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Das Thema ist recht geeignet Kopfschütteln und Mißbilligung in jenen Kreisen hervorzurufen, wo nach gut kleinbürgerlicher Sitte die Solidität eines Menschen durch nichts so leicht in Mißkredit geraten kann, als durch sorgfältige und korrekte Kleidung. Wenn auch nach jener Auffassung saloppe Erscheinung als ein Zeichen von Vertrauenswürdigkeit und unerschütterlichen bürgerlichen Tugenden gilt, so gibt es doch schon eine verruchte Klasse Menschen mit starkem Übergewicht, die der Meinung ist, daß die Sorgfalt für unseren äußeren Menschen und die gewählte Kleidung zu den gesellschaftlichen Anstandspflichten gehört und für die moralische Unzulänglichkeit ebensowenig einen Maßstab bildet, wie schlechtes Schuhwerk und ein schmutziger Hemdkragen für das Übermaß an seelischer Bildung. Aber die bange Briefkastenfrage so manchen jungen Mannes: »Wie kleide ich mich korrekt?« verrät eine ziemlich allgemeine Hilflosigkeit, die in solchen Fällen besteht und den strebsamen Jüngling auf der Laufbahn zur Gesellschaftsfähigkeit manchen lächerlichen Irrtümern und Verlegenheiten aussetzt. Der wohlmeinende Rat, die Konversationsstücke der großen Residenzbühnen zu besuchen, hilft in der Regel wenig. Anzug und Auftreten der guten Schauspieler in solchen Stücken gibt jenem, der sehen kann, nützliche Aufschlüsse.
Aber die wenigsten können sehen. Für die meisten also, die sich begreiflicherweise nicht mit dem Bewußtsein begnügen, der Nation der Dichter und Denker anzugehören, sondern auch anständig und der europäischen Gesellschaftssitte gemäß gekleidet sein wollen, bleibt die Frage noch ungelöst. Sie bedeutet ganz entschieden einen Mangel an formaler Bildung, die in England und Amerika zu einer feststehenden Tradition geworden ist, und die Formen der guten Gesellschaft in allen Ländern beherrscht. Wir haben keine solche Tradition, die vor Verstößen bewahrt. Um so wichtiger ist es, die Details der Angelegenheit zu behandeln, nicht um deren Wichtigkeit zu übertreiben, sondern die Kenntnis und Anwendung allgemein zu verbreiten, und gerade dadurch, wie alles zur Selbstverständlichkeit und Gewohnheit gewordene von der Tagesordnung abzusetzen. Viele glauben zwar, ihre Unwissenheit in der Kleiderordnung zu bemänteln, indem sie die Absicht markieren, die sich dem Regelzwang widersetzt und solcher Art geistige Unabhängigkeit bekundet.
Aber das bedeutet in der Regel nicht viel mehr als einen bornierten Heroismus, der eine verzeihliche Ungeschicklichkeit zur Ungezogenheit stempelt. Die starke Persönlichkeit darf sich jede Eigenwilligkeit erlauben. Ihr gesteigertes Selbstbewußtsein kann sich zu dem Paradoxon bekennen: Was man selbst trägt ist Mode, was die anderen tragen, ist unmodern! Aber nicht jeder ist eine Persönlichkeit, die ihre Mode bilden darf, ohne lächerlich zu sein. Für die Allgemeinheit gibt es nichts Ratsameres, als sich an das gesellschaftlich Übliche zu halten. »Cherchez la botte vernie«, ist in dieser Sache pädagogischer