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§ 110. Unter KontaminationVgl. Wheeler, Analogy S. 8ff., 19ff. Nyrop, Adjektivernes Könsböjning i de Romanske Sprog S. 38ff. Jespersen bei Techmer 3, S. 195. Brugmann, Grundriss II, S. 453, Kurze vgl. Gramm. § 947-49 und Jdg. Forschungen 12, 150. Bréal S. 76ff. Johansson, Zeitschr. f. deutsche Philol. 31, 300 (mit reichen Literaturangaben). A. Thumb und K. Marbe, Experimentelle Untersuchungen über die psychologischen Grundlagen der sprachlichen Analogiebildung, Leipzig 1901. Gust. Cederschiöld, Om kontamination i nutidssvenskam, Göteborg 1909. Oertel, Über grammatische Perseverationserscheinungen (JF. 31, 49). Paul, Über Kontamination auf syntaktischem Gebiete (Sitzungsber. der Bayr. Ak. d. Wissensch. Philos.-philol. u. hist. Klasse. Jhrg. 1919, 2. Abteil.). Es ist von verschiedenen Seiten die Behauptung aufgestellt, dass sich die Kontamination nicht wesentlich von der Analogiebildung unterscheide, so auch zum Teil in den zitierten Abhandlungen. Richtig kennzeichnet dagegen E. Herzog den Unterschied, soweit das morphologische Gebiet in Betracht kommt, in einer Anzeige der Schrift von Thumb und Marbe (Zschr. f. franz. Sprache 25², 124) mit den Worten: »Wir werden also die Analogiebildung definieren als die Neuschöpfung einer Form nach einer bestimmten Proportion, wobei die ursprüngliche Form vollständig aus dem Bewusstsein ausgeschaltet ist«. - »Kontamination ist die Neuschöpfung einer Form durch Verschmelzung von Bestandteilen zweier Formen, die gleichzeitig ins Bewusstsein kommen.« verstehe ich den Vorgang, dass zwei synonyme oder irgendwie verwandte Ausdrucksformen sich neben einander ins Bewusstsein drängen, so dass keine von beiden rein zur Geltung kommt, sondern eine neue Form entsteht, in der sich Elemente der einen mit Elementen der andern mischen. Auch dieser Vorgang ist natürlich zunächst individuell und momentan. Aber durch Wiederholung und durch das Zusammentreffen verschiedener Individuen kann auch hier wie auf allen übrigen Gebieten das Individuelle allmählich usuell werden.
Die Kontamination zeigt sich teils in der Lautgestaltung einzelner Wörter, teils in der syntaktischen Verknüpfung.
§ 111. Verhältnismässig selten ist wohl Mischung aus gleichbedeutenden, aber etymologisch nicht zusammenhängenden Wörtern. Auf ein charakteristisches Beispiel hat Schuchardt hingewiesen. Im ämilischen Dialekt gibt es ein Wort cminzipià anfangen, 161 Kontamination aus den Wörtern cominciare und principiare der italienischen Schriftsprache. Weitere Beispiele sind spätmhd. und anhd. krûsp, krausp, aus krûs, kraus und krisp (aus lat. crispus); landschaftl. (nordd.) flispern aus flistern (flüstern) und fispern (letzteres anhd. und noch landschaftlich); landschaftl. (vgl. Zschr. f. deutsche Wortforschung 7, 139) Erdtoffel aus Kartoffel und Erdapfel; ahd. antluzzi (Antlitz) aus antlutti und *antliz (= anord. andlit); mhd. traher aus trahen (Träne) und zaher (Zähre); landschaftl. Grachel aus Granne und Achel, schwed. pryl (Pfriem) aus pryn und syl; Gemäldnis (15. 16. Jahrh.) aus Gemälde und Bildnis; afranz. oreste aus orage und tempeste. Es ist dies übrigens ein Gebiet, auf dem begreiflicherweise der Vermutung ein weiter Spielraum gewährt ist, während sichere Feststellungen schwierig sind.
§ 112. Leichter ergibt sich die Mischung bei etymologischer Verwandtschaft der Synonyma. Vgl. gewohnt aus dem Adj. mhd. gewon (noch in Gewohnheit, gewöhnlich) und dem Part. mhd. gewent von wenen (gewöhnen); doppelt aus dem Adj. doppel (= franz. double) und dem noch im vorigen Jahrh. ganz üblichen Part. gedoppelt; nordd. das Fohlen aus der Fohle (= mhd. vole) und dem Dim. dazu das Füllen; neben seit bestand früher gleichbedeutendes sint, erhalten in sintemal (= sint dem mâle), woneben die Mischform seintemal vorkommt; eine andere Nebenform zu seit war mhd. sider, woraus eine Kontaminationsbildung seider entsprungen ist; anhd. erscheint zuweilen Gefrürste als Mischung aus dem häufigeren Gefrüste, Kollektivbildung zu Frost, und gleichbedeutendem Gefrüre; ferner Gelübdnis, Gelöbdnis aus Gelübde und Gelöbnis; anhd. und noch landschaftlich ist seind aus schriftsprachlichem sind (ursprünglich 3. Pl.) und mundartlichem sein (ursprünglich 1. Pl.) In die Syntax greift über gewahrnehmen bei Schiller aus wahrnehmen und gewahr werden.
§ 113. Formen aus verschiedenen Wurzeln, die sich zu einem Paradigma ergänzen, beeinflussen sich leicht gegenseitig. Älteres wis (sei) aus ahd. wesan wird im Mhd. allmählich durch bis verdrängt unter dem Einflusse von bist. Ahd. bim (bin) ist wahrscheinlich eine Kontamination aus im (got.) und *bium (= ags. béom); desgl. nach umgekehrter Richtung hin ags. éom; ahd. birum, birut (wir sind, ihr seid) sind wahrscheinlich aus *irum, *irut (= anord. erom, eroð) entstanden mit Herübernahme des b aus der 1. 2 Sg. Griech. hê^mai hat den ihm eigentlich nicht zukommenden Spiritus asper erhalten, nachdem es als Perf. zu hézomai empfunden wurde. Das e von emoû stammt vielleicht von egô'.
