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Späte Liebe


127

Mit Andern mitleidsvoll, für sich nur grausam
Entsteht ein niedres Thier, das unter Qualen
Die Hülle lässt, um Menschenhand zu kleiden,
Und so im Sterben edel sich erweist.

Wär' so vom Schicksal, meinem Herrn, bestimmt mir,
Mit todtem Balg die Lebende zu kleiden,
Dann, gleich der Schlange, die am Fels die Haut
Sich abstreift, dürft' ich sterbend neu erstehen.

O wäre mein nur jenes flock'ge Fell,
Aus dessen Haar dies Kleid gewoben ward,
Das selig ihre schöne Brust umschliesset,

So wär' sie doch am Tage mein, o wäre
Der Schuh ich, ihrer Leibessäule Basis,
Dann dürft' ich doch zwei schnee'ge Füsse tragen!

128

Als meine Zuflucht und die letzte Rettung,
Was böte gröss're Sicherheit und Kraft,
Wie Fleh'n und Weinen! Doch es hilft mir nicht.
Es schwuren Krieg mir Lieb' und Grausamkeit,
Mit Huld gewappnet die, mit Tod die andre;
Mich tödtet diese, jene macht mich leben.
Verhindert so am Sterben,
Das einzig ihr von Werth, hat meine Seele
Oftmals sich aufgemacht
Dorthin, wo ewig sie zu weilen hofft,
Wo Schönheit herrscht, von Frauenstolze frei!
Dann aber neu entsteht
Der Schönheit Abbild, das mir Leben spendet,
Und wehrt dem Tod, die Liebe zu besiegen.

129

Es schwindet alle Härte,
Wie alles Licht erblasst, vor deinen Augen!
Geschieht es wohl, dass man vor Freude stirbt,
Dann ist's die Stunde,
Da gross' Erbarmen grosser Schönheit obsiegt.
Und wäre nicht an's Feuer
Die Seele längst gewöhnt, wär' ich gestorben,
Als mir dein erster Blick Verheissung schenkte,
Nach der nun nimmer müde
Mein eig'nes Auge, feind mir, gierig trachtet.
Und klagen dürft' ich nicht:
Was nicht in deiner Macht, vermagst du nicht!
O Schönheit! Gnade! beide gleich unendlich,
Ihr könnt nicht anders: tödten
Müsst ihr durch eure Huld
Und müsst zum Blinden machen, wer euch anschaut!

130

Vom ersten Weinen bis zum letzten Seufzer,
Dem ich schon nahe, wer
Beschwor auf sich so grausames Geschick,
Als ich von einem Stern so hell und wild?

Nicht ruchlos nenn' ich ihn,
Wär's besser auch, er wär' es,
Denn, fühlt' ich Zorn, wär' Liebe abgeschnitten.
Doch mehr, je mehr erschauet,
Verheisst Sie meiner Qual
Ihr süsses Mitleid, Sie, die Mitleidlose.
O Gluth, so heiss ersehnt!
Ein nied'rer Mensch nur könnte dich besiegen;
Ich aber, dass ich blind nicht,
Ich dank's der ersten und der letzten Stunde,
In der ich Sie erblickt –
Der Wahn beherrsche mich und währe immer,
Verliert mit ihm nur Kraft und Tugend sich!

131

Was ich auch sehe, räth mir, bittet mich
Und zwingt mich, dir zu folgen, dich zu lieben,
Denn was nicht du bist, ist kein Gut für mich.
Die Liebe, die verschmäht jed' andres Wunder,
Sie will's zu meinem Heile, dass ich einzig
Dich einzig sehnend suche, hoher Hoffnung
Und jeder Kraft der Seele mich beraubend.
Ja, sie will mehr, nicht du allein
Sollst mich entflammen, nein, wer immer nur
Dir in den Augen, in den Wimpern gleicht.
O Augen, ihr mein Leben, wer von euch
Sich trennt, dem leuchtet keine Sonne mehr,
Denn dort nur ist der Himmel, wo ihr seid.

