sie unsere Gurgel berührt. Fühlst du keinen Durst?
Kanarienvogel: Du hast mir das Wort von der Zunge genommen, gerade wollte ich dich um das nämliche fragen. Gehen wir in die Kneipe zur »Kappe« genannt, dort haben sie guten Stoff, und der Wirt rückt vor den Studios immer gar manierlich sein Käppchen; ich kenne ihn von unserem letzten Studentenausfluge.
Die zwei Brüder Liederlich vertieften sich bald in die Bierkrüge des Kappenwirtes; um 11 Uhr waren sie so aufgeräumt, daß sie meinten, Tische, Tafeln, Krüge, Stühle, seien auch lustig und machten ein kleines Tänzchen.
Da erschien auf einmal ein junger, vornehm gekleideter Herr und fragte, ob nicht hier zwei Studenten wären.
Dort sitzen sie, sagte der Wirt, vor dem angekommenen Herrn einen tiefen Kratzfuß machend.
Der Papa, sagte der Herr zu den zwei Studenten, hat gesagt, sie möchten gleich zu ihm kommen, es sei ihm etwas eingefallen.
Einmal müssen wir wissen, stotterte der lange Seppl, wer Ihr Papa ist, daß er nach uns zu schicken hat und ihm wegen unser etwas einfallen kann; wir sind ja selbst hier eingefallen.
Wer der Papa ist, fragen Sie, nun wissen Sie das nicht, der Kreishauptmann, so erwiderte der Junker.
Ah! – ah! – so! bitte um Vergebung – sagte Seppl weiter. Eine solche Ehre konnten wir nicht vermuten. – Prost, junger Herr, haben gewiß auch einmal studiert, trinken Sie ein Pereat allen Studentenfeinden.
Der junge Herr verschmähte Seppls Bierkrug nicht, er trank lächelnd ihm zu und sagte darauf: Also folgen Sie mir bald nach, der Papa erwartet Sie. – Und darauf ging der junge Herr fort.
Potztausend Element, sagte der Kanarienvogel, zum Kreishauptmann sollen wir jetzt, und in unserem Kapitolium, da geht's so bunt herum. Und unsere Füße wanken; da heißt es sich zusammennehmen, sonst sieht er uns unsere Eselsspitze schon über das Gesicht an.
Also Seppl, paß auf, daß du pfeilgerade einhergehst; probieren wir zuerst an der Bodendiele, ob wir noch nach der Schnur gehen können.
Und der lange Seppl und der Kanarienvogel fangen nun an, längs den Fugen des Stubenbodens auf und ab zu gehen. Der Wirt und die Töchter lachen entsetzlich ob dieses Versuches.
Der Kanarienvogel besteht die Probe, doch der lange Seppl balanziert gewaltig hin und her.
Pfui der Schande, sagte der Kanarienvogel; nimm dich zusammen Cyper! (Das war des Seppls Kneipnamen.) Links, rechts, aufmarschiert, attackiert, retiriert; eins, zwei, links, rechts und gradaus – den Kopf in d'Höh, du altes Haus! – So, jetzt können wir es wagen. Und wenn dir etwa eine Anwandlung von einem Taumel kommt, denken an das schreckliche Wort: Wir stehen vor dem Kreishauptmann, dem Rektor magnificus, der ist unser Dominus.
Die beiden suchten alle Geistes- und Leibeskräfte aus allen Winkeln zusammen und pflanzten sich bolzgerade vor den Kreishauptmann hin, der zum Glücke ihr verwirrtes Aussehen ihrer Niedergeschlagenheit zuschrieb.
Des Seppls Pfeifenrohr schaute eine Elle über die hintere Rocktasche hinaus; der Seppl spielte den Stummen, den total Niedergebeugten. Nur der Kanarienvogel stand zur Rede, ihm hatte der Stoff seine Zunge noch geläufiger gemacht.
Wie wäre es, sagte der Kreishauptmann, wenn ihr in Hall privat studieren würdet? das ist mir soeben eingefallen.
Das wäre gar nicht übel, erwiderte der Kanarienvogel, Herr Gubernialrat, das wäre ein Strahl vom Himmel, dazu sind wir herzlich gerne bereit.
Nun so geht, fuhr der Kreishauptmann weiter, und sagt dieses dem Pater Präfekten in Hall, ich gebe euch dazu die Erlaubnis.
Wie Euer Gnaden befehlen, sagte der Kanarienvogel, nur wird es der Pater Präfekt auf unsere bloßen Worte hin nicht glauben. Ein paar Zeilen von Ihrer gütigen Hand und ein Vogel darauf gedrückt, wird unseren Worten Kraft geben.
