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Während ganz Warschau sich in immer steigender Aufregung befand und die Streitfragen, welche sich im Reichstag immer mehr zuspitzten, in den Salons, in den Kaffeehäusern und sogar auf offener Straße immer leidenschaftlicher und erbitterter besprochen wurden, lag das Kloster der Karmeliter in tiefer Ruhe da, als ob das Asyl der frommen Mönche von den brandenden Wogen der Zeitströmung gar nicht berührt werden könnte. Die großen Pforten waren geschlossen, der Guardian saß still und gleichgültig in seiner Zelle neben der Eingangstür zum Kloster, die Abendglocken läuteten und von verschiedenen Seiten kehrten einige Mönche, tief in ihre Kutten gehüllt, von den Ausgängen zurück, die sie zu machen pflegten, um milde Gaben zu erbitten.
Mehrere der heimkehrenden Mönche aber gingen, wenn sie den Hof durchschritten hatten, nicht nach den Zellen hin, sondern traten in das Kabinett des Paters Ambrosius und verschwanden nach einem kurzen Gruß durch die Tür, welche in den hinteren Raum führte, der dem Bunde der Cosiniery als Versammlungsort diente.
Der Pater Ambrosius beschäftigte sich ruhig weiter mit seinen Rechnungen und Briefschaften und erhob sich erst von seinem Schreibtisch, als endlich Kasimir mit einem zweiten Mönch eintrat, der die Kutte so zusammengezogen hatte, daß man sein Gesicht nicht erkennen konnte.
Nun trat auch der Pater mit den beiden zuletzt Angekommenen in den hinteren Raum, in welchem sich die Führer des Geheimbundes bereits ihrer Mönchskleidung entledigt hatten.
Auch der Begleiter Kasimirs nahm nun seine Kutte ab und begrüßte die übrigen mit einer tiefen Verbeugung, indem er die Hand zuerst auf sein Herz und dann auf seine Stirne legte, das Erkennungszeichen des Bundes, welches die Hingabe alles Denkens und Wollens symbolisch ausdrücken sollte.
»Ich habe«, sagte Kasimir, »mit Eurer Erlaubnis, meine Brüder, meinen Freund Konstantin Backlowicz in unsern Bund aufgenommen, er hat in meine Hand das Gelübde abgelegt – ich bürge von neuem für ihn.«
Konstantin verbeugte sich nochmals und reichte zuerst dem Pater Ambrosius, dann den übrigen die Hand, von denen er einige aus der Gesellschaft her kannte.
Als dann alle auf ihren Sesseln Platz genommen hatten, sprach Konstantin:
»Es ist den Mitgliedern des hohen Rats unsers heiligen Bundes bekannt, daß ich nach Paris gesendet war, um dort den Gang der Ereignisse zu beobachten und für unsere Sache zu wirken. Die Botschaften, die ich gesendet, werden Euch die Mitteilung gebracht haben, daß Frankreich vor dem Ausbruch einer großen Bewegung steht, die Geduld des Volkes ist durch die willkürliche Regierung der Bourbonen, welche glauben, drei Jahrzehnte aus dem Buche der Weltgeschichte streichen zu können, erschöpft, und die große Mehrheit der Nation ist entschlossen, mit diesen Zuständen ein Ende zu machen. Heute nun komme ich selbst, um gute Nachrichten zu bringen. Alles ist vorbereitet und in kurzer Zeit wird das unterhöhlte Gebäude der bourbonischen Macht, welches eine fremde Invasion aufgerichtet hat, zusammenbrechen. Der Widerstand ist gelähmt, ein großer Teil der Armee erbittert, und wenn das Volk sich aufrichtet und seine drohende Stimme erschallen läßt, wird der Thron Karls X. vielleicht ohne Blutvergießen in Trümmer sinken, und ein einfacher Beschluß der Kammer wird die Absetzung aussprechen.«
»Und das ist gewiß?« fragte Pater Ambrosius.
