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Aus Leben und Freundesverkehr


1

An Julius II.

1506

Wenn je ein altes Sprichwort Wahrheit sprach,
So ist's wohl dieses, Herr!: »Nie will, wer kann.«
Du glaubtest eitlen Fabeln, blossen Worten,
Belohntest Jenen, der der Wahrheit Feind.

Ich bin und war dein guter alter Diener,
Dir zugewiesen wie der Strahl der Sonne,
Doch schmerzt dich nicht die Zeit, die ich verliere:
Je mehr ich mich bemüh', liebst du mich wen'ger.

Dass deine Höhe mich erhöh'te, hofft' ich,
Doch das bewirkt mit starkem Schwert, mit Waage
Nur die Gerechtigkeit, nicht Echos Lüge.

Der Himmel selbst missachtet die Begabung,
Versetzt er sie in diese Welt: er will,
Dass Früchte wir von trocknem Baume pflücken.

2

In der Sixtinischen Kapelle
»An Giovanni, eben Den von Pistoja«

1505–1510

Schon hat mir einen Kropf gemacht die Mühsal,
Wie ihn das Wasser macht lombard'schen Katzen
(Auch sonst wohl noch in einem andern Lande),
Gewaltsam nähert sich dem Kinn der Bauch.

Gen Himmel hebt der Bart sich, auf dem Rücken
Fühl' ich den Schädel, zieh' harpyenartig
Die Brust herein, und auf dem Antlitz tropfend
Malt mir ein buntes Paviment der Pinsel.

Die Lenden sind bis in den Leib gedränget,
Dem Kreuz hält das Gesäss das Gleichgewicht,
Auf's Ungefähr, den Fuss nicht sehend, schreit' ich.

Verlängert sich die Haut mir vorn am Leibe,
Zusammenschrumpft vor Biegen sie mir hinten:
So bin gespannt ich wie ein syr'scher Bogen.
      So wird auch trügerisch
Und seltsam mir im Geist die Urtheilskraft,
Denn übel schiesst sich's aus verkrümmtem Rohr.
      Vertheid'ge d'rum, Giovanni,
Fortan mein todtes Malwerk, meine Ehre,
Nicht bin an gutem Ort ich, bin nicht Maler.

3

In Rom

1512

Hier macht aus Kelchen Helme man und Schwerter,
Verkauft das Blut des Herrn mit beiden Händen,
Zu Schild' und Lanzen werden Kreuz und Dornen,
So dass selbst Christus die Geduld verlöre.

Doch kam' er besser nicht in diese Stadt,
Denn seines Blutes Preis stieg' zu den Sternen:
Bis auf die Haut verkauft man ihn in Rom,
Versperrt sind alle Wege hier dem Guten.

Der Wunsch nach Schätzen – hegte ich ihn je –,
Da mir die Arbeit hier abhanden kam,
Erstarrt vor dem Medusenblick des Herrschers.

Doch wenn im Himmel nur die Armuth gilt,
Wie wird zu Theil uns – folgt man solchem Banner –,
Erneuter Unschuldstand in künft'gem Leben?

Finis

Euer Miccelangniolo in der Türkei.

4

In den Bergen von Carrara

1522

Umsonst versucht die Seele tausend Mittel:
Da leider ich auf altem Pfad betroffen,
Entschliesst vergebens sie zur Rückkehr sich.
Das Meer, der Berg, das Feuer und das Schwert,
Zugleich in Mitte von dem Allen leb' ich;
Doch lässet Der, der mich des Geist's beraubte
Und die Vernunft mir nahm, mich nicht dem Berge.

5

Auf des Vaters Tod

Sommer 1534

Obgleich so sehr mein Herz mich schon bedrückte,
So glaubt' ich doch, es habe sich befreit
Der grosse Schmerz in Thränen und in Klagen;

Nun aber giebt das Schicksal düngend Nahrung
Den Wurzeladern an des Nasses Quell,
Durch kein gering'res Leid, nein! neuen Tod.

Du bist von uns geschieden, und ich muss
Fortan gesondert Thränen, Worte, Verse
Dem Tode deines Sohns, dem deinen weih'n.

Er war mir Bruder, Vater warst du mir,
Mich kettet Lieb' an ihn, an dich die Pflicht,
Ich weiss nicht, welches Leid mich mehr bekümmert.

Noch malt Erinn'rung mir des Bruders Bild,
Dich meisselt sie lebendig mir ins Herz
Und bleicher färbt das Mitleid mir die Wangen.

Und doch beschwichtigt mich, dass du bejahrt
Den Zoll bezahlt, den er noch unreif zahlte,
Denn ob des Greises Tod soll man nicht klagen.

Viel minder hart erscheint ja ein Verlust,
Den die Natur gebeut, den Trauernden:
Vor Sinnestrug ist sich'rer dann die Wahrheit.

Wen aber gäb's, der nicht den Tod beweinte
Des theuren Vaters? – niemals sieht er wieder,
Den ach! er so unendlich oft doch sah.

Nach unsres Fühlens Kraft ist unser Wehe,
Sind unsre Schmerzen schwächer oder stärker:
Was sie in mir vermögen, Herr! Du weisst es!

Und hört die Seele auch auf die Vernunft,
Bewirkt Beherrschung doch nur dies, dass heft'ger
Das Leid mich überwältigt, weicht der Zwang.

Vertiefte ich mich nicht in den Gedanken,
Dass, wer ein gutes Ende fand, dort lacht
Ob Todesfurcht, die hier auf Erden herrscht,

So wüchs' mein Leid, doch wird der Schmerzensschrei
Gedämpft durch die Gewissheit festen Glaubens:
Wer gut gelebt, hat sterbend bess're Heimath.

Von schwachem Fleisch ist unser Geist so sehr
Bedränget, dass der Tod ihm umsomehr
Missfällt, je mehr er falschem Wahne traut.

Es hat die Sonne ihre lichte Fackel
Im Ocean gebadet neunzig Mal,
Eh' du in Gottes Frieden eingegangen:

Enthob der Himmel unsrem Elend dich,
Bedaure mich, der ich ein Todter lebe,
Durch dich ja schenkte mir der Himmel Leben.

