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Unterdessen näherte sich der Apatsche mit Karja und dem Vaquero von einer andern Seite. Eigentlich hätten sie schon längst hier sein sollen, aber die Indianerin hatte sich in der Finsternis verirrt. Auf diese Weise war ein nicht unbedeutender Umweg entstanden, so daß der kleine Trupp mit bedeutender Verspätung am Ziel anlangte.
»Hier ist der Bach«, sagte Karja zu Bärenherz. »Wir werden gleich an der Höhle sein.«
Der Apatsche ließ seine Augen aufmerksam umherschweifen.
»Uff!« rief er und deutete nach den Spuren, die zu sehn waren. »Der Graf mit seinen Leuten. Vorsichtig weiterreiten!«
Bald jedoch blieb Bärenherz, der an der Spitze ritt, halten. Er hatte die Maultiere erblickt, die ruhig zwischen den Büschen grasten, und stieg ab. Er erhob die Hand zum Zeichen, daß man auf ihn warten solle, und verschwand im Buschwerk. Im nächsten Augenblick erschallte sein verwunderter Ruf, und Karja und der Vaquero ritten zu ihm hin, wo die beiden getöteten Diener am Boden lagen. Erstaunt sprangen sie von den Pferden.
»Uff!« rief Karja. »Die beiden Diener des Grafen! Wer hat sie erschossen?«
Der Apatsche unterzog den Boden und die nächsten Büsche einer genauen Untersuchung und äußerte dann nur das eine Wort:
»Büffelstirn!«
Dann stieg er wieder auf sein Pferd und ritt weiter. Die beiden folgten ihm. Nach einer Welle teilten sich die Büsche und man kam an den zweiten Bach, hatte aber noch nicht die Stelle erreicht, wo der Gefangne lag, so trat ein Mann hinter einem Strauch hervor. Es war Büffelstirn; er hatte das Nahen der Reiter gehört und war ihnen entgegengeschlichen, um zu beobachten, um wen es sich handle. Nun, als er Bärenherz und Karja erkannte, ließ er sich sehn.
»Uff! Büffelstirn!« sagte der Apatsche. »Wo ist Donnerpfeil?«
»Tot!« antwortete der Gefragte.
»Wer hat ihn getötet?« forschte Bärenherz in einem Ton, dem man es anhörte, daß das Schicksal des Mörders bereits eine beschloßne Sache sei.
»Graf Alfonso.«
»Wo?«
»Das kann ich hier nicht sagen«, entgegnete Büffelstirn mit einem bezeichnenden Blick auf den Vaquero. »Kommt mit mir zum Grafen! Ich habe ihn gefangen.«
In Alfonsos Augen stand deutlich die Angst geschrieben, die er ausstand. Aber weder Bärenherz noch Karja würdigten ihn eines Blicks. Der Mixteka wandte sich, beim Gefangnen angekommen, an den Apatschen:
»Mein Bruder möge diesen Menschen bewachen, bis ich wiederkomme!«
Mit diesen Worten ging er, um die Höhle wieder aufzusuchen. Als er sie erreichte, war die Fackel abgebrannt. Er steckte eine neue an und trat zu dem Deutschen. Sofort bemerkte er, daß dieser anders lag, als wie er ihn verlassen hatte, und beeilte sich infolgedessen, ihn nochmals zu untersuchen. Nun fand er zu seiner größten Freude, daß der Puls wieder ging. Der Trapper mußte für kurze Zeit zu sich gekommen sein und sich bewegt haben; jetzt aber lag er in vollständiger Betäubung. Der Mixteka faßte ihn und schaffte ihn sorgfältig hinaus ins Freie. Als er ihn dort in das Gras legte, schlug der Apatsche mit der Hand auf die emporstehende Mündung seiner Büchse und rief:
»Wenn mein weißer Bruder stirbt, dann wehe seinem Mörder! Die Tiere des Waldes sollen seinen Leib zerreißen. Shosh-in-liett, der Häuptling der Apatschen, hat es gesagt.«
Er beugte sich über den Deutschen und untersuchte seinen Kopf.
»Es ist ein Keulenschlag«, sagte er. »Die Schale des Hirns ist zerbrochen. Man mache eine Bahre auf zwei Pferden, damit er nach der Hazienda geschafft werden kann! Ich aber werde gehn, um das Kraut Oregano zu suchen, das jede Wunde heilt und kein Fieber hineinkommen läßt.«
Während nun der Vaquero sich entfernte, um eine Bahre herzustellen, und Bärenherz das Wundkraut suchte, blieb Büffelstirn mit seiner Schwester allein zurück.
»Du zürnst mir?« fragte sie leise.
Büffelstirn blickte sie nicht an, aber er entgegnete: »Der gute Geist ist von der Tochter der Mixtekas gewichen.«
»Er ging nur kurze Zeit von ihr«, sagte sie.
»Aber in dieser kurzen Zeit ist viel Trauriges geschehn Du liebtest den Grafen?«
»Ja.«
»Du glaubtest, daß er dich wiederliebe?«
»Ja.«
»Er versprach, dich zu seinem Weibe zu machen, und das glaubtest du ihm?«
»Ja. Er gab mir eine Schrift, in der er es mir versprach.«
»Uff! Und diese Schrift hast du noch?«
»Sie liegt in meinem Zimmer.«
»Du wirst sie deinem Bruder geben?«
»Nimm sie! Wirst du mir verzeihn?«
»Ich werde nur dann verzeihn, wenn du mir gehorchst.«
»Ich werde gehorchen. Was soll ich tun?«
»Das wirst du später erfahren. Jetzt besteigst du das Pferd und reitest nach der Hazienda zurück, um mir alle Indianer, die Kinder der Mixtekas sind, hierher zu senden. Du sagst ihnen, daß Tecalto, ihr Häuptling, ihrer bedarf. Sie werden alles andre im Stich lassen und kommen.«
»Ich gehe.«
Mit diesen Worten bestieg Karja das Pferd und sprengte davon.
Nach einer Viertelstunde kehrte Bärenherz zurück, legte die ausgedrückten Kräuter auf den Kopf des Deutschen und verband ihn.
Auch der Vaquero war fertig. Er hatte aus Ästen und den Decken der getöteten Diener eine weiche und bequeme Tragbahre errichtet, die auf zwei nebeneinander hergehenden Pferden befestigt wurde. Darauf wurde Unger gelegt.
»Was wird mit dem Grafen?« fragte der Vaquero.
»Der gehört mir!« erwiderte Büffelstirn. »Bring Donnerpfeil nach der Hazienda! Bärenherz wird bei mir bleiben.«
Der Vaquero gehorchte und ritt mit dem Verwundeten fort. Die beiden Häuptlinge standen einige Zeit schweigend nebeneinander. Dann löste Büffelstirn die Beinfesseln des Gefangnen, so daß dieser aufstehn konnte, und band ihn, als dies geschehn war, mit einem Riemen an den Schweif seines Pferdes. Hierauf sagte er zu dem Apatschen:
»Mein Bruder folge mir!« worauf beide aufstiegen und davonritten. Es war für den Grafen keine Kleinigkeit, den beiden Reitern zu folgen, vielmehr der qualvollste Weg seines Lebens, den er je gegangen war.