§ 114. Wörter, die in ihrer Bedeutung untereinander verwandt sind, wozu insbesondere auch die GegensätzeVgl. Brugmann, IF 15, 99. zu rechnen sind, und 162 die in Folge davon meist auch häufig miteinander verbunden werden, beeinflussen sich gegenseitig, besonders, wenn schon vorher zwischen ihnen eine gewisse lautliche Ähnlichkeit besteht, sei es, dass diese auf Übereinstimmung der Bildungsweise beruht oder nur zufällig ist. Vgl. alemannisch hara statt hera (her) nach dara (dahin); umgekehrt spätmhd. (elsässisch) der für dar nach her; ags. þider (dorthin) statt *þäder nach hider (hierhin); engl. neither statt des zu erwartenden *nother (ags. náwðer, nó[w]þer) nach either; vulgärlat. voster, als Substrat für die romanischen Sprachen vorauszusetzen, statt vester nach noster; griech. mêkéti mit Entlehnung des k von oukéti; vulgärlat. grevis (it. greve) für gravis nach levis; spätlat. senexter aus sinister und dexter; franz. anormal aus normal und anomal; lat. noctu nach diu, nocturnus nach diurnus; spätlat. meridionalis statt meridianus nach septentrionalis; vulgärlat. octember nach september, november; span. lunes (Montag), miercoles (Mittwoch) nach martes, juéves, viérnes (aus Martis, Jovis, Veneris, sc. dies). Über die gegenseitige Beeinflussung von aufeinander folgenden Zahlwörtern handelt Osthoff, Morphologische Untersuchungen I, 92ff.
§ 115. Nicht bloss zwei einzelne Formen kontaminieren sich unter einander, sondern auch eine Form mit einer formalen Gruppe oder zwei formale Gruppen untereinander. Auf diese Weise entsteht häufig ein Pleonasmus von Bildungselementen. Neben der gebräuchlichsten Kollektivbildung, wie wir sie in Gebirge, Gebüsch etc. haben, bestand früher eine mit Suffix ahd. -ahi = mhd. -ech, nhd. -ich (-ig) oder -icht mit sekundärem t, wovon wir Reste in Reisig, Dickicht haben, anhd. findet sich die letztere mit Vorsetzung des der ersteren entnommenen ge-, vgl. z. B. im DWb Gekräuticht, Geröhricht, Gespülich(t), Gestäudig, Gesteinicht, Gestockicht, Gesträuchich(t), Gesträussich(t), Gestrüppig, Gestrüttich(t). Adjektiva auf -icht (= ahd. -aht, -oht), wie töricht waren im älteren Nhd. noch viel zahlreicher als jetzt; sie berührten sich in der Funktion mit Partizipialbildungen wie gehörnt, gestirnt; das ergab Bildungen wie gehörnicht, gestirnicht, geknöpflecht, gesprecklicht, gesprenklicht, gesteinicht (vgl. die Belege im DWb). Durch Kontamination des erwähnten -icht mit -lich entsteht -licht, vgl. im DWb rundlicht, schärfflicht; durch Kontamination mit -ig entsteht -echtig, wofür Laurentius Albertus in seiner Grammatik (Fa) als Beispiel örechtig auritus anführt, vgl. auch dornechtig im DWb. Besonders häufig im Anhd. ist die Verbindung von -haft und -ig zu haftig, das sich in der jetzigen Sprache nur in einer beschränkten Zahl von Wörtern erhalten hat wie leibhaftig, wahrhaftig, aber in allgemeinem Gebrauch fortlebt in den abgeleiteten Substantiven Lebhaftigkeit, Standhaftigkeit etc.; vgl. die niederländischen Bildungen auf -achtig. Nhd. Fritzens, Mariens etc. sind aus älterem Fritzen, Marien entstanden, 163 indem daran noch die verbreitetste Genitivendung angetreten ist; in den ostnordischen Sprachen ist aus der Verbindung der alten Endung des Gen. Pl. -a mit der geläufigsten Singularendung -s zunächst -as entstanden. Besonders häufig erweitern sich Formen, die auf eine weniger gewöhnliche Weise gebildet sind, durch das Suffix der normalen Bildungsweise.Vgl. Brugmann, Morph. Unt. III, 67ff., Zimmer, Streifz. 146. So sind ihrer, ihnen, derer, denen aus ir, in, der, den durch Hinzutritt des Suffixes der Adjektiva gebildet; so schon ahd. inan (ihn) gegen got. ina. In alemannischen und fränkischen Mundarten tritt an einsilbige Infinitive und starke Partizipia noch die Endung -e (= -en der Schriftsprache), z. B. sêne (sehen), gsêne (gesehen), in der Mundart von Tauberbischofsheim sdêne (stehen), gêne (gehen), dûne (tun), gedûne (getan) etc.; in dieser Mundart werden sdêne, gêne, dûne auch als 1. 3. Pl. Ind. Präs. gebraucht; dieselbe Mundart kennt auch Antritt der Endung des starken Part. an ein einsilbiges schwaches: kode (gehabt); Entsprechendes findet sich schon in mhd. Zeit:Vgl. Bruder Hermanns Jolande, hrsg. v. Meier, S. XVIII. volbrahten, erdahten. Vgl. ferner lat. jactitare, cantitare, ventitare statt jactare etc. unter Einfluss von volitare etc.; spanische Adjektiva wie celestial, divinal, humanal (vgl. Michaelis S. 38). Besonders gewöhnlich ist eine Häufung der Suffixe des Komparativs und Superlativs, vgl. nhd. öftrer (häufig bei Le.); letzteste (Goe.); ahd. mêriro gegen got. maiza; got. aftumists, auhumists, frumists neben aftuma, auhuma, fruma, dazu hindumists, spedumists; spätlat. pluriores, minimissimus, pessimissimus, extremissimus, postremissimus; griech. areióteros, chereióteros, prô'tistos u. a.; auch die gewöhnlichsten Superlativbildungen der verschiedenen indogermanischen Sprachen sind meistens schon durch Zusammenschluss mehrerer Suffixe entstanden. Ebenso spielt bei den Diminutiven diese Art Häufung eine grosse Rolle; sie liegt im Deutschen nicht bloss vor in Bildungen wie Ringelchen, Sächelchen, sondern auch schon -chen und -lein sind aus der Verschmelzung zweier Suffixe entstanden; ähnlich verhält es sich in anderen Sprachen. Auf entsprechende Weise zu erklären ist das doppelte Präfix in gegessen (mhd. gezzen) und in süd- und ostfränk. gekört statt kört aus gehoeret.
