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Gewebe und Stickereien. Käuferregeln.

Von dem Publikum ist zu verlangen, daß es bei seinen Einkäufen vor allem die Gebote der höchsten Gediegenheit und eines veredelten Geschmackes anerkennt und höher stellt als die anrüchige Billigkeit. Das Gute kann niemals ganz billig sein. Das Billige ist in der Regel nicht einmal seinen niedrigen Preis wert. Es bringt wegen seiner Minderwertigkeit weder dem Hersteller noch dem Käufer dauernd Freude und erweist sich durch die Notwendigkeit einer wiederholten Anschaffung stets als eine unverhältnismäßige Kostspieligkeit. Wer nicht imstande ist, gute Qualität anzuschaffen, soll lieber die Ungeduld des Wünschens zurückdrängen, bis ihm die Erwerbung von guten, preiswerten Waren möglich ist. Er erspart auf diese Weise nicht nur viel Verdruß, sondern auch viel Geld und erwirbt mit jedem neuen, wenn auch schwer errungenen Besitz einen gesteigerten und verläßlichen Lebenswert.

Von diesen Voraussetzungen ausgehend, möge sich der Käufer von Stoffen, Teppichen, Tischdecken und ähnlichen kunstgewerblichen Arbeiten folgender Leitsätze bedienen:

siehe Bildunterschrift

Nicht die naturalistische Wiedergabe führt zum Rechten. Hier ist nichts wie Willkür und Fehlerhaftigkeit; undisziplinierter Geschmack; auch das mehrmalige Überkreuzen der Schnur ist technisch und ästhetisch unrichtig. Siehe des Näheren Kapitel »Reform der weiblichen Handarbeiten«.

1. Man unterlasse beim Einkauf von Geweben niemals die Frage nach der Echtheit des Materials, wenn reine Seide, reines Leinen, reine Schafwolle usw. angeboten wird, und lasse sich die Echtheit des Angebotenen garantieren.

2. Wenn der Preis für das Angebotene zu billig erscheint, dann weise man die Ware lieber zurück. Weder der Kaufmann noch der Erzeuger ist jemals in der Lage, etwas zu schenken, und eine anscheinende Billigkeit geht stets auf Kosten der Qualität und auf Kosten des Käufers.

3. Niemals unterlasse man bei farbigen Stoffen die ausdrückliche Bedingung der Farbenechtheit. Anleitungen zur Echtheitsprobe gibt der Dürer-Bund in seiner 25. Flugschrift, die für 10 Pf. vom Verlag G. D. W. Callwey in München zu haben ist und die jeder gelesen haben soll, der in die Lage kommt, Gewebe für den Hausbedarf zu kaufen. Nach der Lichtechtheit kann je nach der Besonderheit der Fälle die Frage nach der Waschechtheit, Schweißechtheit, Bügelechtheit, Reibechtheit notwendig werden.

4. Beim Bedarf an Vorhängen soll man sich vor Augen halten, daß die Ausgestaltung des Fensters nicht ein willkürliches Drapieren im schlechten Tapezierstil bedeutet, sondern die zweckmäßige und in einem gewissen Sinn die architektonische Behandlung des Fensters als Licht- und Luftquelle und als Raumelement, und daß die Vorhänge an der farbigen Stimmung des Raumes einen wesentlichen Anteil haben. Wir werden stets darauf bedacht sein müssen, lichte und reine erfreuliche Farben im Heim festzuhalten. Der Sachlichkeit der Fensterarchitektur zufolge wird man daher seitlich zu ziehende, in Stangen laufende, schlicht herabfallende Shawls bevorzugen, die in dieser Form der Sachlichkeit der Fensteranlage nicht Gewalt antun. Man kann verlangen, daß die Stoffe schöne farbige Muster enthalten, die auf den schlichten Faltenwurf berechnet sind und darin eine dekorative Schönheit besitzen. Die gewebten Muster können auch durch dekorative Aufnäharbeit ersetzt werden, was namentlich bei ganz hellem, einfarbigem Zeug vorkommt, doch müssen wir darauf sehen, daß auch diese Aufnäharbeit oder Buntstickerei eine sinnvolle Gliederung der Stoffteile darstellt und erkennen läßt, daß auch die Vorhänge, wie überhaupt jeder Gegenstand im Raum, im weitesten Sinne eine architektonische Funktion erfülle.

siehe Bildunterschrift

Sinnvolle Gliederung der quadratischen Grundfläche; flächenhaft und dekorativ.

5. Auch die verschiedenen Kissen und Decken, die entweder gewebte Musterungen oder dekorative Handarbeiten enthalten, sind nach dem gleichen Grundsatze zu beurteilen. Ihre quadratische oder rechteckige Grundform, sowie die Art der Verwendung als Tischläufer, Decken oder Kissen ist maßgebend für die Anordnung oder Gliederung des Musters, daraus zu erkennen ist, inwieweit der Hersteller und der Käufer imstande waren, das künstlerische Gesetz der von der Verwendung und der Grundform bestimmten ornamentalen Flächenteilung zu erkennen.