131 a

Andere Version von 131

Was ich auch sehe, räth mir, bittet mich
Und zwingt mich, dir zu folgen, dich zu lieben,
Denn was nicht du bist, ist kein Gut für mich.
Nichts trifft das ird'sche Aug' und macht die Lider
Zum Schau'n sich öffnen, nichts auch nennt die Stimme,
Was Pein mir nicht verursacht, ausser dir.
Was irdisch, todverfallen –
Wo du nicht weilst, umstrahlt von reinem Äther,
Ist jedes Lichts beraubt.
Und Sonne, Sterne, Himmel,
Sie sind von dunklem Schleier
Beschattet, wo dein Auge sich erschliesst.
Mein theures Seelenheil, da du vermagst,
Was du nur willst: verstehe meinen Schmerz!
Macht sich das Herz im Antlitz offenbar,
Erkennst du wohl: nichts andres ist mir theuer.
Nicht Weinen braucht's noch Sprechen.
Ringt nach dem Wort die Seele,
Dann ziehet unsre Freundschaft sich zurück,
D'rum sei das Reden sparsam:
Die Gluth ist schwach, weiss man von ihr zu künden.
Warum verachtet mich, den nied'ren Armen
Mit Stacheln treibend, deine hohe Schönheit?

— — — — —  — — — —

132

Je mehr mein Leiden ich zu fühlen glaube,
Wenn ich's in meinen Mienen
Euch zeige, um so grösser
Wird Eure Schönheit – dies versüsst es mir.
Er, der mich martert, handelt
Gar wohl, verschönt er Euch
Durch Qualen, mir verhänget.
Befriedigt Euch mein Leiden,
Euch, grausam wilden Stern,
Was würde dann mein Sterben erst Euch sein?
Doch stammet Eure Schönheit
Von meiner herben Marter,
Und endet die der Tod nur,
Dann, stürb' ich, würde Eure Anmuth sterben!
D'rum macht, dass leidend ich
Am Leben bleib', sonst wär es Euer Schaden;
Und steigern meine Schmerzen Eure Schönheit,
Wird mir die Seele ruh'ger,
Denn grosse Pein erträgt sich, weckt sie Wonne!

133

So rasch und kühn ist diese meine Herrin,
Dass, während sie mich tödtet, höchstes Gut
Sie mit den Augen mir verspricht und fest
In meiner Wunde hält den grausen Stahl.
So fühl' im Augenblick
Zugleich ich Tod und Leben, die sich feindlich,
In meiner Seele Inn'rem;
Doch ihre Huld, verlängernd
Die Qual, schiebt nur hinaus das Todesurtheil,
Denn Böses schadet mehr, als Gutes nützt.

134

Durch Schönheit und durch Mitleid
Verheisst so viel die Herrin,
Dass ich, sie schauend, wieder,
Ob alt auch, werden könnte, wie dereinst.

Doch da voll Neid und Bosheit
Sich zwischen meine Leiden
Und ihr Erbarmen stündlich drängt der Tod,
Darf ich nur kurze Zeit
Erglüh'n, so lang sein Antlitz ich vergesse;
Kehrt aber diesem zu,
Dem schon gewohnten, sich das trübe Sinnen,
Dann löscht sein grimmes Eis das süsse Feuer.

135

Ist's wahr, dass von dem Leib gelöst die Seele
In einen andren kommt
Für kurzer Tage Frist,
Um noch einmal zu leben und zu sterben,
Wird Sie, die meinen Augen
So wunderschön erscheint,
Zurückgekehrt so grausam sein, wie jetzt?
Vertrau' ich der Vernunft,
So müsste ich erwarten,
Sie ohne Härte, reich an Huld zu sehen,
Denn schloss die schönen Augen
Sie selbst, so muss, erneuert, Sie erbarmen
Sich meines Tods, erfuhr Sie doch den Tod!

