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Der platonische Schönheitskultus.
An
Tommaso Cavalieri


63

Das Himmelssehnen, das der Menschen Wollen
Beschwingend läutert, könnt' ich's offenbaren,
Vielleicht dann würde, wer im Reich der Liebe
Erbarmungslos regiert, Mitleid empfinden.

Doch da nach göttlichem Gesetze ewig,
Ob bald der Leib auch stirbt, die Seele lebt,
Vermögen deren Herrlichkeit und Werth
Die Sinne nicht zu fassen, nicht zu schildern.

Wie könnte ach! daher der keusche Wunsch,
Der mir das Herz entfacht, verstanden werden
Von Dem, der stets nur sich im Andern sieht?

Den Tag, so lieb mir, mit ihm zu verbringen,
Hat mir mein Herr versagt: er glaubt der Lüge! –
Wer nicht der Wahrheit glaubt, wird selbst zum Lügner.

64

Wenn eine keusche Lieb', ein hehr Erbarmen,
Wenn ein Geschick zwei Liebenden gemeinsam,
Wenn ein Verhängniss Beide grausam quälet,
Ein Geist, ein Wille nur beherrscht zwei Herzen;

Wenn eine Seel', unsterblich in zwei Leibern,
Zum Himmel beide gleichen Fittigs trägt,
Wenn Liebe mit dem selben goldnen Pfeile
Entflammend trifft das Inn're zweier Busen;

Wenn Einer statt sich selbst nur liebt den Andern,
In einer Lust und Neigung nur verlangend,
Dass gleiches Ende Beiden sei bestimmt;

Wenn Tausend tausendmal nicht Hundert wäre,
Verglichen solchen Liebesbundes Treue –
Wie könnte blosser Missmuth den zerreissen?

65

Wer in der Nachtzeit reitet, muss am Tage
Wohl dann und wann sich Schlaf und Ruhe gönnen:
D'rum, hoff' ich, wird nach Qualen mein Gebieter
Auf's neue Leben schenken mir und Kraft.

Denn Böses ist, wie Gutes, nicht von Dauer,
Doch ein's verwandelt sich ins andre oft.

— — — — —  — — — —

66

Die Gluth, je mehr sie brennt, verstärkt mein Leben!
Wie vieles Holz und Wind das Feuer steigern,
Vertheidigt mich am meisten, wer mich tödtet,
Und dient mir mehr, je stärker er mir schadet.

67

Verehr' ich Euch, so kehrt zugleich Erinn'rung
An all' mein Elend mir zurück im Geiste
Und weint und sagt: Der zeiget wahre Liebe,
Der neu erglüht, obgleich ich ihn beherrsche.

68

Ich leb' von meinem Tod und, acht' ich's recht,
So leb' glückselig ich im Unglücksloose;
Wer nicht in Angst und Tod zu leben weiss,
Der komm' in's Feuer, wo ich mich verzehre.

69

Du weisst: ich weiss, mein Herr, du wissest wohl:
Ich komm', um deiner Nähe mich zu freuen;
Und weisst: ich weiss, du weisst, ich bin der Gleiche –
Warum noch länger zögern, mich zu grüssen?

Ist wahr die Hoffnung, die du mir gewährst,
Ist wahr das edle, mir vergönnte Sehnen,
So falle zwischen uns die Scheidemauer,
Denn Doppelkraft besitzt verhehltes Leiden.

Wenn ich an dir, mein theurer Herr, nur liebe,
Was dir das Liebste an dir selbst, so zürne nicht,
Denn lieben muss des Einen Geist den andern:

Was mich ersehnt dein schönes Antlitz lehrt,
Kann wahrlich nicht von Menschenwitz verstanden werden –
Will man's erkennen, muss zuvor man sterben.

