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Winterreise

Wo sucht man euch, ihr lichten Höh'n,
Ihr stolzen Träger grüner Matten,
Wo uns umspielt des Aethers Weh'n,
Wo wir geruht in Duft und Schatten?

Verschwunden sind die Gipfel schier,
Die sonst gigantisch aufwärts ragten,
Die oft von heller Rosenzier
Des späten Abendroths beflaggten.

Grau hüllt ein Nebeldampf sie ein,
Der sich als Wand vor sie geschoben
Und über Wälder, Flur und Hain
Des Winters Trauerflor gewoben.

Sie sind des Glückes Stunden gleich
In ein unförmlich Nichts zerflossen
Und leuchten doch, erinn'rungsreich
In uns're Herzen eingeschlossen.

Bang' unterm Fuße ächzt der Schnee,
Der eine Blumenwelt begraben;
Wir seufzen auch, mahnt uns ein Weh,
Das wir versargt im Busen haben.

Oft macht des Schicksals schwerer Schritt
Die Herzen unter ihm erdröhnen,
Die Blumen, die es da zertritt,
Sie müssen sich des Blüh'ns entwöhnen.

Dann zieht erstarrend kalter Hauch
Uns fröstelnd allerorts entgegen,
So wie uns heute eisig auch
Die Luft umfängt auf uns'ren Wegen.

Gedanken wie an Glück und Tod,
Die kommen leicht bei solchem Wetter;
Doch gibt es aus des Grübelns Noth
Auch einen unfehlbaren Retter.

Das ist ein Glas voll heißen Weins
An einem gastlich heit'ren Herde;
Dann ist's, als fiel' des Sonnenscheins
Ein Meer auf dieses Fleckchen Erde.

Es stellt der Lenz sich ein voll Pracht,
Ein heit'rer Frühling des Gemüthes,
Und rund herum, mit aller Macht,
Da jubilirt und sproßt und blüht es.

Das Mädchen, das den Trank uns reicht,
Sieht man in's Auge viel dem Kinde,
Schmilzt von dem Herzen uns vielleicht
Die allerletzte, starrste Rinde.

Die Freuden, die der Sommer bringt,
Vorahnend werden sie genossen,
Die Gluth, die warm zum Innern dringt,
Hat voll der Hoffnung Kelch erschlossen.

Das Leben dankt Contrasten viel,
Und was Poeten Stimmung nennen,
Das wechselt wie ein leichtes Spiel
So rasch oft, daß wir's kaum erkennen.

Darum, wem es noch nie gescheh'n,
Daß ihm solch' Lenz erstand im Eise,
Der eile doch sich umzuseh'n,
Zieh' Pelz und Loden an und reise.

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