Büffelstirn hatte die Leitung übernommen. Er lenkte um den steil abfallenden Hang des Berges herum und dann die Anhöhe hinauf. Nach mehr als einer Stunde hatten sie den Rücken des Höhenzugs erreicht, und nun ging es in den dichten Urwald hinein. Mitten in diesem lagen, nach allen Seiten von fast undurchdringlichem Gestrüpp umgeben, die Ruinen eines alten Aztekentempels. Dieser hatte aus einer abgestumpften Pyramide bestanden, die von Vorhöfen rund umgeben gewesen war, um die sich eine hohe Mauer zog. Jetzt lag alles in Schutt und Trümmern.
In einem dieser alten Vorhöfe hatte sich eine tiefe Lache gebildet, in der sich die Feuchtigkeit des Waldes sammelte. Dorthin führte Büffelstirn den Freund und den Gefangnen, dem man den Knebel wieder abgenommen hatte.
Die Lache war mit der Zeit zu einem Teich, fast zu einem kleinen See geworden, bis zu dessen Ufer sich hohe Bäume heranzogen. Dort stiegen die beiden Häuptlinge ab. Der Mixteka setzte sich in das hohe Gras und winkte dem Apatschen, neben ihm Platz zu nehmen. Sie saßen nach Indianerart erst eine Weile schweigsam da, dann fragte der Cibolero:
»Mein Bruder hat Donnerpfeil lieb?«
»Ich liebe ihn!« antwortete der Apatsche kurz.
»Dieser Weiße wollte ihn töten.«
»Er ist ein Mörder, denn vielleicht stirbt unser Freund.«
»Was verdient ein Mörder?«
»Den Tod.«
»Er soll ihm werden!«
Wieder verging eine Welle in düsterm Schweigen, dann begann Büffelstirn von neuem:
»Mein Bruder kennt das Volk der Mixtekas?«
»Er kennt es«, nickte Bärenherz.
»Es war das reichste Volk in Mexiko.«
»Ja, es hatte Schätze, die niemand messen konnte«, stimmte der Apatsche bei.
»Weiß mein Bruder, wohin die Schätze gekommen sind?«
»Er weiß es nicht.«
»Wird der Häuptling der Apatschen schweigen?«
»Sein Mund ist wie die Mauer des Felsens.«
»So soll er wissen, daß Büffelstirn der Hüter dieser Schätze ist.«
»Mein Bruder Büffelstirn mag diese Schätze vernichten! Im Gold wohnt der böse Geist. Wenn die Erde von Gold wäre, würde Bärenherz lieber sterben als leben.«
»Mein Bruder hat die Weisheit der alten Häuptlinge. Aber andre lieben das Gold. Dieser Graf wollte den Schatz der Mixtekas besitzen.«
»Uff!«
»Er kam mit zwei Dienern, um ihn zu rauben.«
»Wer hat ihm den Weg zum Schatz gezeigt?«
»Karja, die Tochter der Mixtekas.«
»Karja, die Schwester Büffelstirns? Uff!«
»Ja«, sagte Büffelstirn traurig. »Ihre Seele war finster, denn sie liebte diesen weißen Lügner. Er versprach ihr, sie zu seinem Weib zu machen, aber er wollte den Schatz holen und sie verlassen.«
»Er ist ein Verräter.«
»Was verdient ein Verräter?«
»Den Tod.«
»Und was verdient ein Verräter, der zugleich ein Mörder ist?«
»Den doppelten Tod.«
»Mein Bruder hat recht gesprochen.«
Es entstand wieder eine Pause des Schweigens. Diese zwei Häuptlinge bildeten einen fürchterlichen und unerbittlichen Gerichtshof, gegen dessen Urteil es keine Berufung gab. Büffelstirn wäre auch allein mit Alfonso fertig geworden, aber er hatte den Apatschen mitgenommen, um seiner Rache ein gerechtes Urteil unterzulegen. Die beiden Indianer hielten eins jener sogenannten Präriegerichte, vor denen die Verbrecher der Wildnis so große Angst haben.
Sie sprachen in der Mundart der Apatschen, die Alfonso nicht verstand; aber er ahnte, daß man jetzt über ihn entschied. Er bebte vor Furcht, denn er dachte an die Krokodile, von denen Büffelstirn gesprochen hatte. Hier war der Teich, und grad an dem Ort, wo sie saßen, ragte ein schief gewachsener Zederstamm weit hinaus über das Wasser, und seine Zweige senkten sich beinah bis auf dessen Spiegel herab. Es schwamm dem Spanier vor den Augen, wenn er seinen Blick dorthin richtete.
Da begann Büffelstirn wieder:
»Weiß mein Bruder, wo der doppelte Tod zu finden ist?«
»Der Häuptling der Mixtekas mag es mir sagen!«
»Dort.«
Büffelstirn deutete hinaus auf das Wasser. Der Apatsche warf keinen Blick hinaus, entgegnete aber, als ob sich das von selbst verstehe:
»Die Krokodile wohnen dort?«
»Ja. Du sollst sie sehn.«
Er trat an den Teich, streckte die Arme aus und rief:
» Nikan! Tlatlaka! – kommt!«
Auf diesen Ruf begann es im Wasser zu rauschen. Neun oder zehn Furchen bildeten sich von verschiednen Richtungen her, und ebenso viele Krokodile schossen herbei. Sie blieben am Ufer halten und streckten die häßlichen Köpfe heraus. Es waren teils Brillen-, teils Hechtkaimans, und keiner hatte eine Länge unter vier Metern. Ihre Leiber glichen schlammbedeckten Baumstämmen, ihre Köpfe boten einen häßlichen und zugleich Furcht erweckenden Anblick, und während sie die langen Rachen aufrissen und zuklappten, um ihren Hunger zu zeigen, sah man ganze Reihen fürchterlicher Zähne, die gewiß nichts freiließen, was sie einmal gefaßt hatten.
Ein Schrei des Entsetzens erscholl. Alfonso hatte ihn ausgestoßen.
Die beiden Häuptlinge warfen ihm einen verächtlichen Blick zu. Der Indianer zuckt selbst unter den fürchterlichsten Qualen mit keiner Wimper. Er glaubt, daß einer, der am Marterpfahl einen einzigen Klageton ausstößt, nicht in die ewigen Jagdgründe komme, die den Himmel der Rothäute bilden. Darum werden die Kinder bereits an das Ertragen der Schmerzen gewöhnt; und die Weißen werden meist auch deshalb von ihnen verachtet, weil sie feiner beschaffen und gegen alle Arten des Schmerzes empfindlicher sind als die Indianer.
»Siehst du sie?« fragte Büffelstirn. »Es sind wackere Tiere, von denen keins unter zehn mal zehn Sommer alt ist. Und siehst du auch die Lassos, die ich mitgebracht habe? Ich nahm sie den Dienern ab, die ich erschoß.«
»Ich verstehe meinen Bruder«, erwiderte der Apatsche kurz.
»Was denkst du, wie hoch ein Krokodil aus dem Wasser springen kann?«
»Es kann den Rachen nicht viel über einen Meter weit aus dem Wasser bringen, wenn der Grund tiefer ist als sein Leib.«
»Und wenn es den Grund mit dem Schwanz berühren kann?«
»So schießt es noch einmal so weit hervor.«
»Nun wohl. Der Grund ist tief. Die Füße dieses Mannes sollen also anderthalb Meter über dem Wasser hängen. Wer soll auf diesen Baum klettern? Du oder ich?«
»Ich will es tun«, sagte der Apatsche.
