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Achter Theil
Buch der Pilger

71

Achter Theil
Erste Rede

Vacchagotto

I

Das hab' ich gehört. Zu einer Zeit weilte der Erhabene bei Vesālī, im Großen Walde, in der Halle der Einsiedelei. Um diese Zeit nun hielt sich der Pilger Vacchagotto im Pilgergarten der Weißen Lotusrose auf. Und der Erhabene, zeitig gerüstet, nahm Mantel und Schaale und wanderte gegen Vesālī, um Almosenspeise. Und es gedachte der Erhabene: ›Allzu früh ist's noch, in der Stadt um Almosen zu stehn; wie, wenn ich nun in den Pilgergarten der Weißen Lotusrose einträte und den Pilger Vacchagotto besuchte?‹ Und der Erhabene trat in den Pilgergarten der Weißen Lotusrose ein und begab sich dorthin wo der Pilger Vacchagotto weilte. Da sah der Pilger Vacchagotto den Erhabenen von ferne herankommen, und als er den Erhabenen gesehn sprach er also zu ihm:

»Es komme, o Herr, der Erhabene, gegrüßt sei, o Herr, der Erhabene! Lange schon, o Herr, hat der Erhabene hoffen lassen, mich einmal hier zu besuchen. Möge sich, o Herr, der Erhabene setzen: dieser Sitz ist bereit.«

Es setzte sich der Erhabene auf den dargebotenen Sitz. Vacchagotto aber, der Pilger, nahm einen von den niederen Stühlen zur Hand und setzte sich an die Seite. An der Seite sitzend sprach nun Vacchagotto der Pilger also zum Erhabenen:

»Gehört hab' ich solches, o Herr: ›Der Asket Gotamo weiß alles, versteht alles, bekennt unbeschränkte Wissensklarheit: ›Ob ich geh' oder stehe, schlaf oder wache, jederzeit hab' ich die gesammte Wissensklarheit gegenwärtig.‹ Ist ein Dogma der Jainās: cf. die 14. Rede; auch die 79ste. So heißt es z. B. im Aupapātikasūtram § 16 vom Jina-Meister: appaḍihayavaranāṇadaṃsanadhare savvaṇṇū sawadarisī – ganz wie oben. Die da solches, O Herr, gesagt haben, haben die wirklich, o Herr, des Erhabenen Worte gebraucht und den Erhabenen nicht mit Unrecht angeführt und der Lehre gemäß geredet, so dass sich kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen kann?«

»Die da, Vaccho, solches gesagt haben: ›Der Asket Gotamo weiß alles, versteht alles, bekennt unbeschränkte Wissensklarheit: ›Ob ich geh' oder stehe, schlaf oder wache, jederzeit hab' ich die gesammte Wissensklarheit gegenwärtig‹‹, die haben nicht meine Worte gebraucht und haben mich also ohne Grund und mit Unrecht angeführt.« »Wie dann, o Herr, sollten wir reden, um eben die Worte des Erhabenen zu gebrauchen und den Erhabenen nicht mit Unrecht anzuführen und der Lehre gemäß zu reden, so dass sich kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen könnte?«

