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§ 214. In den flektierenden Sprachen besteht die Tendenz Wörter, die in einer Beziehung zueinander stehen, für die es kein besonderes Ausdrucksmittel gibt, möglichst in formelle Übereinstimmung miteinander zu setzen. Hierher gehört die Kongruenz in Genus, Numerus, Kasus, Person, wie sie zwischen einem Subst. und einem dazu gehörigen Präd. oder Attribut oder einem dasselbe vertretenden Pron. oder Adj. besteht; als verwandte Erscheinungen können wir auch die Übereinstimmung in Tempus und Modus innerhalb einer Periode anreihen. Diese Kongruenz ist keineswegs durchgängig als etwas anzusehen, was sich selbstverständlich aus der Natur des logischen Verhältnisses ergibt. Es ist z.B. gar kein logischer Grund vorhanden, warum das Adj. an dem Geschlechte, Numerus und Kasus des Substantivums partizipieren müsste. Wir haben uns vielmehr die Sache so zu denken. Den Ausgangspunkt für die Entstehung der Kongruenz haben solche Fälle gebildet, in denen die formelle Übereinstimmung eines Wortes mit einem andern nicht durch Rücksichtnahme auf dasselbe herbeigeführt, sondern nur durch die Gleichheit der Beziehung bedingt ist. Nachdem aber die Kongruenz als solche empfunden ist, hat sie ihr Gebiet durch analogische Übertragung auf andere Fälle weiter ausgebreitet. Dass dies der Entwickelungsgang gewesen ist, werden wir am besten erkennen, wenn wir zunächst solche Fälle betrachten, an denen sich die Ausbreitung der Kongruenz noch geschichtlich verfolgen lässt.
§ 215. Die Übereinstimmung im Geschlecht und Numerus erscheint unlogisch über das ihr eigentlich zukommende Gebiet ausgedehnt in Fällen, wo durch das Subjekt auf ein noch Unbekanntes hingewiesen wird, welches erst durch das Präd. einen bestimmten Inhalt erhält. Das Pron., welches das Subj. bildet, sollte dann immer im Sg. Neutr. stehen und tut es wirklich stets im Nhd.: das ist der Mann; das sind die richtigen; ebenso im franz. ce sont mes frères. Dagegen erscheint 305 es mit dem Präd. in Übereinstimmung gebracht: engl. these are thy magnific deeds (Milton); it. è questa la vostra figlia? span. esta es la espada; griech. haútê toi díkê estì theô^n (Hom.); lat. ea demum firma amicitia est (Sall.); haec morum vitia sunt (Cic.); Athenae istae sunto (Plaut.); quae apud alios iracundia dicitur, ea in imperio superbia atque crudelitas appellatur (Sall.); doch auch id tranquillitas erit (Seneca); so gewöhnlich im negativen und bedingten Satze. Wir werden diese Erscheinung wohl am besten so auffassen, dass sich hier das Subj. nach dem Präd. gerichtet hat wie sonst das Präd. nach dem Subj.
In kopulativer Verbindung mit pluralia tantum oder Wörtern, die im Plur. eine eigene Bedeutung haben, setzen lateinische Schriftsteller öfters auch andere Wörter im Plur., die sonst nur im Sing. gebraucht zu werden pflegen: summis opibus atque industriis (Plaut.); neque vigiliis neque quietibus (Sall.); paupertates - divitiae (Varro); vgl. Draeg. § 7, 4.