Grundsatz. Es ist das Merkmal einer guten Erziehung, äußerlich nicht aufzufallen. Der modernste Mensch ist derjenige, der am wenigsten auffällt. Man fällt am wenigsten auf, wenn man in der Gesellschaftstracht auf die gute, das will sagen, auf die herkömmliche Sitte achtet. Der zerstreute, weltunkundige Gelehrte, dessen gesellschaftliches Auftreten eine Kette drolliger Verkehrtheiten bildet, ist mit Recht eine stehende Witzblattfigur, die aber im Leben immer peinlich wirkt. Es darf nicht vergessen werden, daß der karikaturistische Typus des deutschen Gelehrten in Kulturländern wie England und Amerika vollständig fehlt. Auch der Künstler darf nur in seltenen Fällen eine Ausnahme von der Regel machen, namentlich, wenn seine Eigenheiten mehr absonderlich als originell sind. Die künstlerische Jugend, die sich die Haare lang wachsen läßt und mit dem römischen Radmantel sich raffaelitisch stilisiert, berechtigt wenig zu der Hoffnung, daß sie dem Geist der neuen Zeit dienlich und den Fesseln des Epigonentums entwachsen werde, es sei denn, daß sie den Radmantel und die langen Haare den Friseurjünglingen, die eine Lebenslüge brauchen, überläßt. Aber auch jenen, die den Kinderschuhen akademischer Romantik entwachsen sind, gereicht es nicht zum Vorteil, in gelben Stiefeln mit schwarzem Gehrock und Schlapphut als Wodansenkel in der modernen Gesellschaft aufzutreten. Wenn man also von der Regel abweichen und nicht allzu schroff abstechen, oder das Odium mangelhafter Bildung auf sich laden will, muß es mit sehr viel feinem Takt und mit viel Originalität, die natürlich immer Recht behält, geschehen, wobei es selbstverständlich ist, daß dem vorgerückten Alter größere Duldsamkeit eingeräumt ist, als der herrschenden jungen Generation.
Es ist bezeichnend, daß gerade die modernen Künstlervereinigungen, die Sezessionen, zugunsten des Gesellschaftskleides erziehlich wirken wollen, indem sie auf den Einladungskarten zu den Ausstellungseröffnungen vorschreiben: »Herren erscheinen im Gehrock«. Die Frage, wie man sich korrekt kleidet, ist vielfältig und hat so viele Seiten, als es gesellschaftliche Gelegenheiten gibt.
Der Gehrock ist bis auf weiteres die häufigste und unentbehrlichste gesellschaftliche Tracht. Er ist das geziemende Kleidungsstück für die Ausstellungseröffnung, für die Trauungsakte am Vormittag, für den Besuch und für Matinées, für die Promenade, für die Tee- oder Kaffeevisite am Nachmittag, und beim Vortrag. In England ist er sogar für die geschäftlichen Besuche am Vormittag unerläßlich. Doch ist man in dieser Beziehung am Kontinent nicht so streng und kann sich zu diesem Zweck des gewöhnlichen kurzen Alltagsrockes, des Saccos oder des förmlicheren Jacketts bedienen. Für das Vortragsauditorium gibt es keine strengbindende Regel, doch besteht im Publikum eine geheime Übereinstimmung, die je nach dem Ort und der Art des Vortrages, sowie nach der Persönlichkeit des Vortragenden eine Unterscheidung liebt, die sich in einem mehr oder minder feierlichen Kleid ausdrückt.