Dem Sterben starbst du ab und wurdest göttlich,
Nicht mehr in Furcht ob Seins- und Wunscheswechsel,
Fast kann ich's ohne Neid nicht niederschreiben.

Geschick und Zeit, die zweifelhafte Freude
Und sich'res Wehe nur uns Andren bringen,
Sie wagen nicht zu kreuzen eure Schwelle.

Von Wolken nicht wird euer Licht verdunkelt,
Der Stunden Folge thut euch nicht Gewalt an,
Euch führt Nothwendigkeit und Zufall nicht.

Die Nacht verlöscht nicht euern hellen Glanz,
Der nicht vom Tag, so hell er ist, erhöht wird,
Selbst nicht zur Zeit der höchsten Gluth der Sonne.

Von deinem Sterben lerne ich zu sterben,
Mein theurer Vater, dich im Geiste seh' ich,
Wohin die Zeit uns selten nur entlässt.

Nicht ist, wie Manche glauben, Tod das Schlimmste
Für Den, dess' letzter Tag ein erster wird
Aus Gnade, dort beim ew'gen Gottesthron.

Dort wähn' und such' ich dich durch Gottes Gnade
Und hoffe dich zu sehen, wenn mein Geist
Mein kaltes Herz aus ird'schem Schlamme zieht.

Wie alle Tugend wird auch höchste Liebe
Im Himmel wachsen zwischen Sohn und Vater.

— — — — —  — — — —

6

An die Pistojesen

1534

Was Eure Güte mir gesandt, erhielt ich,
Und hab's gelesen an die zwanzig Mal –
So nütze Euch die eig'ne biss'ge Zunge,
Wie Speise einem Körper, der gesättigt!

Erfahren hab' ich's, seit ich euch verliess,
Dass Kain eurer Ahnherrn Einer war,
Nicht aus der Art seid wahrlich ihr geschlagen:
Was andern Menschen dient, scheint euch Verlust.

Hochfahrend, Neides voll, dem Himmel feindlich,
Ist euch die Liebe zu dem Nächsten Last,
Und Freunde seid ihr nur des eig'nen Schadens.

Was von Pistoja sagt der Dichter,
Dess' denke wohl, und basta! wenn du aber
Von Florenz Gutes sagst, willst du mich foppen.
      Ein kostbar Kleinod wahrlich
Ist Florenz, du doch kannst es nimmer schätzen,
Denn wer an Tugend arm, kann's nicht versteh'n.

Francesco Bernis Capitolo
an
Sebastiano del Piombo

1534

O Pater, mir verehrter als die Andern,
Die aller Ehre würdigste man nennt,
Auf deren Würde ich mich nicht versteh'!

O Pater, Stolz und Ruhm du aller Mönche,
So viel die Welt sie trägt und jemals trug,
Bis zu den Jesuati, jenen Narren!

Was treibt Ihr dort, seitdem ich Euch verlassen,
Und Jener, dem so ganz wir sind ergeben,
Dass keine Frau es giebt, die mehr ich liebte?

Ich meine Michel Agnol Buonarroti,
Den, seh' ich ihn, die Lust mir kommt, mit Weihrauch
Und Weihetafeln feierlich zu ehren:

Das, glaub' ich, wäre sicher frömm'res Werk,
Als wenn 'nen grauen oder weissen Leibrock
Sich Einer macht, geheilt von schwerer Krankheit.

Denn Jener, mein' ich, ist Idee an sich
Der Bildnerei und ebenso der Baukunst,
Wie der Gerechtigkeit Idee: Astrea.

Und wer 'ne Bildgestalt verfert'gen wollte,
Die jene beiden Künste in sich schlösse,
Ihn selbst zu bilden wäre er gezwungen.

Ihr wisst es ja, wie er so ganz nur Güte,
Wie reich an Urtheil, Geist und Unterscheidung,
Wie er erkennt das Wahre, Schöne, Gute.

Auch manch' Poem hab' ich von ihm gesehen
Und meine, bin ich auch ein Ignorant,
Im Plato hätt' ich alle sie gelesen:

Apelles und Apoll zugleich erstanden
In ihm, d'rum schweigt, ihr »blässlichen Violen,«
Ihr »flüssigen Krystalle«, »schnellen Sphären!«

Ihr sagt nur Worte, aber er sagt Dinge.
Ihr Künstler mit dem Meissel auch, die neuen,
So wie die alten, macht gesammt euch fort!

Doch sprech' ich nun von Euch, ehrwürd'ger Pater –
Wer Eure Kunst zu treiben wär' gesonnen,
Verkauft' den Frauen besser seine Farben.

Denn Ihr allein könnt' neben Jenem stehen,
Und wahrlich wohl mit Recht, denn Euch verbindet
So selt'ne Freundschaft und so ganz vollkomm'ne.

Wohl thät' es Noth, den Kessel zu besitzen,
In dem Medea ihren Schwäher briet,
Um jenen Mann dem Alter zu entreissen:

O lebte die Geliebte des Ulysses,
Um alle Beide neu euch zu verjüngen,
Euch läng'res Leben, als Titons, zu geben!

Auf keine Weise schickt es sich zu sagen,
Dass ihr, die Holz und Steine leben macht,
Ihr selber einmal gleich den Eseln sterbt.

Genug dass die Oliven, Eichen leben,
Die Raben, Krähen, Hirsche und die Hunde
Und tausend andre noch gering're Thiere.

Doch dies sind weiter nichts wie Hirngespinnste,
D'rum lassen wir es gehn, dass man nicht sage,
Wir seien Mameluken, Lutheraner.

Ich bitt' Euch, Pater, sei's Euch nicht zu mühsam,
Mich meinem Michel Agnol zu empfehlen
Und sein Gedächtniss warm mir zu erhalten.

Scheint's gut Euch, sagt dem Papst auch, dass ich hier bin,
Ihn liebe und verehre und ihm diene,
Als meinem Herrn und Gottes Stellvertreter.