In einem Satze wie man nennt (heisst) ihn Friedrich kommt dem Namen eigentlich kein Kasus zu, es sollte der blosse Stamm stehen; auch kann man Friedrich und andere Eigennamen, die kein Kasuszeichen enthalten, als Stamm, als absoluten Kasus auffassen. Man könnte ferner, insofern eine Beziehung auf das Nennen in der Anrede stattfindet, den Voc. erwarten, und dieser findet sich wirklich im Griech. tí me kaleîte kúrie? (Luk. 6, 46), in der Vulgata übersetzt quid vocatis me domine?Vgl. Ziemer S. 71. In Ermangelung eines reinen Stammes muss dann der Nom. eintreten, der übrigens meistens von dem Voc. nicht zu scheiden ist. Im Got. ist die eben erwähnte Stelle übersetzt hva mik haitid frauja? Entsprechend übersetzt noch Luther was heisst ihr mich aber Herr, Herr? und so wird der Nom. (Voc.) auch sonst im Mhd. und Nhd. gebraucht: daz man in hiez der bâruc (Wolfram), ich hiess ihn mein Montan (Gellert); den ich Herr Stolle nennen hörte (Insel Felsenburg). Das Gewöhnliche aber ist jetzt der Akk., und schon im Got. heisst es: þanzei jah apaustuluns namnida. Dieser Akk. ist nur durch die Gewohnheit der Kongruenz veranlasst, die man in Fällen hatte wie got. izei þiudan sik silban taujiþ (der sich selbst zum König macht).
Ebenso sollte in Wendungen wie er hat den Namen Max der reine Stamm, respektive in Ermangelung eines solchen der Nom. stehen, und so verhält es sich im Deutschen. Im Lat. aber ist eine Konstruktion wie lactea nomen habet (Ov.) nur poetisch und nachklassisch. Im klassischen Lat. erscheint der Nom. neben nomen nur, wenn dieses 306 selbst Nom. ist, also Kongruenz stattfindet, z. B. cui nomen Arethusa est (Cic.). Daneben wird der Name in Kongruenz mit der Person, der er beigelegt wird, gebracht, z. B. nomen Mercuriost mihi (Plaut.). Das entsprechende Schwanken in Bezug auf die Kongruenz findet sich da, wo nomen Akk. ist: filiis duobus Philippum et Alexandrum et filiae Apamam nomina imposuerat (Liv.) - cui Superbo cognomen facta indiderunt (Liv.). Dieses Schwanken zeigt am besten, dass die Kongruenz hier nicht aus der Natur der Sache entsprungen ist, sondern vielmehr aus einer gewissen Verlegenheit der Sprechenden, die in Ermangelung einer absoluten Form einen Kasus wählen mussten und dabei irgendwo einen Anschluss suchten, gemäss dem schon die Sprache durchdringenden Prinzipe der Kongruenz.
Eine ähnliche Verlegenheit besteht bei dem prädikativen oder prädikativ-attributiven Nomen neben einem Inf. Das Neuhochdeutsche ist insofern gut daran, als es eine absolute Form des Adj. hat: es glückte ihm unbekannt zu bleiben. Das Subst. erscheint, wo es nicht zu vermeiden ist, dass ein bestimmter Kasus sich zu erkennen gibt, immer im Nom.: nicht nur er strebt danach berühmt zu werden, sondern auch es steht dir frei als verständiger Mann zu handeln. Im Lat. steht der Nom., wenn ein Anschluss an das Subj. des regierenden Verbums möglich ist: pater esse disce, omitto iratus esse; poetisch ait fuisse navium celerrimus (Catull); rettulit Ajax esse Jovis pronepos (Ov.); ebenso im Griechischen, auch beim substantivierten Inf., in welchem Kasus dieser auch stehen mag: orégontai toû prô^tos hékastos gígnesthai (Thuc.); édoxe pássophos eînai dià tò autòs mê` hoîós t' eînai (Plato). Im Griech. findet eine solche Anknüpfung auch an einen vom regierenden Satze abhängigen Gen. oder Dat. statt: hápasin anánkê tâ turánnô polemíô eînai (Plato); hoi Lakedaimónioi Kúrou edéonto hôs prothumotátou pròs tòn pólemon genésthai (Xen.). An den Dat. in beschränktem Masse auch im Lat.: animo otioso esse impero (Terenz); da mihi fallere, da justo sanctoque videri (Hor.); nec fortibus illic profuit armentis nec equis velocibus esse (Ov.); allgemein bei licet. Daneben kommt nach licet mihi zuweilen der Akk. vor (z. B. si civi Romano licet esse Gladitanum, (Cic.); daraus zu erklären, dass der Akk. der gewöhnliche Subjektskasus beim Inf. ist.Vgl. Ziemer S. 96. Angleichung an den Dat. kommt auch im Anord. vor, vgl. leidiz mér at sitja heima sem konum (Laxdoelasaga).