136

Nicht nur der Tod, nein Todesfurcht, mich schützend,
Errettet mich von Ihr,
Die wild und schön allstündlich mich vernichtet.
Entflammt mich mehr als sonst
Die Feuersbrunst, in die ich mich gestürzt,
So bleibt kein andres Mittel,
Als tief in's Herz des Todes Bild zu prägen,
Denn wo der Tod ist, naht sich nicht die Liebe.

137

An fernem, gröss'rem Lichte hell'ren Sternes
Entzünden Nachts am Himmel sich die Lichter,
Doch deine Schönheit mehrt sich
Durch jedes minder Schöne, das dir nahe.

Bewegt dich dies zu Mitleid,
Dass nicht mein Herz zu Eis
Verhärte sich, wenn ich von Gluth entbrenne?
Verleiht, was arm an Schönheit,
Dir Anmuth und verschönt es
Dir Antlitz, Augen und die blonden Haare,
Dann bist du selbst dir feindlich,
Wenn meine Näh' du fliehest!
Denn, Hässlichem gesellt,
An Schönheit wächset Schönheit.
Doch gäb'st du, Herrin, wieder
Dem Himmel, was, uns nehmend, er dir gab,
Wär' schöner unser Antlitz als das deine.

138

Nicht ist dein göttlich Antlitz
Gefahrlos für die Seele
In Einem, der verfallen
Dem Tod, wie ich, der stündlich ich ihn fühle.
D'rum waffn' ich mich und sinne,
Wie ich vor dir mich schütze, eh' ich sterbe;
Doch deine Huld, so nahe
Mir auch mein Ende schon,
Giebt nicht mich selbst mir wieder,
Nicht trenn' ich mich von ihr trotz allen Unheils:
Nicht tilgt ein Tag Gewohnheit vieler Jahre!

139

Zwei schöne Augen sind es,
Die Amor Kraft verleihen
In Jahren, die sein Fluggeschoss verachten.
Begehrlich, jeglich Wunder zu erschauen,
Das meiner Herrin gleichet,
Vergönnt mein Auge Einlass scharfen Pfeilen,
Und kaum empfind' ich Süsses,
Bestürmt mich rauh und stark schon der Gedanke
An Schande und an Tod.
Doch wehrt die Furcht vor Unheil nicht der Liebe,
Nicht steuert Altgewohntem eine Stunde.

140

Drängt spornend mich die Zeit, mit jeder Stunde
Mich heftiger bestürmend,
Der Erde heimzugeben
Die kranken Glieder, die des Wanderns müde,
Lässt Liebe doch nicht ab,
Die Seele trübend, fröhlich mich zu stimmen,
Und will, das Herz mir öffnend
Und schliessend, mein' nicht schonen
Im ungewissen Alter,
Das schon dem höh'ren Friedensleben nahe!
Denn der gewohnte Wahn
Verstärkt sich stündlich mehr, je mehr ich alt're.
O grausames Geschick, so hart wie keines,
Zu spät ist's, solcher Noth mich zu entzieh'n –
Ein längst verbranntes Herz, das neu entbrennt,
Ist doch, wenn auch Vernunft das Feuer löschet,
Nicht mehr ein Herz, nein! Kohle nur und Asche.

141

Je mehr von hinnen täglich flieht mein Leben,
Zerstört mich mehr die Liebe,
Mir keine Stunde gönnend,
Wie ich erwartet nach so vielen Jahren.
Und wie ein falsch zum Tode
Verdammter, klagt die Seele
Mich grollend ihres ew'gen Schadens an.
So zwischen Todesfurcht
Und Liebestrug versuch' ich zu erkennen,
Was besser sei von beiden,
In Zweifelsnoth, und wähle dann das Schlecht're:
Der schlimme Brauch siegt über guten Rathschluss.

142

Die Seele, die die Fluthen
Des Innern giesst nach aussen,
Sie thut's, um nicht das Feuer,
Von dem sie glüht, zu löschen.