Beide Indianer erhoben sich darauf von ihren Sitzen, traten zu Alfonso und banden ihm die Hände auf den Rücken, indem sie ihm einen Lasso doppelt unter den Armen hindurchzogen. Dadurch wurde dieser Lasso unzerreißbar. An ihm wurden wieder zwei andre befestigt, deren Enden der Apatsche in seine Hände nahm, um damit an dem Baum emporzuklettern.
Nun merkte der Graf, daß man Ernst machte. Der Angstschweiß trat ihm in großen Tropfen auf die Stirn, und vor den Ohren begann es ihm zu rauschen wie im Sturmwind.
»Gnade, Gnade!« bat er jammernd.
Die beiden Richter hörten nicht darauf.
»Gnade!« wiederholte er. »Ich will alles tun, nur hängt mich nicht für diese Krokodile auf!«
Auch dieses Flehn fand keine Antwort. Büffelstirn faßte Alfonso und zog ihn nach dem Baum hin.
»Tut es nicht! Ich will euch alles geben, meine Grafschaft, meine Besitzungen, ganz Rodriganda. Ich verzichte auf alles, was ich habe, nur schenkt mir das Leben!«
Jetzt endlich antwortete der Häuptling der Mixtekas:
»Was ist Rodriganda! Was ist deine Grafschaft, was sind deine Besitzungen! Du hast die Schätze der Mixtekas gesehn, die ich nicht mag, und du bietest mir deine Armut an! Bleib ein Graf und stirb! Sieh diese Tiere, die noch nie einen weißen Grafen gefressen haben. Du wirst lange am Baum hängen und deine Füße emporziehn, wenn sie nach ihnen schnappen; sobald du aber schwach und müde wirst, werden sie dir diese abreißen. Dann verblutest du und stirbst. Und wenn nachher dein Leib verfault, so stürzt er herab und wird von ihnen verzehrt. Das ist das Ende eines weißen Grafen, der eine verachtete Indianerin betrügen wollte!«
»Gnade, Gnade!« flehte Alfonso abermals in höchster Todesangst.
»Gnade? Hast du Gnade gehabt, als du den Freund der Häuptlinge mit der Keule erschlugst? Hast du Gnade gehabt, als du das Herz in der Brust der Indianerin tötetest? Und sind dies deine einzigen bösen Taten gewesen? Wahkonda hat dem Menschen versagt, alles zu wissen. Ich kenne dein Leben nicht, aber wer so Böses tut wie du, der hat bereits vorher viel Böses getan. Wir rächen es zu gleicher Zeit mit dem, was du an uns getan hast. Die Krokodile werden dich fressen, aber du bist noch schlimmer als eins dieser Tiere. Wahkonda hat sie geschaffen, um Fleisch zu fressen, den Menschen aber hat er geschaffen, damit er gut sein soll. Deine Seele ist schlimmer als die ihrige.«
Damit schob Büffelstirn den Unglücklichen näher ans Wasser hin. Alfonso wehrte sich nach Kräften. Er hatte die Beine frei und stemmte sich mit verzweifelter Anstrengung auf dem Boden fest. Da schlang ihm der Häuptling einen Riemen um die Füße und band diese zusammen, so daß er völlig wehrlos war.
»Gnade! Erbarmen!« wimmerte und stöhnte er.
Es half ihm nichts. Der starke Mixteka trug ihn nach dem Baum, und der Apatsche kletterte hinauf, die Enden der Lassos zwischen den Zähnen. Oben setzte er sich fest und ließ die zehnfach zusammengeflochtenen Riemen über einen starken Ast laufen. Nun zog er den Grafen mit den Lassos am Stamm empor, während Büffelstirn schob; es ging langsam, aber sicher.
»Oh, laßt mich los, laßt mich doch los!« rief der zu einem so fürchterlichen Tod Verurteilte. »Ich will euch dienen und gehorchen als der geringste von euren Knechten!«
»Ein Graf hat Knechte, ein freier Indianer aber nicht!« lautete die Antwort.
Der Anblick der Alligatoren war entsetzlich. Die Lache war zu klein für sie, sie fanden nicht genügend Nahrung darin. Sie hatten lange gehungert, und nun sahen sie, daß sie Speise bekommen sollten. Aus Mangel an Nahrung hatten sie bereits sich selber angefressen; dem einen fehlte ein Fuß, dem andern irgendein Stück seines Leibes. Jetzt drängten sie sich unter dem Baum zu einem Klumpen zusammen. Ihre furchtbaren Schwänze peitschten das Wasser zu Schaum, ihre tückischen Augen schossen giftige, begehrende Blicke, und ihre geöffneten Rachen klappten mit einem Geräusch zusammen, das so klang, als ob man zwei starke Bretter aneinanderschlage. Diese zehn Ungeheuer bildeten einen Knäuel, den man für einen einzigen, gräßlichen Drachen mit zehn Rachen und ebenso vielen Schwänzen halten konnte.
Der Gefangne schauderte. »Laßt mich frei, ihr Ungeheuer!« brüllte er.
»Mein Bruder mag kräftiger ziehn!« rief Büffelstirn dem Apatschen zu.
»So seid verflucht und vermaledeit in alle Ewigkeit!«
Diese Worte kreischte der Graf, indem seine blutunterlaufenen Augen vergebens nach Rettung suchten.
»Es ist genug«, sagte der Mixteka, der mit den Augen eines Kenners die Entfernung des Astes vom Wasser mit der jetzigen Länge des Lassos verglich. »Mein Bruder schlinge den Lasso um den Stamm des Baumes und mache einen festen Knoten!«
Der Apatsche folgte diesem Gebot. Büffelstirn hatte sich bis jetzt mit einer Hand am Baum gehalten, während er mit der andern den Gefangnen gepackt hielt. Es gehörte eine riesige Körperstärke dazu. Wäre die Zeder nicht so stark gewesen, so hätte sie bei ihrer schrägen Lage unter der Last der drei Männer brechen müssen. Jetzt war der entscheidende Augenblick gekommen. Alfonso sah und fühlte das und rief mit nicht mehr menschenähnlicher Stimme:
»Seid ihr denn keine Menschen, seid ihr Teufel?«
»Wir sind Menschen, die einen Teufel richten«, antwortete der Mixteka. »Fahre hin!«
Ein gräßlicher, weithin tönender Schrei erscholl. Der Sprecher hatte Alfonso losgelassen und ihm einen kräftigen Stoß gegeben. Dieser Stoß schleuderte den Gefangnen vom Baum herab und über die Wasserfläche hinaus. Er schwang am Lasso hin und her, und allemal, wenn er während dieser Pendelbewegungen dem Wasser nahe kam, schossen die Krokodile empor, um ihn zu packen.
»Es ist gut. Mein Bruder komme herab!«
Der Apatsche folgte dieser Aufforderung Büffelstirns und stieg vom Baum. Sie standen am Ufer und sahen dem grauenhaften Schauspiel zu, bis die Schwingungen immer kleiner wurden und der Verurteilte endlich von dem Ast senkrecht herniederhing.
Jetzt zeigte es sich, daß der Mixteka ein sehr gutes Augenmaß gehabt hatte. Alfonso hing so, daß die aus dem Wasser emporschnellenden Krokodile grad noch seine Füße packen konnten. Dadurch war er gezwungen, diese emporzuziehn, sobald eins der Tiere danach schnappte. Ging ihm die Kraft zu dieser Bewegung aus, so war er verloren. Er hatte viel gesündigt, aber dieser Tod und diese Todesangst wogen viele, vielleicht alle seine Sünden auf.