§ 116. Eine noch bedeutendere Rolle spielt die Kontamination auf syntaktischem Gebiete. Nicht bloss die nachlässigere Umgangssprache ist voll davon, sondern selbst hervorragende Schriftsteller bieten nicht wenige Beispiele. Manches ist in den allgemeinen Gebrauch eingegangen.
Beispiele von momentanen Anomalieen, wie sie nicht selten begegnen. Lessing: um deines Lebens wegen, Mischung aus um . . willen und wegen; entsprechend in der Kölnischen Zeitung: um . . halber 164 (nach Andr. Spr. 194); Ähnliches häufig. Goethe: Freitags als dem ruhigsten Tage, als ob am Freitage gesagt wäre. Lessing: ich habe nur leugnen wollen, dass ihr alsdann der Name Malerei weniger zukomme, Mischung aus leugnen . . dass . . zukomme und behaupten . . dass . . weniger zukomme. Stalder (Schweiz. Idioticon): es ist eine pure Unmöglichkeit, all die mannigfachen Dialekte . . in Regeln einzuklammern oder in Schriftzeichen zu bringen, und noch weniger die Nuancen derselben; dabei schwebt der Gedanke vor und noch weniger ist es möglich etc. Ähnlich Herder: wo haben sich diese je darauf eingeschränkt, mit einem Beweise aus dem A. T. ihre Lehre zu unterstützen, und noch minder ihre moralischen Vorschriften? Görres: eine Privatsammlung, die vollständiger gesammelt hatte, als wenige öffentliche wohl mögen; es sollte in diesem Zusammenhange heissen viele, aber der Gesamtsinn ist wenige haben so vollständig gesammelt. Hans Sachs: Ein jedes tut, als es dann wolt als jhm von jem geschehen solt; dabei mischen sich die beiden Gedanken »wie es wollte dass ihm von jenem geschehen sollte« und »wie ihm geschehen sollte«. Hartmann von Aue: er bereite sich dar zuo als er ze velde wolde komen (aus dar zuo daz er ze velde kæme und als er ze velde wolde komen). Id.: des weinens tet in michel nôt aus daz weinen tet in und des weinens was in. Goethe: Im Betragen unterschied sich auch hier der Gesandte von Plotho wieder vor allen andern, Mischung mit »zeichnete sich aus vor« oder dergl. Goe.: die Schicksale meiner Wanderschaft werden dich mehr davon überzeugen, als die wärmsten Versicherungen kaum tun können; hier deutet das kaum eigentlich auf eine ganz andere Ausdrucksweise.
§ 117. Nicht selten ist bei Rückbeziehung die Ungenauigkeit, dass sich statt des wirklich gesetzten Wortes die Vorstellung eines etymologisch verwandten unterschiebt, dessen sich der Redende gleichfalls hätte bedienen können. So schiebt sich z. B. die Vorstellung der Einwohner an die Stelle der Stadt oder des Landes, vgl. griech. Themistoklê^s pheúgei es Kérkuran ô`n autô^n euergétês (Thuc.); lat. Domitius navibus Massiliam pervenit atque ab iis receptus urbi proeficitur (Caes.); Sutrium, socios populi Romani (Liv.); nhd. so waren wir denn an der Grenze von Frankreich alles französischen Wesens auf einmal bar und ledig. Ihre Lebensweise fanden wir zu bestimmt und zu vornehm, ihre Dichtung kalt etc. (Goe.). Nach Ableitungen aus einem Grundworte wird öfters fortgefahren, als ob das Grundwort selbst gesetzt wäre, vgl. innere Stärke kann man der Bodmerischen und Breitingerischen Kritik nicht absprechen, und man muss den ersten als einen Patriarchen ansehn (Herder); het ich mich nicht jung tun verweiben, die er mir jetzt drey jar anhengen thet (H. Sachs);Weitere Beipiele bei Andr. Spr. 252ff. und in meiner Abh. über Kontamination. mhd. in dem palas der wol gekerzet 165 was, die (welche Kerzen) harte liehte brunnen (Wolfram); entwâpent wart der tôte man und an den lebenden gelegt (als Subjekt zu ergänzen diu wâpen, id.); lat. servili tumultu, quos (als ob servorum da stünde, Caes.). Am häufigsten ist der Fall, dass das Relativum auf ein Possessivpron. bezogen wird, als wenn das Personalpron. da stünde, vgl. lat. laudare fortunas meas, qui gnatum haberem tali ingenio praeditum (Terenz); griech. tê^s emê^s epeisódou, hòn mê't' okneîte (Soph.); mhd. allgemein.