Und geht Ihr selbst einmal in's Konsistorium,
Wenn alle Kardinäle dort versammelt,
So sagt mein Lebewohl an Drei zugleich!

Aus Zartgefühl errathet, wen ich meine,
Nicht wünsche ich, dass Ihr mir sagt: du quälst mich!
Hier gilt's nur allgemeine Höflichkeit.

Dem Monsignor von Carnesecchi saget,
Ich hegte keinen Neid auf seine Schriften,
Noch auch auf Solche, die das Ohr ihm rauben,

Doch sehnt' ich mich nach dem geback'nen Kürbiss,
Den wir vergang'nes Jahr mit ihm verspeisten:
Der steht noch immer mir in's Aug' geheftet.

Auch, Pater, haltet ferner mich empfohlen
Dem argen Schelm von einem wack'ren Molza,
Der ohne Grund mich ganz vergessen hat.

Denn ohne ihn scheint mir ein Arm zu fehlen:
Und jeden Tag beginn' ich ihm zu schreiben,
Doch weil's plebejisch, reiss' ich's dann in Stücke.

Und sagt ihm, dass sein Herr, der auch der meine,
Und dem ich einst nicht diente, jetzund diene,
Ob nah ich oder fern, mir huldvoll sei.

Ihr aber bleibt gesund, seid nicht zu fleissig,
Nicht jedes Antlitz, das Ihr malt, macht schön!
Lebt, theurer Pater, wohl, Fra Sebastiano,
In Ostia seh'n wir uns beim ersten Maifisch!

7

Antwort des Buonarroto
im Namen Fra Bastianos an Francesco Berni

1534

Als Euer Schreiben ich, mein Herr, empfangen,
Hielt Umschau ich bei allen Kardinälen,
Und sagte Dreien Lebewohl von Euch.

Dem grössten Medikus für unsre Leiden
Zeigt' ich den Brief, der so ihn lachen machte,
Dass auf der Nas' die Brill' ihm schier zerbrach.

Der theure heil'ge Mann, dem stets Ihr dienet
So hier wie dort, wie Ihr es selber schreibt,
Ergötzt' sich d'ran, dass er nicht minder lachte.

Doch Den, der die Geheimnisse bewahrt
Des klein'ren Medikus, sah ich noch nicht –
Ihm gält die Botschaft auch, wär' er ein Priester.

Viel Andre giebt's, die Christus selbst verleugnen,
Weil Ihr nicht hier: es thut sie nicht beschweren,
Denn nicht zu glauben, gilt als höh're Weisheit.

Doch Allen werd' ich das Verlangen nehmen
Mit Eurem Brief, und wer sich nicht bescheidet,
Der geh' zum Henker, lasse sich erdrosseln!

Das Fleisch, das sich im Salze rein'gend abmüht,
Damit als Braten dienlich sich's erweist,
Denkt mehr an Euch, so scheint mir's, als an sich.

Und unsrer Buonarrot', der Euch verehret,
Scheint sich bei Eurer Botschaft, seh' ich recht,
Zum Himmel stündlich tausendmal zu schwingen:

Und sagt, es könne seines Marmors Leben
Unsterblich Euch nicht machen, wie er selbst
Es wird durch Eure göttlichen Gesänge,

Denn diesen schadet Sommer nicht noch Winter,
Da sie der Zeit entrückt und grausem Tod,
Der ew'gem Schaffensruhm nicht wehren kann.

Als treuer Freund uns Zwei'n ergeben, sprach er,
Die schönen Verse lesend: »Bilder sind es,
»Die man mit Kerzen ehrt und Weihetafeln.

D'rum rechne ich mich auch zu solchen Bildern,
Wie werthlos sie ein plumper Maler macht
Mit seinem Pinsel und dem Farbenfläschchen.

Bei meiner Liebe sagt dem Berni Dank,
Wer unter Vielen ganz allein mich kennt,
Denn wer mich schätzt verfällt in grossen Irrthum.

Doch seine Lehre hellt mein Inn'res auf,
Giebt mir Erkenntniss: grosses Wunder wär's,
Entstünd' aus gutem Bild ein wahrer Mensch.«

So sagt' er mir, und ich ihm ganz verbunden
Empfehl' ihn Euch, so gut ich weiss und kann,
Da er der Bringer sein wird dieses Schreibens.

Indess ich schreibe, steigt das Blut mir stärker
In's Angesicht, bedenk ich, wem ich's schicke,
Da ich kein Dichter bin, nein plump und patzig.

Gleichwohl empfehle ich mich selber Euch
Und weiss nichts mehr zu sagen, doch verbleibe
Ich jeder Zeit, in jeder Lage Euer.

Der ihr zum Seltensten gehört, Euch biet' ich
Mich an mit Allem: glaubt nicht, dass ich jemals
So lang mich die Kapuze deckt, Euch untreu.

So sag', so schwör' ich's Euch, und seid gewiss,
Für mich thu' ich so viel nicht, wie für Euch.
Verdruss nicht hegt, dass ich ein Frate bin.
Befehlt mir nur und thut nach Eurem Wunsche.

8

Gespräch mit einem Florentiner Verbannten

»Ich sag', so lang ihr, Göttergleiche, wandelt
Auf Erden, gilt's zu dulden Missgeschick!

Doch sterbt ihr einst, erliegend
Der tausendfachen Unbill,
Dann, wenn die Vaterstadt dich liebt, wie jetzt
Für sie du glühst, kannst du gerecht dich rächen.«

»»Weh' mir, von allzulangem Warten müde!
Zu spät gelang' ich zu der Rache Trost.
Und dann – weisst du es nicht?
Ein edles, stolzes Herz in seiner Grossmuth
Verzeiht und bietet Liebe dem Beleid'ger.««

9

Zwiegespräch zwischen einem verbannten Florentiner und Florenz

1545

»Für Viele, ja für tausend Liebende
Wardst du geboren, engelgleiche Frau.
Nun aber scheint's, dass man im Himmel schläft,
Nimmt sich ein Einz'ger, was geschenkt so Vielen.
O wende unsren Klagen zu von neuem
Der Augen Sonne, die ihr Licht verweigert
Uns, die in solchem Elend sind geboren.«

Ach! trübet euer heil'ges Sehnen nicht:
Denn Jener, der mich euch zu rauben scheint,
Geniesst vor Angst sein grosses Unrecht nicht,
Und mind'res Glück ist für den Liebenden
Genusses Fülle, die den Wunsch erstickt,
Als Elend, das der Hoffnung Fülle birgt.

