Otto Ludwig
Zwischen Himmel und Erde
Otto Ludwig

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»Schönes Wetter«, sagt Herr Nettenmair. Der Sohn errät, der Alte will wissen, ob noch jemand in der Nähe ist. Es antwortet niemand; Fritz Nettenmair stirbt der Ton in der Brust; er hämmert immer lauter und hastiger. Er wünscht, die Stunde, der Tag, das Leben wär' zu Ende. »Fritz!« ruft der Alte. Er ruft noch einmal, und er ruft noch einmal. Fritz Nettenmair muß endlich antworten. Er denkt an den Ruf: »Kain, wo bist du?« – »Hier, Vater!« entgegnet er und hämmert fort.

»Der Schiefer ist fest«, sagt der Alte gleichgültig, »ich hör's am Klange; er blättert nicht.«

»Ja«, entgegnet Fritz mit klappernden Zähnen, »er nimmt kein Wasser.«

»Er ist besser geworden als früher«, fährt der Alte fort; »sie sind tiefer in den Bruch hineingekommen. Es scheint, du bist allein.« Ein Ja erstirbt im Munde des Sohnes. »Je tiefer er lagert, desto fester ist das Gestein. Ist keine Rüstung weiter in der Nähe?«

»Keine.«

»Gut. Komm hierher! Hier vor mich!«

»Was soll ich?«

»Hierher kommen. Was gesagt sein muß, muß leise gesagt sein.«

Fritz Nettenmair trat, in allen Gelenken schlotternd, vor den Vater. Er wußte, der war blind, und doch suchte er seinem Blicke auszuweichen. Der Alte rang nach Fassung, aber davon sprach kein Zug in dem verwitterten Gesicht, nur die Dauer seines Schweigens und sein Atem, der das schwere ächzende Wandeln des Perpendikels an der nahen Turmuhr wie ein müdes Echo nachzuklingen schien. Fritz Nettenmair ahnte aus den Vorbereitungen, was kommen müsse. Er rang nach Trotz. »Wenn er's in seinem Argwohn errät, wer will mir's beweisen? Und könnt' er's beweisen, er gibt mich nicht an; davor bin ich sicher. Warum auch sonst will er leise reden? Mag er sagen, was er will, ich weiß nichts, ich bin's nicht gewesen, ich hab' nichts getan.« Sein Gesicht rang sich aus dem Zittern aller Muskeln bis zum wildesten Ausdrucke des Trotzes hindurch. Der alte Herr schwieg noch immer. Gedämpft klang das Treiben der Straßen in die Höhe herauf; unten lag schon violetter Schatten, um das Fahrzeug Apollonius' bebte der letzte Sonnenstrahl. Etwas ferner rauschte ein Zug vom Felde heimkehrender Tauben vorbei. Es war ein Abend voll Gottesfriedens. Tief unten weit hingedehnt die grüne Erde; oben hoch der Himmel, wie ein Kelch aus blauem Kristall darüber gedeckt. Kleine rosige Wölkchen wie Flocken hineingestreut. Der Lärm von unten erlosch immer mehr. Die Luft trug einzelne Töne einer fernen Glocke mit sich und schlug sie leise spielend wie wiederkehrende Wellen gegen das Dach. Dort über der nächsten grünen Höhe, wo sie herkommen, liegt Brambach. Es muß das Abendgeläute von Brambach sein. Hoch am Himmel und tief auf der Erde, überall Gottesfrieden und süß aufgelöstes Hinsehnen nach Ruhe. Nur zwischen Himmel und Erde die beiden Menschen auf dem Kirchdach zu Sankt Georg fühlen nicht seine Flügel. Nur über sie vermag er nichts. In dem einen brennt der Wahnsinn überreizten Ehrgefühls, in dem andern alle Flammen, alle Qualen der Hölle.

»Wo ist dein Bruder?« drang es endlich zwischen den Zähnen des einen hervor.

»Ich weiß nicht. Wie soll ich's wissen?« bäumt sich im andern der Trotz.