Man wird es nach Möglichkeit zu vermeiden suchen, am Tage den Frack oder den Smoking anzulegen. Beide sind Abendkleider, wobei zu bemerken ist, daß unter Umständen, wie bei festlichen Diners, der Nachmittag zum Abend gehört. Hier leuchtet der Einfluß der englischen Sitte durch, die durch ihre Begrüßungsformeln den Tag in zwei Hälften teilt: »Good Morning« bis Mittag und bis nach dem Lunch, und »Good Evening« vom frühen Nachmittag an. Der Empfang bei Hofe nötigt allerdings zur Ausnahme, wenn er am Vormittag gegen den Mittag hin stattfindet; hier gilt nur der Frack oder die Uniform. Als festliches Abendkleid dient er zur Hochzeitstafel, zum offiziellen Diner, zum Ball, zum Abendempfang, und für den Theaterbesuch im Parkett, namentlich der Hoftheater. Die zwanglosere Form ist der Smoking. Wir ziehen ihn mit Vorliebe ins Theater an, wo er gegen den Frack in der Majorität ist. Er ist das angenehmste und leichteste Kleidungsstück, und hat seinen Platz im vornehmen Klub, bei den zwanglosen Hausdiners und bei den sogenannten Thés dansants. Er ist die leichtere Abart des Fracks, ebenso wie das Jackett oder der Cutaway die zwanglosere Form des Gehrockes ist. Der Cutaway kann daher bei Nachmittagsbesuchen, auf der Promenade und ähnlichen Anlässen den Gehrock ersetzen. Bei ganz zwanglosen abendlichen Zusammenkünften im Vorstadttheater und auf der Galerie wird der Smoking durch einen leicht und elegant geschnittenen kurzen Rock von schwarzer oder mindest dunkler Farbe, einreihig zu knöpfen, und mit lichter Weste stets offen zu tragen, ersetzt. Bevor wir aber das phantasiebegabte und farbenreiche Gebiet der Westen aufdecken, ist es nötig, einen Blick auf die Hosen zu werfen. Der Gehrock verlangt nach moderner Sitte eine dunkelgraue gestreifte Hose. Vom Cutaway gilt dasselbe, wenn er aus schwarzem Stoff hergestellt ist. Zum kurzen Alltagsrock gehört eine Hose aus gleichem Material, wenn der Rock einreihig zu knöpfen ist; ist er doppelreihig (double breasted), so kann die Hose auch in einem anderen gestreiften Stoff hergestellt sein.
Nun die Weste. Sie erlaubt unter Umständen künstlerische Launen in bezug auf Farbe und Stoffmuster und bringt Abwechselung in die Einförmigkeit. Sie stellt Probleme und bildet das dekorative Element im Alltagsgewand.
Sie zeigt das Maß an, wie weit der Farbensinn und der gute Geschmack des Trägers entwickelt ist, oder sie zeigt das Gegenteil an. Für das mehr oder minder feierliche Kleid ist sie allerdings an die strenge Konvention gebunden. Zum Gehrock, zum schwarzen Jackett, zum Frack und Smoking gehört eine Weste aus dem gleichen Stoff wie der Rock. Für den Frack ist eine einreihige weiße Weste aus Leinendrill oder Pikee bei allen Abendgelegenheiten nicht nur statthaft, sondern sehr berechtigt. Die Weste zum Gehrock hat im Ausschnitt einen weißen Einsatzstreifen. Zum kurzen dunklen Rock, den man abends bei zwanglosen Gelegenheiten an Stelle des Smokings trägt, steht eine lichtgraue Leinen- oder Seidenweste, die ein Muster haben kann, durchaus vorteilhaft. Für den kurzen offenen Alltagsrock ist jedes Westenphantasiestück statthaft, vorausgesetzt, daß es hinsichtlich der Farbe einen harmonischen Kontrast zur Gesamterscheinung bildet.
Mehr noch als die Weste hat die Krawatte die Erinnerung an die farbenfrohe Tradition des historischen Kostüms bewahrt. Sie ist ein Stück Heraldik, das der Herrentracht aus den besseren Zeiten des Kostüms geblieben ist. In dem kleinen Seidenknoten, den man zum Alltagskleide trägt, ist jede Farbenfreude am Platz. Trägt man jedoch eine farbige Weste, so ist zu bedenken, daß zwei Farbenwirkungen in Konkurrenz treten. Man wird sonach wählen müssen, ob man die Harmonie durch Übereinstimmung oder durch den Kontrast herstellt. Der Kontrast ist das Kühnere und Edlere.
Hier liegen die größeren Siege, aber auch die größeren Niederlagen. Bei den streng formellen Kleidern, die schon die Geltung einer Uniform haben, hat sich allerdings auch für die Krawatte eine Verbindlichkeit ausgebildet, die nicht umgangen werden kann. Es gibt keine statthafte Abweichung von der Regel, daß zum Frack die weiße Binde, zum Smoking die schwarze Binde, und zum Gehrock die Bauschkrawatte gehört. Die lange Form der Selbstbinder gehört dem Jackett und dem kurzen Rock an. Krawatten, die man fertig gebunden und genäht kauft, mit Einsatzstücken aus Pappendeckel, wird ein halbwegs geschmackvoller Mensch ebenso vermeiden, wie die Vorhemden, oder sogenannten Plastrons. Wir dürfen uns darüber nicht wundern, daß amerikanische Witzblätter den Deutschen mit dem blühweißen, steifgebügelten Vorhemd, das an irgend einer Stelle gelüftet ist, darstellen. Das Vorhemd, das man immer als solches erkennt, erweckt stets die fatale Vermutung einer Ökonomie, die sich in unsauberer Unterwäsche ausdrückt. Auch die losen Manschetten stehen im Range nicht viel höher, als das Vorhemd. Sie sollen nach guter Regel mit dem Hemd einen festen untrennbaren Bestand bilden.