§ 118. Häufig sind Konstruktionsmischungen wie mich freut deines Mutes (Klinger) aus ich freue mich deines Mutes und mich freut dein Mut; ich konnte mich nicht mehr auf den lieben Namen erinnern (Heine) unter Einfluss von besinnen; du musst meiner gar nicht in Acht nehmen aus mich in Acht nehmen und meiner achten (Pestalozzi); nötig haben mit Gen. wie Not haben, vgl. du hast des Schlafs und der Ruhe nötig (Miller), in dem andern leichten haben wir seiner gar nicht nötig (J. Grimm), wenn nicht das Buch eines Schildes unnötig gehabt hätte (ders.); das gibt mich Wunder aus nimmt mich und gibt mir (vgl. DWb 4a 1670); das lohnt sich der Mühe aus das lohnt sich und lohnt der Mühe; das gehört mein (vgl. DWb 4a 2508) aus gehört mir und ist mein. Französisch ist se rappeler de quelque chose neben se r. quelque chose nach se souvenir de. Im Engl. sagt man allgemein I am friends with him aus I am friend with him und we are friends; entsprechend in der dänischen Volkssprache han er gode venner med ham (er ist gute Freunde mit ihm). In der französischen Volkssprache sind Konstruktionen üblich wie nous chantions avec lui durch Vermischung aus nous chantions, moi et lui und je chantais avec lui; Ähnliches findet sich auch in anderen romanischen Sprachen und in der Umgangssprache mancher deutschen Landschaften.Vgl. Ebeling, Archiv für neuere Sprachen 104, 129, wo die ältere Literatur über den Gegenstand verzeichnet ist. Der dänischen Volkssprache angehörig ist die Wendung jeg følges med ham (eigentlich »ich folge mir mit ihm«) aus jeg følger med ham und ve følges ad.Vgl. Madvig, Kl. Schr. 193². Im Griech. kommt vor ho hê'misus toû chrónou, tê`n pleístên tê`s stratiâs aus ho hê'misus chrónos und tò hê'misu toû chrónou etc.; entsprechend im Span. muchas de virgenes statt muchas virgenes oder mucho de virgenes, á pocos de dias, una poca de miel, tantas de yerbas, la mas de la gente; it. in poca d' ora, la piu della gente; ähnliche Mischungen auch im Portug., Prov. und Altfranz.Vgl. Diez III, 152. Ähnlich ist eine Kontamination bei dem lateinischen Gerundium; poenarum solvendi tempus (Lucrez) aus poenarum solvendarum und poenas solvendi, exemplorum elegendi potestas (Cic.). Cicero sagt eorum partim in pompa, partim in acie illustres esse voluerunt, 166 wobei sich eorum pars und ii partim mischen; der entsprechende Vorgang ist im älteren Nhd. gewöhnlich, vgl. teils Leute nennen ihn zum Spott den Unverstand (Cronegk).
Aus der Vermengung komparativischer und superlativischer Ausdrucksweise entstehen im Lat. Verbindungen wie hi ceterorum Britannorum fugacissimi (Tac.); omnium ante se genitorum diligentissimus (Plinius), vgl. Ziem. Comp. 55ff. Umgekehrt kommt auch der Superl. nach der Weise des Komparativs konstruiert vor, vgl. omni vero verissimum certoque certissimum (Arnobius). Damit vgl. man anord. hæstr borinn hverjum jofri (Grípisspá, »der Höchste« statt »höher als jeglicher Fürst«). Eine etwas andere Art von Vermischung zeigen folgende englische Beispiele: The climate of Pau is perhaps the most genial and the best suited to invalids of any other spot in France (Murray); Adam the goodliest man of men since born His sons: the fairest of her daughters Eve (Milton); oder folgendes mittelhochdeutsche: und kuste den wirst getânen (hässlichsten) munt, der im vordes ie wart kunt (Lanzelet). Ein Verb., das einen Vergleich bezeichnet, erscheint nach Analogie des Komp. konstruiert: ich ziehe es vor mich mit den Verfassern als mit ihren Büchern zu beschäftigen (Wilbrandt).
Im Lat. steht öfters neben dem Imp. ein jam dudum, z. B. jam dudum sumite poenas, eine Mischung der Gedanken »nehmt doch« und »ihr hättet schon längst nehmen sollen«.
Nicht selten ist im Mhd. nach wizzen die Verbindung eines Fragewortes mit dem Inf., z. B. dô enweste er wie gebâren; man erwartet ein Verb. finitum, und die Konstruktion lässt sich wohl nur so erklären, dass man eine Einwirkung der Fälle annimmt, in denen der Inf. ohne Fragewort direkt vom Verb. abhing. Dasselbe gilt natürlich von den entsprechenden romanischen Konstruktionen, vgl. franz. je ne sais quel parti prendre, it. non so che fare etc. (Diez III, 230). Ähnlich verhalten sich it. non ho che dire, span. non tengo con quien hablar, franz. il trouva à qui parler, la terre fournit de quoi nourrir ses habitants, schon spätl. non habent quid respondere (vgl. Diez a. a. O.), engl. how have I then with whom to hold converse (Milton), then sought where to lie hid (id.) u. dergl.