6. Im allgemeinen ist über das Detail der Zeichnung bei diesen künstlerischen Handarbeiten und Geweben zu sagen, daß nicht die naturalistische Wiedergabe irgendwelcher Naturformen, Blumen, Tieren oder sonstigen Gebilden zum Rechten führt, sondern daß die flächenhafte Darstellung, die dekorative Ausnützung der Faden- und Nadeltechniken, sowie endlich der Gewebebindungen zu ornamentalen Erfindungen führen, die in der Natur nirgends vorkommen, als an diesen Kunsterzeugnissen. Es ist klar, daß solche Ornamente an natürliche Formen, wie Blumen und Blätter anklingen und derartige Ideenverbindungen anregen können, aber nicht müssen. Auch das abstrakte Ornament hat seine Berechtigung, um so mehr, als das strenge Gesetz der erwähnten rhythmischen sinngemäßen Flächenteilung unter allen Umständen verbindlich ist und die Erfindung rein planimetrischer Ornamente durchaus rechtfertigt.

siehe Bildunterschrift

Geschmackvolle Anordnung; ornamentale Flächenteilung nach Maßgabe der quadratischen Grundform und der Bestimmung als Tischdecke.

7. Hinsichtlich der Farbe der Wände, der Möbel und der Stoffteile eines Raumes ist zu bedenken, daß ungebrochene, klare Farben von der zartesten bis zur kräftigsten Tönung unter allen Umständen den Vorzug verdienen. Um jedoch eine koloristische Unruhe zu vermeiden, gilt in allgemeinen der Grundsatz, daß die Räume auf einen Hauptton gestimmt werden und daß sich die Flächenmuster und die einzelnen kleinen Träger des farbigen Lebens wie keramische Gegenstände, Vasen, Blumen usw. in möglichst komplementären und kräftigen Farben absetzen.

8. Auch hinsichtlich der Teppiche ist, was Farbe, Qualität und Zeichnung betrifft, das vorhin gesagte maßgebend. Den wundervollen Erzeugnissen der orientalischen Teppichweberei, die überdies heute nicht mehr echt im Handel vorkommt, von ganz kostbaren, teuren Exemplaren abgesehen, hat die zeitgemäße Kunst annähernd gleiche Werte entgegenzusetzen. An den guten Erzeugnissen dieser Art sind dieselben dekorativen Gesetze wie bei den besten alten oder orientalischen Erzeugnissen wahrzunehmen. Man hat daher recht, wenn man einer möglichst abstrakten, flächenhaften Teppichzeichnung den Vorzug gibt, weil es für unser Empfinden widerwärtig ist, naturalistisch behandelte Blumen unter den Füßen zu haben. Noch schlimmer ist es, wenn figürliche Szenen, wie sie alten Wandteppichen entnommen oder aus Mißverstand neu ersonnen werden, in Fußteppichen auftreten. Hierin bedarf es kaum einer Warnung, weil jeder geschmackvolle Mensch sie instinktiv vermeidet. Eine ruhige Tönung und ungeachtet dessen eine breite Bordüre mit einem Farbengegensatz und eigenartiger Zeichnung zeichnet die guten alten, sowie die künstlerisch hervorragenden neuen Teppiche in gleicher Weise aus.

siehe Bildunterschrift

Etwas freier in der Zeichnung, aber immerhin diszipliniert.

Das herrlichste, was die menschliche Kultur an gemusterten Webestoffen, Teppichen, dekorativen Faden- und Nadelarbeiten hervorgebracht hat, war Kunst im Hause. Die bestickten Seiden Indiens, die ornamentalen persischen Teppiche, die Bildwebereien des Abendlandes, die herrlichen Bauernstickereien des Nordens und Südens sind häuslichem Kunstfleiß entsprungen. Noch im alten Bürgerhaus wurde ein großer Teil der im Haus erforderlichen Stick- und Näharbeiten auf Grund ererbter, künstlerisch geadelter Fadentechniken für den eigenen Bedarf hergestellt. Bei den veränderten Erziehungs- und Berufsaufgaben der neuen Zeit kamen auch die letzten Reste des weiblichen Kunstfleißes im Hause zum schwinden, und das Surrogat einer üblen Fabriksware in Verbindung mit der sattsam bekannten Überkunst des Tapezierers trat an ihre Stelle. Der Begriff von Qualität und Geschmack ist im Hinblick auf die Vorhänge, Tischdecken und Teppiche im bürgerlichen Haus vollständig verkümmert. Erst die moderne Bewegung hat den Grundsatz zur Geltung gebracht, daß wir im Haus nicht dulden sollen, was hinsichtlich der Qualität, des Zweckes und der Schönheit einer näheren Prüfung nicht standhalten kann. In jedem Heim, wo diese Erkenntnis reift, beginnt alsbald ein lustiger Umsturz, vor dem nichts niet- und nagelfest ist. Von den Fenstern kommen wir zu den Wänden und den Bildern und von diesen zu den Möbeln und dem Kleingerät bis ins Kleinste herab, entschlossen, nichts zu dulden, das nicht einwandfrei ist. Es bietet keine Mühe mehr, hinsichtlich der dekorativen Stoffe und Nadelarbeiten, die im Hause gebraucht werden, das richtige zu finden. Ein neuer Stand von Künstlern und Kunstgewerblern hat sich ausgebildet, der in dieser Hinsicht für die Erfüllung aller Forderungen des Geschmackes und der Gediegenheit sorgt.


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