»Du weißt nicht?« Der alte Herr flüsterte nur, aber jedes seiner Worte schlug wie Donner in die Seele des Sohnes. »Ich will dir's sagen. Drüben in Brambach liegt er tot. Das Seil ist über ihm zerrissen, und du hast's mit Beilstichen zerschnitten. Der Nachbar hat dich in den Schuppen schleichen sehn. Du hast vor deiner Frau gedroht, du willst es tun. Die ganze Stadt weiß es; eben tragen sie's in die Gerichte. Der erste, der nun die Treppe heraufkommt, ist der Häscher, der dich vor den Richter führt.«

Fritz Nettenmair brach zusammen; die Rüstung knackte unter ihm. Der Alte horchte auf. Fiel der Elende am Rande des Gerüstes zusammen, so stürzte er hinab in die Tiefe, und alles war vorüber! Alles, was sein mußte, war getan! Eine Lerche stieg aus einem nahen Garten in die Höhe und streute ihr lustiges Tirill über Bäume und Häuser hin. Glücklichere Menschen hörten den Gesang aus der Ferne; Arbeiter ließen den Spaten ruhen, Kinder Peitsche und Kreisel und suchten mit himmelaufgewandten Augen den schwebenden klingenden Punkt und horchten mit verhaltenem Atem hinauf. Der alte Herr Nettenmair hörte die nahe Lerche nicht; er hielt auch den Atem an, aber er horchte hinunter, nicht hinauf. Und es war nichts, das wie Lerchensang klingt, was er erhorchen wollte. Es war ein Poltern auf dem Dach unter ihm, ein gebrochener Angstruf. Er horchte erst voll Hoffnung, dann voll Angst. Nichts klingt herauf. Vor ihm auf den Brettern des Gerüstes röchelt ein schwerer Atem. Er hört, der Zufall, der ihm mitleidig helfend vorgreifen konnte, hat es nicht getan. Er muß es tun, denn getan muß es sein. Sonst zeigen die Menschen mit den Fingern auf die Kinder: »Die sind's, deren Vater seinen Bruder erschlug und auf dem Hochgericht oder im Zuchthause starb.« Und wo es längst vergessen ist, da dürfen sie sich nur zeigen, da wird es wieder wach; da deuten die Menschen wieder mit den Fingern und wenden mit Schaudern sich von ihnen ab. Das Vertrauen, das er von den Eltern erbt, ist das Kapital, womit der Mensch anfängt. Es muß ihm erwiesen werden, eh' er's hat verdienen können, damit er lernt, Vertrauen zu verdienen. Wer wird ihnen Vertrauen erweisen, die mit ihres Vaters Schande gezeichnet gehen? Wie sollen sie Vertrauen verdienen lernen? Mitten unter den Menschen von den Menschen ausgestoßen, müssen sie nicht werden, wie ihr Vater war? Und sein eigenes langes Leben voll Anstrengung, Ehre zu erwerben und zu bewahren, wird rückwärts angesteckt von des Sohnes Schmach. Die Kinder hält man für fähig zu tun, wie der Vater tat, und es kann kein ehrlicher Vater gewesen sein, der solchen Sohn hatte! Immer brennender glühte die Röte auf der eingefallenen Wange; die zusammengesunkene Brust richtete sich keuchend empor. Er machte unwillkürlich eine vordeutende Bewegung mit dem Arm. Fritz Nettenmair ahnte ihren Sinn und wollte sich aufraffen und wäre wieder umgesunken, stützte er sich nicht mit beiden Händen. So lag er auf den Händen und Knieen vor dem Alten, als er den Angstruf ausstieß: »Was willst du, Vater? Womit gehst du um?«