Als eine Kontamination wird es auch zu betrachten sein, wenn von einem Verbum ein Fragesatz abhängig gemacht wird und zugleich noch das Subjekt dieses Fragesatzes als nominales Objekt, vgl. lat. nosti Marcellum quam tardus sit (Caelius); viden scelestum ut aucupatur (Plaut.), observatote eum quam blande palpatur mulieri (Terenz); dic modo hominem qui sit (Plaut.), patriam te rogo quae sit (Plaut.), it. tu 'l saprai bene chi è (Boccaccio), Ähnliches häufig in den älteren romanischen Sprachen (vgl. Diez III, 391). Ebenso steht nominales Ob- 167 jekt neben einem Objektssatz, vgl. mhd. swenne er sîn sêle sæhe das si in tôtsünden wære, die liset man si wîlen wæren des wunderlichen Alexandres man, dô hiez in got daz er dar în gienge, die wil ich daz siz merken; nhd. da ihn sahen alle, die ihn vorhin gekannt hatten, dass er mit den Propheten weissagete (Lu.); analog auch welchen ihr sprecht, er sei euer Gott (Lu.). Das Objekt des regierenden Satzes kann auch im abhängigen Objekt sein, vgl. vierhundert Taler, die sie nicht wüsste, wie sie sie bezahlen sollte (Le.). So kann auch neben einem Subjektssatz mit dass als Subjekt noch das Subjekt oder Objekt desselben als Subjekt des regierenden Satzes treten, vgl. mich will Antonio von hinnen treiben und will nicht scheinen, dass er mich vertreibt (Goe.); nichts, was ihn gereuen könnte, dass ers gab (id.).
Statt der selbe der oder der gleiche wie sagt man auch der selbe wie und der gleiche der; ebenso im lat. idem ut, z. B. in eadem sunt injustitia, ut si in suam rem aliena convertant (Cic.). Häufig begegnet man Wendungen folgender Art: dass sie nichts spricht kommt daher, weil sie nichts denkt (Le.); das kommt daher, wenn man sich ganze Tage nicht sieht (Goe.); woher sind so viel Verwirrungen entstanden, als weil man den spätern Zustand einer Sache vergass (Herder); der Gedanke wurde dadurch notwendig, weil man voraussah (Wieland); wie du mir die nachsichtsvolle Behandlung eines Generals gegen sein Regiment (Mischung mit Verfahren gegen oder dergl.) dadurch begreiflich machtest, weil er in seinen ersten Dienstjahren selbst Spiessruten gelaufen sei (Thümmel); dem Gefühl, welches dadurch beleidigt wurde, wenn jemand zu viel ass (Moritz); Wortstreit, der daraus entsteht, weil ich die Sachen unter andern Kombinationen sentiere (Goe.); das schliesse ich daraus, weil es mich ärgert (Schi.); die grösste Feinheit eines dramatischen Richters zeiget sich darin, wenn er in jedem Falle zu unterscheiden weiss (Le.); da der allergrösste Verdruss darinne besteht, wenn man jede Kraft besser und lebhafter ausbildet (Goe.); nun wartete man darauf, bis die ordentlichen Schauspieler wieder wegreisen würden (Moritz); im Falle, wenn man auf ihn noch zu reflektieren gedächte (Goe.); die Hauptsache davon ist, weil Sie durch Ihre eigene sehr starke Empfindung Criticus sind (Klopstock); aus der ganz natürlichen Ursache, weil das Wissen unendlich ist (Goe.); aus dem ganz einfachen Grunde: weil der kluge König schon seine Massregeln genommen (Heine); das macht weil ich Dir nichts zu schreiben hatte (Tieck); Marianel benützt diese Gelegenheit schon deshalb, damit sie jedes hingeworfene Wörtlein aufhaschen möge (Holtei); in dem Augenblicke, wenn wir ihn auch seines Bogens beraubt sehen (Le.); bis auf den Punkt, wenn wir seine Verstandesdeduktionen nicht wollen gelten lassen (Goe.). Allgemein üblich, zum Teil sogar notwendig sind Verbindungen wie jedesmal wenn 168 oder wo (statt dass), in dem Augenblicke wo (Goe. sagt noch in dem Augenblick, dass er Amen sagte) u. dergl.; entsprechend im franz. au temps où, früher au temps que; zu dem Zwecke, in der Absicht damit; deshalb, deswegen, darum, aus dem Grunde weil (vgl. für den älteren Gebrauch noch: deshalb, dass ich selten an den lauten Gesellschaften Teil nahm Tieck, ihr Mann verbannte sie darum, dass sie nur tote Kinder hatte Mörike); desto besser weil (mhd. daz), engl. the rather because neben that.
Eine verwandte Erscheinung ist es, wenn, wie häufig, anstatt eines dass in Sätzen, deren Inhalt als nicht der Wirklichkeit entsprechend gedacht wird, ein als mit folgendem Bedingungssatz steht, vgl. glaubt nicht, als ob der Zweck nur die Vergnügung wäre (Lichtwer); Sie dürfen aber nicht meinen, als wenn diese kindischen Vorurteile mit unseren Vorfahren alle wären begraben worden (Le.); liess ich den Verdacht entstehen, als lebt' ich wirklich nicht mehr (Gutzkow); der Argwohn, als wenn Andreas das Haupt einer geheimen Gesellschaft sei (Tieck); so will ich mir einbilden, als ob ich die Fragmente zufällig fände (Schi.); indem er sich vorstellt, als ob drei zumal im Bette lägen (G. Keller); dass Sie mir zutrauen werden, als hätte ich mein Studiren am Nagel gehangen (Le.); du musst hieraus nicht schliessen, als wenn ich jetzo schon gewiss wäre (Klopstock); manchmal kam es ihm in den Sinn, als müsse er herrliche Gemälde ausführen (E. T. A. Hoffmann); ihm träumte, als ob die goldne Kette ihm selbst immer enger sich um den Fuss wickelte (Arnim); es hat verlauten wollen, als ob mehrgedachter Romann dem Peter Kappe die Nase im Gesicht habe verlädieren wollen (Iffland); es sei Nachricht hier, als wenn Kammerrat Rühlemann unterwegs krank geworden (Goe.); mit dem Namen, der den Vorwurf enthielt, als ob sie die Sache Gottes bloss weltlichen Rücksichten aufopferten (Schi.); welchen seine Gegner anklagten, als habe er Geld von den Juden empfangen (Heine); er hat meinen Vater überreden wollen, als ob ich ihn selbst liebte (Gellert). Umgekehrt findet sich da, wo als ob am Platze wäre, ein Konjunktivsatz ohne Konjunktion, vgl. es war dem Fräulein, sie höre den blauen Bart erzählen (Wieland); mir ist, ich sei das Wild (Tieck); mir war, ich sei ein Nichts (Storm); wenn man sich stelle, man wolle fort (Jer. Gotthelf).