70

Hätt' ich geglaubt, im warmen Sonnenblicke,
Dem ersten, dieser Seele wie der Phönix
Am letzten Lebensziel mich zu erneuen
Durch dieses Feuer, das mich ganz entflammt:

Dem schnellen Hirsche, Panther, Luchse gleich,
Die, Schlimmes fliehend, nur ihr Bestes suchen,
Wär' ihrem Lächeln, keuschem Wort und Liebreiz
Entgegen ich geeilt – nun zögr' ich hastend.

Doch wesshalb mich beklagen? Seh' ich doch
In dieses einz'gen heitren Engels Augen
All' meinen Frieden, meine Rast, mein Heil?

Vielleicht wär's schlimmer einst für mich gewesen,
Zu seh'n und hören ihn – jetzt gleichen Fluges,
Von ihm beflügelt, folg' ich seiner Tugend.

71

Verräth im Antlitz sich das Herz dem Auge,
Dann kann sich heller wohl nicht offenbaren
Die Flamme meiner Liebe: sie genüge
Als Werbung, theurer Herr, um deine Huld.

Vielleicht wird doch dein Geist voll stärk'ren Glaubens,
Als ich es wähn', sieht er das keusche Feuer,
Das mich entflammt, sich eifrig mein' erbarmen!
Wer redlich bittet, findet reiche Gnade!

Glücksel'ger Tag, der dess' gewiss mich machte,
Dann stehe still auf einmal Zeit und Stunde
Und Tag und Sonne auf der alten Bahn!

Auf dass ich, ohne mein Verdienst beglückt,
Den Heissersehnten, meinen süssen Herrn,
Sein unwerth, ewig in den Armen halte.

72

Die Seele spricht:

Aus Feuersgluth vertrieben, sie entbehrend,
Wird mir zum Tod, was Andrer Leben rettet:
Denn nur, was flammend mich verzehrt, ernährt mich,
Was Andern Tod verursacht, bringt mir Leben.

73

Ich weine, glühe, zehr' mich auf – und doch
Nährt sich davon mein Herz, o süsses Loos!
Wer lebt, wie ich, allein von seinem Tode,
Wie ich, von seinen Qualen, seinem Schmerz?

Grausamer Schütze, ach! du weisst die Stunde,
Mit starker Hand die Angst uns zu beschwicht'gen
Ob dieses unsres kurzen Lebens Elend –
Denn wer vom Sterben lebt, kann niemals sterben.

74

Verglich' der Schönheit Eurer Augen sich
An Kraft das Feuer, das von ihnen ausgeht –
So eis'ge Regionen gäb' es nicht,
Dass sie entbrannten nicht wie Flammenpfeile!

Doch nahm, erbarmend unsres Leidens sich,
Der Himmel uns die Kraft, sie ganz zu schauen:
Die Schönheit, die er ganz an Euch verschwendet,
Und schenkt' uns Ruh' im rauhen Erdenleben.

D'rum kommt der Schönheit gleich das Feuer nicht,
Denn Himmelsschönheit weckt in uns nur Liebe,
So weit wir sie auf Erden fassen können.

So bringt es dies mein Alter mit sich, Herr!
Meint Ihr, dass Gluth für Euch mich nicht verzehre,
So wisst: ein Zeichen ist es meiner Schwäche.

75

— — — — —  — — — —

In mir ist, Eros, Tod! in dir mein Leben!
Du scheidest, giebst und nimmst die Zeit:
So wie du's willst, ist kurz, ist lang mein Leben.

In deiner Wohlgesinntheit liegt mein Glück:
Durch dich beseligt, schwang sich auf die Seele,
Dort, wo die Zeit nicht herrscht, zu schauen Gott.

76

Welch' Süssigkeit flösst durch das Aug' dem Herzen
Der ein, der Zeit und Tod zugleich uns nimmt!
Was aber ist es, das mir Trost gewähret
Und durch das Leiden wächst und nimmer stirbt?

Eros, der als lebend'ge, kund'ge Kraft
Die Geister weckt – er, höh'rer Sorge würdig,
Antwortet mir: »Wer sicher ist vor mir,
Der bringt sein Leben, wie ein Todter, hin.«

Die Liebe ist ein inn'res Bild der Schönheit,
Im Geist empfangen – und sie wird im Herzen
Die Freundin aller Tugend, aller Güte.