»Ich will sehn«, erwiderte der Alte mit pfeifendem Flüstern, »ob ich's tun muß oder ob du's tun wirst, was getan sein muß. Und getan muß es sein. Noch weiß niemand etwas, was zur Untersuchung führen kann vor den Gerichten, als ich, deine Frau und der Valentin. Für mich kann ich stehen, aber nicht für die, daß sie nicht verraten, was sie wissen. Wenn du jetzt herabfällst von der Rüstung, so daß die Leute meinen können, du bist ohne Willen verunglückt, dann ist die größte Schande verhütet. Der Schieferdecker, der verunglückt, steht vor der Welt als ein ehrlicher Toter, so ehrlich als der Soldat, der auf dem Schlachtfeld gestorben ist. Du bist solchen Tod nicht wert, Bankeruttierer. Dich sollte der Henker auf einer Kuhhaut hinausschleifen auf den Richtplatz, Schandbube, der du den Bruder umgebracht hast und hast vergiften wollen das zukünftige Leben der unschuldigen Kinder und mein vergangenes, das voll Ehre gewesen ist. Du hast Schande genug gebracht über dein Haus, du sollst nicht noch mehr Schande darüber bringen. Von mir sollen sie nicht sagen, daß mein Sohn, und von meinen Enkeln nicht, daß ihr Vater auf dem Blutgerüst oder im Zuchthaus gestorben ist. Du betest jetzt ein Vaterunser, wenn du noch beten kannst. Dann wendest du dich, als wolltest du wieder zu deiner Arbeit gehen, und trittst mit dem rechten Fuß über die Rüstung. Sag' ich, der Schreck über seines Bruders Unglück hat ihn schwindeln gemacht: mir glauben's die Gerichte und die Stadt. Das ist's, was ein Leben einbringt, das anders gewesen ist als deins. Tust du's nicht gutwillig, so stürz' ich mit dir hinab, und du hast auch mich auf deinem Gewissen. Die Leute wissen, ich leide an den Augen; ich bin gestrauchelt und hab' mich an dir anhalten wollen und hab' dich mitgerissen. Meines Lebens ist nach dem, was ich heut erfahren hab', keine Dauer mehr und kein Wert; ich bin am Ende, aber die Kinder fangen erst an. Und auf den Kindern soll keine Schande haften, so wahr ich Nettenmair heiße. Nun besinn' dich, wie es werden soll. Ich zähle fünfzehn Paar Schläge an dem Perpendikel dort.«

Fritz Nettenmair hatte mit wachsendem Entsetzen die Rede des Vaters gehört. Daß seine Tat noch nicht öffentlich bekannt war, gab ihm Hoffnung. Die Angst vor dem gedrohten Tode weckte einen Teil seiner Kräfte wieder. Er flüchtete sich wieder in seinen Trotz. Hastig sagte er, nachdem der Alte ausgeredet hatte: »Ich weiß nicht, was du willst. Ich bin unschuldig. Ich weiß nicht, was du da von Beilstichen sagst.« Er erwartete, der Vater würde auf seine Einwendungen eingehen, wenn auch erst ungläubig. Aber der Alte begann ruhig zu zählen: »Eins – Zwei« – »Vater«, fiel er ihm mit steigender Angst in das Zählen, und der Trotz seines Tones brach im Flehen, »hör' mich doch nur! Die Gerichte hören einen, und du hörst mich nicht. Ich will mich ja hinunterstürzen, weil du mich tot haben willst, ich will sterben, wenngleich unschuldig. Aber höre mich nur erst!« Der alte Herr entgegnete nicht; er zählte fort. Der Elende sah, sein Urteil war gesprochen. Der Vater glaubte nicht, was er auch sagen mochte; und er wußte, was der eigensinnige alte Mann sich einmal vorgenommen, das führte er unerbittlich aus. Er wollte sich darein ergeben, dann kam ihm der Gedanke, noch einmal zu flehen; dann fiel ihm ein: er konnte den Alten zurückwerfen und über ihn hin entfliehen, dann: er wollte sich anhalten, wenn der Alte sich an ihn hing, um nicht mitzustürzen. Das konnte ihm kein Mensch verdenken. Dazwischen sah er schaudernd, was ihn erwartete, wenn er floh und die Gerichte faßten ihn doch. Es war besser, er starb jetzt. Aber noch Schrecklicheres erwartete ihn über dem Tode drüben. Er sann zurück und lebte sein ganzes Leben im Augenblicke noch einmal durch, um zu finden, der ewige Richter konnte ihm verzeihen. Seine Gedanken verwirrten sich; er war bald dort, bald da und hatte vergessen warum. Er sah die Nebel sich ballen, in denen der Gesell verschwunden war, zugleich sah er zu den hellen Fenstern des Roten Adlers auf, es klang: »Da kommt er ja! Nun wird's famos!« Er stand an den Straßenecken und zählte, und die Bretter wollten unter Apollonius nicht brechen, die Stricke über ihm nicht reißen; er stand wieder vor der Frau und sagte, über des sterbenden Ännchens Bett gebeugt: »Weißt du, warum du erschrickst?« und holte aus zu dem unseligen Schlage! Selbst daß er vor dem Vater dalag und hin- und hersann in gräßlich-angstvoller Hast, kam ihm vorüberfliehend wie in einem Fiebertraum. Dann war's ihm, als käme er zu sich und unendliche Zeit sei vergangen zwischen dem Augenblick, wo der Vater die Perpendikelschläge zu zählen begonnen, und jetzt. Es müsse ja alles gut sein. Er müsse sich nur besinnen, ob er über den Vater hinweggeflohen oder ob er sich angehalten, als ihn der Vater mit hinunterreißen wollte. Aber da lag er noch, dort saß der Vater noch. Er hörte ihn Neun zählen und dann schweigen. Die Besinnung verließ ihn völlig.