10

Dante

1545

Vom Himmel stieg er und mit ird'schem Leibe,
Nachdem er Straf' und Mitleid sah hier unten,
Ist heimgekehrt er, lebend Gott zu schauen
Und uns zu spenden der Erkenntniss Licht:

Ein heller Stern, gab meinem Heimathneste
Er unverdienten Glanz mit seinen Strahlen:
Als Lohn genügte nicht die ganze Welt, –
Du nur, der Du ihn schufst, kannst ihm vergelten.

Von Dante red' ich! Seine Werke wurden
Von undankbarem Volke schlecht erkannt,
Das nur Gerechten seine Gunst entzieht.

Wär' ich doch er! gebor'n zu solchem Schicksal,
Für sein Exil, – besäss ich seine Tugend –,
Gäb' ich das grösste Glück der Welt dahin.

11

Dante

Nie kann man sagen, was man sagen müsste:
Zu sehr macht unsern Blick sein Glanz erblinden;
Leicht kann das Volk man tadeln, das ihn kränkte
Doch nie naht seinem Preis selbst höchstes Wort

Er stieg hinab, wo Sünd'gen Lohn empfänget,
Zu unserm Heil, erhob sich dann zu Gott:
Und, die der Himmel öffnet' ihm, die Thore,
Verschloss die Heimath seinem bill'gen Wunsch

Die undankbare –, ihres Schicksals Amme
Zu ihrem eignen Schaden: so erweist sich's,
Da sie die Besten stürzt in grösstes Leiden.

Von tausend Gründen nenn' ich nur den einen:
Ward schnöder nie gefällt ein Bannspruch –
Nie ward ein Gleicher, Gröss'rer je geboren.

12

Auf der Grabstätte der Mancina

Die hier begraben liegt, die göttlich Schöne,
Sie lebt in uns, vom Tod zu früh getroffen;
Gerettet war sie, hätt' sie mit der Rechten
Vertheidigt sich, doch ach! sie war Mancina.

13

Des Messer Michelagnolo Antwort an Messer Gandolfo Porrino
über die der Mancina gewidmeten Gedichte

Um 1545

Die hohe Schönheit, die im Himmel selbst
Mir einzig dünkt, wie in der Welt, der bösen,
(Sie nannte nach dem linken Arm der Pöbel,
Den Blindheit hinderte, sie anzubeten),

Für Euch nur ward sie – nie sie bilden könnt' ich,
In Stein nicht meisseln, nicht auf Leinwand malen,
Denn lebend müsste ich ihr Antlitz machen,
Wollt' Eure Hoffnung ich in ihm befried'gen!

Und wird von ihr besieget unser Geist,
Wie vor der Sonne bleicht ein jeder Stern,
Verlangtet Ihr vom Bild nicht mind'ren Werth.

D'rum ward sie, Euch zu g'nügen, neu in Schönheit
Von Gott geformt, nach Eurem hohen Wunsche:
Nur Er, nicht ich, vermochte das zu thun!

14

Grabschriften auf Cecchino Bracci

gestorben fünfzehnjährig am achten Januar 1545, an dessen Gönner Luigi del Riccio gesandt

I

Verschlossen vor der Zeit die schönen Augen sich,
Die hier begraben sind, so bleibt uns dies als Trost:
Das Mitleid, das erstorben war, so lang sie lebten,
Wird, da sie todt, für sie lebendig nun in Vielen.

II

Empfindest irgendwelch' Erbarmen du mit mir,
Der, von der Welt erlöst, verschlossen ich hier ruhe,
O spar' die Thränen, die dir Brust und Antlitz netzen,
Für Jene auf, die noch dem Schicksal unterworfen.

III

Warum hast du vom Alter schon entstellte Züge,
O Tod, nicht heimgesucht und lässt mich Jungen sterben? –
»Weil auf zum Himmel nimmer steigt noch dort verweilet,
Was hier auf Erden alternd von der Welt verderbt.«

IV

Der Jahre und des Alters Waffen nicht zu brauchen,
Beschloss der Tod, als er die Schönheit tödtete,
Die hier begraben liegt, damit zu Himmelshöhen
In unversehrter Reinheit heim sie kehren könne.

V

Die Schönheit, die hier liegt, besiegte in der Welt
So sehr das schönste unter allen den Geschöpfen,
Dass sie der Tod, um die Natur sich Freund zu machen,
Der er verhasst war, tödtete, den Glanz verlöschend.

VI

Hier lieg' ich, Bracci, der ich starb, weil meine Arme
Zum Kampfe mit dem Tode sich zu schwach erwiesen:
Wohl war es besser, mit den Füssen Flucht zu suchen,
Als sich mit Armen zu vertheidigen, ein Bracci!

VII

Hier liege ich begraben, und vor Kurzem erst
Ward ich geboren, ja, ich bin's, für den der Tod
So schnell und grausam war, dass meine nackte Seele
Es kaum bemerkt, dass schon ihr Sein verwandelt ist.

VIII

Durch meinen Tod nicht kann, wer hier mich eingeschlossen,
Die Schönheit, die er an mein sterblich Theil verschwendet,
Den Andren, denen er sie nahm, zurückerstatten,
Muss einst er neu mich schaffen, wie ich war auf Erden.

Euer todter Freund redet und sagt: wenn der Himmel, um mich allein, wie es er that, schön zu machen, allen anderen Menschen auf Erden alle Schönheit raubte, und wenn nach göttlichem Gesetz ich am Tage des Gerichtes als derselbe wieder erstehen muss, der ich im Leben war, so folgt, dass er die Schönheit, die er mir gegeben hat, nicht Dem zurückgeben kann, dem er sie nahm, sondern dass ich für alle Ewigkeit schöner als die Anderen sein muss, und sie hässlich. Und dies ist das Gegentheil des Gedankens, den Ihr mir gestern sagtet, und der eine ist Fabelei, und der andere Wahrheit.

