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Der wichtigste Grundsatz der Plakatkunst ist, daß sie als Fläche wirken soll. Es ist kaum weniger wichtig, daß sie in Farbe und Zeichnung eine ungewöhnliche Steigerung des Ausdruckes enthalte, die Charakteristik fast bis zur Groteske verschärfe und wie ein unerwartetes Ereignis wirke. Die Farbe sei kräftig in kühnen Kontrasten und großen Flächen angelegt, jede Art von Kleinmalerei und detaillierter Zeichnung benimmt dem Plakat die Größe und Wirkungskraft. Für das Plakat gilt das Gesetz, daß die Farbe sich nicht mit den zeichnerischen Formen unbedingt decken muß. Zwei bis drei starke Farbenkontraste auf einer Fläche können genügen, den zeichnerischen Gedanken aufs wirksamste zu unterstützen, indem sie nur ein einziges charakteristisches Merkmal der Zeichnung scharf hervortreten und alle weniger charakteristischen in der Einfarbigkeit der Fläche verschwinden lassen. Sobald ein charakteristisches Moment in scharfe Sichtbarkeit tritt, ist alles geschehen. Die Phantasie des Beschauers ergänzt mit Leichtigkeit alles übrige und fühlt sich erst dadurch angeregt. Diese Anregung zur geistigen Mitarbeit ist das Geheimnis der künstlerischen Wirkung. Auch hier zeigt sich der Meister des Stiles, nicht in dem, was er sagt, sondern was er verschweigt. Jeder kleinliche Naturalismus wird daher aus tektonischer Notwendigkeit fortbleiben müssen. In der Farbengebung ist der Künstler an kein anderes Gesetz gebunden, als an das seiner persönlichen Farbenempfindung. Sie ist ein Teil seiner Individualität und kann das Äußerste wagen. Je waghalsiger sie ist, desto mehr wird ihr gelingen. Hier gilt der vielsagende Ausspruch eines Kindes, das einen roten Frosch malte. Auf die Bemerkung, daß die Frösche grün seien, lautet die Antwort: »Das ist wohl wahr, aber der rote Frosch ist schöner!« In dieser kindlichen Antwort liegt ein sehr tiefer künstlerischer Sinn.
Im Wesen der Fläche ist es daher begründet, daß auch die perspektivische Wirkung soviel als möglich aufgehoben wird. Denn gerade durch die Aufhebung der Perspektive rücken die Elemente der Zeichnung in die Fläche herein, das Hintereinander wird ein Nebeneinander und dadurch wird die Plakatwirkung groß und bedeutend.
Es liegt in der Aufgabe des Plakates, daß es sich mitten im Verkehrsstrome dem Menschen entgegenstellt, die Aufmerksamkeit auch der Teilnahmlosesten entfesselt und jedem, auch dem Widerstrebenden, seinen Erinnerungswert mitgibt. Als Kind der Reklame sucht es natürlich nur die belebten Plätze auf, wo nicht Zeit oder Möglichkeit zum stillen Kunstgenuß ist; es sucht zu wirken, wo viele Menschen sind, und will in der Schnelligkeit eines Augenblicks einen starken Eindruck hervorbringen. Denn es ist für den Augenblick geboren, im nächsten Moment ist es von hundert anderen Eindrücken verschlungen. Da ist es schon keine leichte Aufgabe, sich in dem Gedächtnis der hastenden Menge zu behaupten, gleichsam mit ihren gleitenden Blicken mitzueilen, den kurzen Inhalt haarscharf anzubringen und andere Einwirkungen abzuwehren. Denn wo ein Plakat ist, sind viele, und das Bunterlei der Straße ist groß. Sein Sinn ist, daß es sich vordrängt, alles andere zu übertrumpfen sucht und auf immer neue exzentrische, unerhörte Mittel verfällt. Jede Ausgelassenheit, jede Frechheit, jede Bizzarerie ist ihm erlaubt oder verziehen, denn es steht unter dem Zwang einer Notwendigkeit, es kämpft um seine Existenz. Jeden Augenblick ist es neu, ist es anders, wechselt seine Erscheinungsformen mit der Hurtigkeit eines Fregoli.
Aus diesen seinen Lebensnotwendigkeiten ergeben sich seine künstlerischen Notwendigkeiten. Ehedem hat man, und das geschieht wohl auch heute noch, dem Plakat dadurch eine Anziehungskraft zu verleihen gesucht, daß man irgendwelche Bilder, Landschaften namentlich, die Gefallen erregen konnten, plakatmäßig reproduzierte, auch wenn sie zu dem eigentlichen Ankündigungsinhalt in keinerlei Beziehung standen. Die bildmäßige Wirkung eines solchen Plakates sollte das Wunder tun, nebenher den Gerstenkaffee oder die Schuhwichse oder was sonst des Pudels Kern war, zur Geltung zu bringen. Und sie taten dieses Wunder, solange es keine andere Art von Plakaten gab.
Mögen die zu Plakatzwecken reproduzierten Bilder an und für sich noch so künstlerisch sein, als Plakat sind sie es nicht. Auch das Plakat hat seine Ästhetik, die verlangt, daß seine Form aus dem Ankündigungsinhalt geholt werde. Dieser Inhalt leiht den Stoff und die Zeichnung gibt ihm den künstlerischen Ausdruck. Es gibt auf seine Art ein Symbol. Es erzählt nicht, es sucht keine eigentlichen malerischen Darstellungen, sondern wirkt als witziger Einfall, als eine Art großer Bilderschrift, die in einem einzigen Aufleuchten den ganzen gewollten Inhalt offenbart. Es ist unter Umständen der Ausdruck einer glänzenden geistvollen Phantasie, die befähigt ist, mit raschem Erfassen all die kunterbunten Alltagserscheinungen in die entsprechende zeichnerische Form zu übertragen und durch nie gesehene oder geahnte Gestaltungsmöglichkeiten zu fesseln. Ganz so wie berühmte Karikaturisten und Witzblattzeichner die charakteristische Linie einer Person oder Sache, wenn auch übertrieben und überscharf, aber immerhin unumstößlich wahr und eindrucksvoll festzuhalten wissen. Daß heute auch hervorragend die Farbe beteiligt ist, die einfach und großflächig dasteht, bedarf kaum der Erwähnung. Es hängt damit zusammen, daß das Plakat vor allem als Fläche wirken soll. Für die Plakatkunst wirkt die Straße selbst als Lehrer. Im allgemeinen freilich sind gute Plakate noch immer seltene Erscheinungen. Es fehlt noch sehr viel zur Einsicht, daß die künstlerischen Eigenschaften des Plakates eine Grundbedingung seiner Wirksamkeit und seines praktischen Wertes sind. Die Durchschnittsplakate sind so, daß sie kein Mensch ansieht.
Die künstlerische Belebung des Plakates hat auch auf die Geschäftskarte fördernd gewirkt. Für ihre Zeichnung und Farbe gilt dasselbe, was über das Plakat gesagt wurde. Man wird auch den Ankündigungsinhalt der Geschäftskarte leicht und gerne in Erinnerung behalten, wenn sie einen künstlerischen Wert darstellt.