»Es ist geschehn! Wir wollen zurück!« sagte der Apatsche, den selbst schauderte.
»Ich folge meinem Freund«, stimmte Büffelstirn bei.
Dann stiegen sie auf und ritten davon, noch lange verfolgt von dem Angstgeheul des Grafen.
Sie konnten jetzt schneller reiten als bergaufwärts, wo der Gefangne am Pferdeschweif gehangen hatte. Als sie unten am Bach ankamen, fanden sie bereits mehrere Indianer vor. Sie alle gehörten zu dem dem Untergang geweihten Stamm der Mixtekas und waren von Karja herbeigeschickt worden. Ihr Häuptling wandte sich jetzt an den Apatschen:
»Ich danke meinem Bruder, daß er mir geholfen hat, das Bleichgesicht zu richten und zu bestrafen. Er mag nun zur Hazienda zurückkehren und nach der Wunde Donnerpfeils sehn. Ich kann erst morgen nachkommen, denn ich habe hier noch vieles zu tun.«
Bärenherz ritt sofort davon. Der Mixteka aber winkte die Indianer zu sich, die einen Kreis um ihn bildeten, um seine Befehle zu vernehmen. Er blickte ernst umher und begann:
»Wir sind die Söhne eines Stammes, der sterben muß. Die Bleichgesichter geben uns den Tod. Sie trachten nach unsern Schätzen, aber sie haben sie nicht erhalten. Eure Väter haben den meinigen geholfen, diese Schätze zu verbergen, und keiner von ihnen hat den Ort verraten, wo sie sich befinden. Würdet auch ihr so schweigsam sein?«
Sie alle senkten bejahend die Köpfe, und der Älteste von ihnen antwortete in aller Namen:
»Verflucht sei der Mund, der einem Weißen den Ort verraten könnte!«
»Ich glaube euch. Ich allein habe gewußt, wo sich die Schätze befinden, aber ein Bleichgesicht hat sie entdeckt. Das Bleichgesicht hat einen Teil davon gefunden, und dieser Teil muß nun an einem andern Ort verborgen werden. Wollt ihr mir helfen?«
»Wir helfen.«
»So schwört bei den Seelen eurer Väter, eurer Brüder und Kinder, daß ihr das neue Versteck nicht verraten und auch niemals den geringsten Teil der Schätze antasten wollt!«
»Wir schwören es«, erklang es im Kreis.
»So sorgt zunächst für eure Pferde, und dann kommt!«
Nachdem den Pferden gehörige Weide gegeben worden war, verschwanden die roten Gestalten im Eingang der Höhle, in der nun ein geheimnisvolles Regen und Treiben begann. Nur ein einziger blieb im Freien zurück, um über die Sicherheit der Pferde und das Gelingen des Unternehmens zu wachen.
Diese Arbeit dauerte die ganze Nacht hindurch, und erst als der Tag anbrach, kamen die Mixtekas einer nach dem andern aus der Höhle gekrochen. Ein jeder brachte eine Last mit, die sie alle auf einen gemeinschaftlichen Haufen legten. Es waren die größten Nuggets und Goldbrocken nebst dem Geschmeide, das Unger sich ausgewählt hatte.
»So!« sagte Büffelstirn, indem er den Haufen betrachtete. »Schlagt es in die Decken und ladet es auf das Pferd! Dies ist das Geschenk der Mixtekas an den einzigen Weißen, der die Schätze der Könige gesehn hat, weil ich es ihm erlaubte. Möge er dadurch glücklich werden!«
Als das Packpferd, das er gestern früh mit dem Deutschen mitgebracht hatte, beladen war, kehrte er noch einmal in das Innere der Höhle zurück. Die vorderste Abteilung, die Unger und Alfonso gesehn hatten, war jetzt vollständig leer und ausgeräumt. Büffelstirn blickte sich noch einmal um, dann trat er in eine Ecke, wo eine Zündschnur aus der Erde ragte, brannte sie mit seiner Fackel an und verließ schleunigst die Höhle.
Draußen zogen sich alle weit zurück und warteten. Es vergingen einige Minuten, dann ließ sich ein dumpfes Krachen vernehmen; die Erde bebte, ein dunkler Qualm stieg aus der vordern Seite des Berges auf, die Felsen barsten, das Gestein senkte sich langsam und brach mit einem rollenden Getöse zusammen. Der Eingang zur Höhle und deren vorderster Teil waren verschüttet. Der Bach schäumte über die Trümmer, erst wild und kämpfend; bald aber hatte er sich einen Weg nach seinem Bett gebahnt – der Zugang zu den Schätzen der Könige der Mixtekas war verschlossen.
»Reicht euch die Hände und schwört noch einmal, daß ihr schweigen wollt bis zum Tod!« gebot Büffelstirn seinen Leuten.
Die Indianer leisteten den Schwur, und es war jedem einzelnen anzusehn, daß er lieber sterben als seinen Eid brechen werde. Noch einen langen Blick warfen sie auf die Stätte, die während der letzten vierundzwanzig Stunden so Ungewöhnliches gesehn hatte, dann sprengten sie davon.–
Als der Apatsche vom Berg El Reparo, wo er Büffelstirn verlassen hatte, nach der Hazienda zurückkehrte, fand er deren Bewohner in tiefer Trauer. Emma befand sich bei ihrem verwundeten Verlobten und ließ sich nicht sehn. Ihr junges Glück hatte eine sehr schlimme Trübung erlitten. Karja war bei ihr, um ihr in der Pflege des Kranken beizustehn und sie zu trösten. Der Haziendero hatte sofort einen seiner besten Reiter auf dem schnellsten Pferd nach Monclova geschickt, um einen erfahrenen Arzt herbeizurufen. Als er den Häuptling der Apatschen vom Pferd steigen sah, kam er herbeigeeilt, um sich zu erkundigen. Er bequemte sich dabei dem Gebrauch der Rothäute an, indem er ihn »Du« nannte.
»Du kommst allein?« fragte er. »Wo ist Tecalto?«
»Noch am Berg El Reparo.«
»Was tut er dort?«
»Er sagte es mir nicht.«
»Ich hörte, daß er sich Indianer hat schicken lassen. Wozu?«
»Ich fragte ihn nicht.«
»Und wo ist Graf Alfonso?«
»Ich sage es nicht.«
Der Haziendero trat einen Schritt zurück und meinte unmutig: »Er sagte es mir nicht – ich fragte ihn nicht – ich sage es nicht! Solche Antworten wünscht man nicht!«
Der Apatsche machte eine abwehrende Handbewegung und erwiderte: »Mein Bruder mag mich nicht nach Dingen fragen, über die ich nicht sprechen kann! Der Häuptling der Apatschen liebt die Taten, aber nicht die Worte.«
»Aber wissen möchte ich doch, was da draußen am Berg geschehn ist.«
»Die Tochter der Mixtekas wird es sagen.«
»Auch diese schweigt.«
»Büffelstirn wird zurückkehren und es erzählen. Mein Bruder führe mich an das Lager Donnerpfeils, damit ich dessen Wunde sehe!«
»So komm!«
Als die Männer das Zimmer des Deutschen betraten, fanden sie die beiden Mädchen an seinem Lager, Emma in Tränen und die Indianerin in schweigender Trauer. Der Verwundete wälzte sich in seinem Bett hin und her. Er hatte sicher Schmerzen auszustehn, hielt aber die Augen geschlossen und gab keinen Laut von sich. Auch als Bärenherz den Kopf betastete, zog der Kranke sein Gesicht in schmerzhafte Falten, blieb aber stumm.