IX

Es sah, im Inneren versteckt, die Seele nicht,
Wie wir, das Äuss're der Gestalt, die hier verschlossen –
Nicht hätte aus dem Leib der Tod sie ziehen können,
Gäb's nicht für sie im Himmel auch so schöne Wohnung.

X

Hat die Natur dem Tod auch unterliegen müssen
In diesem schönen Antlitz, Rache einst wird nehmen
Für diese Welt der Himmel, wenn er schöner
Als je die Götterhülle diesem Grab enthebt.

XI

Geschlossen sind die schönen Augen, welche offen
Die leuchtendsten selbst minder hell erscheinen liessen;
Nun, da sie, todt, das Licht so Vielen wiedergeben,
Bleibt's ungewiss, ob Schaden bringt sein Tod, ob Nutzen.

XII

Man hält für todt mich, aber da zum Trost der Welt
Ich lebte und im Busen tausend Seelen trug
Von wahren Liebenden, so konnte ich verscheidend,
Da eine einz'ge nur geraubt mir ward, nicht sterben.

Wenn Ihr nichts mehr davon wollt, so schickt mir nichts mehr.

XIII

Dass auch getrennt von ihrem Leib die Seele lebt –
Die meine, die mich ihrer zu berauben scheint,
Beweist es, da ich Furcht den Lebenden erwecke,
Was Keiner könnte, der an Leib und Seele todt.

XIV

An Luigi del Riccio

Ist's wahr, und wahr ist's, dass gelöst die Seele
Vom Leib, den sie nach göttlichem Gesetz,
Doch widerwillig, lenkt,
Ihn überlebt, so wird sie dann auch glücklich;
Verfiel dem Tode sie im Leben,
So macht unsterblich sie der Tod.

D'rum sollte man in Lachen –
Kein Unrecht wär's – die Klage
Verkehren um den theuren Hingeschied'nen,
Der, seine Hülle brechend,
Im Augenblick des Todes aus dem Elend
Zum wahren Frieden kam.
Und alle Sehnsucht nach dem Freunde schweige,
Denn statt der Erde darf er Gott geniessen.

Nicht dann und wann, wenn auch inkorrekt, grammatisch zu reden, wäre eine Schande für mich, der ich so viel mit Euch verkehre. Messer Donatos Sonett erscheint mir so schön, wie nur eines in unsrer Zeit gemacht; aber da ich schlechten Geschmack habe, kann ich ein neu angefertigtes, wenn auch Romagnolisches Tuch nicht geringer schätzen als schon benutzte Kleider aus Seide und Gold, die selbst eine Kleiderpuppe schön erscheinen lassen würden. Schreibt's ihm und sagt's ihm und gebt's ihm und empfehlt mich ihm.

XV

An Luigi del Riccio

Die schönen Augen hatt' ich kaum gesehen,
Der offnen Euren Paradies und Leben,
Als schon, am letzten Scheidetag geschlossen,
Er droben sie geöffnet, Gott zu schauen.

Ich seh's und weine, meine Schuld nicht war's,
Dass ihrer Schönheit spät mein Herz sich neigte,
Nein Schuld vorzeit'gen Todes, der nicht Euch
So sehr, als meiner Sehnsucht sie geraubt.

Drum, soll, Luigi, ich in Stein verew'gen
Cecchinos einzige Gestalt – ihn mein ich,
Der jetzt bei uns als Staub nur weilt,

So muss ich, denn die Kunst bedarf des Vorbilds,
Da Eins der Liebende und der Geliebte,
Um ihn zu bilden, Euer Bildniss machen.

Messer Luigi, die vier letzten Verse der acht oberen des Sonettes, das ich Euch gestern sandte, widersprechen sich; darum bitte ich Euch, es mir zurückzusenden, oder diese an Stelle jener einzufügen, damit es weniger plump sei, und Ihr verbessert es mir.

XVI

Dass hier ich schlafe vor der Zeit, mein Schicksal will es,
Doch bin ich todt nicht, ob ich gleich vertauscht die Wohnung,
Bleib' lebend ich in dir, der weinend mich betrachtet, –
Im Liebenden ja lebt der Liebende verwandelt.

Ich wollte es Euch nicht schicken, denn es ist ein sehr plumpes Ding; aber die Forellen und Trüffeln würden selbst den Himmel zwingen. Ich empfehle mich Euch.

XVII

Wenn dir zwei Stunden hundert Jahre rauben konnten,
So könnt ein Lustrum um die Ewigkeit ja bringen!« –
O nein! Denn hundert Jahr an einem Tage lebt,
Wer stirbt, nachdem an solchem Tag er Alles lernte.

Einer, der den todten Cecchino sieht und zu ihm spricht, und Cecchino antwortet ihm.

XVIII

Ein Todter hier zu liegen, preise ich mich glücklich:
Zu sterben, eh' ich alt, vergönnte mir der Himmel;
Nichts Bess'res konnte er auf Erden mir gewähren,
Denn alles Andre, ausser Tod, war für mich schlimmer.

Jetzt ist das Versprechen der fünfzehn Zettelchen erfüllt, ich bin Euch zu nichts mehr verpflichtet, falls anderes nicht aus dem Paradies kommt, wo er sich befindet.

XIX

Mein Fleisch, das Erde wieder ward, und mein Gebein,
Beraubt der schönen Augen und der holden Züge,
Bezeugen Dem, dess' Trost und Wonne ich gewesen,
In welchem Kerker hier auf Erden lebt die Seele.

XX

Verliehen eines Andren Klagen diesen Knochen
Von neuem Fleisch und Blut zu einem zweiten Leben,
So wär', wer also klagte, mitleidlos aus Mitleid:
In Leibeshaft die freie Seele zwäng' er wieder!

Für die gesalznen Pilze, da Ihr es nicht anders wollt.