Der alte Herr aber schwieg wirklich. Er zählte nicht mehr. Sein scharfes Ohr hörte einen eilenden Schritt auf der Treppe. Er griff nach dem Sohne und hielt ihn, wie um seiner gewiß zu sein, daß er ihm nicht entgehe. Er fühlte an der Kälte und Widerstandslosigkeit des Gliedes, das er gefaßt, es sei unnötig, den Sohn zu halten, er müsse ohnmächtig sein. Eine neue Sorge erwuchs ihm daraus. War der Sohn ohnmächtig, so mußte er, wenn möglich, das fremden Blicken entziehn. Auch diese Ohnmacht konnte den Verdacht entstehen oder wachsen machen. Er erhob sich und wandte sich von der Dachlucke nach dem Kommenden. Er war unschlüssig, sollte er die Lucke mit seinem Körper decken oder dem Kommenden entgegengehen. Der Geselle, den er vorhin nach Brambach geschickt – denn dieser war's, der so eilig kam –, hustete auf der Treppe. Den konnte er abhalten von der Rüstung; ja, er konnte ihm vielleicht den Anblick des darauf Liegenden entziehen, wenn er ihm entgegenging und ihn noch auf der Treppe abfertigte. So vielleicht gewisser, als wenn er vor der Lucke stehen blieb, da es wahrscheinlich war, er verdecke dieselbe doch nicht völlig. Jetzt fühlte der alte Herr erst, wie das, was er heute erfahren, seine Kräfte gelähmt. Aber der Gesell merkte nichts davon, als er den alten Herrn, an den Treppenbalken gelehnt, ihm den Weg versperren sah.

»Soll ich ihn herholen, Herr Nettenmair?« fragte der Gesell, indem er auf der Treppe stehen blieb.

»Wen?« fragte Herr Nettenmair dagegen. Er hatte Mühe, seine künstliche Ruhe zu bewahren. War der Gesell in Brambach gewesen, so konnte er nicht so ruhig sprechen, er mochte sprechen, von wem er wollte.

»Nun, er wird nunmehr daheim sein«, entgegnete der Gesell. Der alte Herr wiederholte seine Frage nicht; er mußte sich an dem Balken festhalten, an dem er lehnte. »Er war schon auf dem Wege«, fuhr der Geselle fort; »ich bin mit ihm bis ans Tor gegangen. Da hat er mich zum Blechschmied geschickt, ich sollte fragen, ob das Blechzeug endlich fertig wär'. Der Jörg sagte, er hätt's schon hingeschafft und käm' eben vom Turmdach von Sankt Georg, da hätt' er den alten Herrn Nettenmair hinaufgeführt. Da hab' ich gemeint, er wird noch oben sein; und weil's so eilig war, wollt' ich ihn fragen, ob ich vielleicht den Herrn Apollonius heraufschicken soll.«