»Wie steht es?« fragte der Haziendero.
»Er wird nicht sterben«, erwiderte der Häuptling. »Man lege immer neues Wundkraut auf!«
»Morgen wird der Arzt kommen.«
»Das Kraut Oregano ist klüger als der Arzt. Hat mein Bruder einen Vaquero, der ein guter Reiter und Jäger ist?«
»Mein bester Jäger und Schütze ist der alte Francisco.«
»Man hole ihn und gebe ihm ein gutes Pferd! Er soll mich zu den Komantschen begleiten.«
»Zu den Komantschen? O Gott, was wollt ihr bei denen?«
»Kennt mein Bruder die Komantschen nicht? Wir haben ihnen die Gefangnen abgenommen; wir haben einige ihrer Krieger getötet. Sie werden kommen, um Rache zu nehmen.
»Nach der Hazienda? So weit?«
»Der rote Mann kennt keine Entfernung, wenn er sich rächen und den Skalp seines Feindes holen will. Die Komantschen werden sicher kommen.«
»Und warum wollt ihr ihnen entgegenreiten?«
»Um sie zu sehn und zu erfahren, wann und auf welchem Weg sie kommen.«
»Ist es nicht besser, du bleibst hier, und wir stellen Posten aus?«
»Der Häuptling der Apatschen sieht lieber mit eignen Augen als mit den Augen andrer. Donnerpfeil, mein Bruder, wollte den Hunden der Komantschen entgegengehn. Nun ist er krank, und ich tu es an seiner Stelle.«
»So reitet in Gottes Namen! Ich will Francisco rufen lassen.«
In Zeit einer Viertelstunde war der Vaquero zur Stelle. Man sah es seinem ganzen Äußern an, daß er die geeignete Persönlichkeit zu einem solchen Ritt sei. Als er hörte, um was es sich handelte, gab er seine Bereitwilligkeit zu erkennen, den Apatschen zu begleiten. Sie versahen sich also mit dem, was zu einem Kundschafterritt notwendig ist, und brachen alsbald auf. –
Als die beiden Mädchen sich allein mit dem Verwundeten befanden, begannen die Tränen Emmas wieder zu fließen. Es war eigentümlich, welchen Eindruck ihre Nähe auf den besinnungslosen Kranken ausübte. Wenn sie ihm ansah, daß er Schmerzen fühlte, ergriff sie seine Hand, und sofort glättete sich sein Angesicht. Drückte sie zuweilen einen leisen Kuß auf seine bleiche Stirn oder seine Lippen, so zog ein freudiges Glänzen über seine Züge, und er schien seine Schmerzen nicht mehr zu empfinden.
»Siehst du, daß er mich kennt?« sagte Emma zu der Indianerin.
»Er sieht dich ja nicht«, entgegnete diese.
»Oh, er fühlt mich. Nicht sein Körper, sondern seine Seele empfindet die Nähe derjenigen, die ihn liebt. Ach, wäre er doch nie nach dem Berg El Reparo gegangen! Wie zürne ich deinem Bruder Tecalto, daß er ihn mitgenommen hat!«
»Tecalto meinte es gut! Er wollte ihm den Schatz der Könige zeigen und ihm davon schenken.«
»Und diesen Schatz wolltest du dem Grafen geben!« sagte Emma bitter.
»Kannst du mir nicht verzeihn?« bat die Indianerin.
»Ich verzeihe dir, denn ich weiß, daß die Liebe mächtiger ist als alles. Oh, wenn er doch nur wieder gesund würde!«
»Das Kraut Oregano wird ihm Hilfe bringen. Aber willst du nicht in die Reitsäcke blicken?«
»Nein. Tu es an meiner Statt! Ich mag nicht sehn, was diesem Alfonso gehört.«
Man hatte nämlich bei den Leichen der beiden Diener das Gepäck des Grafen gefunden. Es bestand in zwei ziemlich gut gefüllten Reitsäcken, die die Indianerin jetzt öffnete. Sie fand nichts Auffälliges, bis sie auf den Boden des letzten Sacks kam. Dort lag ein Brief, der anscheinend aus der Tasche eines der Kleidungsstücke gefallen war, die der Sack enthielt. Sie las die Anschrift. Es war diejenige des Grafen Alfonso. Dann las sie auch den Brief. Es war derselbe, den der Eilbote gebracht hatte. Nun warf Karja rasch einen Blick auf die Freundin, und als sie bemerkte, daß diese nur acht auf den Kranken gab, steckte sie das Schriftstück schnell zu sich. –
Die mexikanischen Pferde sind von großer Ausdauer und Schnelligkeit. Bärenherz und der Vaquero flogen auf ihren Tieren wie der Wind dem Norden zu. Sie erreichten noch vor Abend die Stelle, wo sie bei der Rückkehr von der Reise mit den beiden Damen ihr letztes Nachtlager gehalten hatten, und rasteten nicht, sondern verfolgten den Weg immer fort, den sie damals gekommen waren.
Als der Abend bereits heranzubrechen begann, hielt Bärenherz plötzlich sein Tier an und blickte zu Boden, und der Vaquero tat das gleiche.
»Was ist das hier?« fragte er den Apatschen. »Das sind ja Spuren!«
»Von vielen Reitern!« nickte der Indianer.
»Sie kommen von Norden her!«
»Und sind nach Westen eingebogen.«
»Sehn wir die Spuren genauer an!«
Sie stiegen ab und untersuchten die Hufeindrücke sorgfältig.
»Es sind viele«, sagte der Apatsche.
»Wohl zweihundert«, fügte der Vaquero hinzu.
Der andre nickte zustimmend und deutete dann auf einen Hufeindruck, dessen Kanten noch ganz scharf gezeichnet waren.
»Ja«, meinte der Vaquero mit besorgter Miene. »Wir können von Glück sagen. Sie sind vor kaum einer Viertelstunde hier gewesen.«
Bärenherz richtete sich rasch vom Boden auf. »Vorwärts! Ich muß sie sehn!«
Nun bestiegen sie ihre Pferde wieder und folgten der Fährte. Diese führte tief in die Sierra hinein; und grad, als das letzte Licht des Tages verglomm, erblickten sie auf dem Kamm einer vor ihnen liegenden Höhe eine dunkle Schlangenlinie, die aus Reitern bestand.
»Komantschen!« sagte der Apatsche.
»Ja, richtig! Donnerwetter, die haben es auf die Hazienda abgesehn!«
»Sie verbergen sich bis morgen in den Bergen«, entgegnete der Häuptling. »Mein Bruder kehre sogleich zurück, um dem Haziendero zu melden, daß der Feind kommt. Bärenherz bleibt auf der Fährte des Feindes. Er muß wissen, was sie tun.«
Damit drehte der Apatsche sich um und ritt weiter, ohne sich darum zu bekümmern, ob der Vaquero seiner Weisung Folge leistete.
» Per dios!« murmelte dieser. »So ein Indianer ist doch ein eigentümlicher Mensch! Wagt sich allein an zweihundert Feinde! Er sagt, was ich tun soll, und reitet fort, ohne nur Abschied zu nehmen oder zu sehn, ob ich ihm auch gehorche.«
Er wandte sein Pferd wieder dem Süden zu und ritt denselben Weg zurück, den er gekommen war.