Ich führe noch einige Fälle an, in denen keine Kongruenz durchgeführt ist und zum Teil nicht hat durchgeführt werden können, bei denen man sich deshalb in Ermangelung des eigentlich einzig berechtigten reinen Stammes mit dem Nom. beholfen hat. Wir sagen z.B. 307 dem als eine schreiende Ungerechtigkeit bezeichneten Befehle, mein Beruf als Lehrer, sogar die Stellung des Königs als erster Bürger des Staates; in einer Lage wie die seinige neben der seinigen. Im Lat. finden sich Konstruktionen wie Sempronius causa ipse pro se dicta damnatur; flumen Albim transcendit, longius penetrata Germania quam quisquam priorum (Tac.). Hierbei finden ipse und quisquam zwar eine Anlehnung bei dem Subjekte des Verb. fin., gehören aber eigentlich nur zu dem Ablativus abs., in welchem sich ihnen keine Anknüpfung bietet.Vgl. hierzu Madvig Kl. Schr. 367ff.
§ 216. Namentlich entsteht eine Verlegenheit des Sprechenden da, wo eine grammatische Kongruenz zwischen zwei Satzteilen dem Sinne nach nicht möglich ist und dazu ein dritter Satzteil tritt, von dem man gewohnt ist, dass er mit beiden kongruiert. Man muss sich für einen von den beiden entscheiden, und in dieser Beziehung kann sich der Usus in verschiedenen Sprachen verschieden fixieren, auch in ein und derselben schwanken.
Subjekt - Prädikat - Kopula. Das ursprünglich Normale ist jedenfalls, dass die Kopula sich im Numerus wie jedes andere Verb. nach dem Subj. richtet, und dementsprechend heisst es z. B. engl. it was my orders, what is six winters; franz. c'est eux, c'était les petites îles; lat. nequa pax est induciae (Gellius). Im Deutschen aber setzen wir zum Neutrum des Pron. als Subj. bei pluralischem Präd. die Kopula im Plur.: das sind zwei verschiedene Dinge. Entsprechende Konstruktion mitunter auch bei französischen Schriftstellern, z. B. c'étaient Eponine et Azelma (V. Hugo). In anderen Fällen würde man jetzt die Verbindung überhaupt vermeiden, vgl. dass, was ihm der Stand gab, allweilige Hindernisse der theatralischen Würkung wurden (Herder), so weiss ich nit was hurnheusser heyssen (Lu.). Damit vgl. man griech. tò chôríon toûto, hóper próteron Ennéa hodoì ekaloûnto (Thuc.). Es kommt hierbei in Betracht, dass der Plur. sich charakteristischer geltend macht als der Sing. Doch ist in mehreren Sprachen auch das Umgekehrte möglich, dass zu pluralischem Subj. und singularischem Präd. die Kopula im Sing. gesetzt wird: griech. hai chorêgíai hikanòn eudaimoneías sêmeîón esti (Ant.); lat. loca, quae Numidia appellatur (Sall.); engl. two paces in the vilest earth is room enough (Sh.); span. los encamisados era gente medrosa (Cervantes); nhd. falsche Wege ist dem Herrn ein Greuel (Lu.); diese Sternen, die ich mein', ist der Liebsten Augenschein (Opitz); jugendliche Einkleidungen in Briefe und Gespräche; die Episoden in den Briefen und die fremden Eingänge in den Gesprächen: scheint mir ein Putz (Herder). Entsprechend verhält es sich mit der Person des Verbums. Engl. it was you, is that you; franz. c'est moi, c'est nous, 308 c'est vous, in der älteren Sprache auch c'est eux. Dagegen nhd. das waren Sie, sind Sie das; altfranz. ce ne suis je pas, c'estez vous.