»›Drei Wissen weiß der Asket Gotamo‹: also redend, Vaccho, würde man eben meine Worte gebrauchen und mich nicht mit Unrecht anführen und der Lehre gemäß reden, so dass sich kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen könnte. Denn nach Belieben, Vaccho, erinnere ich mich an manche verschiedene frühere Daseinsform, als wie an ein Leben, dann an zwei Leben, dann an drei Leben, dann an vier Leben, dann an fünf Leben, dann an zehn Leben, dann an zwanzig Leben, dann an dreißig Leben, dann an vierzig Leben, dann an fünfzig Leben, dann an hundert Leben, dann an tausend Leben, dann an hunderttausend Leben, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenvergehungen, dann an die Zeiten während mancher Weltenentstehungen – Weltenvergehungen. ›Dort war ich, jenen Namen hatte ich, jener Familie gehörte ich an, das war mein Stand, das mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; dort verschieden trat ich anderswo wieder ins Dasein: da war ich nun, diesen Namen hatte ich, dieser Familie gehörte ich an, dies war mein Stand, dies mein Beruf, solches Wohl und Wehe habe ich erfahren, so war mein Lebensende; da verschieden trat ich hier wieder ins Dasein.‹ So erinnere ich mich mancher verschiedenen früheren Daseinsform, mit je den eigenthümlichen Merkmalen, mit je den eigenartigen Beziehungen. Und nach Belieben, Vaccho, seh' ich mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, übermenschliche Gränzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, ich erkenne wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren. ›Diese lieben Wesen sind freilich in Thaten dem Schlechten zugethan, in Worten dem Schlechten zugethan, in Gedanken dem Schlechten zugethan, tadeln Heiliges, achten Verkehrtes, thun Verkehrtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, gelangen sie abwärts, auf schlechte Fährte, zur Tiefe hinab, in höllische Welt. Jene lieben Wesen sind aber in Thaten dem Guten zugethan, in Worten dem Guten zugethan, in Gedanken dem Guten zugethan, tadeln nicht Heiliges, achten Rechtes, thun Rechtes; bei der Auflösung des Körpers, nach dem Tode, gelangen sie auf gute Fährte, in himmlische Welt.‹ So seh' ich mit dem himmlischen Auge, dem geläuterten, über menschliche Gränzen hinausreichenden, die Wesen dahinschwinden und wiedererscheinen, gemeine und edle, schöne und unschöne, glückliche und unglückliche, ich erkenne wie die Wesen je nach den Thaten wiederkehren. Und ich habe, Vaccho, den Wahn versiegt und die wahnlose Gemütherlösung, Weisheiterlösung noch bei Lebzeiten mir offenbar gemacht, verwirklicht und errungen. ›Drei Wissen weiß der Asket Gotamo‹: also redend, Vaccho, würde man eben meine Worte gebrauchen und mich nicht mit Unrecht anführen und der Lehre gemäß reden, so dass sich kein entsprechender Folgesatz als ungehörig erweisen könnte.«

Nach diesen Worten sprach Vacchagotto der Pilger zum Erhabenen also:

»Giebt es nun wohl, o Gotamo, irgend einen Hausgewohnten, der, ohne die häuslichen Bande gelassen zu haben, bei der Auflösung des Körpers, dem Leiden ein Ende macht?«

»Nicht giebt es, Vaccho, irgend einen Hausgewohnten, der, ohne die häuslichen Bande gelassen zu haben, bei der Auflösung des Körpers, dem Leiden ein Ende macht.«

»Giebt es aber, o Gotamo, irgend einen Hausgewohnten, der, ohne die häuslichen Bande gelassen zu haben, bei der Auflösung des Körpers, in himmlische Welt gelangt?«

»Nicht giebt es, Vaccho, nur etwa hundert oder zweihundert oder dreihundert oder vierhundert oder fünfhundert sondern noch mehr Hausgewohnte, die, ohne die häuslichen Bande gelassen zu haben, bei der Auflösung des Körpers, in himmlische Welt gelangen.«

»Und giebt es, o Gotamo, irgend einen Nackten Büßer, der, bei der Auflösung des Körpers, dem Leiden ein Ende macht?«

»Nicht giebt es, Vaccho, irgend einen Nackten Büßer, der, bei der Auflösung des Körpers, dem Leiden ein Ende macht.«

»Doch giebt es, o Gotamo, irgend einen Nackten Büßer, der, bei der Auflösung des Körpers, in himmlische Welt gelangt?«

»Von heute, Vaccho, zurück bis zum einundneunzigsten Weltalter, dessen ich gedenke, weiß ich von keinem Nackten Büßer, der in himmlische Welt gelangt wäre, einen ausgenommen: der aber glaubte an eigene That und eigenes Handeln.«

»So ist freilich, o Gotamo, jenes Büßerthum eitel, sogar um in himmlische Welt zu gelangen?«

»So ist freilich, Vaccho, jenes Büßerthum eitel, sogar um in himmlische Welt zu gelangen.«

Also sprach der Erhabene. Zufrieden freute sich Vacchagotto der Pilger über das Wort des Erhabenen. Von den drei Meistern der Nackten Büßer handelt das Ende der 76. Rede; vergl. auch die 36., im Anfang. Vacchagotto der Pilger scheint vorher Jünger des Nando Vaccho, des ersten jener drei Meister, gewesen zu sein. – Nackte Büßer ( Ājīvikā, Acelakā), Freie Brüder ( Nigaṇṭhā, Jainās) und voran der buddhistische Orden ( Saṉgho): das sind die großen gleichzeitigen Asketengilden, welche Asoko je namentlich nennt und mit 'all den anderen und irgend sonstigen Genossenschaften' königlich beschirmt. Cf. Säulenedikt VII, 2, l. 4–5.


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