Wenn Cicero sagt cum accusatus esset, quod contra rempublicam sensisse eum dicerent, so ist das eine Mischung aus quod . . sensisse eum dicebant und quod . . sensisset. Weitere Beispiele bei Draeg. § 537. Plato gebraucht sogar Konstruktionen wie tóde, hôs oîmai, anankaiótaton eînai (vgl. Ziem. 105).
Eine im Mhd. gewöhnliche Konstruktion wäre in gesehe vil schiere mîn liep (es sei denn, dass ich bald meine Geliebte sehe), ich bin oder 169 sô bin ich tôt. Ungefähr denselben Sinn würde die parataktische Verbindung geben ich gesihe vil schiere mîn liep oder ich bin tôt. Statt dessen sagt der Minnesinger Steinmar in gesehe vil schiere mîn lieb alder (= oder) ich bin tôt. Noch auffallender ist eine andere Art der Mischung, bei der oder vor den Satz mit ne tritt: ich gelige tôt under mînen van, oder ich nebeherte mîn êre (Kaiserchronik). Noch weitere Beispiele bei Dittmar in Zeitschr. f. d. Philol., Ergänzungsb. S. 211.
§ 119. Ein prädikatives Attribut kann dieselbe Funktion haben wie ein durch eine Konjunktion eingeleiteter Nebensatz. In Folge davon können manche Konjunktionen auch dem blossen Adj. vorgesetzt werden, wodurch eine genauere Bezeichnung des Verhältnisses erreicht wird. So besonders im Englischen, vgl. talents angel-bright, if wanting worth, are shining instruments (Young); nor ever did I love thee less, though mourning o'er thy wickedness (Shelley); Mac Jan, while putting on his clothes, was shot through the head (Macaulay).Vgl. Mätzner III, S. 72. Auch im Deutschen können wir sagen: ich tat es, obschon gezwungen u. dergl. Entsprechend werden im Lat. manche Konjunktionen dem Abl. absol. vorgesetzt, vgl. quamvis iniqua pace honeste tamen viverent (Cic.); etsi aliquo accepto detrimento (Caes.); etsi magno aestu (Cic.).Vgl. Draeger § 592. Die Konjunktionen quasi und sive, die ursprünglich nur satzeinleitend gewesen sein können, werden ganz allgemein blossen Satzgliedern beigefügt.
Umgekehrt führt die Übereinstimmung in der Funktion zwischen Nebensätzen und präpositionellen Bestimmungen dazu, Präpositionen zur Einleitung von Nebensätzen anzuwenden. So besonders im Englischen, vgl. for I cannot flatter thee in pride (Sh.)., after he had begotten Seth (Genesis), without they were ordered (Marryat); besonders allgemein sind so til, until üblich. Es muss jedoch berücksichtigt werden, dass hier die Konstruktionen mit for that, after that etc. daneben stehen. Im Deutschen sind solche Konstruktionen nicht üblich geworden, doch vgl. die folgenden Beispiele aus Pamphilus Gengenbach: vmb er nit folget Jorams rot ward er schantlich erschlagen dot; mit grosser andacht er anfing bätten Maria das jm geling vff er die grosse schand möcht retten; wie ers solt gryffen an vff das vbel nit blib also verschwigen. Auch vor indirekten Fragen steht eine Präp.: at the idea of how sorry she would be (Marryat), any suspicion of where he had been (id.), all depends upon whether they manage affairs well (id.), the daily quarrels about who shall squander most (Gay);Vgl. Mätzner III, S. 445. vgl. span. este 170 capitulo habla de como el rey non deba consentir; entsprechend im Portug. und Altit.Vgl. Diez VII, S. 388.
