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Die Klugheit geht im Lande um.
Sie errechnen sich die Kinder. »Nein nein, wir wollen keine drei – zwei werden's besser haben.« – »Und uns genügt das eine – so bleibt das Erbe ungeteilt.« – »Wir? wir wollen keins – so bleibt ihm alles Leid der Welt erspart.«
So rechnen sie und kalkulieren. Eine Frau und einen Mann sah ich vor einer Schiefertafel sitzen und mit Griffeln kritzeln: »Die Zinsen machen so viel – so viel dein Gehalt – der Lebensmittelindex ist um vier Prozent gefallen – ich glaube fast, wir können es mit einem vierten Kinde wagen. Liebster …« Und ihr Viertes springt von einer Schiefertafel in die Welt, errechnet und erkritzelt.
Das Vierte sah ich in der Schule. O wie war es klug, dies erklügelte Kind. Es machte niemals dumme Streiche. Fischäugig ging es durch die Welt.
Und wenn es groß wird und ein Weib nimmt, bringt es auch den Griffel und die Schiefertafel in die Ehe. Und siehe, dieser Griffel rechnet noch viel schärfer …
Und ich sehe ein Geschlecht, das sich das letzte Kind mit seinem Griffel von der Tafel fortgerechnet haben wird.
Ich möchte lieber sterben, als meinen Eltern für ein errechnetes Dasein danken müssen: Ich danke …
Gott baute für die Eltern einen flammenden Triumphbogen der Lust vors Kinderland. Ehedem, wie stolz und unbekümmert gingen sie durchs Tor, und Kinderarme schossen auf, liebkosend.
Und heute? Scheu schleichen sie durchs Tor, rostzerfressen stürzt es hinter ihnen ein, und ihre Wanderstecken stoßen sich an Steinen eines kinderlosen Oedlandes.
Sie sagen Ja zur Lust und schwören schlau die Elternschaft dahinter ab. Meineidig werden sie an ihren ungeborenen Kindern. Und werden nicht gewahr, wie stumme Richter ungeheure Zuchthauswände um sie bauen.
Was brauste früher für ein Strom der Lebensfreude aus dem Hochgebirg der Liebe in das Kinderland! Heute tragen sie die Berge ab – so ein Bergbach könnte ja verwüsten.
In den Zeitungsspalten las ich ihre Angebote, rote Zettel sah ich sie verteilen: »Frauen, seid klug …«
Hört ihr die Säge gehen? Oder ist es der Wurm? Es gilt den Stamm, es gilt den ganzen Wald!
Heilige Lohe, brenne diesen klugen Wald zusammen und laß aus seiner Asche einen neuen Wald erstehen, einen unbekümmerten, in dessen Schatten wieder jauchzend Kinder spielen dürfen, geschenkte Kinder. Kinder, die nicht gewollt und nicht errechnet wurden. Nein, die wir uns schenken ließen. Wißt ihr noch, wie's in der Bibel hieß: »Und es ward ihnen selbigen Tags ein Kindlein beschert.« Wißt ihr auch, wie euer Vater noch von eurer Mutter sagte: »Kinder hat sie mir geschenkt.« So laßt eure Kinder wieder werden: Beschert, geschenkt und nicht errechnet.
Und wenn sie dann in jenem neuen Wald auch über Wurzeln stolpern und sich dann und wann verirren und nicht alle Tage satt bekommen und die Dornen ihre Füße ritzen und Gestrüpp ihr Kleid zerreißt und manche Träne in das Moos fällt, manches Weinen zwischen spielendem Gejauchz durch diesen Wald geht – was liegt daran? Ist's nicht vieltausendmal besser, als daß schattenhaft und stummer Klage voll die Arme hebend. Ungeborene durch den Wald gingen …