XXI

Wer mich, den Todten, hier beklagt, erhofft vergebens,
Mit Thränen meine Knochen und das Grabmal netzend,
Dass ich, ein dürrer Baum, von neuem Früchte trage,
Kein Frühling macht den todten Menschen aufersteh'n.

Diese Dummheit, schon tausendmal gesagt, für den Fenchel.

XXII

Ob einst ich lebte, weisst gewiss nur du, o Stein,
Der hier mich birgt: wer sonst sich meiner noch erinnert,
Dem dünk' ich nur ein Traum: so schnell verschlingt der Tod,
Dass, was einst war, so scheint, als wär' es nie gewesen.

XXIII

Entrückt der Jahre Lauf, in diesem Grab verschlossen,
Befürcht', ins Leben heimzukehren, falls dies denkbar,
Ich mehr, als ich das Scheiden einst gefürchtet,
Denn dies gab dort mir Leben, wo erstirbt der Tod.

Dies sagen die Forellen, und nicht ich; immerhin, missfallen Euch die Verse, so mariniert jene nicht mehr ohne Pfeffer.

XXIV

Ein Bracci war ich und im Bild nur, baar der Seele,
Bleib' ich auf Erden, aber theuer ist der Tod mir,
Denn solchem Werk dank' ich das gnäd'ge Loos, gemalt
Der Heimath nun zu nah'n, was lebend mir verwehrt.

XXV

Ein Bracci ward geboren ich: nur kurze Zeit
Nach erstem Weinen sah der Sonne Licht mein Auge.
Hier ruh' für immer ich und bin's zufrieden,
Bleib' lebend ich in Dem, der mich so sehr geliebt.

XXVI

Im Tode mehr, als ich es lebend war, bin ich
Lebendig und geliebt dem Freund, dem Tod mich raubte;
Und liebt viel mehr er mich, als da er mich besass,
Preis' ich den Tod, der, Leben nehmend, Leben fördert.

XXVII

Ward hier vom Tod der Tugend und der Schönheit Blüthe,
Die als die schönste trug die Erde, kaum erschlossen,
Vor ihrer Zeit begraben, bin ich dess' gewiss:
Nicht wird, wer altgeworden stirbt, sich mehr beklagen.

XXVIII

Vom Himmel stammte meine göttlich reine Schönheit,
Von meinem Vater nur der todverfallne Körper;
Erstarb zugleich mit mir, was ich von Gott empfing,
Was kann mein sterblich Theil vom Tode dann erhoffen?

Ich sende Euch mit dem Zettelchen die Melonen zurück, aber noch nicht die Zeichnung, aber ich werde sie jedenfalls so gut machen, wie ich nur zeichnen kann. Empfehlt mich Baccio und sagt ihm, dass, wenn ich hier von jenem Ragout gehabt hätte, das er mir dort gab, ich heute ein zweiter Gratiano wäre; und dankt ihm in meinem Namen.

XXIX

Der ich für eine kurze Stunde euch gegeben,
Gehör' für immer nun dem Tod; so sehr entzückte
Einst meine Schönheit, hinterliess so viele Thränen,
Dass besser es gewesen, wär' ich nie geboren.

Für die Turteltaube; für die Fische wird Urbino es thun, wenn er sie verschmaust hat.

XXX

Hier birgt die Sonne sich, die liebend du beweinst,
Ihr holdes Licht hat dir nur kurzes Glück gebracht.
Wer wen'ger reich begnadet, freut sich läng'rer Dauer,
Denn trägen Schrittes naht und spät der Tod dem Elend.

XXXI

Für kurze Zeit nur darf ich ruhen hier und schlafen,
Um ird'scher Hülle Schönheit wiederzuerstatten,
Denn anmuthvoll're Schönheit hat der Himmel nicht,
Als Muster und als Beispiel der Natur zu dienen.

XXXII

Dem Freund gab Frieden, Leben einst mein offnes Auge –
Da es geschlossen nun, was giebt ihm Leben, Frieden?
Die Schönheit nicht, denn aus der Welt ist sie verschwunden,
Nein! einzig nur der Tod, da all sein Glück hier ruhet.

XXXIII

War ich, ein Lebender, das Leben einst des Freundes,
Dem meine Schönheit jetzt zu Erde ist geworden,
So ist's ihm Tod nicht nur, nein wilde Eifersucht,
Dass vor ihm sterben könnt' aus Lieb' zu mir ein Andrer.

Dummes Zeug! Der Quell ist trocken; es heisst warten, bis es regnet, und Ihr habt zu grosse Eile.

XXXIV

Da, mehr als jedes and're, Braccios schönes Antlitz
Todbringend war den Edlen, raubte ihn der Tod
Und schloss in diesem Stein ihn ein; er that's, so glaub' ich,
Weil sonst ihm, Nied're nur zu tödten, übrig blieb.

XXXV

Braccio liegt hier begraben: Leben gab ihm Gott,
Um durch sein Antlitz zu verbessern die Natur,
Doch da sich um das Gute Niemand hier bekümmert,
Wies Gott ihn nur der Welt und nahm ihn wieder zu sich.

XXXVI

Von seinem Glanz empfingt Ihr einstens Euer Leben:
Von ihm, Cecchino Bracci, der nun todt hier ruht.
Wer ihn nicht sieht, verliert ihn nicht und lebt in Frieden,
Doch wer ihn sieht und stirbt nicht, büsst das Leben ein.

Das Grabmal spricht zu Dem, der diese Verse liest. Albernes Zeug; aber da Ihr verlangt, dass ich an die Tausend mache, kann's nicht anders sein, dass sich Dinge jeder Art darunter finden.

XXXVII

Dem Staub den Staub, dem Himmel gab zurück die Seele
Der Tod! Doch Jenem, der mich immerdar noch liebt,
Hat meine Schönheit, meinen Ruhm er anvertraut,
Dass meine ird'sche Hülle er im Stein verew'ge.

XXXVIII

Auf dem Grabmal

Hier schliess' ich Braccio ein und seine Götterschönheit –
Und wie die Seele Form und Leben giebt dem Leibe,
Macht Braccio mich, den Stein, zum hohen Werk der Kunst,
Denn einen schönen Dolch verräth die schöne Scheide.