»So gewiß, als ich vor Euch stehe,« erwiderte Konstantin zuversichtlich – »ich habe mit allen denen verkehrt, welche die Fäden der Bewegung in ihren Händen halten und sie leiten werden, wenn sie ausbricht. Ich bürge dafür, daß diese Bewegung siegreich sein wird und daß jeder Frieden mit den Bourbonen ausgeschlossen ist.«
»Und was wird an ihre Stelle treten?« fragte Stanislaus Potocki, »die Republik? – Das wäre vielleicht ein Unglück, wenn das Gespenst von siebenzehnhundertdreiundneunzig sich wieder aufrichtete und die sogenannten legitimen Mächte in Europa, welche unser legitimes Recht mit Füßen treten, noch fester mit einander verbinden würde.«
»Das ist nicht zu befürchten,« sagte Konstantin. »Die Schrecken von siebenzehnhundertdreiundneunzig sind noch zu nahe, als daß sie wieder aufleben könnten. Das Volk will Freiheit, aber auch Ordnung, und die Republik von heute würde vor allem die Ordnung unter dem Gesetz auf ihre Fahne schreiben. Aber,« fuhr er fort, »ob die Republik aus dieser Bewegung hervorgeht, ob sie dauernden Bestand gewinnen wird, das ist zweifelhaft. Eine große und mächtige Partei, welche die Bürgerschaft, den arbeitenden und wohlhabenden Mittelstand vertritt, will die Freiheit mit der monarchischen Sicherheit und Stetigkeit verbinden, und ihr geheimer Leiter und Führer ist der Herzog von Orleans, welcher sich verpflichtet hat, die konstitutionelle Verfassung zur Wahrheit zu machen. Es ist möglich, vielleicht wahrscheinlich, daß er der Nachfolger der Bourbonen sein wird.«
»Und wenn das geschieht,« warf Potocki spöttisch ein, »dann wird die französische Nation nur den Tyrannen gewechselt haben.«
»Nein,« sagte Konstantin, »das wird nicht geschehen – der Herzog von Orleans ist durch eine schwere Schule des Lebens gegangen, er hat es zweimal gesehen, daß eine Regierung sich im Gegensatz zu dem Willen des ganzen Volkes nicht zu halten vermag, und er ist klug genug, nicht in einem törichten und aussichtslosen Experiment seine Krone einzusetzen.«
»Aber wir,« rief Ostrowski, »wir wirken für die Republik, welche es wagen würde, für unsere Rechte einzutreten und den Freiheitsruf durch die Welt erschallen zu lassen, vor dem dieser Areopag der legitimen Könige, welche uns der Knechtschaft ausgeliefert haben, zittert. Was der große Napoleon für uns nicht tun konnte oder wollte, wird auch ein König von Frankreich nicht vermögen, mag er nun Karl X. oder Louis Philipp heißen.«
»Ich bin anderer Meinung,« sagte Backlowicz. »Der König Louis Philipp, der seine Krone der Revolution verdankt, wird in natürlichen Gegensatz zu den sogenannten legitimen Mächten treten, er wird Freunde und Verbündete suchen müssen außerhalb unseres Kreises, und wo würde er einen besseren Freund, einen bessern Verbündeten finden als in einem wiedererstandenen Polen, das Preußen, Rußland und Oesterreich gleichmäßig in Schach hält? Er würde auch die Stimme des Volkes hören müssen, welche sich laut für uns erheben wird, wenn wir in den Kampf für unser Recht eintreten. Darum gilt es jetzt, wachsam zu sein, alle Fäden anzuziehen und die Waffen vorzubereiten. Ich habe die Zusicherung erhalten von Personen, welche dem Herzog von Orleans nahe stehen und die Leiter seiner Regierung sein werden, wenn er den Thron besteigt.«
»Und diese Zusicherung?« fragte der Hauptmann von Tanzki.
»Verspricht uns, wenn wir uns in geordneten Reihen erheben, ihre Unterstützung und, wenn wir zum Kampf gezwungen werden durch die Rechtsverletzungen Rußlands, unsere Anerkennung als kriegführende Macht. Ein französischer Krieg gegen Rußland müßte die notwendige Folge einer solchen Haltung sein, und dann stehen wir auch auf legitimem Rechtsboden, auf dem wir auch diplomatisch wirken können, um die Siege unserer Waffen, an denen wir nicht zweifeln dürfen, fest halten zu können. Oesterreich hat gar viele Veranlassung, mit Rußland unzufrieden zu sein, man empfindet in Wien den Hochmut des Zaren, der sich über den alten römischen Kaiser stellen möchte, sehr unangenehm. Die zu Oesterreich gefallenen Teile unseres Vaterlandes würden vielleicht dort gern zurückgegeben werden, um dem unheimlich wachsenden Koloß des Ostens einen Damm entgegen zu setzen. Man hat mir versprochen, daß beim ersten Anstoß ein Vertreter Polens von der französischen Regierung empfangen werden soll, wenn wir unsern Aufstand nur frei halten von den grundstürzenden Ideen, welche die erste französische Revolution wieder in die Hände des modernen Cäsars lieferten.«
Alle schwiegen nachdenklich, da Konstantin im Tone voller fester Ueberzeugung sprach.