Antizipierendes unbestimmtes Subj. - logisches Subj. - Prädikat. Franz. rarement il arrive des révolutions, il est des gens de bien. Dagegen deutsch: es geschehen Umwälzungen.
Ein Partizipium als Präd. oder Kopula kann sich im Genus und Numerus nach einem danebenstehenden prädikativen Subst. richten anstatt nach dem Subj. Vgl. griech. kánta diê'gêsis oûsa tunchánei (Plato); lat. paupertas mihi onus visum (Terenz); nisi honos ignominia putanda est (Cic.) (dagegen Semiramis puer esse credita est, Justin). Das Gleiche findet statt beim prädikativen Akk.: griech. tê`n hêdonê`n diô'kete hôs agathòn ón (Plato); bei attributiver Verwendung: griech. tàs thugatéras paidía ónta (Dem.); lat. ludi fuere, Megalesia appellata (Liv.).
Das Präd. kann sich anstatt nach dem Subj. nach einer zu diesem gehörigen Apposition richten: griech. Thê^bai, pólis astugeítôn, ek mésês tê^s Helládos anê'rpastai (Aesch.); lat. Corinthum totius Graeciae lumen extinctum esse voluerunt (Cic.); Volsinii oppidum Tuscorum concrematum est; nhd. die Ägypter aber, dies harte und gesetzmässige Volk, schlug gleich die Form der Regel und der Gewohnheit auf ihre Versuche (Herder). Auch bei Umsetzung in den Abl. abs.: omni ornatu orationis tamquam veste detracta (Cic.). Neben distributiver Apposition steht der Sing. trotz pluralischen Subjekts: hai téchnai tò hautê^s hekástê érgon ergázetai (Plato); die sich nach des Meisters Tode sogleich entzweiten und offenbar jeder nur eine beschränkte Sinnesart für das Rechte erkannte (Goe.); dâ die Kahedîne und die sarjande von Semblidac ieslîcher sîner künste pflac (Wolfram); dat etlyke eddelynge vaken eyn yegen den anderen plach to kempen (Reinke vos); wie die glidmass des corpers alle eyns dem andern dienet (Lu.).
Auffallender ist die Anpassung des Präd. an ein mit dem Subj. verglichenes Nomen; im Genus: magis pedes quam arma tuta sunt (Sall.); im Numerus: ein Christ, wie die meisten sind, halten unsern Staat für zu niedrig (Herder); me non tantum literae quantum longinquitas temporis mitigavit (Cic.); ei cariora semper omnia quam decus fuit (Sall.); im Genus und Numerus: quand on est jeunes, riches et jolies, comme vous, mesdames, on n'en est pas réduites à l'artifice (Diderot); in der Person: so ein stattlicher Teuffel, als ich bin, soll mich billich schämen (Moscherosch); hósoi hô'sper hêmeîs epibouleuómetha (Thuc.); in Person und Numerus: hê túchê aeì béltion ê` hêmô^n autô^n epimeloúmetha (Demosth.); einen Studenten hörte ich eine Rede folgendermassen beginnen: wenn man wie wir dem Ende des Semesters entgegengehn. Auffallend ist auch die Kongruenz des Präd. mit einem zweiten durch »und nicht« 309 angeknüpften Subjekte: heaven and not we have safely fought to-day (Shakesp.).
Im Griech. kann sich eine Apposition, wenn sie von dem Nomen zu dem sie gehört, durch einen Relativsatz getrennt ist, im Kasus nach dem Relativpron. richten: Kúklôpos kechólôtai, hòn ophthalmoû aláôsen, antítheon Polúphêmon (Odysee); hoi palaioì ekeînoi, hô^n onómata megála légetai, Pittakoû te kaì Bíantos (Plato).