Sie erhielten das Verlangte, und in einer Stunde waren die Glücklichen mit dem Freiheitsbriefe auf dem Wege nach Hall.
Das Ding geht exzellent, sagte der Kanarienvogel, nun sind wir wahre Freiherrn. Ich mache den Präfekt, du den Schüler, und damit du dich nicht beklagen kannst, wechseln wir alle Wochen die Rollen, und so werden wir einander nicht zu wehe tun. Unsere Vorlesungen halten wir z. B. etwa beim Aniserbräu; Gesetze machen wir uns keine, Polizeistunde nach Belieben.
So waren diese zwei einverstanden! Als sie aber mit dem Vorschlage des Kreishauptmannes zum Präfekten in Hall kamen, schlug dieser einen Heidenlärm über den kuriosen Einfall des Kreishauptmannes. Wie, sagte er, ihr wäret also Studenten ganz außer dem Gesetze? Das wäre mir die rechte Wirtschaft, bald wird jeder Lump privat studieren wollen, und endlich können wir mit unserem Gymnasium fein sauber zusammenpacken.
Da lege ich mein ernstliches Veto ein, daraus wird nichts.
Und so gingen die Studenten noch einmal nach Schwaz und referierten, was ihnen gesagt worden.
Endlich kam man überein, daß die zwei Exstudenten wohl fortstudieren könnten, aber nicht in Hall, sondern in des Seppls Heimat, in Brenndorf.
Dort sollten sie unter strenge Aufsicht des Paters Eustach gestellt werden, eines Mannes, der einst der Schrecken der lustigen Haller Studenten gewesen war, und dem schon eine Pfeife, eine halbe Bier, lange Haare und ein offenes Gilet hinreichender Grund war, den Studenten auf der Mücke zu haben.
Ins Quartier sollten sie zu einer alten Base des Cyper kommen, die sich täglich an der Klosterpforte einstellen mußte, um über das Verhalten der zwei Studenten dem Pater Eustach zu berichten. Und war das Probesemester gut vollendet, so sollten sie in Hall sich zur Prüfung stellen. Somit wurde für diese zwei allein eine hohe lateinische Schule zu Brenndorf eröffnet.
Pater Eustach nahm sie gehörig ins Koram, des Kanarienvogels und Seppls schöne braune Locken flogen ab, und sie gingen daher wie gestutzte Hunde; ihre Röcke aber wurden als Stutzerröcke befunden, und die Base mußte überall eine halbe Elle daran setzen. Geld bekamen sie natürlich keines unter die Hände. Den Tag hindurch mußten sie meistens im Kloster mit Studieren und Beten sich beschäftigen; um 6 Uhr mußten sie zu Hause sein und dann durfte kein Schritt mehr aus dem Hause getan werden, denn die zwei Studenten mußten vor der Alten schlafen gehen.
Erst nachdem der Kanarienvogel schon lange Privatstudent in Brenndorf war, erfuhr der Nuiterbauer die Geschichte zufällig durch einen Brenndorfer, der zum Besuch seiner Verwandten nach Großkirchen gekommen war, und so war ihm ein großer Verdruß und Kummer teilweise erspart. Dem Joseph wurde gar nichts davon geschrieben.
Ob sich der Kanarienvogel und der Cyper in Brenndorf wirklich so musterhaft aufgeführt haben, wüßte ich nicht zu sagen. Nur dieses weiß ich, daß Pater Eustach und die alte Base mit den zwei gänzlich bekehrten Jünglingen außerordentlich zufrieden waren. Böswillige Leute erzählten mir freilich hintennach, daß die zwei doch nicht gar so fromm gewesen wären. Sie hätten den Pater und die Alte tüchtig bei der Nase herumgeführt. Sie hätten der Base Geld abgeschwätzt und wären beim Tage fromm gewesen, aber nach 9 Uhr hätten sie sich in den Strumpfsocken über die Tenne ausgeschlichen und wären oft bis Mitternacht beim Löwenwirt gesessen. Ja, dieses hat mir sogar die Löwenwirtin selbst ins Angesicht behauptet.
Nach vielen, vielen Hindernissen und Anständen durften endlich die zwei Privatstudenten in Hall die Prüfungen für das zweite Semester der sechsten Klasse ablegen, und diese fiel, wenn nicht ausgezeichnet, doch gut aus; somit hatte auch der Kanarienvogel das Gymnasium glücklich absolviert.