— — — — —  — — — —

77

Von seines scharfen Pfeiles Schusse hätte
Geheilt mich Amor, hätt' er mich durchbohrt,
Doch g'rade dies ist meines Herrn Gewohnheit,
Durch Wunden selbst die Lebenskraft zu steigern.

Und ward mir tödtlich auch sein erster Schuss,
So kam mit ihm zugleich ein Liebesbote,
Der sagte: »Lieb', erglühe, denn wer stirbt,
Hat and're Flügel nicht zum Flug nach oben.«

»Ich bin's, der einst in deiner frühen Jugend
Dein krankes Auge auf die Schönheit lenkte,
Die von der Erde lebend führt zum Himmel.«

— — — — —  — — — —

78

O Liebe, deine Schönheit ist nicht sterblich,
Kein Antlitz ist auf Erden, welches gliche
Dem Bild des Herzens, das mit stärk'rem Feuer
In Brand du setzest, regst mit stärk'rem Fittich.

79

So hoch mein Geist sich hebt, vermag ich nimmer
Mir vorzustellen sei's ein Schattenbild,
Sei es ein ird'sches Wesen, das mir diente
Als Schutz und Waffe gegen deine Schönheit!

So tief, dich meidend, glaube ich zu sinken,
Dass Liebe jeder Kraft mich ganz beraubt,
Und Leiden, die ich zu vermindern meine,
Verdoppeln sich und bringen mir den Tod.

D'rum nützt mir's nicht, das Fliehen zu beeilen,
Beschleunigt sich der Feindesschönheit Lauf,
Denn nicht entgeht dem Schnelleren der Träg're.

Doch Amor trocknet mir mit seiner Hand
Die Augen, hohen Lohn für Müh' verheissend:
Klein kann der Preis nicht sein, der so viel kostet!

80

Ich seh' in deinem schönen Antlitz, Herr,
Was schwer sich schildern lässt in dieser Welt:
Schon oft hat es mit sich empor die Seele,
Die noch vom Leib umhüllt, zu Gott geführt.

Und wenn der Pöbel, ruchlos, schlecht und thöricht
Den Stempel eig'nen Fühlens Andren aufprägt,
So ist d'rum weniger doch nicht willkommen
Ein starkes Wollen, Sehnsucht, Lieb' und Treue.

Denn jenem Mitleidsquell, dem wir entstammen,
Gleicht mehr als andres für des Weisen Blick
Jedwede Schönheit, die auf Erden sichtbar.

Nicht andre Probe oder Frucht des Himmels
Ward uns auf Erden – lieb' ich Euch in Treue,
So steig' ich auf zu Gott in süssem Sterben.

81

Wie sich in Dint' und Feder birgt der Stil,
Sei hoch er, niedrig oder zwischen beidem,
Und wie im Stein das Bild, ob reich ob ärmlich,
Je nach dem Geist, der's zu entzieh'n ihm weiss,

So ist, mein theurer Herr, in Eurer Brust
Wie Stolz vielleicht auch jede sanfte Regung,
Doch ich vermag ihr zu entlocken nur,
Was eigen mir, was ähnlich meinen Zügen.

Wer Seufzer sä't und bitt'res Weh und Thränen,
(Denn hier verwandelt sich das Himmelsnass
In mannigfachen Samen vielgestaltet),

Der erndtet sammelnd Gleiches: Schmerz und Klage –
So erndtet sich're Qualen, ungewisse Hoffnung,
Wer, selbst von Leid erfüllt, die Schönheit schaut!

82

Wozu soll länger ich das heisse Sehnen
Mit Weinen oder Klagen noch ersticken?
Der Himmel, der solch' Loos bestimmt der Seele,
Befreit, ob früh ob spät, davon ja Keinen.