Der Pater Ambrosius aber rief:
»Ich bin derselben Meinung! Die Republik in Frankreich würde sich in sich selbst aufzehren und alle Kräfte gegen ihre inneren Feinde gebrauchen – eine neue französische Monarchie wird, auf die innere Ruhe und Ordnung gestützt, nach außen wirksam werden können und müssen, für uns aber ist es erste Bedingung, daß unsere Erhebung nicht eine Revolution sei, sondern ein Krieg für Recht und Ordnung, und dazu wird uns die französische Anerkennung verhelfen.«
»Und was, mein Bruder,« fragte er, zu Konstantin gewendet, »sollen wir nach der Meinung unserer Freunde in Frankreich tun?«
»Jetzt nichts,« sagte Konstantin, »als abwarten und alles zu tätigem Handeln vorbereiten, uns der Armee vollkommen versichern und im stillen dafür sorgen, daß im Augenblick des Handelns das ganze Volk in Freikorps unter die Waffen tritt. Als Ausgangspunkt des Krieges müssen wir eine Verletzung derjenigen Rechte nehmen, welche der Wiener Kongreß unter völkerrechtlichen Schutz gestellt hat und für deren Aufrechterhaltung auch Frankreich verpflichtet ist.«
»Dieser Meinung bin ich auch,« rief Pater Ambrosius lebhaft, »und darum müssen wir dahin wirken, daß die Erbitterung über die jetzt dem Reichstag vorgelegten Gesetze nicht zu irgendeinem plötzlichen und schlecht vorbereiteten Ausbruch führt.«
Auch Kasimir stimmte lebhaft bei. Keiner der anderen widersprach, nur auf Potockis Gesicht zeigte sich der Ausdruck einer leichten Verstimmung.
»Warten und immer warten!« sagte er. »Das ist traurig, aber ich sehe ein, daß Ihr recht habt, meine Brüder, und darum muß ich Euch eine Mitteilung machen, die ohnehin Eurer Entscheidung unterbreitet werden muß. Es besteht eine Verschwörung,« fuhr er unter allgemeiner Aufmerksamkeit fort, »welche den Zweck hat, den Kaiser Nikolaus bei dem Volksfest, das ihm auf dem Plan vor der Stadt bereitet werden soll, gefangen zu nehmen – ich weiß das durch die Fäden, welche ich mit dem durch die ganze Armee verbreiteten Bund unterhalte.«
»Den Kaiser gefangen nehmen – unmöglich!« riefen die anderen, während Pater Ambrosius still vor sich hin lächelte.
»Es ist so sehr möglich,« erwiderte Potocki ernst, »daß ich an dem Gelingen kaum zweifle. Hundert entschlossene Personen, junge Offiziere und Fähnriche, sind bereit, das Wagnis auszuführen. Der Kaiser wird bei dem Volksfest mit geringer Begleitung erscheinen, die polnischen Garden werden zur Aufrechthaltung der Ordnung den weiten Platz umstellen, also ohnehin schon von seiner Person entfernt sein, und außerdem sind alle Offiziere und fast alle Unteroffiziere derselben für die Abschaffung der russischen Herrschaft gewonnen. Der Leutnant Wisocki wird das Zeichen geben, indem er, zu dem Kaiser herantretend, ruft: »Es lebe das freie Polen!« In demselben Augenblick werden die Verschwörer den Kaiser umringen und sobald sie ihn in der Gewalt haben, bürgt er mit seinem Leben selbst gegen jedes Hindernis. Die russischen Garden selbst würden nicht wagen dürfen, zu seiner Befreiung Gewalt anzuwenden. Dann wird von ihm, so ist der Plan, das feierliche Versprechen einer ihm diktierten Verfassung gefordert, und wenn er sich weigert, soll der Aufstand durch das ganze Land entflammt und der Kaiser mit den russischen Truppen über die Grenze getrieben werden.«
»Ein wahnsinniger Plan,« rief der Pater Ambrosius, »aber in der Tat, er kann gelingen!«
»Er darf es nicht,« sagte Konstantin lebhaft, »es ist ein Plan junger Toren, der nur an dem Augenblick hängt. Die Verlegenheit würde grenzenlos sein – wenn der Kaiser sich verteidigt, wäre ein Mord wahrscheinlich, der unsere Sache für immer beflecken würde – und wenn er auch gefangen genommen würde, alle europäischen Mächte würden sich gegen uns erheben, wir würden keinen Freund finden, und ein großer Teil unserer Patrioten selbst, die noch immer auf eine Versöhnung hoffen, würden wider uns stehen, alle Hoffnungen, die wir auf Frankreich setzten, wären verloren, das Unternehmen muß um jeden Preis verhindert werden.«
»Vielleicht wird das nicht so leicht sein,« sagte Potocki, »die jungen Leute sind für die Sache begeistert und glauben, eine Heldentat für ihr Vaterland auszuführen.«
»Und doch muß es sein,« sagte der Pater Ambrosius, »denn wir dürfen eine solche Tat nicht zulassen. Wir dürfen auch uns die Leitung der heiligen Sache nicht von jungen Brauseköpfen aus der Hand nehmen lassen – ich werde selbst versuchen, auf die Verschwörer zu wirken.«
»Das wäre vielleicht gefährlich,« sagte der Hauptmann von Tanzki, »es ist nicht gut, die Fäden bloß zu legen, an denen wir die Bewegung lenken. Ich übernehme es, die Sache zu verhindern, einfach und ohne Aufsehen,« fuhr er fort, »ohne daß irgendeiner von den Beteiligten selbst eine Absicht und die Einwirkung einer höheren Leitung bemerkt.«
»Und wie das?« fragte Konstantin. »Das Mittel muß sicher sein, denn wir dürfen die Zukunft dem Spiel des Zufalls nicht überlassen.«
»Mein Mittel ist sicher,« erwiderte Tanzki, »ich bürge dafür. Genügt Euch das, meine Brüder?«
»Es genügt,« erwiderte Pater Ambrosius – und die anderen neigten zustimmend den Kopf.
