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Der Kaufmann und das Kunstgewerbe.

Der Kaufmann gilt als ein Mensch, der zwar Interessen, aber keine Überzeugungen hat. Wenn von diesen kaufmännischen Interessen die Rede ist, so sind nach stillschweigender Übereinkunft Geld- oder Gewinninteressen gemeint. In dieser Auffassung erscheint die Ware als die beste, die den sichersten und reichlichsten Gewinn abwirft, auch wenn sie vom Standpunkt der Qualität eine schlechte und verwerfliche Ware ist. Man sagt dann, es ist ein guter Kaufmann, der ohne Ansehung der Ware die besten Profite gemacht hat. Es ist gleichgültig, wieviel die gewöhnliche kaufmännische Gebahrung zu dieser feststehenden, ziemlich niedrigen Meinung beigetragen hat und wieviel einem der öffentlichen Vorurteile zuzuschreiben ist, die mit zu jener Macht gehören, gegen die bekanntlich selbst Götter vergeblich kämpfen. Es genügt zu sagen, daß ein Kaufmann, der keine Überzeugungen besitzt, ein schlechter Kaufmann ist. Trotz der realistischen Grundlagen ist in der ausgesprochen rechnerischen kaufmännischen Tätigkeit der Idealismus eine treibende Kraft; er ist unentbehrlich, denn er allein bestimmt den geistigen Kurs. Die Landkarte, in der nicht der Idealismus die Routen vorzeichnet, ist für den Kaufmann unbrauchbar. Der Fortschritt ist die Verwirklichung von Idealen. Wenn die alten Ideale verwirklicht sind, richtet der schöpferische Kaufmann seinen Fernblick auf die neuen, die am Horizont, erscheinen und stellt einen Kurs auf das neue Ziel ein. Nur der niedrige Händlergeist trägt den verderblichen Schund auf den Markt; er weiß nichts von den hohen Zielen, von den Niederlagen und den Siegen, von dem Martyrium und dem Heldentum des königlichen Kaufmannes. Er weiß nichts von den ruhmvollen Geschäften, die darin bestehen, die Welt mit sehr guten und nützlichen Gegenständen bekannt zu machen. Er weiß nichts davon, daß nach einem Worte Ruskins, der Handel ein Beruf ist, dem sich mit täglich steigernder Notwendigkeit Edeldenkende widmen müssen; daß dieses Amt vielleicht wichtiger ist, als zu predigen oder totzuschlagen.

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Moderner geschmackvoller Laden von Architekt Prof. Fritz Schuhmacher. Man vergegenwärtige sich dagegen Spiegelscheiben-Portale, die ausnahmslos zu hoch sind, durch Vorhänge abgedeckt werden müssen, und in der Hausarchitektur wie gähnende Höhlen erscheinen.