XXXIX

Geschieht's, dass wie ein Phönix einst das schöne Antlitz
Des Braccio sich erneuet, höh'rer Achtung werth,
So war es gut so: wer das Gute nicht erkannte,
Muss es 'ne Weil verlieren, dann es wiederfinden.

XL

Verlöscht für immer schliess' ich mit der Bracci Sonne
Die Sonne der Natur hier ein in engem Raume:
Ohn' Schwert und Eisen hat der Tod ihn hingestreckt,
Denn leiser Wind schon knickt vorzeit'ge Winterblüthe.

Für das Feigenbrot.

XLI

Unter dem Kopf, der spricht.

Ein Bracci war ich, und der Tod ward hier mein Leben.
Wenn heut der Himmel von der Erde würd' geschieden,
Und kam' nur ich ins Paradies aus dieser Welt,
So könnt' es doch für immer seine Pforten schliessen.

Auf Wiedersehn an diesem San Martino, falls es nicht regnet.

XLII

Es legte sterbend hier Cecchino ab die Hülle,
Die schöner war, als was die Sonne je geseh'n:
Nun weinet Rom, der Himmel aber rühmt sich lachend,
Froh ob der Seele, die befreit vom Ird'schen ist.

XLIII

Braccio liegt hier, kein schön'res Grabmal könnte bergen
Den Leib, und seine Seele waltet heil'gen Amtes.
Fand todt ein würdigeres Heim als lebend er
Auf Erden wie im Himmel, war ihm hold der Tod.

XLIV

Hier streckte Braccio hin der Tod, der unreif pflückte
Die Frucht, nein! eine Blüthe – fünfzehn Jahre zählt er
Nur dieser Stein, der ihn besitzt, erfreut sich seiner:
Was sonst die Welt enthält, muss Alles ihn beweinen.

XLV

Als Mensch war ich Cecchino, göttlich bin ich nun,
Nur kurz auf Erden, freu' ich ewig mich des Himmels
Und preise hoch den Tod, der mich so schön verwandelt
Denn er, der Viele todt gebiert, gebar mich lebend.

Da die Poesie heute Nacht sich in Meeresstille befunden, sende ich Euch vier Spritzkuchen für die drei Honigkuchen des Geizkragens und empfehle mich Euch.

Euer Michelagniolo am Macel de Corvi.

XLVI

Der Tod verschloss Cecchino Braccis Augen hier
Und löste von dem Leib die Seele: vor der Zeit
War Scheiden ihm bestimmt, damit er für dies Leben
Ein andres tausche ein, das Greisen oft entgehet.

XLVII

Ein Bracci war ich von Geschlecht, beraubt der Seele
Ward meine Schönheit hier zu Erdenstaub und Knochen –
Sich nicht zu öffnen, fleh' den Stein ich, der mich birgt
Dass schön ich Dem verbleibe, der mich lebend liebte.

XLVIII

Der ich ein Todter ruhe hier, nun weiss ich sicher,
Dass ewig lebt die Seele, dass ich lebend todt war.
Ein Bracci war ich, kurz war meines Lebens Frist,
Doch darf, wer früher stirbt, ja mehr auf Gnade hoffen.

XLIX

In seine schöne Hülle kehrte Braccio wieder,
Nicht mehr verweilt er hier: schon vor dem grossen Tage
Aus Mitleid nahm ihn Gott zu sich, denn starb er dann erst,
So würde einzig er des Himmels werth befunden.

L

Leiht uns auf lang' den Leib die Erde und der Himmel
Die Seele uns – welch' Heil vermöchte jemals dann
Genugthuung dem todten Braccio zu verschaffen?
Ein Gläub'ger, hat er Rechte auf der Schönheit Dauer!

Zum Scherz, nicht der Zahl wegen.

15

An Luigi del Riccio

1546

In unbegrenzter Freundschaft süssem Glück
Verhehlt verborgen oft ein Angriff sich
Auf Ehr' und Leben! das belastet mich
So schwer, dass mein Gesunden mich nicht freut.

Wenn uns Derselbe, der uns Flügel lieh,
Nach langem Flug verborg'ne Netze spannt,
Wird Liebe, die zu glüh'n verlangt, von Mitleid,
Das doch von ihr entflammt ward, ausgelöscht.

D'rum, mein Luigi, lasst mir ferner leuchten
Die alte Gunst, der Leben ich verdanke,
Dass Wind noch Sturm sie nicht mehr trüben kann.

Denn Zorn macht alle Wohlthat schnell vergessen,
Und, bin mit wahrer Freundschaft ich bekannt,
Wiegt Freude tausendfach nicht eine Qual auf.

16

An Luigi del Riccio

1546

Da allzulästig fällt,
So süss sie immer sei,
Die Huld, von der die Seele wird gefesselt,
Beklaget meine Freiheit,
Viel mehr als über Raub,
Sich schmerzlich über Eure hohe Güte.
Wie in die Sonne schauend
Das Auge seine Kraft verliert, die doch
Durch stärkres Schauen nur dem Sehnen g'nügte,
So will mein Wunsch es nicht,
Dass hinkend sei mein Dank, den ich Euch schulde.
Denn schonungslos beglückt das Allzuviele
Zu oft das Allzuwenig.
Die Liebe will, dass Freunde – d'rum so selten –
Sich ähnlich an Besitz, sich gleich an Tugend.

16a

An Luigi del Riccio

(andere Version des vorhergehenden Medrigales)

Da Gnade, noch so süss,
Doch allzulästig fällt,
Macht sie gefangen Andre sich zur Beute,
So fühle Lieb' und Freiheit
Durch deine höchste Güte
Ich mehr bedroht, als wenn du mich bestohlen.
Vernunft will gleichen Schritt:
Doch giebt der Eine mehr, der Andre wen'ger,
So kommt's mit Recht zum Streit,
Und siegt der Eine, nicht verzeiht's der Andre.