Ein Dem. oder Rel. kann sich anstatt nach dem Subst., auf welches es sich bezieht, nach einem von ihm prädizierten Nomen richten: lat. Leucade sunt haec decreta; id caput Arcadiae erat (Liv.); quod si non hominis summum bonum quaereremus, sed cujusdam animantis, is autem esset nihil aliud nisi animus (Cic.); animal hoc, quem vocamus hominem (Cic.); ii sunt, quam tu nationem appellasti (Cic.); in pratis Flaminiis, quem nunc circum Flaminium appellant (Liv.); griech. phóbos, hê`n aidô^ eípomen (Plato). Nach dem Relativpron. kann sich dann auch noch das Präd. des Hauptsatzes richten: Carmonenses, quae est longe firmissima totius provinciae civitas, per se cohortes ejecit.
Ein Relativpron., welches sich logisch auf ein unbestimmtes Subj. bezieht, pflegt sich nach dem dazu gehörigen bestimmten Prädikat zu richten, natürlich dann auch das Präd. des Pron. So müssen wir im Deutschen sagen: es war ein Mann, der es mir gesagt hat; es sind die besten Menschen, die dir das raten. Ebenso im Franz.: c'est eux qui ont bâti. Im Franz. richtet sich dabei auch die Person des Verbums im Relativsatz nach dem bestimmten Präd.: c'est moi seul qui suis coupable. Dagegen nhd.: du bist es, der mich gerettet hat.
In einem Relativsatze tritt das Verb. in die erste oder zweite Person im Anschluss an das Subj. des regierenden Satzes, wiewohl das Relativpron. sich auf das Präd. bezieht und danach die dritte Person erfordert würde: lat. non sum ego is consul, qui nefas arbitrer Gracchos laudare (Cic.); neque tu is es, qui nescias (id.); franz. je suis l'homme, qui accouchai d'un oeuf (Voltaire); engl. if thou beest he, who in the happy realms of light didst outshine myriads (Milton); I am the person, that have had (Goldsmith); nhd. ihr seid die beiden einzigen, die mich davor retten könnt (H. v. Kleist). Diese Konstruktionsweise könnte allerdings auch als Kontamination aufgefasst werden; in dem Beispiel aus Goldsmith hätten sich also die Gedanken »ich bin die Person, die gehabt hat« und »ich habe gehabt« miteinander vermischt. Ebenso, wenn sich umgekehrt der Relativsatz nach dem Präd. statt nach dem Subj. richtet, vgl. franz. ce n'est pas moi, qui en ferai l'épreuve (Feuillet). Dasselbe gilt von einer Fügung wie eine der penibelsten Aufgaben, die meiner Tätigkeit auferlegt werden konnte (statt konnten, Goe.). Damit vgl. man allaro barno betsta thero the io giboran wurdi (Heliand) 310 und secga æ'negum þára þe tírléases trode scéawode (einem der Männer, welche des Ruhmlosen Spur schauten, Beowulf); und so allgemein im Altsächsischen und Angelsächsischen. So auch gewöhnlich im Neuengl.Vgl. Alphonso Smith, Studies in English syntax, S. 25. z. B. one of the errors which has been diligently propagated (Irving), this reply has always struck us as one of the finest that ever was made in Parliament (Macaulay).
Das Präd. oder Attribut kann anstatt mit dem Subj. oder dem Worte, das es bestimmt, mit einem davon abhängigen Genitive kongruieren, vgl. ê^lthe d' epì psuchê` Thêbaíou Teiresíao chrúseon skê^ptron échôn (Hom.); noch auffallender engl. there are eleven days' journey from Horeb unto Kadishbarnea (Deut. 1, 2). Im Franz. sagt man la plupart de ses amis l'abandonnèrent, aber la plupart du peuple voulait. Wenn sonst häufig nach einem Kollektivum mit pluralischem partitiven Gen. der Plur. steht (z. B. eine Anzahl Soldaten sind angekommen), so braucht der Gen. allerdings nicht als die einzige Ursache für den Plur. betrachtet zu werden, da derselbe nach dem Kollektivum an sich möglich ist, vgl. § 185.