Jed' andre Hülfe dünket
Vergeblich, da das Weinen
Mich Greis bei deinem Feuer neu belebt.
Mein hartes Loos und feindliches Geschick
Sind nicht so hart gestählt,
Sie lindern sich, wenn ich von dir entzündet!
D'rum schliess' die Flammenblicke
Ich fest in's Inn're ein, nach aussen weinend,
Und lebe froh von dem, d'ran Andre sterben.

143

Kann, Amor, Noth und Leid dich nur erfreuen,
Dann ist der Pfeile herbster mir der liebste,
Der zwischen Wund' und Tod
Selbst eine kurze Frist mir nicht vergönnt.
Der Liebenden Vernichtung,
Ihr Leid verkürzend, raubt dir ihre Thränen.
D'rum würde dir mein Dank
Nur für den Tod und nicht für meine Leiden:
Von allem Übel heilt uns, wer uns tödtet.

144

Ob auch, schon allzuoft durch Lieb' entflammt,
Des Herzens Gluth vom Alter ward erstickt:
Die letzte Liebesqual,
Sie würde vor dem Tod mir tödtlich werden.

Desshalb ersehnt die Seele,
Von Lieb entfacht, des Lebens letzten Tag,
Der mir der erste wird im Reich des Friedens.
Denn vor dem Sterben findet
Der Seele Leben Rettung
Und Zuflucht nur im Tod, dem grausam rauhen:
Gewachsen ist dem Tod
Der Tod nur, alle Hülfe sonst bedeutet
Mir zwiefach Tod, da Tod mir Leben schenket.

145

Nur weil sie Dauer deiner Schönheit wünscht,
Der Zeit entrückt, die, was sie giebt, uns raubet,
Nimmt die Natur, so glaub' ich, Alles wieder
An sich, was täglich dir entzogen wird,

Bewahrend sorgsam es zu bess'rem Loose
Für eine frei gewog'nere Geburt,
Durch die ein neues Wesen sie gestalte,
Dem sie verleiht dein heitres Himmelsantlitz!

O wahrte die Natur auch meine Seufzer
Und sammelte von mir verstreute Thränen
Für Den, der lieben wird die Neuerstand'ne!

Mit meinem eignen Schmerze wird zu Mitleid
Der Nachgebor'ne sie vielleicht bewegen,
Dass ihm die mir genomm'ne Huld einst werde.

146

Vorüber, Liebe, ist die Zeit der Gluthen,
Nicht freut, nicht quält mich ird'sche Schönheit mehr,
Schon naht die letzte Stunde:
Verlor'ne Zeit beklag' ich, zeitberaubt.
Der deines Armes Streichen,
Den starken, nimmt die Kraft,
Der Tod, verstärkt die seinen mehr als sonst,
Und Worte und Gedanken,
Mit denen einst du feurig
Die Seele mir durchdrangst, sie sind zum Schaden

In Thränen mir verwandelt –
O wolle Gott, dass ich
Mit ihnen meine Sünden all' vergiesse!

147

In Demuth biet' ich rauhem Joch den Nacken,
Ein frohes Antlitz einem bösen Schicksal
Und meiner Herrin-Feindin
Ein Herz, erfüllt von Glauben und von Gluth.
Nicht schüttl' ich ab die Marter,
Nein, fürchte stündlich, dass sie mir genommen,
Denn, macht Ihr heit'res Antlitz
Zur Lebensnahrung mir die grosse Pein:
Welch' grausam Leiden kann der Tod mir bringen?