Die erzieherische und kulturfördernde Mission des Handels wird für jene Berufe am bedeutsamsten, die, wie das neue deutsche Kunstgewerbe und die verwandten, auf Qualität hinzielenden Erzeugungen eines ebenbürtigen kaufmännischen Elementes bedürfen. Das neue deutsche Kunstgewerbe mit seinen vielverzweigten Fächern setzt bei dem Kaufmann eine Erziehung und eine Gesinnung voraus, die von dem herkömmlichen Durchschnitt wesentlich abweicht. Ein Händler, der nicht ein fein entwickeltes Unterscheidungsvermögen für künstlerische und gewerbliche Qualitäten besitzt und damit in die geistige Sphäre des schaffenden Künstlers hineindringt, wird die kaufmännischen Interessen des neuen Kunstgewerbes nicht mit Erfolg vertreten können. Nur die auf verläßlichem Instinkt und positiven Erfahrungen begründete Begeisterung gibt dem kaufmännischen Anwalt die Überzeugungskraft einem kaufenden Publikum gegenüber, das von Vorurteilen gespickt, unklar und hilflos einer sicheren und taktvollen Führung bedarf. Dieser ideale Kaufmann darf nicht überreden, er muß überzeugen und beweisen können. Vom Käufer wird jeder Überredungsversuch mit Recht als aufdringlich und lästig empfunden. Jener unter dem Spitznamen »Reiseonkel« berüchtigte redselige Herr im Zylinder und Gehrock ist nur im Witzblatt amüsant. Für die Kulturinteressen des neuen deutschen Kunstgewerbes ist er völlig unbrauchbar. Hochentwickelte technische Fabrikationen, wie die Maschinenindustrie, haben ihn ebenfalls in die Rumpelkammer geworfen und durch den fachlich gebildeten Ingenieur ersetzt. Das ist ein Mann, der durch sachkundigen, auf Erläuterung und nicht auf Anpreisung hinzielenden Vortrag das Recht auf schlicht höflichen Empfang erworben und den anheischigen, allzu dienernden und doch zudringlichen Reiseonkel völlig aus dem Feld geschlagen hat. Was, um ein anderes Beispiel zu erwähnen, die hervorragenden Kunsthändler in Paris, Wien, Berlin und einigen anderen Städten zugunsten der modernen Malerei bewirkt haben, ist ebenfalls nur durch eine intensive Pflege der geistigen Interessen auf ihrem Gebiet und durch die suggestive Kraft der persönlichen Überzeugung möglich. Wenn auch nicht verhehlt werden darf, daß in der Begeisterung des Kunsthändlers, die den Liebhaberfanatismus des Käufers aufpeitschen soll, oftmals nur eine sehr gewandte schauspielerische Leistung liegt, so ist nicht zu leugnen, daß der große Kunsthändler, der zu eigenen Gunsten fabelhafte Bilderpreise kultiviert, nichtsdestoweniger häufig eine große Opferwilligkeit und eine unerschütterliche Überzeugungstreue aufbringen muß. Es gibt sehr viele Künstler, die ihr wirtschaftliches Fortkommen dem hochgesinnten Kunsthändler verdankten, der sein gutes Geld auf imaginäre Werte anlegte und erst nach Jahrzehnten stiller und oft aussichtsloser Arbeit, die in der unermüdlichen Überzeugung eines Liebhaberkreises besteht, den aufgespeicherten toten Schatz zu heben und den Ruhm des Künstlers zu befestigen vermochte. Die Sentimentalität ist ein schlechter Kompagnon und auch der Idealismus des vorbildlichen Kunsthändlers ist sehr praktischer Natur, eine nach hohen Gesichtspunkten und feiner Menschenkenntnis angelegte rechnerische Spekulation. Jedenfalls sehen wir hier Erscheinungen, die von dem gewöhnlichen Typ des Geschäftsmannes abweichen und auf den eigenartigen geistigen Voraussetzungen ihres Berufes beruhen. Dem neuen deutschen