Der ursprüngliche Sinn der Krawatte bestand vielleicht darin, das Hemd mit dem umgelegten Kragen am Halse zusammenzuhalten, und heute noch erfüllt die Krawatte ihre Aufgabe hauptsächlich dadurch, daß sie den Halsknopf verdeckt oder durch die Verkleidung in Form des Knotens zur monumentalen Wirkung bringt. Es wäre vielleicht das wichtigere, den Halsknopf am Hemd anstatt zu verkleiden, selbst künstlerisch auszubilden, indem man den Kopf des Knopfes flach und groß behandelt und schönfarbige geschnittene Halbedelsteine benützt. Solche Steine würden an Farbe und Leuchtkraft nicht hinter dem bunten Seidenknoten zurückstehen. Da es sich aber in diesen Erörterungen nicht um die Kritik unserer Tracht, sondern um die Feststellung der herrschenden Sitte, gleichgültig, ob sie zweckmäßig oder nicht zweckmäßig ist, handelt, so müssen wir uns zunächst diesen und noch manchen anderen Reformgedanken versagen. Eine Schwalbe macht keinen Sommer. Darum begnügen wir uns vorderhand mit der Konstatierung, daß in bezug auf den Hemdkragen ebenfalls eine konventionelle Abhängigkeit vom Kleidungsstück besteht.
Krawatte und Kragen, die ihr Dasein in fester Umschlungenheit behaupten, müssen sich nach dem Gesetz richten, das die Gesellschaftssitte für sie und ihre Art zu sein, entwickelt hat. Also gehört zum Frack mit weißer Binde der Stehkragen mit umgelegten Spitzen. Den Stehumlegkragen kann man jedoch zu allen anderen Kleidungsstücken tragen, sogar zum Smoking. Er war früher auch hier verpönt, weil er in dem eleganten Gesellschaftsrock den Hals zu dick erscheinen läßt. Neuestens aber hat England das Beispiel gegeben, daß man sogar zum Frack den Stehumlegkragen, der für die Krawatte sehr bequem ist, tragen kann. Immerhin ist der Fall zu vereinzelt, um ohne weiteres als Vorbild betrachtet zu werden. Auch der Goldschmied hat, wenngleich in bescheidenem Maße bei der Herrentracht mitzureden. Die Bauschkrawatte kann die Nadel nicht entbehren. Auch die langen Selbstbinder werden zuweilen mit einer Nadel geschmückt, die unterhalb des Knotens steht, obzwar sie hier entbehrlich ist.
Es ist die richtige Ansicht, daß Schmucktragen bei Männern das Zeichen einer ziemlich unfeinen Gesinnung ist. Jedenfalls sieht die über den Bauch baumelnde dicke Uhrkette ordinär aus und legt ebenso wie stark beringte Hände den wenig schmeichelhaften Vergleich mit einem reichen Vorstadtfleischer nahe. Aber auch die völlige Enthaltsamkeit von jedem Schmuckstück, wie Uhrkette, Ring, Nadel, Knöpfen, schießt übers Ziel und ist in vielen Fällen ganz undurchführbar, weil in mancher Hinsicht dieser sogenannte Schmuck eine praktische Notwendigkeit erfüllt.
Die schmalen feinen Venetianer Uhrketten, um den Hals getragen und an der Brust mit einer feinen Schließe gehalten, bilden einen Reiz der alten Porträts und werden mit dem Gehrock auch in Zukunft ihr Recht behaupten.