Es galt, die schlimme Nachricht so schnell wie möglich nach der Hazienda zu bringen. Darum strengte er sein Pferd an, und es war kaum Mitternacht, als er die Niederlassung erreichte.
Hier lag bereits alles im tiefen Schlaf, und nur Emma wachte am Lager des Geliebten. Deshalb wandte sich der Vaquero zunächst an sie. Sie weckte ihren Vater, der den alten Francisco sofort zu sich kommen ließ.
»Ists wahr, was mir Emma sagte?« fragte Arbellez. »Kommen die Komantschen?«
»Ja, es ist wahr, Señor.«
»Wann? Doch nicht etwa noch heut?«
»Nein, heut sind wir noch sicher.«
»Sind es viele?«
»Wohl zweihundert.«
»Heilige Madonna! Welch ein Unglück! Sie werden die Hazienda verwüsten.«
»Das fürchte ich nicht, Señor«, entgegnete der mutige Alte. »Wir haben ja Arme und auch Waffen genug.«
»Wie weit entfernt ist der Punkt, wo ihr sie saht?«
»Sechs Stunden bei gewöhnlichem Ritt.«
»Und sie hielten nicht grad auf die Estanzia zu?«
»Nein. Das fällt ihnen auch gar nicht ein. Sie haben sich in die Berge geschlagen, um nicht entdeckt zu werden, und werden sich vor morgen nacht sicherlich nicht blicken lassen.«
»Wir werden dennoch sofort Vorsichtsmaßregeln treffen. Oh, wenn doch Señor Unger nicht verwundet wäre!«
»Auf den Häuptling der Apatschen und auf Büffelstirn könnt Ihr Euch ebenso verlassen.«
»Büffelstirn ist noch am Berg El Reparo. Ich werde ihn sogleich holen lassen.«
»Soll ich reiten?«
»Du bist ermüdet.«
»Ermüdet?« lachte der Alte. »Mein Pferd wohl, aber nicht ich. Ich nehme ein andres Tier.«
»Weißt du, wo der Häuptling zu finden ist?«
»Nein.«
»Am Auslauf des mittleren Baches.«
»Gut, ich werde ihn sicher finden. Soll ich jetzt die Leute wecken?«
»Ja, wecke sie! Es ist besser, wir sind bereits heut auf der Hut.«
Der alte Francisco schlug Lärm, dann saß er auf, um nach El Reparo zu reiten. Eine Viertelstunde nach seinem Wegritt brannten rund um die Hazienda mehrere Feuer, die die Umgebung so erleuchteten, daß es sicher kein Indianer gewagt hätte, dem Haus zu nahen.
Büffelstirn, der Häuptling der Mixtekas, war eben mit seinen Indianern von El Reparo aufgebrochen, als der alte Vaquero auf ihn stieß. »Warum kommst du? Was ists?« erkundigte er sich schnell.
»Rasch zur Hazienda! Die Komantschen nahen!« rief Francisco.
Die Augen des Indianers leuchteten vor Vergnügen auf. »So schnell? Wer sagte es?« fragte er.
»Ich selber habe sie gesehn.«
»Ah! Wo?«
Francisco erzählte seinen gestrigen Ritt.
»Ist es so, dann haben wir noch Zeit«, meinte Büffelstirn. »Diese Komantschen werden auf der Hazienda del Erina einige Skalps verlieren. Wenn Bärenherz hinter ihnen her ist, brauchen wir keine Sorge zu haben. Sie entgehn uns nicht.«
Es ging nun im Galopp auf die Hazienda zu, wo sie alles in Eile und Aufregung fanden. Der Haziendero empfing den Cibolero selbst und fragte ihn nach seiner Meinung. Dieser blickte umher und schüttelte den Kopf, als er die kriegerischen Vorbereitungen sah.
»Hältst du die Komantschen für Diggerindianer?« fragte er.
»Nein«, antwortete Arbellez. »Die Diggers sind dumm.«
»Aber die Komantschen nicht. Warum also diese Vorkehrungen?«
»Heilige Madonna! Sollen wir uns vielleicht nicht wehren?«
»Wir werden uns wehren, aber anders! Die Komantschen werden Kundschafter aussenden, um uns zu beobachten. Sie werden uns nicht am Tag überfallen. Wenn wir sie zurückweisen wollen, so dürfen sie nicht ahnen, daß wir von ihrem Kommen wissen.«
»Ah, da hast du recht!«
»Wir müssen unsre Vorbereitungen also im stillen treffen. Wie viele Männer hast du überhaupt?«
»Vierzig.«
»Das genügt. Jeder hat ein Gewehr?«
»Sie haben alle gute Gewehre. Auch Schießbedarf ist genügend vorhanden. Ich habe sogar Kanonen.«
»Kanonen?« fragte der Indianer erstaunt.
»Ja, vier Stück.«
»Davon weiß ich nichts. Woher sind sie?«
»Der Schmied hat sie gebaut, als du nicht hier warst.«
Der Häuptling schüttelte ungläubig den Kopf. »Der Schmied hat sie gebaut? Taugen sie etwas?«
»Ja, wir haben sie ausgeprobt. Der Lauf ist von festestem Eisenholz gebohrt, um das starke, fünffache Bänder geschmiedet sind. Vom Zerspringen ist keine Rede.«
»Dann geht es. Wir schießen mit Glas, Nägeln und altem Eisen, das wirkt furchtbar. Sodann brauchen wir mehrere Feuer. Der Überfall wird wohl bereits in der nächsten Nacht geschehn. Dabei muß alles dunkel sein, damit die Komantschen uns im tiefsten Schlaf wähnen. Sobald sie nun nahen, brennen wir die Feuer an und erleuchten die ganze Umgebung der Hazienda, damit wir sicheres Zielen haben.«
»So machen wir die Feuer auf dem platten Dach des Hauses.«
»Das ist klug. Es wird an jeder Ecke ein großer Holzhaufen errichtet und mit Öl begossen. Das genügt für den ganzen Platz.«
»Und wohin stellen wir die Kanonen?«
»Wir errichten an jeder Ecke des Hauses, sobald es dunkel geworden ist, eine Verschanzung, hinter die sie kommen. Sie müssen so stehn, daß sie zwei Seiten bestreichen können. Ah!«
Dieser letzte Ausruf galt einem Reiter, der auf dampfendem Roß durch das Tor kam. Es war der Apatsche.
»Bärenherz!« rief der Haziendero. »Wo kommst du her?«
»Von den Komantschen«, antwortete dieser, vom Pferd springend.
»Wo sind sie?«
»Auf dem Reparo.«
»Auf dem Reparo?« fragte Büffelstirn. »Hatten sie dort ihr Lager?«
»Ja. Ich bin ihnen bis auf den Berg gefolgt. Sie erreichten ihn erst nach Mitternacht.«
»Auf welcher Seite lagerten sie?«
»Auf der Seite nach Norden.«
»Uff! Wenn sie –« der Mixteka unterbrach sich und fügte leise hinzu, so daß ihn nur der Apatsche hören konnte: »Wenn sie den Grafen finden!«
»Den werden die Krokodile gefunden haben«, entgegnete der Apatsche ebenso leise. –
Die Komantschen zählten wirklich zweihundert Mann. Sie wurden angeführt von einem ihrer bekanntesten Häuptlinge, der Arika-tugh, der schwarze Hirsch, hieß. Ihm zur Seite ritten zwei Kundschafter, denen die Gegend um die Hazienda genau bekannt war. So konnten sie sich in der Richtung nach der Estanzia gar nicht irren.