Was sehnt sich noch mein müdes Herz zu schmachten,
Da Jeder stirbt? Dank diesen Augen wird
Für mich das Ende wen'ger qualvoll sein,
Wiegt doch kein andres Gut mein Leiden auf.

Und kann dem Streich, den selbst ich jenen Augen
Entreiss' und raub', ich nicht entfliehn, so treffe
Er mich doch zwischen Süssigkeit und Schmerz.

Soll glücklich ich nur sein besiegt, erbeutet,
Welch' Wunder, wenn mich unbewehrt und einsam
Gefangen nimmt ein waffenstarker Ritter.

83

Nicht sterblich war's, was meine Augen sahen,
Als Frieden ich in deinen schönen fand,
Nein, jene Liebe, die die edle Seele,
Die ihr verwandte, innerlich bestürmt!

Wär' göttlich nicht der Seele Art und Ursprung,
Sie wünschte and'res nicht als äuss're Schönheit,
Die bloss dem Aug' gefällt, doch sieht den Trug sie
Und schwingt sich auf zur allgemeinen Form.

Ich achte: Dem, der wahrhaft lebt, befriedigt
Nichts Sterbliches die Sehnsucht, in der Zeit nicht,
D'rin alles altert, suchet er das Ew'ge!

Die Sinnlichkeit ist zügelloses Wollen,
Der Seele tödtlich – Liebe macht schon hier
Vollkommen uns, doch mehr dereinst im Himmel.

84

Nicht immer ist ein tödtliches Verbrechen
Das heisse Lieben unermess'ner Schönheit,
Lässt so erweicht es uns das Herz zurück,
Dass mühlos es des Gottes Pfeil durchdringet.

Eros beflügelt die erweckte Seele
Und hemmt den Flug ihr nicht durch eitlen Wahnsinn,
Nein! hebt zur ersten Stufe nur das Sehnen,
Das ungestillt empor sich schwingt zum Schöpfer.

Die Liebe, die ich meine, strebt nach oben
Und gleicht nicht brünst'gem Wunsche nach der Frau,
Der weisen, tapfren Herzen nicht sich ziemt.

Zum Himmel ziehet jener, dieser abwärts,
Der eine in der Seele wohnt, der andre,
Der nur auf Niedres zielet, in den Sinnen.

85

Von Feuer flammen Eure schönen Augen,
Das sie vereist, doch And're fern entzündet.
Gewachsen ist nur Eurer Arme Kraft
Den Lasten, die kein Andrer heben kann.

Lebend'ge Schönheit ist's, erkannt' ich recht,
Die, selbst unsterblich, Andrer Tod verursacht.

— — — — —  — — — —

86

Ich fühl' ein kaltes Antlitz gluthentzündet,
Das, frosterstarrt, von ferne mich entbrennt,
Ich spür' in schönen Armen eine Kraft,
Die, unbewegt, jed' andre Last bewegt.

Ich sehe selt'nen Geist, nur mir verständlich,
Der, selbst unsterblich, Andren Tod bereitet.
Ich finde einen Freien, der mich fesselt,
Und fühl' von Dem verletzt mich, der mir hilft.

Wie kann in mir, o Herr, ein schönes Antlitz
Das volle Gegentheil von sich bewirken,
Da man nur Eig'nes Andrem geben kann?

Der du des Leben Freude mir genommen,
Du gleichst, verweigerst du sie mir, der Sonne,
Die rings die Welt erwärmt, selbst wärmelos.

87

Mit deinen Augen seh' ich süsses Licht,
Das ich mit meinen blinden seh'n nicht kann,
Mit deinen Füssen trag' ich eine Last,
An die gewohnt nicht sind die meinen lahmen.

Mit deinen Flügeln flieg' ich, unbefiedert,
Erhebe mich mit deinem Geist zum Himmel,
Nach deinem Willen werd' ich bleich und roth,
Trotz Sonne kalt und warm im kält'sten Frost.