Überhaupt ist es nicht das einzelne zweckmäßige Schmuckstück, das an der Herrentracht unedel wirkt, sondern es ist die grobe Quantität und die unfeine Arbeit, die tadelnswert ist. Außer der besagten Krawatte bedürfen auch die Manschetten eines Haltes, an dem sich schönes Material und feine Arbeit offenbaren kann. Die weiße Hemdbrust zur tiefausgeschnittenen Frackweste bedarf der Knöpfe und es hat sich für die Manschetten, sowie für die Brustknöpfe zum Frack die Tradition ausgebildet, daß sie mit Perlen oder Mondsteinen gefaßt sind.
Ein Wort über die Hüte. Zum Gehrock sowie zum Cutaway gehört der Zylinder mit breitem Band. Der Klapphut ist für den Frack vorgesehen. Mit dem Smoking verträgt sich der steife schwarze Hut, dessen Formen, neben den runden weichen Hüten zum kurzen Alltagsrock getragen werden.
Für die Handschuhe ist eine farbige Übereinstimmung mit der Krawatte in gewissen Fällen zu beobachten. Die Bauschkrawatte zum Gehrock, die nur Grau und Schwarz oder Schwarz als Grundfarbe mit einem untergeordneten anderen Farbenelement zuläßt, fordert graue schwedische Handschuhe. Weiße Glacés mit weißen oder schwarzen Rückennähten gehören zum Frack, graue zum Smoking. Für den Tagesgebrauch auf der Straße ist graues Renntierleder, braune oder chamoisfarbene Handschuhe zulässig. Weiße Waschlederhandschuhe auf der Eisenbahn sind keinesfalls Ausdruck der Affektion oder der Verschwendung. Im Gegenteil. Sie sind gerade hier sehr zu empfehlen, weil sie den Ruß und Schmutz nach einmaligem Gebrauch anzeigen und zur Reinigung unbedingt zwingen.
Über das Schuhwerk ist zu sagen, daß sich gelbe Juchten nur in Verbindung mit hellen Anzugsstoffen gut vertragen. Selbstverständlich niemals mit Schwarz und nur in besonderen Fällen mit Straßenkleidern dunklerer Färbung, weshalb man diese besonderen Fälle lieber vermeiden will, wenn man nicht allzugroße Sicherheit besitzt, und daher besser tut, sich an das Verläßliche zu halten. Zum Frack gehört der Lackschuh mit Knöpfen und mit Oberteilen aus Chevrauxleder. Der feine Chevreauxschuh als Schnürstiefel ist zum Gehrock gerade noch zulässig, aber nach strenger Etikette oft auch hier schon in Frage gestellt.
Von den unendlichen kleinen Variationen in den Kleiderformen und Schnitten, die von den Schneidern erfunden werden, um einen raschen Wechsel der Tagesmoden herbeizuführen, kann nicht die Rede sein. Der Zweck dieser Darstellung ist mit der Orientierung über das Maßgebende erschöpft. Es liegt nicht in dieser Absicht, zum Modegigerl- oder Stutzertum zu erziehen. Diese Klasse hat ihren eigenen Kodex und Merkmale, die in dem Moment veraltet sind, wo sie allgemein werden, und die Losung von morgen bedeuten, da sie eben vom Schauplatz verschwunden waren. Die Mode hat immer neue Nichtigkeiten und neue Überraschungen, die beim genauen Zusehen stets schon einmal dagewesen sind. Sie hat nichts Neues und ist doch voller Neuheiten. Einen Rekord in dieser Hinsicht anzutreten, ist Sache von Leuten, die nichts besseres zu tun haben. Den anderen ist gedient zu wissen, was nach europäischer Gesellschaftssitte gilt. Es sind Konventionen, wie alle Sitten und sie zu beobachten wissen, ist das Merkmal der Erzogenheit. Sie will nicht Anstrengung bedeuten, sondern leichte und selbstverständliche Übung und Gewohnheit; Regelzwang geübt mit der Freiheit der Natürlichkeit. Auch Natürlichkeit ist eine Pose, nach Oskar Wilde, allerdings die schwierigste.