148

An Anmuth reicher, ärmer an Erbarmen
Ist, Herrin, keine Seele,
Die süsse Luft hier athmet, als die deine;
Undank für solche Gabe
Der Schönheit, wie du sie empfingst, verdient
Weit mehr die Hölle, als mein Leid den Himmel.
Nicht künd' ich, nicht verhehl' ich
Den Wunsch, es gleiche mein Vergeh'n dem deinen,
Auf dass, wenn lebend nicht, ich todt dir folge
Und ew'gen Frieden – bist du mitleidsvoll –
Dort finde, wo mein Leiden wird zu Wonne.
Wär' süss die Hölle mir
Mit dir, wie würde es im Himmel sein?
Ein doppelt Sel'ger dürfte
Geniessen ich, allein in heil'ger Schaar,
Den Gott des Himmels und den Gott der Erde!

149

Da hohem Hoffen, Herrin, deine Treue,
Die kurze, nicht entspricht – ich schau' es klar –,
Will ich, mein Leid zu mindern,
Mich freu'n an der Verheissung deiner Augen,
Denn, wo erstarb das Mitleid,
Entzückt doch immer grosse Schönheit noch!
Und fühl' ich, dass im Innern
Du Huld nicht hegst, von der die Augen zeugen,
Doch will ich nicht Gewissheit,
Nein flehe, da verwehrt mir volle Freude,
Dass süss der Zweifel sei, wo Wahrheit schadet.

150

Mich dünkt: dass nicht erlösche
Die Flamme in der Brust,
Der minder grüne Zeit die Wärme raubte,
Nahm seinen Bogen Amor,
Sich plötzlich dess' erinnernd,
Dass nie sein Schuss auf edle Herzen fehlt:
Nun macht ein schönes Antlitz
Mich neu ergrünen, schlimmer ist der Rückfall,
Den dieser Pfeil mir bringt, als erstes Leiden.

151

Je mehr entflieht der kleine Rest des Tages,
Der mir noch bleibt zum Leben,
Um so viel gröss're Qualen
Bringt mir die Gluth, in wen'ge Zeit gedränget:
Denn gegen Altgewohntes
Hilft nicht der Himmel in so kurzer Frist.
Doch – g'nügt dir, Amor, nicht
Ein so umgränztes Feuer,
In dem kein Stein, geschweige denn ein Herz
Sein Wesen wahrt – hab' Dank,
Denn was so leicht bezwingbar,
Hält solche Gluth selbst kurze Zeit nicht aus.
Zum Glück wird mir das Schlimmste,
Denn ausgesetzt der Waffe, die du trägst,
Was gilt mir Leben? – Todte ja verschonst du!

152

Ich eil' mir selbst voraus
Mit hohem, gutem Vorsatz,
Die Zeit verheissend ihm,
Die mir versagt – o thöricht eitles Wähnen!
Denn schon dem Tode nah',
Seh' ich geraubt mir Gegenwart und Zukunft
Und, für ein lieblich Antlitz
Erglüht, erwart' ich Heilung, hoff' auf Leben
In einem Alter, das dem Leben fern!

153

Gewähren meine Klagen Freude Ihr
Und Leben, Amor, dir – bin ich gewöhnt,
Wie du, am Leben
Durch Thränen, Kälte, Gram mich zu erhalten,
Dann raubt der Herrin Huld,
Die mitleidsvolle, Beiden uns das Leben.
Wohl besser wär' das Schlimm're!
So ganz verschieden wirkt verschied'ne Nahrung:
Was Ihr die Freude nimmt, nimmt uns das Leben,
So dass gewiss'ren Tod
Du, Amor, uns versprichst, je mehr du wirkest!
Für die erschrock'ne Seele
Taugt besser langes Leben, sei's auch hart,
Als Huld, die im Gefolge hat den Tod.

154

Die du vergeudest, deine Blicke,
Sie alle raubst du mir;
Sie zu verweigern, ist's kein Diebstahl,
So ist es Mord, der ohne Unterlass
Mich in den Tod treibt, wenn mit ihnen
Den Pöbel du und Hässliche erlabst,
Mich aber ihrer ganz beraubst.
O Liebe, sag', warum erlaubt
Dein güt'ger Sinn,
Dass Dem, der sie ersehnt und fühlet,
Die Schönheit hier genommen
Und thör'gem Volke wird zu Theil?
Ich flehe: schaffe Jene neu
Voll Mitleid innen, aber hässlich aussen,
Dass, mir missfallend, mich Sie lieben müsse.