§ 120. Eine in allen Sprachen häufige Erscheinung ist es, dass eine Negation gesetzt wird, die an die betreffende Stelle eigentlich nicht gehört, aber dadurch veranlasst wird, dass der Gesamtsinn der Phrase negativ ist. So steht noch im 18. Jahrh. häufig nach Ausdrücken, die einen negativen Sinn haben, im abhängigen durch dass eingeleiteten Satze eine uns jetzt unlogisch erscheinende Negation, vgl. es kann nicht fehlen, dass die meisten Stimmen izt nicht gegen mich sein sollten (Le.); wird das hindern können, dass man sie nicht schlachtet? (Schi.); er suchte daher Xavern so viel als möglich abzuhalten, dass er nicht viel in Grünbachs Haus oder Garten ging (Miller); der Verfasser verbittet sich, dass man seine Schrift nicht zu den elenden Spöttereien rechne (Claudius); dir abzuraten, dass du sie nicht brächtest (Schi.); nun will ich zwar nicht leugnen, dass an diesen Büchern nicht manches zu verbessern sein sollte (Le.); ich zweifle nicht, dass sie sich nicht beide über diese Kränkung hinwegsetzen werden (Le.); der Lord Shaftesbury erklärte sich dawider, dass man nicht zu viel Wahrheit sagen sollte (Übersetzung des Tom Jones 1771). Entsprechend heisst es schon im Mhd. dar umbe liez er daz, daz er niht wolte minnen (Kudrun); ich wil des haben rât, daz der küene Hartmuot bî mir niht enstât (ib.); weitere Beispiele bringt Dittmar, Zeitschr. f. d. Philol., Ergänzungsband 299ff. Notwendig ist die Negation schon im Mhd. nicht. Ist der regierende Satz negiert, so pflegt im Mhd. der abhängige Satz nicht durch eine Konjunktion eingeleitet zu werden; man braucht statt dessen bloss die Negation en mit dem Konjunktiv, vgl. mîn vrouwe sol iuch niht erlân irn saget iuwer mære. Die Entstehung dieser Konstruktionen werden wir uns so zu denken haben, dass der Gedanke des abhängigen Satzes sich einerseits als abhängig von dem regierenden Satze, anderseits als etwas Selbständiges in das Bewusstsein drängte. Wenn es z. B. in der Kudrun heisst daz wil ich widerrâten, daz ir mich mit besemen gestrâfet nimmer mêr, so ist das eigentlich eine Mischung aus den beiden Gedanken »davon will ich abraten, dass ihr mich jemals wieder straft« und »straft mich niemals wieder«. Diese Erklärung ist allerdings nur auf diejenigen Fälle anwendbar, in denen der regierende Satz positiv ist. Erst nachdem die Verwendung der Negation usuell geworden ist, kann sie auf die Fälle mit negativem regierenden Satze übertragen sein. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, dass die Setzung der Negation Tradition aus einer Zeit her ist, in welcher eine eigentliche grammatische Subordination des einen Satzes unter den andern über- 171 haupt noch nicht stattfand. Immerhin haben wir es auch dann mit einer Kontamination zu tun. Verwandte Erscheinungen liegen im Lat., in den romanischen Sprachen und anderwärts vor.
In entsprechender Weise erscheint die Negation auch neben dem Inf., wo die Herleitung aus ursprünglicher Selbständigkeit nicht möglich ist, vgl. freilich hüten wir uns sie nicht an den gnädigen Herrn zu erinnern (Goe.); ihn zurückzuhalten, nicht wieder vors Krankenbette zu kommen (Miller); ich habe verschworen, nicht mehr an sie zu denken (Goe.); ich habe es verredet, in meiner gegenwärtigen Lage niemals wieder eine Nacht in Braunschweig zu bleiben (Le.); der habe ihm verboten, den Ring weder der Königin zu geben, noch dem Grafen zurückzusenden (Le.). Auch nach einem an sich nicht negativen, aber negierten Ausdrucke lässt sich Negation nachweisen, vgl. vnd gentzlich kein hoffnung mehr handt zu samb zu kummen nimmer meh (H. Sachs). Ähnlich wie die Setzung der Negation neben dem Inf. ist die Verwendung von wenig zu beurteilen in einem Satze wie ich hüte mich, so wenig als möglich daran zu ändern (Goe.).
In verschiedenen Sprachen findet sich eine Negation nach ohne (vgl. Mätzner, Franz. § 268), z. B. franz. sans nul égard pour nos scrupules (Béranger); span. sin fuerza ninguna (Calderon); it. senza dir niente, span. sin hablar palabra ninguna; franz. sans que son visage n'exprimât la peine (Saint-Pierre); span. sin que nadie le viese (Cervantes); nhd. euch sprach ich nie aus, ohne dass mein Herz nicht innigst gerührt ward (Le.); ohne dass wir bei seiner Beurteilung weder auf irgend ein Gesetz noch auf irgend einen Zweck Rücksicht nehmen (Schi.); ohne dass ich weder von dem Vorhergehenden noch von dem Nachfolgenden irgend unterrichtet gewesen wäre (Goe.); wir können ihn jedoch nicht dahin begleiten, ohne nicht vorher eine seiner interessantesten Jugenderinnerungen erwähnt zu haben (Nerrlich); ohne auszufahren noch einzulaufen (G. Keller). Ebenso nach ausser: ihr findet Widersprüche überall, ausser da nicht, wo sie wirklich sind (Le., vgl. Andr. Spr. 145). Nach als, welches auf ein vorhergehendes nichts bezogen ist, vgl. es mangelt ihm nichts, als dass es nicht gekläret ist (Schoch); es fehlt nichts, als dass du nicht da bist (Goe.).
Im Nhd. findet sich ein negatives Wort zuweilen neben kaum: nichts mag kaum sein so ungelegen = kaum kann etwas so schwierig sein (Fischart), vgl. DWb 5, 355; nach schwerlich: er hätte schwerlich mir die Ehre nicht erzeiget (Herder), schwerlich niemals (Le.), vgl. Sanders 2b, 1048b. Ähnlich ist Setzung von kaum nach ohne, vgl. Jahre gingen vorüber, ohne dass man es kaum merkte (Herder). Hierher könnte auch der § 71 erwähnte Gebrauch von mhd. lützel, selten etc. gezogen werden. 172
Noch andere Beispiele eigentlich ungehöriger Negation sind: als er hörte, dass der Prinz dich jüngst nicht ohne Missfallen gesehen (Le.) statt nicht ohne Wohlgefallen oder ohne Missfallen; zu edel schon, nicht müssig zu empfangen (Schi.).
Mehrere negative Ausdrücke statt eines schliessen sich zuweilen auch zu einem Kompositum zusammen. So kommt vor vergesslos = »vergesslich« (s. DWb 12, 424), z. B. so vergesslos ging sie mit allem um (Pestalozzi); vgl. ferner entunehren, entungnossen, entungnossamen (DWb 3, 641. 2).