»Es bleibt also bei unserem Beschluß,« sprach der Pater Ambrosius weiter, »die Entwicklung der Dinge in Frankreich abzuwarten, die Erbitterung zu schüren und zunächst von jedem Ausbruch abzuhalten.«
Alle stimmten zu.
Die Sitzung wurde aufgehoben.
Alle hüllten sich wieder in ihre Mönchskutten und verließen einzeln das Kloster.
Konstantin begleitete Kasimir nach seiner Wohnung.
Kasimir bereitete den Tee, und wer die beiden in dem freundlichen Raum mit den Bücherbrettern an den Wänden hätte bei einander sitzen sehen, der würde geglaubt haben, daß sie sich über wissenschaftliche Fragen und Arbeiten unterhielten und kaum haben voraussetzen können, daß sie in ihren Händen die Fäden hielten, welche die Ruhe von ganz Europa zu erschüttern vermochten.
»Ich habe Dir noch eine bessere Nachricht zu geben,« sagte Kasimir, »die ich den übrigen noch nicht mitgeteilt, da ich nicht gern von Hoffnungen spreche, welche die Zukunft noch zertrümmern kann, namentlich vor unseren Freunden nicht, die alle zu heißblütig sind und eine Hoffnung so leicht für eine Wirklichkeit halten.«
»Und was ist's?« fragte Konstantin.
»Ich habe«, erwiderte Kasimir, den Mund an das Ohr seines Freundes legend, »sichere und zuverlässige Beziehungen in Oesterreich, welche hinaufgehen bis zum Staatskanzler – ich habe die Versicherung erhalten, daß, wenn eine wohlgeordnete Erhebung bei uns stattfindet, welche die russische Herrschaft in Frage stellt, Oesterreich uns nicht entgegentreten, ja sogar sich an unsere Seite stellen will.«
»Oesterreich –« rief Konstantin – »und seine Polnischen Provinzen?«
»Es ist bereit, seine polnischen Provinzen einem wieder erstehenden Königreich Polen zurück zu geben,« erwiderte Kasimir – »man zittert in Wien vor der drohend anwachsenden Macht Rußlands, welche dem österreichischen Kaiserstaat so sehr gefährlich werden kann, wenn sie sich jemals mit den aufstrebenden Plänen Preußens verbündet. Man ist, wie gesagt, bereit, für uns einzutreten, sobald die Erhebung in großem Maßstabe begonnen ist, so stellt man zwei Bedingungen, erstens: die Erhebung eines österreichischen Erzherzogs auf den polnischen Thron –«
»Wieder ein Fremder –« warf Konstantin ein.
»Warum nicht?« erwiderte Kasimir. »Eine Republik wäre unhaltbar, ebenso auch das alte Wahlkönigtum, wie die Geschichte bewiesen hat, ein König aus polnischem Geschlecht würde immer dem Neide und der Eifersucht unseres großen Adels ausgesetzt sein, ein nachgeborener österreichischer Prinz wird Pole werden müssen, wenn er sich auf seinem Thron halten will, und eine verfassungsmäßige Regierung wird die Grundlage seiner Herrschaft sein.«
»Und die zweite Bedingung?« fragte Konstantin.