154 a

Andere Version von 154

Die du vergeudest, deine Blicke,
Sie alle nimmst du mir:
Denn Raub ist's, schenken, was dir nicht gehört.
Beraubst du mich, um Pöbel
Und Garst'ge zu erlaben, –
Um einen Blick vergeb' ich tausend dir.
Nicht hältst du mich, spornst mich nicht an,
Nicht hörst du mich, willst mich nicht seh'n,
Als wär' ich, Andren theuer,
Für dich nicht da, du Rauhe, Wilde!
Dem guten, keusch Gesinnten
Zu deinem Schaden trotz'st du,
Ja deiner Anmuth Reiz
Entziehst du ihm, den Gott dafür begnadet.
D'rum ist es besser, dass ich untergehe:
Schlimm ward bei der Geburt es mir verhängt,
Denn Tod ist Leben Dem, dem Leben Nichts.

155

O sag' mir, Amor, wäre Ihre Seele
So mitleidsvoll, wie schön Ihr Antlitz ist,
Wer könnt' so thöricht sein,
Sich Ihr zu schenken nicht, sich selbst entäussernd?
Und ich, wie könnt' ich mehr,
Wär' freund Sie mir, Ihr dienen und Sie lieben,
Lieb' ich, nun Sie mir feind,
Sie mehr doch, als den Freund ich lieben müsste.

156

Der Tod vertreibt dich aus demselben Herzen,
Das, Amor, unbewehrt selbst, ohne Bogen
Und ohne Pfeil du zu besiegen pflegtest,
Und er verachtet dich: mit grimmem Eise
Löscht er die süsse Gluth, die kurz von Dauer.
In Mannesherzen gilt er mehr als du,
Und trägst du gleich die Flügel,
Die einstens mich ereilt, jetzt flieh' in Furcht,
Denn hohem Alter graut vor grüner Jugend!

157

Der Seele Hälfte, die vom Himmel stammt,
Sie fliegt mit grosser Sehnsucht heim zu ihm,
Doch Frauenschönheit fesselt
Die andre hier, macht mich zu Eis im Feuer:
So zwischen Gegensätzen
Leb' ich getheilt, der eine raubt dem andren
Das Heil, das ungetheilt mir werden sollte.
Doch änderte die Herrin
Ihr Wesen, säh' ich je, von Ihr begünstigt,
Versperrt des Himmels Thor der einen Hälfte,
Dann sollten die Gedanken,
Die müd' verstreuten, nur auf Sie sich richten!
Verstösst, solange Sie mir hold,
Der Himmel meine Seele, darf ich hoffen,
Nicht halb, nein! ungetheilt Ihr zu gehören!

158

Mit meinem Gluthverlangen
Treibt Sie ihr Spiel,
Die, wilden Herzens, Mitleid trägt zur Schau.
Sagt' ich dir's, Amor, nicht,
Dass nichts von Ihr zu hoffen,
Und dass, wer Andren traut, das Eig'ne einbüsst?
Nun will Sie mein Verderben,
Ich schenkt' Ihr Glauben – mein die Schuld, der Schaden!
Wer Viel erwartet, wird enttäuscht durch Wen'ges.

159

Die, flammend, Feuersgluth in tausend Herzen
Verbreitet, grosse Schönheit,
Sie gleicht der Last, die Vielen
Gering nur dünkt, doch einen Einz'gen tödtet.
Wie Stein in engem Raume,
Von Gluth in Kalk verwandelt,
Sogleich durch Wasser ganz wird aufgelöset,
Wie Jeder aus Erfahrung wohl es weiss:
So hat, genug für Tausend,
Mir Gluth für eine Frau,
Die Göttliche, das Innerste verbrannt.
Doch lösen ew'ge Thränen
Das einst so starke, harte Herz mir auf,
Wär' Nichtsein besser, als im Feuer Leben.