Kunstgewerbe fehlt es zum großen Teil noch an kaufmännischen Kräften, die auf den gegebenen Voraussetzungen befähigt sind, praktischen Idealismus zu betätigen. Die kunstgewerblichen Verkaufsstellen mit ihrem Personal, die kommissionsweisen Niederlagen in den Warenhäusern setzen eine sehr selten anzutreffende neue innere Verfassung voraus, wenn sie ihre beziehungsreiche fruchtbare Aufgabe erfüllen sollen. Um die herrschenden Mängel zu erklären und die Mittel zur Abhilfe zu erkennen, bedarf es eines offenen Wortes, das nicht in der Absicht ausgesprochen wird zu kränken, sondern zu fördern. In sehr zahlreichen Verkaufsstellen und Niederlagen dieser Art finden gerade die Erzeugnisse hoher künstlerischer und gewerblicher Qualität eine stiefmütterliche Behandlung, weil das Personal damit nichts anzufangen weiß. Die Erklärung, die man auf den fragenden Hinweis nach solchen Dingen im Laden erhält, ist fast stereotyp: »Ach, sehen Sie das gar nicht an, es ist viel zu teuer, wir können es niemanden empfehlen!« Ich mußte immer wieder fragen, wo denn da die geschäftliche Raison liegt. Häufig habe ich mich überzeugt, daß die Gegenstände mit Rücksicht auf ihre Gediegenheit und ihre formalen Vorzüge, den Preis durchaus rechtfertigten und daß der minderwertige Schund, der allerdings nach mehr aussah, im Preis unverhältnismäßig höher beziffert und anstandslos verkauft worden war. Es ist klar, daß in solchen Fällen ein irregeleiteter Geschmack des Publikums einer allzugroßen geschäftlichen Willfährigkeit begegnet und von dem Verkäufer keine sachkundige Aufklärung und Belehrung, die taktvoll vorgebracht, von jedermann gewürdigt wird, empfangen konnte. Zuweilen sind die Preise wirklich enorm, aber dann aus Willkür emporgeschraubt, wie ich später beweisen werde. Es ist klar, daß das durchschnittliche Personal diesen neuen Erscheinungen nur mit geringem Verständnis aber mit desto größerem Zweifel und Unbehagen gegenübersteht. Jeder Künstler oder Architekt, oder wer sonst mit den einschlägigen Angelegenheiten intensiv beschäftigt ist, macht täglich die Erfahrung, wie oberflächlich das Durchschnittspersonal über die Dinge unterrichtet ist, die aus den Absichten einer veredelten Herstellungsweise und eines dementsprechenden Lebensbildes hervorgehen. Nur höchst selten treffen wir eine klare Vorstellung von der organischen Notwendigkeit der Gerätformen und ihrer Materialbedingungen an; ebenso selten weiß der Verkäufer über die Anwendungsart und den Zusammenhang der Dinge im Raum verläßlichen Bescheid, und fast nie ist die Kenntnis von der Gesetzmäßigkeit der künstlerischen Entwicklung in unserer Zeit und der Urhebernamen, die sich an die hervorragenden kunstgewerblichen Erzeugnisse in Holz, Glas, Leder, Metall, Stein, Ton, Geweben usw. knüpfen, vorhanden. Die üblichen banalen Anpreisungen, die sich in den Worten erschöpfen wie: das ist das Allerneueste, das Allerfeinste, das Modernste! sind eben so nichtssagend, wie lächerlich. Auf gute und schlechte Dinge gleichmäßig angewendet wirken sie aufreizend; sie verstimmen den wissenden Käufer und beirren den unwissenden Käufer. Genaue Sachkenntnis, befestigte Überzeugung ist für den Kaufmann dem neuen deutschen Kunstgewerbe gegenüber notwendig, wenn er der Entwicklung dienen, die eigenen Interessen fördern und auf tausenderlei Fragen seinem unsicher tappenden Publikum sachgemäße Aufklärung geben soll.