In deinem Wollen liegt allein mein Wünschen,
In deinem Herzen bildet sich mein Denken,
In deinem Athem leben meine Worte.

Mir überlassen gleiche ich dem Mond,
Von dem der Blick am Himmel nur gewahrt,
So viel an ihm erhellt der Sonne Licht.

88

Auf dass ich leben bleibe
In solcher höchsten Gluth,
Die wechselnd mir dein Auge,
Sich schliessend und sich öffnend, raubt und schenkt,
Ward ihm magnet'sche Kraft,
An sich zu fesseln meiner Seele Leben.
In Angst nun zittert Amor,
Da er ein blinder Schütze,
Und zögert, mich zu tödten.
Denn sucht sein Pfeil mein Herz,
Das in dem deinen weilt,
So müsst' er ja dein eig'nes Herz durchbohren.
Dich vor dem Tod zu retten,
Lässt mich am Leben er – o grosse Marter!
Nicht sterben können trotz der Todesqualen
Verdoppelt mir das Sehnen:
Es hätt' ein Ende, wär' ich ganz mein eigen!
D'rum, willst du meinen Tod, gieb mich mir wieder!

89

Zieht allzuheisse Gluth die Sinne ab
Von deinem schönen Antlitz hin auf Andre,
Versiecht ihm, Herr, die Kraft,
Wie einem wilden Bergstrom, der sich theilt.

Das Herz, das stärker lebt,
Je mehr es brennt, gewöhnt sich übel nur
An schwäch're Thränen und an kält're Seufzer,
Doch, die den Wahn erkennt,
Die Seele preist die Mind'rung,
Weil leichter so zum Himmelsziel sie kommt;
Und die Vernunft, die Qualen
Vertheilend, schwächt sie ab – doch alle Vier
Verein'gen fester sich, dich stets zu lieben.

90

Umsonst erhoffet, wie die Menge sagt,
Sich Gnad' und Huld, wer thut, was er nicht soll.
Nicht, wie ich meinte, ward in Euch ich glücklich,
Aus allzugrosser Treu' mich selbst entäussernd,
Noch hoff' ich, wie zur Sonne steigt der Phönix,
Mich zu erneu'n: die Zeit vergönnt es nicht –
Und doch ist lieb mein Unheil mir, denn Euer
Bin mehr mein eigen ich, als wär' ich mein.

91

Nicht wird so hoch von Allen jederzeit
Geschätzt die Sinnenfreude,
Ob süss sie scheint – es giebt
Doch Einen, der für schlecht sie hält und bitter.

Doch selten ist die Einsicht
Und zieht, sich selbst genügend,
Vor irren Pöbels Blick in's Inn're sich.
So lern' ich durch Verzicht
Erschau'n, was niemals sieht,
Wer nicht vernimmt der Seele Schmerzensseufzer.
Blind ist die Welt und nützt am meisten ihm,
Dem karg sie sich an Rang und Ehren zeigt,
Der Ruthe gleich, die züchtigend erziehet.

92

Das ist zu viel, wenn Einer, dessen Anblick
Für alle Nahen tödtlich, rings sich umschaut

— — — — —  — — — —

Nur weil lustwandelnd er sich zeigt den Blicken.

Zu viel, wenn Einer mit der Schönheit Zauber,
Die Sonn' verblendend, macht die Nacht zum Tage.

— — — — —  — — — —

Nicht wen'ger schön ist, wer mit Sang
Und Lachen Andere verstummen macht.

93

Viel theurer bin ich mir, als ich's gewohnt,
Von höh'rem Werth, seit ich dich trag' im Herzen:
Dem Steine gleich, dem eingegrab'ne Zeichnung
Zu gröss'rem Preis verhilft, als da er roh.

Und wie ein Blatt, sei es bemalt, beschrieben,
Mehr als ein blosser Fetzen wird beachtet,
So ich, seit – deiner Blicke Ziel – gezeichnet
Ich ward mit deinem Antlitz: nicht beklag' ich's.