17

Beschreibung seines eigenen Auges

Nicht hindert mich am Seh'n mit ihrem Schatten
Die Braue, zieht sie sich zusammen: mühlos
Bewegt' das Aug' sich hin von Seit' zu Seite.

Das Auge, das darunter, dreht sich langsam,
Enthüllt nur einen Theil der grossen Kugel,
Von deren heitrem Schein man wenig sieht.

Und wen'ger hebt und senkt's sich, von der Braue
Bedeckt, die Lider sind verkürzt und runzeln
Sich nicht so stark, setzt man sie in Bewegung.

Das Weisse ist ganz weiss, das Schwarze dunkler
Als Trauerflor, das Gelb der Flecken brauner,
Die sich von einer Faser ziehn zur andren.

— — — — —  — — — —

18

Capitolo mit der Schilderung
seines Alterzustandes

Eng eingeschlossen, wie in seine Rinde
Des Baumes Mark, leb' einsam ich und ärmlich,
Gleich einem Geist gebannt in die Phiole.

Den Flug verwehrt mein grabesdunkles Zimmer,
In dem Arachnes Dienerinnen tausendfach
Am Werk sich selbst als Weberschiffchen nützen.

— — — — —  — — — —

Die hier im Original folgenden fünf Terzinen sind ihrer unser Gefühl verletzenden Derbheit wegen unmöglich wiederzugeben.

Es machten lahm, geborsten und zerbrochen
Mich meine Lebensmühen: meine Schenke,
In der auf Zech' ich lebe, ist der Tod.

In Schwermuth einzig finde ich Erheitrung,
Und als Erholung dienen die Beschwerden:
Wer selbst das Übel sucht, dem geb' es Gott.

Wer am Dreikönigsfeste mich gewahrte,
Wohl ihm, und mehr noch, sehe er mein Haus,
Inmitten der Paläste hier, der reichen.

Nicht blieb der Liebe Flamme mir im Herzen,
Denn gröss're Noth verjagt ja stets die klein're,
Der Seele Flügel hab' ich scharf gestutzt.

Die Stimme klingt, wie in dem Glas 'ne Horniss,
Ein Ledersack die Knochen birgt und Nerven,
Von Pech drei Pillen fühl' ich in der Blase.

Der Augen Blau ist wie gestampft, gemahlen,
Die Zähne gleichen Instrumentestasten:
Bewegen sie sich, tönt und stockt die Stimme.

Ein Bild des Schreckens zeigt sich mein Gesicht,
Die Kleider scheuchten wohl, ohn' andre Waffe,
Im Wind bewegt vom Saatfeld fort die Raben.

In meinem einen Ohr heckt eine Spinne,
Im andern in der Nacht 'ne Grille zirpt,
Katarrh lässt mich nur schnarchen, doch nicht schlafen.

»Die Musen«, »Amor« und die »blum'gen Grotten«,
Für Cymbeln, Düten werden sie verwandt,
In Schenken sucht sie und in engen Gassen!

Was nützt mir's so viel Puppen anzufert'gen,
Wenn sie zu gleichem mich geführt, wie Jenen,
Der nach durchschifftem Meer im Sumpf ertrank.

Mich hat die hochgepries'ne Kunst, die einstens
Mir Ruhm verlieh, zu diesem Ziel gebracht:
Ein Greis und arm und Andrer Herrschaft dienstbar,

Bin ich vernichtet, hilft nicht schnell der Tod.

19

An Giorgio Vasari

über dessen »Lebensbeschreibungen der Künstler«.

1551

Habt mit dem Griffel Ihr und mit den Farben
Die Kunst zur Höhe der Natur erhoben,
Ja dieser selbst den Ruhm zum Theil genommen,
Da ihre Schönheit schöner Ihr uns schenkt,

Nun würdigerer Arbeit zugewandt,
Mit weiser Hand des Buches Seiten füllend,
Nehmt Ihr, was die Natur ihr Vorrecht rühmte,
Für Euch in Anspruch: Leben zu verleihn!

Schuf schöne Werke jemals ein Jahrhundert
Mit ihr im Wettstreit, musst' es unterliegen,
Da ihm das Ende ja voraus bestimmt!

Doch Ihr erweckt jetzt, der Natur zum Trotz,
Erlosch'nes und bewirkt, dass neu erstanden
Es ewig lebe und mit ihm Ihr selbst.

20

An Giorgio Vasari

1555

Durch Zucker, Kerzen und dazu ein Maulthier,
Auch eine grosse Flasche Malvasir,
Werd' über alles Maass ich so beschenkt,
Dass ich Sankt Michael die Waage lasse.

Zu gutes Wetter macht mir schlaff die Segel,
Und ohne Wind verliert mein schwacher Kahn
Den Weg im Meer: mir däucht, als sei er nur
Ein Hälmchen auf den grausam rauhen Fluthen.

Im Anblick solcher Huld, so grosser Gabe:
Der Speise, des Getränks, der Gehbeförd'rung,
Die jegliches Bedürfniss liebreich stillen,

Wohl wär' es Nichts, mein theurer Herr, zum Lohne
Mich selber, wie ich bin, Euch ganz zu geben,
Denn seine Schuld bezahlen, heisst nicht schenken.

An Monsignor Lodovico Beccadelli
Erzbischof von Ragusa

1556

Durch Kreuz und Gnad' und manche Leiden werden
Wir uns gewiss im Himmel finden, Herr:
Doch eh' der Kette Ringe abgelaufen,
Schien schön es mir, uns hier noch zu geniessen.
Hält auch das Meer und rauhe Bergesstrasse
Uns fern, so kümmert doch des Geistes Eifer
Sich nicht um Schnee und Eis, noch der Gedanke
Auf seinem Flug um Schlingen sich und Ketten.
Mit ihm bin ich allzeit bei Euch und spreche
Euch weinend von Urbino, meinem todten,
Der, lebt' er noch, vielleicht mit mir dort wäre,
Wie ich mir's ausgedacht – nun aber dränget
Dorthin zu ziehn sein Tod mich, wo er meiner,
Auf dass ich mit ihm Herberg' finde, wartet.


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