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Münchener Kaufhaus von ansprechendem Aussehen.

Aber woher soll der Kaufmann, der Abteilungschef des Warenhauses und das kaufmännische Personal der kunstgewerblichen Läden und Niederlagen das alles wissen? Die fabrikmäßige Handelsschulbildung stattet ihre Jünger mit einem dürftigen Fachwissen für eine spätere Kontorpraxis aus und läßt keinen Ausblick auf die Kulturpolitik offen, die sich mit der Qualität und mit dem Herkommen der Güter verbindet. Die Kaufmannslehre und die Praxis im Leben beschäftigt sich wiederum nur mit einem Bruchstück des vorhandenen Materiellen und der junge hinter dem Ladentisch heranwachsende Kaufmann entbehrt auch hier des geistigen Kontaktes mit den Lebensmächten, die den Kulturgang bestimmen. Auf jenem Wege sollte gerade der durch das neue Kunstgewerbe betätigte Grundsatz kaufmännisch Geltung finden, daß die Qualität der künstlerischen und gewerblichen Leistung die Grundlage einer höheren nationalen Kultur liefert und der deutschen Arbeit im Wettbewerb der Völker die Führerrolle sichert. Dieser reformierende Gedanke, der für unser äußeres und inneres Lebensbild von unberechenbarer Tragweite ist, kann natürlich der gleichgesinnten kaufmännischen Mitarbeit nicht entbehren. Soll das Beispiel der Berliner Handelshochschule befruchtend wirken, dann darf es nicht auf diesen einzelnen Schulfall beschränkt bleiben, sondern die Anregung bilden, daß in allen Städten auf ähnliche Weise auf die kaufmännische Ausbildung eingewirkt wird. Die Berliner Vorlesungen sind für das vorhandene Bedürfnis deshalb unzureichend, weil sie nur ein Hochschulauditorium haben, das zum geringsten Teil seine Zukunft im Ladengeschäft sieht, während der geistige Mangel am stärksten gerade dort empfunden wird, wo die persönliche Berührung des kaufenden Publikums mit den Verkäufern stattfindet. Es stellt sich daher die Notwendigkeit heraus, daß in allen Städten, wo sich kunstgewerbliche Verkaufsstellen und Niederlagen, Warenhäuser und Geschäfte, die mit dem Kunstgewerbe in Berührung stehen, befinden, Vortragskurse eingerichtet werden, an denen nicht nur die Handelsschüler und Handelsakademiker, sondern vor allem auch die in der Praxis stehende junge Kaufmannschaft die ausreichende Belehrung findet über die Entwicklung und den Geist des modernen Gedankens, seine Tragweite für die Wirtschaftspolitik und über die zahlreichen organischen Beziehungen der kunstgewerblichen Herstellung zur Architektur, über die Anwendungsart, über die Merkmale der Qualität, wie endlich über das Wesen der modernen Wohnungsausstattung, mit allem was dazu gehört und das Um und Auf der sichtbaren Kultur bildet, unter Zugrundelegung eines Vergleichsmaterials von Gut und Schlecht. Auf diese Weise dürfen wir hoffen, den Kaufmann zu einem erzieherischen Faktor und zu einem Bundesgenossen heranzubilden, der für die Tatsache Verständnis besitzt, daß mit der Steigerung des allgemeinen Niveaus der einzelne steigt, was insbesondere auch für die wirtschaftlichen Interessen gilt. Zwar liefern die vielen bestehenden Kunstzeitschriften einen gewissen Bildungsstoff, aber wie wenige wissen diesen Bildungsstoff entsprechend zu benützen. Es wäre sonst nicht denkbar, daß irgend eine Ladenmamsell ihren Kunden versichert, die Gläser oder Stoffmuster von diesem oder jenem Künstler ziehen nicht mehr! Diese und ähnliche Weisheiten, die einem oft auf den Ladentisch präsentiert werden, haben ihren Grund lediglich in der unverantwortlichen Unwissenheit des Ladenpersonals. Es könnte alsdann auch nicht vorkommen, daß ausgezeichnete neue Keramiken, Metallgegenstände oder moderne Arbeiten in einem sonstigen Material als Anziehungsmittel im Schaufenster aufgestellt und zu einem willkürlichen, sündhaft hohen Preis angeboten werden, um das kaufende Publikum von dem Erwerb solcher hochstehender Erzeugnisse abzuschrecken und für die bequeme Anbietung irgend eines Schundes desto empfänglicher zu machen. Es sollte aber auch ausgeschlossen sein, daß Bezeichnungen wie »echt-imitiert« und sonstige auf Täuschung berechnete Spitznamen vorkommen; in den guten Läden und Warenhäusern, die sich oft durch eine anlockende Architektur auszeichnen, sollten wir nicht die Erzeugnisse des Schundes, der Nachahmung und der Verfälschung antreffen, weil jede Art von Schund und Verfälschung unter dem Vorwand von Billigkeit geschmacksverderbend und sogar sittlich verderbend wirkt; wir dürfen nicht vergessen, daß auch der vornehmtuende Schund den Sinn für Echtheit und Gediegenheit erstickt und daß die anscheinend bestechliche Billigkeit stets auf Kosten des Herstellers wie des Käufers geht. Gegenstände, die das Heim auf die Note des verlogenen Luxus stimmen, haben ungefähr die verpestende Wirkung wie Schundromane; ja, sie wirken noch schlimmer, denn Schundromane braucht man nicht zu lesen, während Schunderzeugnisse, wenn sie unser Leben an allen Ecken und Enden anfüllen, eine fortwährende peinigende und erniedrigende Kraft ausüben, bis das Auge und die Sinne an die Schmach dermaßen gewöhnt sind, daß sie die Erniedrigung nicht mehr wahrnehmen. Auf allen Linien hat der Kampf gegen diese Unkultur begonnen und in den Reihen der Kämpfer darf der Kaufmann nicht fehlen, der eine leichte, und wenn er will, segensreiche Herrschaft über das Publikum ausüben kann. Gerade für die kunstgewerblichen Verkaufsstellen soll ausnahmslos der Grundsatz verbindlich sein, daß jene Ware die beste ist, die dem Hersteller, dem Arbeiter, sowie dem künftigen Besitzer dauernd Freude zu bereiten imstande ist.

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Zweckmäßige Ladeneinrichtung von innen, mit Schaufensterausstellung nach außen und nach innen.

Diese ideal klingende Forderung entspringt keiner Sentimentalität, sondern vielmehr der ganz nüchternen Erwägung, daß auf diese Weise das Geschäft für die Zukunft einen sicheren Bestand gewinnt und einen Adelsbrief erwirbt, der auf unberechenbare wirtschaftliche Vorrechte Anwartschaft gibt. Der Gedanke einer gewerblichen und künstlerischen Qualität ist mit den Kulturbestrebungen des deutschen Volkes eng verbunden, er ist elementar und machtvoll und wird sich auch dann behaupten, wenn es bei den Handeltreibenden auf Abneigung und Widerstand stößt. Die Tatsache allein, daß sich auf diesen neuen Gedanken eine Reihe vorzüglicher kunstgewerblicher Werkstätten gegründet und in wenigen Jahren zu außerordentlicher Bedeutung erwachsen sind, soll zur Aufmunterung der noch zögernden und widerstrebenden kommerziellen Kräfte genügen. Der kluge Kaufmann versteht seine Zeit und nützt sie; das kann nicht ohne Entschlossenheit, Überzeugung und zeitweiligen Opfermut geschehen, denn niemand kann für eine Sache kämpfen und siegen, mit der er nicht gelebt hat.


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