Zuweilen steht im Lat. ein auf eine angeredete Person bezügliches Attribut im Voc.: quibus, Hector, ab oris expectate venis? (Virg.). Ebenso im Griech.: ólbie, kê^re, génoio (Theokrit).
§ 217. An den gegebenen Beispielen lässt sich also erkennen, in welcher Weise die Kongruenz sich über das ihr ursprünglich zukommende Gebiet ausgebreitet hat. Wir können uns danach eine Vorstellung davon machen, wie dieser Prozess sich schon in einer Periode vollzogen hat, die weit über alle unsere Überlieferung zurückreicht. Freilich muss man berücksichtigen, dass für die älteste Epoche die Ausbreitung der Kongruenz nicht etwas so Unvermeidliches war, weil noch absolute Formen ohne Flexionssuffixe existierten.
Betrachten wir nun die ersten Grundlagen, von denen die Kongruenz ausgegangen ist. Eine besondere Bewandtnis hat es mit der Kongruenz des Verbums in Person und Numerus. Die Verbalformen sind ja zumeist durch Anlehnung eines Personalpronomens an den Tempusstamm entstanden. Wir müssen jedenfalls eine Epoche voraussetzen, in welcher sich Substantiva in der gleichen Weise mit dem Stamm verbanden und Pronomina auch vor den Stamm treten konnten. Man konnte daher, um es durch Formeln zu veranschaulichen, ebenso wie gehen ich, gehen du, gehen er etc. auch sagen gehen Vater, Vater gehen und ich gehen etc. Es gibt verschiedene nichtindogermanische Sprachen (z. B. das Ungarische), in denen die 3. Person Sg. in Gegensatz zu den übrigen Personen eines Suffixes entbehrt. In ihnen besteht also noch die ursprüngliche Art der Verknüpfung nach der Formel gehen Vater oder Vater gehen. Die Weiterentwickelung geht dann aus von 311 einer Doppelsetzung des Subjekts, wozu es auch auf modernen Sprachstufen Analogien gibt. Vgl. der Kirchhof er liegt wie am Tage; die Glocke sie donnert ein mächtiges Eins; freilich ist er zu preisen, der Mann (vgl. oben § 88); je le sais, moi, il ne voulut pas, lui; toi, tu vivras vil et malheureux. Hierher müssen wir auch die Vorwegnahme des Subjekts durch ein unbestimmtes es ziehen (es genügt ein Wort). Die doppelte Ausdrückung des Pronomens tritt ursprünglich nur ein, wo dasselbe besonders hervorgehoben werden soll. Wie dieselbe sich aber allmählich ausbreiten kann, besonders durch die lautliche Reduktion der Pronominalformen begünstigt, zeigen bairische Mundarten, in denen wir z. B. folgende Häufungen finden: mir hammer (= wir haben wir) oder hammer mir, ess lebts (ihr lebt ihr) oder lebts ess. Es hat sich also an den fertigen Verbalformen noch einmal der Vorgang wiederholt, der sich früher an den Tempusstämmen vollzogen hat. Die enklitisch angelehnten Pronomina sind mit dem Verbum verschmolzen und haben ihre ursprüngliche Subjektsnatur mehr und mehr eingebüsst. In der indogermanischen Grundsprache muss die Entwickelung bereits so weit gediehen sein, dass die Formel Vater gehen schon ganz durch die Formel Vater gehen er verdrängt war. Das suffigierte Pronomen behauptet aber zunächst noch eine zweifache Funktion. In einigen Fällen dient es noch als Subjekt (lat. lego, legit), in andern zeigt es nur durch die Kongruenz die Beziehung auf das Subj. (pater legit, ego scribo). In den meisten modernen indogermanischen Sprachen ist nur die zweite Funktion übrig geblieben. Die Hauptursache, welche dazu geführt hat die Setzung eines zweiten Subjektspronomens allgemein zu machen, ist die, dass die Suffixe zur Charakterisierung der Formen nicht mehr ausreichten. Die Kongruenz des verbalen Prädikates mit dem Subjekte hat übrigens an sich gar keinen Wert. Unsere Personalendungen würden daher ein ganz überflüssiger Ballast sein, wenn sie nicht einerseits dazu dienten das Verbum als solches erkennen zu lassen und anderseits in einigen Fällen den Unterschied des Modus auszudrücken, was aber beides sehr unvollkommen und in unnötig komplizierter Weise geleistet wird.