Jetzt erst gelang's Herrn Nettenmair, den Balken, an dem er sich hatte festhalten müssen, herauf und herunter zu betasten, als habe er ihn nur umfaßt, um ihn zu untersuchen. Da er fühlte, seine Hände zitterten, gab er seine Untersuchung auf. Er sagte so grimmig, als er im Augenblicke vermochte: »Ich komme selbst hinunter. Wart' Er auf dem Absatz, bis ich Ihn rufe.« Der Gesell gehorchte. Herr Nettenmair schöpfte tief Atem, als er sich nicht mehr beobachtet wußte. Aus dem Atem ward ein Schluchzen. Jetzt, da der Seelenkrampf, in dem er sich seit Valentins Mitteilung befunden, sich zu lösen begann, trat erst der Vaterschmerz hervor, den die leidenschaftliche Anstrengung für die Ehre des Hauses bisher nicht zu Worte hatte kommen lassen. Er fand nun erst Zeit, das Unglück des rechtschaffenen Sohnes zu beweinen, als sich zeigte, es hatte ihn nicht getroffen. Aber es fiel ihm ein, der brave Sohn schwebt noch immer in der gleichen Gefahr, solang der schlimme sich in seiner Nähe befindet. Auch diesen Fall hatte er in seinem Plane vorgesehen und sich gesagt, was er dann tun müsse. Die bisherige Kraft, die nur eine angemaßte war, hätte ihn mit dem Krampfe verlassen, galt es nicht noch immer die Rettung des braven Sohnes und die Ehre seines Hauses. Er tastete sich nach der Dachlucke hin. Fritz Nettenmair war unterdes aus seiner Betäubung wieder erwacht, und es war ihm gelungen aufzustehen. Der alte Herr hieß ihn von der Rüstung hereintreten und sagte: »Morgen vor Sonnenaufgang bist du nicht mehr hier. Sieh, ob du in Amerika wiederum ein anderer Mensch werden kannst. Hier bist du in Schande und bringst Schande. Nach mir gehst du heim; Geld sollst du haben; du machst dich fertig. Du hast seit Jahren nichts für Weib und Kind getan; ich sorge für sie. Vor Tagesanbruch bist du auf dem Weg. Hörst du?«

Fritz Nettenmair wankte. Eben noch hatte er dem unausweichlichen Tode in die Augen gesehen; nun sollte er leben! Leben, wo niemand wußte, was er getan, wo ihn nicht jedes zufällige Geräusch mit dem Wahnbild des Häschers schrecken durfte. In diesem Augenblick fühlte er selbst das als ein Glück, daß er fern sein sollte von dem Weibe, um das er alles getan, was er getan, und in deren Anschauen er Tag für Tag alles mitsehen sollte, was er getan; die seine Tat wußte, von der jeder Blick eine Drohung war, ihn der Vergeltung zu überliefern. Es graute ihm vor dem Hause, in dem ihn stündlich alles erinnern mußte an das, was er unter dem fremden Himmel ganz zu vergessen hoffte, und sich vormachte, durch ein neues Leben abbüßen zu wollen. Am liebsten wäre er sogleich unmittelbar von der Stelle, wo er jetzt stand, dem Rettungshafen zugeeilt.

»Apollonius ist nicht gestürzt«, fuhr der Alte fort, und Fritz Nettenmairs ganzer neuer Himmel versank. Das alte Gespenst hatte ihn wieder in seinen Fäusten. Nun liebte er wieder das Weib, das zu fliehen er eben noch sich gefreut. Mit dem Gegenstande seines Hasses lebte der Haß und die Liebe wieder auf, und beide waren Höllenflammen. Er meinte, alles habe er gekonnt; Sterben war ein Scherz, lag nur auch der Nebenbuhler tot. Gewissensangst, das drohende Jenseits, alles war erträglich, nur eins nicht: sie in seinen Armen zu wissen. Der Alte hatte des Sohnes ja erwartet. »Du gehst!« sagte er, als dieser schwieg. »Du gehst! Du bist morgen vor Tag noch auf dem Weg nach Amerika, oder ich bin auf dem Weg in die Gerichte. Soll Schande sein, so ist's besser bloße Schande als Schande und Mord. Denk', ich hab's geschworen, und nun tu', was du willst.«

Der alte Herr rief den Gesellen herauf und ließ sich heimführen.

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