Sie ritten, ohne zu ahnen, daß sie von dem Apatschenhäuptling verfolgt wurden, nach indianischer Weise über die Berge, nämlich immer einer hinter dem andern, und gelangten schließlich an den nördlichen Fuß des Reparo, dessen Abhang sie erstiegen, um dann unter dichten Bäumen des Waldes haltzumachen.
»Weiß mein Sohn hier einen Ort, wo wir uns während des Tages verbergen könnten?« fragte der schwarze Hirsch den einen der Führer.
Der Gefragte sann nach und erwiderte: »Ja. Auf der Höhe des Berges.«
»Was ist es für ein Ort?«
»Die Ruine eines Tempels, dessen Vorhöfe Raum für tausend Krieger haben.«
»Weiß mein Sohn den Ort genau?«
»Ich werde mich nicht irren.«
»Und glaubt mein Sohn, daß wir ihn erst auskundschaften müssen?«
»Es ist besser und sicherer so.«
»So werden wir beide gehn, während die andern warten.«
Sie stiegen von ihren Pferden, nahmen die Waffen zur Hand und drangen in den Wald ein.
Der Indianer besitzt für Örtlichkeitsverhältnisse eine angeborne Witterung und einen so gut geübten Scharfsinn, daß er sich fast nie verirren kann. Der Führer strich daher mit einer bewundernswerten Sicherheit durch den nächtlich finstern Wald auf die Ruine zu. Der Häuptling folgte ihm. Trotz der Schwierigkeiten, die die Dunkelheit bot, erreichten sie die verfallenen Mauern des Tempelwerks und begannen, dieses zu durchsuchen.
Sie fanden nicht die mindeste Spur von der Anwesenheit eines Menschen und hegten schon die Überzeugung, daß sie sicher seien, als sie plötzlich anhielten und lauschten. Es war ein Schrei erklungen, ein Schrei, der aus keiner menschlichen Kehle zu stammen schien.
»Was war das?« fragte der schwarze Hirsch.
»Ich habe einen solchen Laut noch nie gehört«, erklärte der Führer.
Da erklang der Schrei abermals, lang gezogen und gräßlich.
»Ein Mensch!« sagte der Häuptling.
»Ja, ein Mensch«, stimmte der Führer jetzt bei.
»In Todesangst! Wo war es?«
»Ich weiß es nicht. Das Echo täuscht.«
»Man muß diese Mauern verlassen.«
Die Indianer kletterten nun über das Trümmerwerk hinaus ins Freie, und als der markerschütternde Ruf dann abermals erscholl, hörten sie, aus welcher Richtung er kam.
»Grad vor uns«, sagte der Führer.
»Ja, grad vor uns. Wir wollen sehn, was es ist!«
Beide schlichen sich vorsichtig weiter und kamen an den Rand des Teichs, den sie entlang gingen, bis der Schrei unmittelbar vor ihnen ausgestoßen wurde. Die Roten konnten sich eiserner Nerven rühmen, aber sie erschraken doch, als diese fürchterliche Stimme so in ihrer unmittelbaren Nähe erscholl.
»Hier ist es,« sagte der Führer, »im Wasser.«
»Nein, über dem Wasser ist es«, verbesserte der Häuptling. »Horch!«
»Das plätschert und klappt, als seien es Krokodile.«
Ein flimmernder Schein ging von dem Wasser aus, das durch die Tiere bewegt wurde.
»Es sind Krokodile! Sieht mein Sohn das Schimmern?«
»Und der Mensch unter ihnen? Unmöglich!«
»Nein, der Mensch über ihnen, auf diesem Baum.«
Arika-tugh deutete dabei auf die Zeder, an der sie standen.
»So muß er angebunden sein!«
Nun erschallte der Schrei abermals, und sie hörten, daß er aus der Luft kam, zwischen dem Wasser und der Krone des Baumes.
»Wer ruft?« fragte da der Häuptling mit lauter Stimme.
»Hilfe!« erklang es zurück.
»Wo bist du?«
»Ich hänge am Baum.«
»Uff! Über dem Wasser?«
»Ja. Kommt schnell!«
»Wer bist du?«
»Ein Spanier.«
»Ein Spanier, ein Bleichgesicht«, flüsterte der schwarze Hirsch seinem Begleiter zu. »Er soll hängenbleiben!« – Dennoch aber fragte er weiter: »Wer hat dich aufgehängt?«
»Meine Feinde.«
»Wer sind sie?«
»Zwei Rothäute.«
»Uff!« äußerte der Häuptling. »Er hängt zur Rache hier.«
Dann fragte er, welche Rothäute es gewesen seien.
»Ein Mixteka und ein Apatsche. O kommt, helft! Ich kann nicht mehr; die Krokodile werden mich zerreißen!«
»Ein Mixteka und ein Apatsche!« sagte der Häuptling leise. »Das sind unsre Feinde. Dann werden wir ihn vielleicht retten. Zuerst aber muß ihn das Feuer beleuchten.«
Rasch ging er zu einem Gesträuch, von dem er vorhin beim Hindurchschlüpfen bemerkt hatte, daß es dürr und trocken sei, riß es aus und trug den Haufen ans Ufer. Dann zog er sein Punks Präriefeuerzeug hervor und zündete das Gestrüpp an. Das Feuer loderte hell empor und beleuchtete den ganzen Schauplatz: vom Baum herab hing ein Bleichgesicht nah über dem Wasser und schwang die Füße hoch empor, sobald eins der Krokodile nach ihnen schnappte.
»Das ist eine große Rache!« sagte der schwarze Hirsch. »Er soll uns jetzt antworten, ohne die Alligatoren zu fürchten.«
Damit kletterte er auf den Baum empor, faßte den Lasso und zog den daran Hängenden weiter hinauf, so daß sich dieser nun vor den Ungeheuern in Sicherheit befand. Alfonso hatte beim Schein des Feuers sofort die Indianer wahrgenommen und an ihrer Bemalung erkannt, daß es Komantschen seien, die sich auf dem Kriegspfad befanden. Er erriet alles und betrachtete sich bereits als halb gerettet.
»Warum hingen dich die roten Männer hier auf?« fragte der Häuptling weiter.
»Weil ich mit ihnen kämpfte, um sie zu töten. Wir waren Feinde.«
»Warum hast du die Hunde nicht getötet? Die Apatschen und Mixtekas sind Feiglinge.«
»Es waren Bärenherz, der Häuptling der Apatschen, und Büffelstirn, der Häuptling der Mixtekas.«
»Bärenherz und Büffelstirn!« rief der Komantsche. »Wo sind sie?«
»Befreie mich, und du sollst sie haben!«
»So sollst du frei sein!«
Der schwarze Hirsch zog mit aller Anstrengung am Lasso und brachte den Grafen auch glücklich so weit empor, daß dieser sich mit dem Oberkörper auf den Ast legen und stützen konnte. Dadurch bekam der Komantsche die Hand frei. Er zog sein Messer und durchschnitt den Lasso und die Bande des Spaniers, der sich nun trotz aller Schwäche selber festzuhalten vermochte.