§ 121. In vielen der angeführten Beispiele ist durch die Kontamination eine Art Pleonasmus entstanden. Noch deutlicher zeigt sich ein solcher in den folgenden. Im Lat. findet sich eine Häufung von Vergleichungspartikeln (vgl. Draeg. § 516, 14), wie pariter hoc fit atque ut alia facta sunt (Plaut.); damit vgl. man unser volkstümliches als wie. Ähnliche Häufungen sind lat. quasi si (Draeg. § 518, 1b), nisi si (ib. § 557f.z). Im Engl. ist es bekanntlich in vielen Fällen möglich eine Präposition entweder zum Subst. oder zum regierenden Verbum zu stellen; es kommt aber auch beides kombiniert vor, vgl. z. B. that fair for which love groan'd for (Shakesp.). Besonders kühn sind Fügungen wie engl. of our generals (Shakesp.) statt of our general oder our generals. Nicht selten wird zu Ortsadverbien, die an sich schon die Richtung woher bezeichnen, noch eine die nämliche Richtung bezeichnende Präp. gesetzt, die eigentlich mit einem die Ruhe an einem Orte bezeichnenden Adv. verbunden werden sollte, vgl. lat. deinde, exinde, dehinc, abhinc; nhd. von hinnen, von dannen, von wannen. Im Lat. findet sich beim Pass. öfters eine pleonastische Bezeichnung des Plusqu.: censa fuerunt civium capita (Liv.); sicuti praeceptum fuerat (Sall.); vgl. Draeg. § 134. Häufig begegnet man Wendungen wie der sich für uns die Erlaubnis erbat, sogleich Abschied nehmen zu dürfen (Goe.); erlauben Sie, dass ich mich dabei beteiligen darf, vgl. die Beispiele bei Andr. Spr. 136. 7. Weitere Beispiele für Pleonasmus im Lat. s. bei Schmalz, Lateinische Stilistik § 63-66.
Viele Beispiele bieten auch hier die Steigerungsformen des Adj. und Adv. Im Mhd. wird dem Komparativ öfters noch ein baz hinzugefügt, also groezer baz etc.; ebenso im Lat. (hauptsächlich bei den Komikern) magis oder potius, im Griech. mâllon (vgl. Ziem. Comp. 154. 5); so auch got. mais wulþrizans. Ähnliches kommt auch beim Superl. vor, vgl. thia suâsostun mêst (Heliand), málista mégiston (Xen.), die zunächststehendsten (Frankf. Zeit nach Andr.). Damit zu vergleichen sind Verbindungen wie magis (potius) malle, prius praecipere, pléon protimân (Xen.), próteron prolambánein (Dem.). Lessing sagt im Laok. niemand hatte mehr Recht, wegen eines solchen Geschwieres bekannter zu sein. 173 Der Komparativ wird mit einer den Vorzug bezeichnenden Präp. verbunden, die eigentlich nur neben dem Positiv stehen sollte, hoîsin hê turannìs prò eleutheríês ê^n aspastóteron (Herodot), hairetô'teron eînai tòn kalòn thánaton antì toû aischroû bíou (Xen.), prae illo plenius (Gellius), ante alios immanior omnis (Virg.), vgl. Ziem. Comp. 95ff. Auch im Deutschen ist diese Erscheinung häufig, vgl. ich hân ze friunde mir erkorn den nidern baz der êren gert für einen hôhen sunder tugent (Winsbeke), mit kunst vnd heylickeit solt er grosser sein für andern (Lu.), so viel der Morgen für der Nacht uns angenehmer ist (Opitz), doch eine ward herrlicher vor allen andern (Klopstock), wie interessanter denn doch die Reinheit der Form und ihre Bestimmtheit vor jener markigen Rohheit und schwebenden Geistigkeit ist und bleibt (Goe.). Laurentius Albertus gibt in seiner Grammatik geradezu als regelmässig an: er ist gelerter für vilen andern. Wolfram v. Eschenbach stellt die beiden möglichen Wendungen vollständig nebeneinander: diu prüevet manegen für in baz dan des mæres herren Parzivâl (in bezieht sich auf Parzival). Der Superl. erscheint so gebraucht bei H. Sachs: der aller liebst für alle gest. Eine andere Art von Pleonasmus besteht darin, dass Wörter, die an und für sich schon etwas Komparativisches haben, noch mit einem Komparativsuffix versehen werden, vgl. der überwiegendere Teil des Publikums (Grabbe); asächs. ôðarlîcaron zu ôðarlîc »anders beschaffen«.
Auch manche Erscheinungen, die äusserlich angesehen als Ellipsen bezeichnet werden können, beruhen im Grunde auf einer Mischung verschiedener Ausdrucksformen. Wenn Schiller sagt ich kann nicht eher ruhig sein, bis ich Deine Meinung über sie gehört habe, so ist blosses bis statt des korrekten als bis gesetzt, als ob in dem regierenden Satze kein eher stünde. Diese Konstruktionsweise ist so verbreitet, dass man wohl behaupten darf, dass blosses bis nach nicht eher häufiger ist als als bis. Ebenso nach nicht früher, vgl. ich dringe in ihr Arbeitszimmer und verlasse es nicht früher, bis wir besitzen, was mein ist (Gutzkow). Die Richtigkeit unserer Auffassung erhellt, wenn wir zum Vergleiche Sätze heranziehen wie ich habe so lange keine Ruhe, bis ich mich von der Seite gereinigt habe (Schi.), Mischung aus ich habe so lange keine Ruhe, als ich mich nicht gereinigt habe und ich habe keine Ruhe, bis ich mich gereinigt habe. So erklärt sich auch die einfache Setzung von als nach nicht anders, wo nach strenger Logik doppeltes als stehen sollte, vgl. z. B. dass er sich nicht anders benimmt, als ob er das einzige Wesen in der Welt wäre (Wieland); nun war es nicht anders, als wenn alle Teufel aus der Hölle zusamt losgelassen wären (Tieck); so war es nicht anders, als hüpften mir meine Farben entgegen (Stifter). Einfaches als steht hier, als ob kein nicht anders vorhergegangen wäre.