Was die nominale Kongruenz betrifft, so ist die des Genus und Numerus jedenfalls zuerst an dem rückbezüglichen Pron. ausgebildet, von welchem ja das grammatische Geschlecht seinen Ursprung genommen hat (vgl. § 181). Die Kongruenz im Kasus hat sich zuerst bei der Apposition eingestellt. Es besteht zwar auch hier an sich keine absolute Nötigung das Kasuszeichen doppelt zu setzen.Wir sehen das namentlich daran, dass in einer jüngeren Epoche bei besonders enger Verbindung das Prinzip der Kongruenz wieder aufgegeben und die Flexion des einen Bestandteils fortgelassen ist; vgl. mhd. des künic Guntheres lîp, an künec Artûses hove; nhd. Friedrich Schillers, des Herrn Müller (bei Goe. noch des Herrn Carlyle's) etc. H. Sachs sagt sogar Herr Achilli, dem Ritter.. Indessen liegt es nahe die Apposition zu einem Satzteile als eine nochmalige Setzung dieses Satzteiles zu fassen. Eine Kongruenz im Gen. und Numerus tritt bei der Apposition auch jetzt nur ein, wo sie durch die Natur der Sache gefordert wird. Die Kongruenz des attributiven und prädikativen Adjektivums kann nur aus der Kongruenz des appositionellen und prädikativen Substantivums erwachsen sein, d. h. ihre Anfänge reichen zurück in eine Epoche, in welcher sich das Adj. noch nicht als eine besondere Kategorie von der Kategorie des Substantivums losgelöst hatte. Den Ausgangspunkt haben die Substantiva gebildet, die man in der lateinischen Grammatik Mobilia nennt, wie coquus - coqua, rex - regina etc. Indem solche Substantiva in Adjektiva übergingen (vgl. unten Kap. XX), behielten sie die Kongruenz bei, und dieselbe ward so etwas zum Wesen des Adjektivums Gehöriges.
Die Kongruenz im Tempus, die sogenannte consecutio temporum hat sich im allgemeinen nicht über das Gebiet hinaus ausgedehnt, welches ihr von Anfang an zukommt. Die Ausnahmen von den darüber aufgestellten Regeln zeigen, dass für das Tempus im abhängigen Satze nicht eigentlich das des regierenden massgebend ist, sondern dass es sich selbständig aus inneren Gründen bestimmt. Etwas weiter ausgedehnt ist schon die Kongruenz des Modus, die dann zuweilen auch die des Tempus nach sich zieht, vgl. lat. tantum valuit error, ut, corpora cremata cum scirent, tamen ea fieri apud inferos fingerent, quae sine corporibus nec fieri possent nec intelligi (statt possunt, Cic.); invitus feci, ut fortissimi viri T. Flaminii fratrem e senatu ejicerem septem annis postquam consul fuisset (fuerat, Cic.); cum timidius ageret, quam superioribus diebus consuesset (Caes.).Vgl. Draeger 151, 5. Sehr ausgedehnt ist diese Angleichung des Modus im Mhd.