Geprägt auf solche Weise, geh' ich sicher,
Wie Einer, der bewehrt mit Zauberwaffen,
Vor denen jegliche Gefahr verschwindet.

So widersteh' dem Wasser ich und Feuer,
Mit deinem Zeichen mach ich Blinde sehend
Und heile jedes Gift mit meinem Speichel.

94

Wohl kann empor sich mit der Liebe Sehnen
Die Hoffnung schwingen, ohne Trug zu sein!
Missfiele jede Leidenschaft dem Himmel,
Zu was doch hätte Gott die Welt geschaffen?

Und hätt' ich bess'ren Grund, zu lieben dich,
Als den, den ew'gen Frieden lobzupreisen?
Entstammt ihm doch, was, göttlich, uns an dir
Entzückt und keusch und fromm die Edlen macht!

Ein trügend Hoffen nur ist Frucht der Liebe,
Die schnell, mit ird'scher Schönheit welkend, stirbt,
Und hängt vom Wechsel ab des schönen Antlitz'.

Doch süss in zücht'gem Herzen ist die Hoffnung,
Die, nicht vom Alter, nicht vom Tod verändert,
Des Paradieses Unterpfand auf Erden!

95

Bestimmt zur Rückkehr einst, woher sie stammt,
Unsterblich kam in deines Leibes Kerker
Die ew'ge Form, in Mitleid wie ein Engel,
Der heilend jeden Geist, die Welt verkläret.

Sie ist's, die mich in Liebe macht erglühen,
Nicht nur das Äuss're deiner Himmelszüge,
Denn nimmer setzt des Tugendhaften Liebe
Ihr festes Hoffen auf Vergängliches.

So ist's mit allen hohen, selt'nen Dingen,
Bei deren Schöpfung die Natur sich müht
Und die bei der Geburt beschenkt der Himmel.

Denn nirgends zeigt sich Gottes Gnade mehr,
Als in der Anmuth einer ird'schen Hülle –
Sie lieb' ich nur, weil er in ihr sich spiegelt.

96

Darf Einer hier das Leben selbst sich nehmen,
Weil so zum Himmel er zu kehren glaubt,
So dürft' es wohl mit Recht, wer, unglückselig
Und elend dienend, wahrt so grossen Glauben.

Doch da der Mensch nicht wie der Phönix ist,
Der auferstehend sich erhebt zur Sonne,
Ist träge mir die Hand, der Fuss mir zögernd.

— — — — —  — — — —

97

Auf Febo di Poggio

Wohl hätt' ich mich, beglückt vom Schicksal, damals,
Als Phoebus noch den Hügel ganz bestrahlte,
Aufschwingen sollen, da mit seinen Flügeln
Mir's möglich war: dann war mir süss der Tod.

Jetzt schwand er mir, gab eiteles Versprechen,
Verzögernd froher Tage Flucht zu hemmen –
Mit Recht verweigert sich der schuld'gen Seele
Des Mitleids Hand, verschliesst sein Thor der Himmel.

Die Federn waren Flügel mir, der Hügel Treppe,
Der Füsse Leuchte Phoebus, ja der Tod
Wär' mehr als Heil, wär' Wunder mir gewesen:

Jetzt sterbend ohne ihn fliegt himmelwärts
Die Seele nicht, nicht tröstet mich Erinnern –
Gescheh'n der Schaden! Rath ist nun zu spät.

98

Auf Febo die Poggio

Wohl war der Himmel, der den Blick dir stählte,
Zween Augen günstig, doch für mich nur grausam,
Als er in seinem ew'gen, schnellen Kreisen
Nur Licht uns gab, doch dir den Flug vergönnte.

Glücksel'ger Vogel, dem solch' Vorzug ward:
Du siehst den Phoebus und sein schönes Antlitz,
Und mehr als grosses Schau'n, du darfst dich schwingen
Zum Hügel auf, von dem zerschellt ich sinke.

— — — — —  — — — —


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