»Ah!« rief er. »Frei! Frei!« Dann brüllte er in unendlichem Entzücken in die Nacht hinaus: »Aber nun Rache! Rache!«
»Rache sollst du haben«, sagte der Komantsche, der in ihm einen brauchbaren Verbündeten ahnte. »Aber warum schreist du so? Der Wald hat Ohren. Ist niemand in der Nähe?«
»Kein Mensch! Es befand sich niemand auf dem Berg als nur ich und diese verdammten Krokodile. Mein Leben lang werde ich diese Nacht nicht vergessen!«
»Vergiß sie nicht und räche dich! Jetzt aber steige mit mir herab!«
Sie kletterten von dem Baum hernieder, und nun erst, als Alfonso festen Boden unter sich fühlte, wußte er, daß er gerettet war.
»Ich danke euch!« sagte er. »Verlangt, was ihr wollt, ich werde es tun!«
Der Komantsche entgegnete ruhig: »Setze dich zu uns und beantworte uns, was wir dich fragen!«
Als sie sich nun im Grase niederließen, streckte der Graf seine gepeinigten Glieder mit einer Wonne aus, die er in seinem Leben noch niemals gefühlt hatte, und fragte:
»Ihr seid vom Volk der Komantschen?«
»Ja. Ich bin der Häuptling Arika-tugh, der schwarze Hirsch.«
»Und ihr befindet euch auf einem Kriegszug?«
Der Indianer nickte. Dann fragte er: »Kennst du die Hazienda del Erina?«
»Ich kenne sie.«
»Wie heißt der Mann, der dort wohnt?«
»Er heißt Pedro Arbellez.«
»Hat er eine Tochter?«
»Ja.«
»Und ist bei dieser Tochter eine Indianerin vom Stamm der Mixtekas?«
»Ja. Es ist Karja, die Schwester von Tecalto.«
»Die Schwester Büffelstirns?« wiederholte der Häuptling überrascht. »Uff! Das haben die Söhne der Komantschen nicht gewußt, sonst hätten sie die Tochter der Mixtekas fester gehalten. Die beiden Squaws waren unsre Gefangnen.«
»Ich weiß es.«
»Du weißt es?« fragte der schwarze Hirsch.
»Ja, denn sie wohnen bei mir.«
»Bei dir? Deine Stimme spricht in Rätseln! Ich denke, sie wohnen auf der Hazienda?«
»Dies ist auch wahr; denn die Hazienda gehört mir.«
»Dir? So bist du Señor Pedro Arbellez?«
»Nein. Ich bin Graf Alfonso de Rodriganda. Arbellez ist nur mein Pächter.«
»Uff!« sagte der Komantsche kalt, indem er sich erhob. »So wirst du wieder über dem Wasser hängen, damit dich die Alligatoren fressen!«
Alfonso war seiner Sache so sicher, daß er lächelnd antwortete: »Weshalb?«
»Weil du der Beschützer der beiden Squaws bist.«
»Setze dich wieder, schwarzer Hirsch! Ich bin nicht ihr Beschützer; ich bin ihr Feind und dein Freund. Diese Squaws sind schuld, daß ich hier aufgehängt wurde, du aber hast mich errettet. Ich werde dir danken, indem ich die drei größten Feinde der Komantschen in deine Hände liefere: Büffelstirn, Bärenherz und Donnerpfeil.«
»Donnerpfeil? Meinst du Itinti-ka, den großen Pfadfinder?« rief der Komantsche. »Wo ist er?«
Der Indianer fragte mit fast leidenschaftlicher Hast. Die Hoffnung, diese drei Männer in seine Gewalt zu bekommen, brachte ihn um die kalte Ruhe und Selbstbeherrschung, in der der Indianer sonst seine Ehre sucht.
»Ich werde es dir sagen, wenn du mir vorher etwas versprichst. Du bist gekommen, um die Hazienda zu überfallen?«
»Ja«, gestand der Indianer.
»Wird es dir gelingen?«
»Der schwarze Hirsch wurde noch nie besiegt.«
»Du hast viele Komantschen mit?«
»Zehnmal zehn mal zwei.«
»Zweihundert? Das ist genug. Du sollst die drei berühmten Häuptlinge haben, ferner alle Skalpe der Bewohner der Hazienda, auch alles, was in der Hazienda zu finden ist, wenn du das Haus schonst, da es mein Eigentum ist.«
Der Komantsche sann nach, dann antwortete er:
»Es sei, wie du begehrst! Wo also sind die drei Häuptlinge?«
»Sie sind«, sagte der Graf, zufrieden lächelnd, »nirgend anders als eben in der Hazienda.«
»Uff! Du hast mich überlistet!« gestand der schwarze Hirsch.
»Aber ich habe dein Wort!«
»Der Häuptling der Komantschen bricht sein Wort niemals. Das Haus ist dein. Die drei Feinde, die Skalpe und alles, was das Haus enthält, gehört jetzt aber den Söhnen der Komantschen. Ist die Hazienda von Stein erbaut?«
»Von festen Steinen und mit Pfahlwerk umgeben. Aber ich kenne alle Schliche; ich werde euch führen. Ihr werdet euch im Innern des Hauses befinden, während die Bewohner alle noch fest schlafen. Sie werden nur erwachen, um unter euren Messern und Tomahawks zu sterben.«
»Hat der Haziendero viel Waffen?«
»Er hat genug Waffen, aber sie werden ihm nichts nützen.«
»Wieviel Männer besitzt er?«
»Vielleicht vierzig.«
»Vier mal zehn? Das macht sieben mal zehn, denn jeder der drei Häuptlinge ist zehn wert.«
»Donnerpfeil darf nicht gerechnet werden. Er ist verwundet, vielleicht tot. Ich traf ihn mit einer Keule auf den Kopf.«
»Uff! Du hast mit Donnerpfeil gekämpft? Wer mit ihm kämpft, der muß ein tapfrer Krieger sein.«
»Ich bin kein Feigling, obgleich du mich als Gefangnen getroffen hast.«
»Ich werde es sehn, wenn du uns zur Hazienda führst. Meinst du, sie ahnen, daß die Krieger der Komantschen kommen, um Rache zu nehmen?«
»Ich glaube es nicht. Ich habe nicht gehört, daß davon gesprochen wurde.«
»Ich werde einen Kundschafter senden.«
»Er mag sich nicht sehn lassen!«
»Uff! Er wird grad in die Hazienda gehn.«
»So ist er verloren!«
»Er ist nicht verloren. Er ist kein Komantsche, sondern ein christlicher Indianer von dem mexikanischen Stamm der Opatos. Man wird ihm nicht mißtrauen, und er wird genau sehn, ob man sich auf einen Kampf mit den Kriegern der Komantschen vorbereitet hat. Jetzt aber weiß ich alles. Mein Sohn mag gehn, um die Krieger nach den Ruinen zu führen, wohin ich jetzt mit diesem Mann eile, der ein Häuptling der Bleichgesichter ist.«
Der Führer eilte davon, und der Häuptling schritt mit Alfonso den Tempelruinen zu. Vorher aber warf dieser noch einen Blick auf den kleinen See, über dessen Wassern er die schrecklichsten Stunden seines Lebens zugebracht hatte: am Ufer lagen die Alligatoren und glotzten mit weit aus der Flut hervorragenden Köpfen das Opfer an, das ihnen entgangen war.