160

Es sollte der Erinnerung an Schönheit
Des Todes Bild sich einen, dass auf sich
Der Tod, der sie Euch nahm, die Blicke ziehe,
Macht er doch Gluth zu Eis, zu Weinen Lachen!
Verhasst dann würde Schönheit
Und rühmt' sich nicht, ein leeres Herz zu knechten.
Doch ach! füllt dieses sich
Auf's neu' mit dem Gedächtniss schöner Augen,
Entzündet sich's, wie trocknes Holz im Feuer.

161

Die ungebändigt Wilde,
Sie hat bei sich beschlossen,
Dass ich verbrennend sterbe
Und einer Last, kein Quentchen schwer, erliege.
Und Pfund für Pfund entzieht sie
Mein Blut dem Leib, entkräftend mir die Seele.
Sie aber freut und schmückt sich
Vor dem vertrauten Spiegel,
In dem Sie paradiesisch sich gewahrt.
Mir nahend dann, bewirkt Sie,
Dass durch mein altes Antlitz
Ich Ihres schöner noch erscheinen lasse.
So macht mich Hässlichkeit
Noch mehr zum Spott – und dennoch ist's mein Glück,
Kann ich in Ihr verschönern die Natur!

162

Hätt' ich in frühen Jahren Acht gegeben
Aufs Feuer, damals schwach, das jetzt mich zehret,
Ich hätt' es leicht gelöscht,
Das Leben ausgetilgt dem schwachen Herzen,
Das todt ich nun beschuld'ge.
Die Schuld trägt nur mein erster Jugendwahn.
Hast du, unsel'ge Seele,
Dich anfangs schwach vertheidigt,
Dann stirbst am Ende du
An jener ersten Gluth.
Denn wer ohn' Widerstand der Gluth verfiel
In grüner Zeit, die jetzt ihm Licht und Spiegel,
Wird, müd' und alt, zerstört von wen'gem Feuer.

163

Gewährt mir deine Nähe
In Mitleid süssen Beistand,
Dann schickt die Lebensgeister
Mein Herz bis in des Leibes fernste Theile,
So dass, gehemmt, die Seele
In dem gewohnten Wandel
Sich trennt von mir aus allzugrosser Freude.
Doch scheidest du von mir,
Dann kehren gleich zurück
Mit tödtlicher Gewalt in's Herz die Geister.
Und fühlt es deine Güte
Sich plötzlich neu geschenkt,
Beengt dann treibt es wieder
In Qual die Geister aus: – o Doppelschmerz,
Ob süss, ob bitter, Wonne oder Tod.

164

So treibst du mit Gewalt
Den Tod aus meinem Denken,
Die Seele mir umgarnend
Mit Gunst, die ihres Friedens sie beraubet?
Gefallen ist die Frucht, die Rinde trocken
Und das, was einstens süss, wirkt bitter jetzt.
Ja! einzig mir zur Qual
In letzten kurzen Stunden
Wird unbegrenzter Freude karge Frist;
Dein Mitleid, es erschreckt mich,
Zu spät gewährt und heftig
Bringt es dem Leibe Tod, zerbricht die Lust,
Und dennoch dank' ich dir,
Der Greis, denn sterbe ich in solchem Loose,
So tödtet deine Huld mich, nicht der Tod!

165

Nicht anders schreite ich dem Tod entgegen,
Wie widerwillig Einer,
Den Richterspruch entsendet
Dorthin, wo sich die Seele trennt vom Herzen:
So nah' ist mir der Tod,
Verstreicht nicht träger mir der Rest der Tage.
Doch Liebe lässt mich nicht:
In zwei Gefahren leb' ich!
Weckt Herzeleid mir dort
Der Lebenshoffnung Schwinden,
So setzt den müden Greis hier Lieb' in Brand –
Weiss nicht, welch' Schaden kleiner, was das Bess're!
Doch fürcht' ich Amor mehr, der, so verspätet,
Mit deinem Blick mich um so schneller tödtet.