»Ist die Zustimmung Frankreichs und Englands zu solchem Plan.«
»O, die Zustimmung Frankreichs ist gewiß!« rief Konstantin. »Was könnte man in Paris Besseres verlangen? Und was England betrifft, den alten Feind Rußlands, so wird ihm jede Schwächung der russischen Macht willkommen sein.«
»Ich glaube es,« erwiderte Kasimir, »doch ist das noch nicht gewiß, und so soll diese Sache vor unseren Freunden selbst Geheimnis bleiben. Dir teile ich sie mit, damit Du darüber nachdenken kannst, wie die Idee nach Paris gebracht werden könne und dort für dieselbe die Unterstützung der künftigen Regierung zu erreichen sei.«
»Das wird leicht sein,« rief Konstantin, »das versteht sich fast von selbst! O, mein Gott,« sagte er, Kasimir die Hand drückend, »ich sehe eine herrliche, lichte Zukunft vor uns.«
»Frohlocke nicht zu früh!« mahnte Kasimir. »Nur wenn man auf die Schwierigkeiten blickt und sie beobachtet, ist man des Sieges gewiß. Doch Du,« fragte er dann, »bist Du geheilt von Deiner Liebe, die Dich fast dem Vaterlande abwendig gemacht hätte?«
»Geheilt?« fragte Konstantin düster. »Nein, das bin ich nicht. Jene Liebe erfüllt noch heute mein Herz, und ich glaube, daß diejenige, der mein Herz gehört, ein Opfer einer schmerzlichen Täuschung geworden ist. Kann ich ihr einen Vorwurf machen? Habe ich ein Recht an sie? Ich bin ergeben, ich habe entsagt, weil ich entsagen mußte, weil sie immer und ewig von mir geschieden ist – der Schmerz darüber wird nie aufhören, aber er wird mich auch nicht lähmen in meinem Ringen für unsere heilige Sache, und niemals wird eine andere Liebe Eingang in mein Herz finden.«
»Dann bist Du da angekommen, wohin ich Dich haben wollte und wohin ich selbst gekommen bin auf schlimmerem Wege als Du. Du hast Deine Liebe verloren, mich hat die meine verraten, und dennoch habe ich mich freudig und frisch erhalten, nach großen Zielen zu streben in des Lebens ernstem Kampf, dennoch habe ich mein Herz warm erhalten für die Freundschaft und auch den Glauben an Gott und an die Menschen wiedergewonnen. Was wir beide verloren haben, war uns Gewinn; wie wir muß man stehen der Welt gegenüber, wenn man im großen Kampfe Sieger bleiben will!
Hast Du Luitgarde wiedergesehen?« fragte er.
»Nein!« rief Konstantin entsetzt; »ich hätte es nicht ertragen können – ich habe den Grafen besucht, den ich verehre wie einen Vater; aber dennoch werde ich mich von ihm fern halten, um eine Begegnung zu vermeiden, die mir die gewonnene Ruhe wieder rauben könnte.«
Kasimir schüttelte den Kopf.
»Das darfst Du nicht,« sagte er, »oder Du bist nicht Herr über Dich selbst. Du darfst Dich nicht zurückziehen, wie ich es tue, um nicht von neuem der Verfolgung meiner Feinde mich auszusetzen. Du mußt Dich der Gesellschaft zeigen, Du mußt sehen und hören. Auch das ist notwendig für uns, und Dir traue ich mehr als allen anderen, die noch so viel andere Dinge im Kopfe und im Herzen haben.«
»Luitgarde wiedersehen? An der Seite Malgienskis, des Elenden, der mich in den Kerker werfen ließ, dem ich doch die Hand wie einem Freund reichen müßte? Das wäre zu viel.«
»Und doch muß es sein. Wer die Feinde überwinden will, muß sich selbst besiegen, und die Verstellung ist eine mächtige Waffe in dem Kampf, den wir kämpfen. Mein Vertrauen zu Dir wird erschüttert werden, wenn ich sehe, daß Du Dich nicht selbst mit sicherer Willenskraft zu beherrschen vermagst.«
Konstantin war tief erschüttert.
Dann aber drückte er Kasimirs Hand und sagte:
»Du verlangst von mir Selbstvertrauen und Kraft – ich will stark sein, ich will auch diese Probe bestehen.«
»Du wirst mir danken, daß ich Dich dazu gezwungen. Der Willen härtet die zarte Faser unserer Nerven fester als das Feuer den Stahl. Doch nun genug von dem allem – laß uns plaudern wie in alter Zeit, als wir Studenten in Wilna waren. Hat uns auch das Schicksal mit Erz umgürtet, so wollen wir für einander doch Menschen bleiben und Freunde vor allem.«