166

Zerstöret schnell selbst kleine, träge Gluth
Ein grünes Herz, in Jugend kaum erschlossen,
Was wird ein unersättlich Feuer thun
Mit einem oft verbrannten, schon verschloss'nen?

Wenn langer Zeiten Lauf gering'ren Raum
Des Lebens Kräften und dem Muth gewähret,
Was wird des Liebesspieles Feuersbrunst
Aus Dem, der schon dem Tod bestimmet, machen?

Zu Asche werd' ich, wie es zu erwarten,
Zum Spiel dem wilden Wind, dass er voll Mitleid
Widrigen Würmern meinen Leib entführe.

Ward grünend ich von schwacher Gluth verzehrt,
Was darf jetzt dürr ich in so grosser hoffen?
Etwa dass lang' im Leib die Seele daure?

167

Was, Herrin, ich in Eurem Äussern sehe –
Ergründet auch das Auge nicht die Wahrheit –
Giebt Hoffnung: Ruhe finden
Einst werden todesmüde die Gedanken.
Noch tiefer Euer Inn'res
Zu kennen, hiess vielleicht mein Leid verschlimmern.
Wenn Grausamkeit zu eigen
'nem Herzen, das den Thränen
Durch schöne Augen Mitleid wahr verheisset,
Jetzt gilt's dies zu bewähren!
Nichts andres ja erhoffet
Sich keusche Lieb', als was Ihr zeigt im Äussern.
Wenn, Herrin, Euren Augen
Die Seele widerspricht – zum Trotze ihr
Erfreu' ich mich am Trug der schönen Frau!

168

Gieb, Fluss, gieb, Quelle, meinen Augen wieder
Die Fluthen, die, nicht euer, ewig fliessen
Und, wachsend, euch mit gröss'rer Fülle schwellen,
Als von Natur es eurem Lauf bestimmt.

Getrübte Luft, erfüllt von meinen Seufzern,
Die meinem Blicke du das Licht verschleierst,
Gieb sie dem müden Herz zurück, erheitre
Dein dunkles Antlitz, dass mein Aug' sich schärfe.

Gieb, Erde, meinem Fuss die Schritte wieder,
Dass neu die Pflanze spriesse, die er knickte,
Gieb, Echo, nicht mehr taub, mein Klagen wieder.

Gebt, heil'ge Augen, mir die Blicke wieder,
Dass and're Schönheit ich noch einmal liebe,
Da meine Liebe Dir ja nicht genügt.

169

Dein Antlitz in dem meinen
Kann wohl dank deiner Huld und Gnade seh'n,
Wer dich vor übermäss'gem Glanz nicht sieht.

170

Will Liebe froh zum Himmel mich erheben
Mit Ihrer Augen Strahlen, gleich der Sonne,
Dann jagt mit leichtem Lächeln sie die Schmerzen
Mir aus der Seele, setzt Ihr Bild hinein.

Und dürft' ich lang' in solchem Zustand weilen –
Die Seele, die sich über mich beklagt,
Sie trüge in sich, was des Sehnens Ziel!

— — — — —  — — — —

171

Kehrt einst zurück die Seele
In ihre süsse und ersehnte Hülle –
Sei sie verdammt, sei sie erlöst vom Himmel –,
Dann wird im Höllenreich,
Das deine Schönheit schmücket,
Wer immer dich erschauet, minder leiden.
Und steigt sie himmelwärts,
Wie mich mit ihr verlanget,
So werd', um sie bemüht in heisser Neigung,
Ich wen'ger Gott geniessen,
Falls jede Wonne dort
Wie hier vor deinem Götterantlitz weicht!
Und meiner Liebe frommt's,
Denn Leidsvermind'rung nützet dem Verdammten,
Und Glücksverlust im Himmel schadet wenig.


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